Wiederaufnahme nach allg. Verjährungsfrist - Vorsatz
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Ulrike Nussbaumer LL.M. M.B.L. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. REBERNIG & Partner Unternehmensberatung - Steuerberatungsgesellschaft m.b.H., Paulitschgasse 9, 9020 Klagenfurt am Wörthersee, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich je vom betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens die Umsatzsteuer 2005-2007 und die Umsatzsteuer 2005 -2007 betreffend (Steuernummer ***BF1StNr1*** ) zu Recht erkannt:
I. Erkenntnis
Der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme der Verfahren die Umsatzsteuer 2005-2007 betreffend wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Die angefochtenen Bescheide werden - ersatzlos - aufgehoben.
II. Beschluss
Die Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide 2005-2007 wird als unzulässig geworden zurückgewiesen.
III. Revisionsausspruch
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Zwischen den Parteien ist - soweit für das Beschwerdeverfahren von Bedeutung - die Frage strittig, ob die Beschwerdeführerin (in der Folge kurz: Bf.) bzw. deren Alleingesellschafter-Geschäftsführer vorsätzlich Abgaben hinterzogen hat und somit gemäß § 207 Abs. 2 BAO die Verjährungsfrist von zehn Jahren zur Anwendung gelangt.
Im Zuge einer bei der Bf. in den Jahren 2013-2015 durchgeführten Außenprüfung gemäß § 99 Abs. 2 FinStrG iVm §§ 147ff BAO unter anderem die Umsatzsteuer 2005-2007 betreffend, wurde die (hier strittige) Feststellung getroffen, dass Provisionen für die Vermittlung von Geschäftsanteilen gemäß § 6 Abs. 1 Z. 8 lit. g UStG 1994 erzielt worden seien. Dass die Vermittlung von Anteilen der wesentliche Inhalt der in Rechnung gestellten Leistungen gewesen sei, ergäbe sich - so die Betriebsprüfung - daraus, "dass das Entgelt nach der Zahl der Personen bemessen wurde, die letztlich als Anleger gewonnen werden konnten. Es besteht eine direkte Proportionalität zwischen der Anzahl der Anleger und der Höhe des vereinbarten Entgeltes. Entscheidendes Kriterium für den zu leistenden Geldbetrag ist der Umfang, in dem Rechtsgeschäfte über Geschäftsanteile abgeschlossen werden konnten. Es wurde ein Entgeltanspruch pro vermittelten Umsatz generiert." Die Umsatzsteuer (respektive Vorsteuern aus vorgelagerten Umsätzen) seien "wider besseres Wissen zu Unrecht geltend gemacht" worden, es läge somit - so das Resümee im Bp-Bericht vom - eine zumindest bedingte Abgabenverkürzung vor, weshalb die Verjährungsfrist für die strittige Abgabe gemäß § 207 Abs. 2 BAO zehn Jahre betrage; es werde somit die Wiederaufnahme der Verfahren für den Zeitraum 2005-2007 zu erfolgen haben.
Die belangte Behörde schloss sich der Rechtsauffassung der Betriebsprüfung an und nahm mit Bescheiden vom die Verfahren betreffend Umsatzsteuer 2005-2007 wieder auf; mit selben Datum wurden neue Sachbescheide unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Außenprüfung erlassen.
Mit Eingabe vom erhob die steuerlich vertretene Bf. gegen sämtliche Bescheide das Rechtsmittel der Beschwerde und monierte darin einerseits die Qualifikation der strittigen Leistungen als "Vermittlung", sowie andererseits die Bejahung des Tatbestandsmerkmales der Abgabenhinterziehung gemäß § 207 Abs. 2 BAO. Die Bf. sei "bisher immer (über alle Jahre deren Bestehens) von der Ustpflicht derer Leistungen ausgegangen, nämlich weil ust-rechtlich für Beratungs-und Betreuungsunternehmen für deren Leistungserbringung stets Ust-Pflicht besteht, wenn der Leistungsumfang, also die Arbeitsstunden durch qualifizierte steuerliche und betriebswirtschaftliche Beratung und Anlegerbetreuung, welche für die Lukrierung des Umsatzes der Bf. erforderlich sind (damit die Bf. das gegenständliche Einmalentgelt, welches im Bp-Bericht als unecht ustfrei eingestuft ist, als Umsatz erzielen konnte), entsprechend hoch ist. […] Damit stellt das Finanzamt mit den bekämpften Bescheiden Beratungsunternehmen, wie die Bf., welche nur auf einer Geschäftsgrundlage wie oben ausgeführt, für deren Klienten, die sich an Beteiligungsgesellschaften beteiligen, arbeiten und damit arbeitsintensiv ihr o.a.gedeckeltes Einmalentgelt verdienen, ust-rechtlich jenen Beteiligungsvermittlern gleich, welche (da ihnen die betriebswirtschaftliche und steuerliche Qualifikation fehlt und ihnen damit auch die solchen Aufgaben immanente Betreuungsverpflichtung fehlt) nahezu ohne jede Beratung und Betreuung und jedenfalls ohne kostenlose Betreuung auf Beteiligungslaufzeit, ihr wie o.a. gedeckeltes Einmalentgelt Geld verdienen." Auch werden von der Steuer befreite Umsätze durch die Art der erbrachten Dienstleistungen und nicht durch den Erbringer bzw. den Empfänger der Leistung definiert, wie aus dem Erkenntnis des "Ludwig" ersichtlich. Schließlich fehlten Sachverhaltsfeststellungen zur subjektiven Tatseite.
Am wurden die Beschwerden mit dem Hinweis, dass methodisch von einer bewussten Falscherklärung von Leistungen (gemeint: auf den Rechnungen) auszugehen sei, einerseits um die berufsrechtliche Problematik iZm Vermittlungsleistungen eines Steuerberaters zu umgehen, andererseits um steuerliche Effekte zu erzielen, abgewiesen. Diese Rechtsansicht sei auch durch Aussagen des Geschäftsführers der Rechnungsempfängerin bestätigt worden. Aufgrund der Vorgangsweise sei deshalb die Annahme gerechtfertigt, dass sich auch die Bf. mit einer Abgabenverkürzung im Bereich der Umsatzsteuer abgefunden habe. Die belangte Behörde unterstelle der Bf. - so in der BVE weiter - zumindest bedingt vorsätzliches Handeln. Der GF der Bf. habe einerseits vom Verbot der Vermittlungsgeschäfte aus standesrechtlicher Sicht gewusst, andererseits musste ihm das Ergebnis der Außenprüfung als des Steuerrechts kundige Person bekannt sein. Wenn vor diesem Hintergrund aus der unechten Steuerbefreiung von Vermittlungsleistungen keine Konsequenzen im Bereich des Vorsteuerabzuges gezogen wurden, dann sei davon auszugehen, dass die Bf. eine Verkürzung der Abgaben ernstlich für möglich gehalten und sich mit der Tatbildverwirklichung abgefunden habe.
Dagegen richtet sich der mit datierende Antrag, die Beschwerden dem Verwaltungsgericht vorzulegen; in einem wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung begehrt.
Die belangte Behörde legte die Beschwerden am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und verwies- soweit für das gegenständliche Verfahren von Relevanz - zur subjektiven Tatseite der Bf. darauf, dass vor dem Hintergrund der standesrechtlichen Vorschriften (WTBG) davon ausgegangen werden könne, dass die in den strittigen Urkunden enthaltene Leistungsbeschreibung bewusst und wissentlich gewählt wurde, um einem potentiellen Konflikt mit der standesrechtlichen Vertretung aus dem Weg zu gehen. Fakt sei, dass die Bf. pro vermittelten Umsatz einen bereits zuvor fix vereinbarten Prozentsatz (8 %) in Rechnung stellte. Bestätigt werde diese Tatsache vom ehemaligen Geschäftspartner, wonach die verrechneten Beträge nicht aufgrund der tatsächlich erbrachten Leistungen ermittelt, sondern die Vertriebskomponente laut den jeweiligen Projektvorlagen einfach durch die involvierten Personen aufgrund der vermittelten Anleger dividiert worden sei. Es werde von einer "absichtlich falschen Leistungsbeschreibung" auf den Rechnungen ausgegangen, und in weiterer Folge von der Abgabe "absichtlich falscher Umsatzsteuererklärungen der Jahre 2005-2007". Zumindest habe es die Bf. ernsthaft für möglich gehalten, dass ihr Verhalten nicht dem Umsatzsteuergesetz entspreche, und sich trotzdem mit der Abgabe der "falschen Umsatzsteuererklärungen" abgefunden. Auch hier könne allein aus den Leistungsbeschreibungen - in concreto des Fehlens der Vermittlungs-bzw. Provisionskomponente - abgeleitet werden, dass sich die Bf. sehr wohl Gedanken über die Textierung der Rechnungen gemacht habe. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung bzw. aus dem täglichen Geschäftsbetrieb sei es nämlich nicht nachvollziehbar, dass Leistungen, aus denen ein Anspruch auf Vergütung zu einem großen Teil erwächst, den Rechnungsinhalten nicht entnommen werden können. Die Schlussfolgerung davon sei, dass in der Abgabe der "falschen Umsatzsteuererklärungen" das erforderliche Verschulden der Bf. erblickt werden könne.
Am fand vor dem erkennenden Gericht ein Erörterungstermin statt, im Zuge dessen die Bf. ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückzog.
II. Sachverhalt
Die Bf. ist eine im Firmenbuch des Landesgerichtes Klagenfurt zu FN xxxxx eingetragene Kapitalgesellschaft mit dem Sitz in der politischen Gemeinde Klagenfurt und dem Geschäftszweig des Projektmanagements; als deren Alleingesellschafter-Geschäftsführer agiert seit dem Jahr 2004 der am xx.xx.xxxx geborene Herr A. In den Streitjahren fungierte Herr A darüber hinaus als Gesellschafter-Geschäftsführer der Dr. A mbH (FN xxxxxx des LG Klagenfurt als Firmenbuchgericht) und war in die Liste der Steuerberater eingetragen.
Am legte die Bf. an die B GmbH eine Rechnung mit folgendem wesentlichen Inhalt:
[...]
Am fakturierte die Bf. an die C GmbH einen Betrag in Höhe von gesamt Euro xxxxx (inklusive Euro xxxxx Ust) für die "Mitwirkung an der Konzeption und Projektierung des Projektes Sanierung Strasse Projektmanagement GmbH & CoKEG".
[...]
Die in den vorgenannten Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer wurde jeweils in den UVAen und den Jahreserklärungen offen gelegt; weiters machte die Bf. im Jahr 2005 Vorsteuern (im Zusammenhang mit vorgelagerten Umsätzen) im Gesamtbetrag von Euro xxxxx,
2006 in Höhe von Euro xxxxx und 2007 im Betrag von Euro xxxxx geltend.
Weder gegen die Bf. noch gegen deren Alleingesellschafter-GF bzw. den Geschäftspartner, Herr D, wurde ein Finanzstrafverfahren im Zusammenhang mit den geltend gemachten Vorsteuern eingeleitet bzw. geführt.
Es kann nicht festgestellt werden, ob sich die Bf. (bzw. deren Steuerberater und Alleingesellschafter-GF) im Zusammenhang mit der Geltendmachung der Vorsteuern im Rahmen der verfahrensgegenständlichen Veranlagungen einer vorsätzlichen Abgabenhinterziehung schuldig gemacht haben.
III. Beweiswürdigung
Der vorstehende Sachverhalt gründet auf nachfolgender Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Bf., deren Alleingesellschafter-Geschäftsführer sowie der steuerlichen Vertretung resultieren aus einer Einschau in das offene Firmenbuch, sowie den Angaben der steuerlichen Vertretung im Zuge des Erörterungstermins vom . Dass Herr A im Streitzeitraum nicht nur als Gesellschafter der Bf. agierte, sondern darüber hinaus auch als Steuerberater tätig war, ist im Übrigen zwischen den Parteien unstrittig.
Sowohl die erfolgten Rechnungs- und Gutschriftenlegungen, als auch deren Inhalt gehen unzweifelhaft aus den im Akt erliegenden Urkunden hervor.
Die Fakten der Erklärung der Umsatzsteuer, der Geltendmachung von Vorsteuern, bzw. deren Höhe ergeben sich einerseits aus einer Einschau des Gerichtes in den elektronischen Veranlagungsakt die Bf. betreffend und andererseits aus den Ausführungen des Betriebsprüfers im Zuge des Telefonates vom .
Dass keine Finanzstrafverfahren iZm den verfahrensgegenständlichen Vorsteuern geführt wurden, ergab eine Nachfrage des Gerichtes bei der belangten Behörde.
Die (Negativ-)Feststellung zum fehlenden Vorsatz der Bf. bzw. der steuerlichen Vertretung ergibt sich aus nachfolgenden Überlegungen: Eingangs ist festzuhalten, dass das Beweisverfahren vom Grundsatz der freien Beweiswürdigung beherrscht wird (§ 167 BAO). Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet, dass alle Beweismittel grundsätzlich gleichwertig sind und es keine Beweisregeln (keine gesetzliche Randordnung, keine formalen Regeln) gibt. Ausschlaggebend ist der innere Wahrheitsgehalt der Ergebnisse der Beweisaufnahmen. Nach ständiger Rechtsprechung genügt es, von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit oder gar die Gewissheit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten absolut oder mit Wahrscheinlichkeit ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt (Ritz, BAO- Kommentar, Tz.2 zu § 166, Tz. 6 und 8 zu § 167 mwN). All diese Prämissen vorausgeschickt, konnte vorsätzliches Verhalten aus folgenden Überlegungen nicht bejaht werden: Gemäß § 8 Abs. 1 FinStrG handelt nämlich vorsätzlich nur, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet, wobei die Begründung auch aufzuzeigen hat, daß der Täter den Verstoß gegen die Rechtsordnung erkannt hat (, ÖStZB 1997, 170; , 2003/13/0171). Der Täter muss also einerseits den Eintritt des verpönten Erfolges als naheliegend ansehen und anderseits bereit sein, diesen Erfolgseintritt in Kauf zu nehmen (vgl. wiederum ). Der Vorsatz, Abgaben zu verkürzen, tritt als innere Tatsache nach außen hin nicht selbst in Erscheinung (zB , ÖStZB 1993, 189; , 93/13/0018, VwSlg 7121/F = ÖStZB 1997, 414: "Profitstreben"; , 99/15/0127, 0131, ÖStZB 2004/530, 585; , 2004/15/0113, 2006/532, 639). Er kann deshalb in aller Regel nur im Wege mittelbarer Beweisführung aus äußeren Umständen erschlossen werden, konkret über den sog. Indizienbeweis (weiterführend Kotschnigg/Pohnert in Kotschnigg, Beweisrecht Einf Rz 172, § 167 Rz 74). Für die Beurteilung der Frage der "hinterzogenen Abgabe" gilt die Unschuldsvermutung und wegen der die Abgabenbehörde treffenden Beweislast für die Hinterziehung auch der Zweifelsgrundsatz als verfahrensrechtliche Richtschnur (, VwSlg. 7.802/F, mwN; Ritz, aaO, Rz 15 zu § 207). Aus dem Geschehenen lässt sich aber nicht mit der notwendigen Überzeugung ableiten, dass die Bf. bzw. ihr GF eine Abgabenhinterziehung ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hätten. Die belangte Behörde betont an mehreren Stellen, dass sich die subjektive Tatseite aus der zwar primär auf die Umgehung des Standesrechtes abzielenden unrichtigen Abfassung des Leistungsinhaltes der verfahrensgegenständlichen Urkunden ergäbe; Steuerberater unterlägen ja dem sog. "Provisionsannahmeverbot" (vgl. § 95 WTBG in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung). Unabhängig von der Frage, ob gegen dieses Verbot tatsächlich verstoßen wurde - die belangte Behörde hat keinerlei Ermittlungen in dieser Hinsicht vorgenommen, respektive nicht geprüft, ob gegen den Alleingeschäftsführer überhaupt disziplinäre Maßnahmen der zuständigen Kammer gesetzt wurden -, geht die belangte Behörde offenbar selbst davon aus, dass ein Konflikt mit dem Standesrecht das Motiv für die "falsche Leistungsbeschreibung" war. Sie konnte hingegen nicht überzeugend darlegen, weshalb die Bf. es aber gleichzeitig ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden haben sollte, sich in einem auch einer Abgabenhinterziehung durch unrechtmäßige Geltendmachung der Vorsteuern schuldig zu machen. Der (allfällige) Vorsatz, das Standesrecht zu umgehen umfasst nach Auffassung des Gerichtes nämlich nicht uno actu auch jenen, eine Abgabenhinterziehung zu begehen. Zumindest hegt das Gericht an dieser Argumentation erhebliche Zweifel, zumal die Umsatzsteuern selbst- wie das Beweisverfahren ergeben hat - ordnungsgemäß erklärt wurden und somit kein "klassischer" Fall einer Abgabenhinterziehung im Bereich der Vorsteuern vorliegt. Auch der Hinweis auf die Verantwortung des Geschäftspartners, Herrn Herr D, kann den Rechtsstandpunkt der belangten Behörde nicht zum Durchbruch verhelfen: Einerseits beziehen sich die Angaben laut NS vom auf das Projekt "Name", das nicht verfahrensgegenständlich ist, wie sich aus einer Zusammenschau zwischen der Eingangsfrage und dem Inhalt des darin zitierten Mails vom ergibt. Andererseits ist aus dessen Angaben schon deshalb nichts für die Frage der subjektiven Tatseite zu gewinnen, zumal Herr D lediglich bestätigt, dass die Diktion des Rechnungsinhaltes dem Berufsrecht der Steuerberater geschuldet war, was vom Gericht ohnedies als den Tatsachen entsprechend gewürdigt wurde.
Wenn die belangte Behörde darüber hinaus vermeint, dass der bedingte Vorsatz aus der beruflichen Stellung des AlleinGF resultiere, so ist dem folgendes entgegen zu halten: Wie aus dem Akt ersichtlich hat die Bf. die Form der monierten Leistungsbeschreibung offenbar über mehrere Jahre praktiziert, ohne, dass die belangte Behörde die Umsatzsteuererklärungen in irgendeiner Art und Weise beanstandet hätte. Erst durch eine Kontrollmitteilung einer anderen Dienststelle wurde eine Betriebsprüfung eingeleitet. Hält man sich in diesem Zusammenhang die Rechtsprechung des VwGH vor Augen, wonach etwa das Vertrauen eines Steuerberaters auf die Vollständigkeit der Angaben des von ihm Jahre hindurch vertretenen Steuerpflichtigen in Anlehnung an die bisher vom Finanzamt unbeanstandet gebliebenen Steuererklärungen kein schweres Verschulden bildet (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/14/0200 = Slg. 6665/F), hegt das Gericht (neuerliche) Zweifel an der Bejahung der subjektiven Tatseite. Berücksichtigt man darüber hinaus die Verantwortung der Bf., die nach wie vor der Ansicht ist, keine Vermittlungsleistungen erbracht und somit völlig korrekt gehandelt zu haben, so werden diese Zweifel verstärkt. Daran kann auch der Hinweis der belangten Behörde auf das Erkenntnis des (bestätigt durch 14) nichts zu ändern, zumal keine vergleichbaren Sachverhalte vorliegen: Die dortige Beschwerdeführerin - die in Österreich unbeschränkt steuerpflichtig war - verfügte über ein Depot bei einer Schweizer Bank, dessen Wert von ca. € 884.000 später nach Österreich übertragen wurde; dabei sei die Beschwerdeführerin davon ausgegangen, dass das Vermögen und die Erträgnisse daraus ausschließlich im Ausland steuerpflichtig seien, weshalb die Einkünfte nicht in die (inländischen) Steuererklärungen aufgenommen wurden. Die Verantwortung im Verfahren, dass ein den Vorsatz ausschließender Rechtsirrtum vorgelegen sei, überzeugte das Gericht im Wesentlichen deshalb nicht, da "es als abseits jeder Lebenserfahrung stehend angesehen werden muss, dass im Zuge der Beratung der Bank die steuerliche Behandlung der Erträge kein Thema gewesen wäre, zumal eine wirtschaftlich denkende Anlegerin nicht nur die erzielbaren Erträge, sondern auch die steuerliche Belastung in ihre Überlegungen mit einbezieht. Des weiteren ist es im Hinblick auf die seit vielen Jahren in den Medien bzw. in der Öffentlichkeit geführten Diskussion bezüglich der Besteuerung von Kapitaleinkünften aus in Liechtenstein, der Schweiz udgl. angelegtem Kapitalvermögen als allgemein bekannt vorauszusetzen, dass die Schweiz zu den Ländern gehört, in denen im Streitjahr aufgrund ihres strengen Bankgeheimnisses und die unter anderem dadurch bewirkte Abschirmwirkung gegenüber ausländischen Steuerbehörden Vermögen in großen Umfang angelegt wurde, um es dem Zugriff der inländischen Steuerbehörde zu entziehen bzw. die daraus resultierenden Erträge steuerschonend zu lukrieren. Jedenfalls sei dem Lenz, war die Besteuerung von ausländischen Kapitalerträgen immer wieder Thema in den Medien. Dass dies der Bf. entgangen wäre, obwohl sie selbst seit dem Jahr 2003 gemeinsam mit ihrem Ehegatten über ein Depot in der Schweiz verfügte, ist nicht plausibel. […] Ein vorsätzliches Handeln ausschließender Irrtum konnte damit nicht aufgezeigt werden." Im Zuge der Begründung der Revisionszurückweisung führt der VwGH weiters aus, dass es zwar zutreffend sei, dass (bloß) aus der Erstattung einer Selbstanzeige nicht auf Vorsatz zu schließen sei, und: "Die Selbstanzeige legte aber - unbestritten-den Vorgang der objektiven Hinterziehung offen, aus diesen unstrittigen äußeren Umständen der Tat können aber auch Schlüsse auf die subjektive Tatseite gezogen werden." Im Unterschied dazu sind im hier zu entscheidenden Fall einerseits (komplexere) umsatzsteuerrechtliche Fragen verfahrensgegenständlich, andererseits waren diese weder Gegenstand medialer Berichterstattung, noch hat die Bf. eine Selbstanzeige iSd § 29 FinStrG erstattet.
Nur der Grund alleine, dass es sich beim AlleinGF der Bf. um einen Steuerberater handelt, kann nicht gleichzeitig zur Bejahung des Vorsatzes führen (vgl. dazu etwa auch 00747/2020). Man mag der belangten Behörde zwar zugestehen, dass durch diese Tätigkeit der Sorgfaltsmaßstab erhöht wird, was jedoch nicht in einem bedeutet, dass jeder Verstoß eines Steuerberaters gegen steuerrechtliche Bestimmungen zur Bejahung der subjektiven Tatseite zu führen hat.
Schließlich ist nach Ansicht des Gerichtes auch auf § 9 FinStrG hinzuweisen, wonach dem Täter weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zugerechnet wird, wenn ihm bei der Tat ein entschuldbarer Irrtum unterlief, der ihn das Vergehen oder das darin liegende Unrecht nicht erkennen ließ; ist der Irrtum unentschuldbar, ist dem Täter Fahrlässigkeit zuzurechnen. Auch ein nicht entschuldbarer Rechtsirrtum schließt Vorsatz aus und bewirkt lediglich das Vorliegen von (grober) Fahrlässigkeit (). Eine nicht den geltenden und anzuwendenden Rechtsnormen entsprechende Geltendmachung von Vorsteuern stellt nach Ansicht des Gerichtes kein Vorbringen eines "wahrheitswidrigen Sachverhaltes" dar; auch in der Leistungsbeschreibung selbst ist ein solcher nicht erkennbar, sind doch - was zwischen den Parteien unstrittig ist - nicht ausschließlich Vermittlungsleistungen erbracht worden (vgl. zu einer rechtlich verfehlten Methode der AfA-Berechnung). Die diesem Vorgang auf Seiten der Bf. offenbar zugrundeliegende Rechtsauffassung, wonach eine Ust-Pflicht vorliegen würde, hat sich in der Folge in den unrichtigen Angaben in den Umsatzsteuererklärungen respektive der Geltendmachung von Vorsteuern manifestiert. Angesichts der Fachkenntnis, die bei einem Steuerberater im Wirtschaftsleben allgemein vorausgesetzt wird, würde - den Rechtsstandpunkt der belangten Behörde, wonach es sich um Vermittlungsleistungen handelt unterstellend - das fehlende Wissen um eine seit Jahren in Geltung stehende Rechtslage zweifellos einen besonders groben Sorgfaltsverstoß darstellen. Allerdings lässt sich aus dem Gewicht dieses Sorgfaltsverstoßes nicht zwingend ableiten, dass die Bf. bzw. ihr Steuerberater bei ihrem Handeln von der Absicht getragen waren, Abgaben zu hinterziehen. Daher ist der Bf. bzw. ihrem Steuerberater kein vorsätzliches Handeln vorzuwerfen. Untermauert wird diese Rechtsauffassung schließlich auch dadurch, dass - wie der Akteninhalt zeigt - die rechtliche Beurteilung (nämlich Vorliegen von unecht steuerbefreiten Vermittlungsleistungen) auch durch die belangte Behörde einiger Recherchen, Rücksprachen und Zeit bedurfte, respektive auch für sie die Rechtslage "nicht so klar war".
Insgesamt konnte sohin - aufgrund der zuvor aufgezeigten Zweifel - nicht festgestellt werden, ob sich die Bf. (bzw. deren Steuerberater und Alleingesellschafter-GF) im Zusammenhang mit der Geltendmachung der Vorsteuern im Rahmen der verfahrensgegenständlichen Veranlagungen einer vorsätzlichen Abgabenhinterziehung schuldig gemacht haben.
IV. Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 323 b Abs. 1 BAO idF BGBl. I 2020/99 tritt das Finanzamt Österreich am an die Stelle des jeweils am zuständig gewesenen Finanzamtes. Partei des Verfahrens ist nunmehr das Finanzamt Österreich als belangte Behörde, deren Bezeichnung war somit im Spruch entsprechend richtig zu stellen.
a. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Die Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens kann von Amts wegen unter anderem dann verfügt werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorgekommen sind und deren Kenntnis allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte (§ 303 Abs. 1 lit b BAO). Nach Eintritt der Verjährung ist eine Wiederaufnamhe des Verfahrens nach § 304 BAO (idF FVwGG 2012, BGBl I 2013/14) nur zulässig, wenn der Wiederaufnahmsantrag vor Eintritt der Verjährung eingebracht ist.
Die für die Festsetzung der Umsatzsteuer maßgebliche Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre. Insoweit eine Abgabe hinterzogen wurde, beträgt die Verjährungsfrist zehn Jahre (§ 207 Abs. 2 BAO). Diese Verlängerung der Verjährungsfrist setzt eine Hinterziehung von Abgaben im Sinn des § 33 Abs. 1 FinStrG voraus. Der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt. Eine (allenfalls auch grob) fahrlässige Abgabenverkürzung (§ 34 FinStrG) bewirkt keine Verlängerung der Verjährungsfrist.
Da keine finanzstrafbehördliche oder gerichtliche Entscheidung hinsichtlich einer allfälligen Abgabenhinterziehung vorliegt, war die belangte Behörde zu diesbezüglichen Feststellungen berechtigt. Entgegen ihrer Würdigung ist der Bf. bzw. ihrem Steuerberater hinsichtlich der Geltendmachung von Vorsteuern nicht vorsätzliches, sondern (allenfalls) bloß grob fahrlässiges Handeln vorzuwerfen. Daher hat sich die Bf. keiner Hinterziehung von Abgaben schuldig gemacht.
Die Bf. hat die Umsatzsteuererklärung für 2005 am eingereicht; der Bescheid datiert mit . Die Verjährung das Jahr 2006 betreffend ist angesichts dieser Verlängerungshandlung (§ 209 Abs. 1 BAO) mit Ablauf des Jahres 2011 eingetreten. Für 2006 langte die Erklärung am ein, der Jahresbescheid trägt dasselbe Datum; Verjährung trat somit am ein. Schließlich wurde die Erklärung 2007 am eingereicht und der Bescheid am erlassen. Die Verjährung für das Jahr 2008 trat somit mit Ablauf des Jahres 2013 ein. Die Wiederaufnahme der Verfahren am ist somit jeweils außerhalb der (allgemeinen, fünfjährigen) Verjährungsfrist des § 207 Abs. 2 erster Satz BAO erfolgt, weshalb der Beschwerde Folge zu geben war.
b. Zu Spruchpunkt II (Zurückweisung)
Gemäß § 307 Abs. 3 BAO tritt durch die Aufhebung des die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügenden Bescheides das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor seiner Wiederaufnahme befunden hat. Daher scheiden die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide die Jahre 2005 bis 2007 betreffend ex lege aus dem Rechtsbestand aus (Ritz, BAO, Rz 8 zu § 307 mit Judikaturhinweisen). Die Beschwerde richtet sich somit gegen nicht mehr existente Bescheide und war daher zurückzuweisen.
c. Zu Spruchpunkt III. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine derartige Rechtsfrage liegt gegenständlich nicht vor: Entscheidungswesentlich waren Fragen der Beweiswürdigung die der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich nicht zugänglich sind; ob sohin die Beweiswürdigung im Zusammenhang mit der subjektiven Tatseite materiell richtig ist, dass die Ergebnisse mit der objektiven Wahrheit übereinstimmen, entzieht sich der Prüfung durch den Verwaltungsgerichtshof (vgl. ); eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (), weshalb insgesamt die ordentliche Revision für nicht zulässig zu erklären war.
Klagenfurt am Wörthersee, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 9 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 8 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 33 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 6 Abs. 1 Z 8 lit. g UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Schlagworte | Wiederaufnahme subjektive Tatseite Verjährung |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.4100672.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at