Pendlerpauschale - Vorsatz
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***Stb***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes ***2*** (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer 2007, Einkommensteuer 2008, Einkommensteuer 2009 und Einkommensteuer 2010, zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden - ersatzlos - aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Nach einer von der Abgabenbehörde durchgeführten Außenprüfung für den Zeitraum 2007 bis 2015 setzte die Abgabenbehörde die Einkommensteuer 2007 bis 2010 erstmalig mit Bescheiden vom fest. In diesen wurde das bisher bezogene große Pendlerpauschale aberkannt. Begründend führte die Abgabenbehörde aus, dass gemäß § 207 Abs. 2 BAO die zehnjährige Verjährungsfrist aufgrund der Hinterziehung der Einkommensteuer anwendbar sei.
Dagegen brachte der Beschwerdeführer Beschwerde ein. Im Wesentlichen wurde die Beschwerde damit begründet, dass kein vorsätzliches Verhalten vorliege und somit keine Abgabenhinterziehung begangen wurde. Demzufolge sei bereits Verjährung eingetreten.
Die Abgabenbehörde wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom ab.
Dagegen richtete sich der Vorlageantrag des Beschwerdeführers, in dem eine mündliche Verhandlung vor dem gesamten Senat beantragt wurde.
Die Abgabenbehörde legte den Akt am dem Bundesfinanzgericht vor.
Am fand ein Erörterungstermin statt, bei dem der Beschwerdeführer in Anwesenheit der steuerlichen Vertretung den Antrag auf mündliche Verhandlung vor dem Senat zurückzog.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Festgestellter Sachverhalt
Der Beschwerdeführer ist seit Februar 1997 bei der MA ***1*** beschäftigt.
Der Beschwerdeführer erwarb Ende 1997 eine Wohnung in ***W***. Diese Wohnung wurde im Jahr 2014 veräußert. Der Lebensmittelpunkt befand sich in den streitgegenständlichen Jahren in ***W***. Aufgrund der Hauptwohnsitzbefreiung fiel beim Verkauf der Wohnung keine Immobilienertragsteuer an.
Im zentralen Melderegister war der Beschwerdeführer von 1974 bis laufend an der Adresse ***Bf1-Adr*** mit Hauptwohnsitz gemeldet. Es erfolgte keine polizeiliche Meldung in ***W***.
Am gemeldeten Hauptwohnsitz befindet sich eine Landwirtschaft, die in den streitgegenständlichen Jahren noch vom Vater des Beschwerdeführers bewirtschaftet wurde.
Der Beschwerdeführer fuhr in den streitgegenständlichen Jahren zur Unterstützung seines Vaters mehrmals (überwiegend am Wochenende) zu seinem Hauptwohnsitz.
Das Formular L 34 (Erklärung zur Berücksichtigung des Pendlerpauschales) enthält keine Unterschrift des Beschwerdeführers.
Das große Pendlerpauschale wurde im Lohnzettel erstmals 1998 berücksichtigt. Der Beschwerdeführer erhielt von 1998 bis 2011 das große Pendlerpauschale zwischen der Wohnung in ***E*** und seiner Arbeitsstätte in ***W*** (Arbeitgeber ***1***).
Der Beschwerdeführer reichte erstmalig eine Steuererklärung betreffend Einkommensteuer 2013 im Jahr 2015 bei der Abgabenbehörde ein.
2. Beweiswürdigung
Sowohl in dem Schreiben des steuerlichen Vertreters vom als auch in der Beschwerde führt der Beschwerdeführer aus, dass die Wohnung in ***W*** seinen Hauptwohnsitz darstellte. Aufgrund der örtlichen Nähe zur Arbeitsstätte ist glaubwürdig, dass der Beschwerdeführer in ***W*** seinen Lebensmittelpunkt hatte und von dort überwiegend seinen Arbeitsweg bestritten hat. Dem ist die Abgabenbehörde auch nicht entgegengetreten.
Aus der Aktenlage und aus der Abfrage im System der Finanzverwaltung ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer in den streitgegenständlichen Jahren keine Veranlagung der Einkommensteuer durchgeführt hat.
Das im Akt aufliegende Formular betreffend die Beantragung des Pendlerpauschales (L 34) ist ohne Datum und weist lediglich die Unterschrift einer "Frau ***S***" (Personalreferentin) auf. Das Formular wurde vom Beschwerdeführer nicht unterfertigt.
Der Beschwerdeführer führte während des Erörterungstermins aus, dass es in der Retrospektive zwar möglich gewesen sei, dass im Büro über das Pendlerpauschale gesprochen wurde, er aber nie das Pendlerpauschale aktiv beantragt habe. Er habe sich nie mit dem Thema Steuern befasst und auch die Lohnzettel nie genauer angesehen.
Die Aussage des Beschwerdeführers ist glaubhaft, va auch im Hinblick darauf, dass er in den streitgegenständlichen Jahren nie eine Veranlagung der Einkommensteuer durchgeführt hat. Das Pendlerpauschale wurde erstmals im Jahr 1998 vom Arbeitgeber berücksichtigt. Eine monetäre Steigerung des Gehalts (auch im Hinblick auf das Magistrat als Arbeitgeber) entspricht durchaus der Lebenserfahrung, weshalb es glaubwürdig ist, das dem Beschwerdeführer diesbezüglich nichts aufgefallen ist.
Darüber hinaus ist das Formular von ihm nicht unterschrieben und konnte auch sonst kein von ihm gestellter Antrag vorgelegt werden.
Im Übrigen sind die obigen Sachverhaltsfeststellungen aktenkundig bzw ergeben sich diese aus den glaubwürdigen Ausführungen des Beschwerdeführers.
Vor diesem Hintergrund können die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen angenommen werden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
Gem. § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 sind Werbungskosten auch Ausgaben des Steuerpflichtigen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Für die Berücksichtigung dieser Aufwendungen gilt: a) diese Ausgaben sind bei einer einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bis 20km grundsätzlich durch den Verkehrsabsetzbetrag abgegolten; b) beträgt die einfache Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte, die der Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend zurücklegt, mehr als 20km und ist die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zumutbar, dann werden zusätzlich Pauschbeträge abhängig von der Fahrtstrecke berücksichtigt; c) ist dem Arbeitnehmer im Lohnzahlungszeitraum überwiegend die Benützung eines Massenbeförderungsmittels zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zumindest hinsichtlich der halben Fahrtstrecke nicht zumutbar, dann werden anstelle der Pauschbeträge nach lit. b höhere Pauschbeträge abhängig von der Fahrtstrecke berücksichtigt.
Der Beschwerdeführer hat in den streitgegenständlichen Jahren 2007 bis 2010 das große Pendlerpauschale für die Fahrten zwischen ***E*** und ***W*** bezogen, obwohl sein Lebensmittelpunkt in ***W*** war.
Die Abgabenbehörde hat daraufhin mit Bescheiden vom betreffend die Einkommensteuer 2007 bis 2010 erstmalig festgesetzt und das Pendlerpauschale nicht gewährt.
Nach § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, der Verjährung. Die Verjährungsfrist beträgt nach § 207 Abs. 2 BAO - abgesehen von den dort angeführten, im Beschwerdefall nicht maßgeblichen Ausnahmen - fünf Jahre, soweit eine Abgabe hinterzogen ist, zehn Jahre.
Die Verjährung beginnt in den Fällen des § 207 Abs. 2 BAO mit dem Ablauf des Jahres, indem der Abgabenanspruch entstanden ist (§ 208 Abs. 1 lit. a BAO), im vorliegenden Fall sohin mit dem Ablauf der Jahre 2007, 2008, 2009 und 2010.
Nach § 209 Abs. 1 BAO verlängert sich die Verjährungsfrist um ein Jahr, wenn innerhalb der Verjährungsfrist (§ 207) nach außen erkennbare Amtshandlungen zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommen werden. Die Verjährungsfrist verlängert sich jeweils um ein weiteres Jahr, wenn solche Amtshandlungen in einem Jahr unternommen werden, bis zu dessen Ablauf die Verjährungsfrist verlängert ist.
Im vorliegenden Fall ist keine Verlängerungshandlung erfolgt. Sohin wäre die fünfjährige Verjährungsfrist, mit Ende der Jahre 2012, 2013, 2014, 2015 abgelaufen und die angefochtenen Bescheide wären nach Eintritt der Verjährung erlassen worden.
Im Falle einer Abgabenhinterziehung wären die Einkommensteuerbescheide 2007 bis 2010 noch innerhalb offener Verjährungsfrist erlassen worden.
Wenn - wie hier - keine finanzstrafrechtliche Entscheidung über die Hinterziehung vorliegt, ist im Abgabenverfahren über die Hinterziehung als Vorfrage zu entscheiden (, mwN). Der Tatbestand der hinterzogenen Abgabe im Sinne des § 207 Abs 2 BAO ist nach § 33 FinStrG zu beurteilen. (/13/0007, , ).
Gemäß § 33 Abs. 1 FinStrG macht sich der Abgabenhinterziehung schuldig, wer vorsätzlich unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht eine Abgabenverkürzung bewirkt.
Eine Abgabenverkürzung nach Abs 1 oder Abs 2 ist gemäß § 33 Abs 3 lit a FinStrG bewirkt, mit Bekanntgabe des Bescheides oder Erkenntnisses, mit dem bescheidmäßig festzusetzende Abgaben zu niedrig festgesetzt wurden oder wenn diese infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde von der Entstehung des Abgabenanspruches mit dem Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist (Anmeldefrist, Anzeigefrist) nicht festgesetzt werden konnten.
Gemäß § 8 Abs 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.
Nach § 98 Abs 3 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Verfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache erwiesen ist oder nicht; bleiben Zweifel bestehen, so darf die Tatsache nicht zum Nachteil des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten als erwiesen angenommen werden.
Die für den Bestand und Umfang einer Abgabepflicht oder für die Erlangung abgabenrechtlicher Begünstigungen bedeutsamen Umstände sind gemäß § 119 Abs 1 BAO vom Abgabepflichtigen nach Maßgabe der Abgabenvorschriften offenzulegen. Die Offenlegung muss vollständig und wahrheitsgemäß erfolgen.
Der Offenlegung dienen gemäß § 119 Abs 2 BAO insbesondere die Abgabenerklärungen, Anmeldungen, Anzeigen, Abrechnungen und sonstige Anbringen des Abgabepflichtigen, welche die Grundlage für abgabenrechtliche Feststellungen, für die Festsetzung der Abgaben, für die Freistellung von diesen oder für Begünstigungen bilden oder die Berechnungsgrundlagen der nach einer Selbstberechnung des Abgabepflichtigen zu entrichtenden Abgaben bekanntgeben.
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer unberechtigter Weise das Pendlerpauschale in den streitgegenständlichen Jahren in voller Höhe bezogen, obwohl sein Wohnsitz und sein Lebensmittelpunkt in ***W*** gewesen sind. Er hat den Wechsel seines Wohnsitzes nicht bekannt gegeben.
Die Abgabenbehörde setzte nach erfolgten Feststellungen der Außenprüfung die Einkommensteuer für die Jahre 2007 bis 2010 erstmalig fest. Dabei wurde das Pendlerpauschale (das bisher vom Arbeitgeber im Lohnzettel berücksichtigt wurde) nicht mehr gewährt.
Das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung zählt zu den Erfolgsdelikten, weil sein Tatbild auf den Eintritt einer Abgabenverkürzung abgestellt ist, welche bei bescheidmäßig festzusetzenden Abgaben dann als bewirkt gilt, wenn die Abgaben nicht oder verkürzt festgesetzt werden. Das Tatbild ist also auf die Herbeiführung eines Erfolges, der Verkürzung der Abgabe entweder durch aktives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen abgestellt. (Vgl Fellner Kommentar zum Finanzstrafgesetz, § 33, Rz 4b, , ).
Wesentliches Tatbestandselement der Abgabenhinterziehung iSd § 33 FinStrG ist auch, dass die Abgabenverkürzung unter Verletzung einer Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht bewirkt wird, wobei die Offenlegung abgabenrechtlich bedeutsamer Umstände in einem konkreten, ein bestimmtes Veranlagungsjahr betreffenden Verfahren zu erfolgen hat. (Vgl Fellner, Kommentar zum Finanzstrafgesetz, § 33 Rz 17 ff, , ).
Die Erfüllung der steuerlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht gemäß § 119 BAO dient dazu, der Abgabenbehörde die näheren Umstände und die Einzelheiten des jeweils verwirklichten Steuertatbestandes so mitzuteilen, dass die Abgabe bemessen werden kann. Erst auf Grund der wahrheitsgemäßen Offenlegung der steuerlichen Verhältnisse kann über das Bestehen oder Nichtbestehen des Steueranspruches dem Grunde und der Höhe nach vom Finanzamt entschieden werden. Vollständig und wahrheitsgemäß offenlegen im Sinne des § 119 BAO heißt, der Abgabenbehörde ein richtiges, vollständiges und klares Bild von den für die Abgabenerhebung maßgeblichen Umständen zu verschaffen. Der Abgabepflichtige hat sohin auch bei der Ermittlung des Sachverhaltes aktiv mitzuwirken und die für den Bestand und Umfang der Abgabepflicht bedeutsamen Umstände vollständig und wahrheitsgemäß darzulegen, und zwar ungeachtet der amtswegigen Ermittlungspflicht nach § 115 BAO (vgl , ).
Aus § 1 FinStrG geht ausdrücklich hervor, dass die Begehung eines Finanzvergehens durch Unterlassung einem positiven Tun gleichwertig ist.
Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer den Wechsel seines Wohnsitzes nach ***W*** und Verlegung seines Lebensmittelpunktes und somit den Wegfall der Voraussetzung für das Pendlerpauschale dem Arbeitgeber nicht bekannt gegeben. Der Beschwerdeführer kam somit seiner Offenlegungspflicht nicht nach und erfüllte das objektive Tatbild der Abgabenverkürzung im Sinne des § 33 Abs 1 FinStrG.
Eine Abgabenhinterziehung liegt jedoch nicht schon bei einer objektiven Abgabenverkürzung vor, sondern erfordert Vorsatz. Eine Abgabenhinterziehung im Sinne des § 33 FinStrG kann somit erst als erwiesen gelten, wenn - in nachprüfbarer Weise - auch der Vorsatz feststeht (vgl , , , ).
Vorsätzlich handelt nach § 8 Abs. 1 FinStrG, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet. Die letztgenannte Verschuldensform wird als bedingter Vorsatz oder Eventualvorsatz (dolus eventualis) bezeichnet.
Eine vorsätzliche Steuerhinterziehung kann nur angenommen werden, wenn der Vorsatz alle Tatumstände erfasst; dies gilt auch für den bedingten Vorsatz. Der Täter muss wissen und wollen, dass er eine abgabenrechtliche Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht verletzt und dass diese Pflichtverletzung zur Abgabenverkürzung führt. Bei Verletzungsdelikten hat sich das Bedenken und Beschließen auf den tatbildmäßigen Erfolg zu beziehen. Hingegen reicht das Wissen des Abgabepflichtigen um seine abgabenrechtlichen Verpflichtungen einerseits und deren Unterlassung andererseits allein noch nicht hin, unter allen Umständen auf eine mit Vorsatz begangene Tathandlung zu schließen. Aus dem Gesamtbild muss ein eindeutiger Beweis für das Vorliegen des Vorsatzes im Hinblick auf alle Merkmale des Tatbestandes sowie auf alle einzelnen, dem Abgabepflichtigen zur Last gelegten Tathandlungen hervorgehen (vgl. Fellner, Kommentar zum Finanzstrafgesetz, § 33 Rz 27, , ).
Vorsätzliches Handeln beruht nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwar auf einem nach außen nicht erkennbaren Willensvorgang, ist aber aus dem nach außen in Erscheinung tretenden Verhalten des Täters zu erschließen, wobei sich die diesbezüglichen Schlussfolgerungen als Ausfluss der freien Beweiswürdigung erweisen (, , , ).
Für das Vorliegen des Tatbestandes der Abgabenhinterziehung ist daher entscheidend, ob neben einer (objektiven) Abgabenverkürzung ausreichend festgestellte Sachverhaltselemente den Schluss auf eine zielgerichtete subjektive Einstellung des Täters zulassen. Die Ermittlung des nach außen nicht erkennbaren Willensvorganges anhand seines nach außen in Erscheinung tretenden Verhaltens unter Berücksichtigung aller sonstigen Sachverhaltselemente stellt einen Akt der Beweiswürdigung dar (, ).
Die in § 98 Abs 3 FinStrG normierte Beweiswürdigung hat nach allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen und den Gesetzen logischen Denkens zu erfolgen (vgl Fellner, Kommentar zum Finanzstrafgesetz, § 98 Rz 14, ).
Dabei sind an die zum Beweis einer Tatsache erforderliche Wahrscheinlichkeit hohe Anforderungen zu stellen. Der Grad der Wahrscheinlichkeit der erreicht sein muss, um eine Tatsache als wahr (feststehend) anzusehen bzw den (bedingten) Vorsatz als erwiesen anzusehen, ist im Strafverfahren höher als im Steuerverfahren. So genügt im BAO-Verfahren die größte Wahrscheinlichkeit, also ein Überzeugungsgrad von knapp über 50%, während es für Zwecke des FinStrG der vollen Überzeugung des Richters bedarf, also eines Überzeugungsgrades, bei dem "nur wenige Promille zur Hundertprozentgrenze" fehlen (vgl. Kotschnigg/Pohnert in Tannert/Kotschnigg/Twardosz, FinstrG, § 98 Rz 5 und Rz 58, ).
Nach dem zweiten Halbsatz des § 98 Abs 3 FinStrG darf, wenn Zweifel bestehen bleiben, die Tatsache nicht zum Nachteil des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten als erwiesen angenommen werden. Damit wurde die in Art 6 Abs 2 EMRK festgelegte Unschuldsvermutung auch als Beweisregel in das FinStrG übernommen. Nach der Beweiswürdigung verbleibende Zweifel müssen zu Gunsten des Beschuldigten wirken (vgl. Fellner, Kommentar zum Finanzstrafgesetz, § 98 Rz 23, , ).
Für die Beurteilung der "hinterzogenen Abgabe" gilt also die Unschuldsvermutung und wegen der die Abgabenbehörde treffenden Beweislast für die Hinterziehung auch der Zweifelsgrundsatz als verfahrensrechtliche Richtschnur (, ).
Im Jahr 1997 hat der Beschwerdeführer eine Wohnung in ***W*** käuflich erworben. Der Beschwerdeführer gibt selber an, dass er gegen Ende des Jahres 1997 diese Wohnung auch bezogen hat und auch seinen Lebensmittelpunkt nach ***W*** verlegt hat. Dies hat er auch im Zuge des Erörterungstermins nachdrücklich ausgeführt.
Das Pendlerpauschale wurde erstmals im Jahr 1998 berücksichtigt. Im Akt wurde zwar ein diesbezügliches Formular (L 34) vorgefunden, das Formular wurde aber nicht vom Beschwerdeführer unterfertigt. Im Zuge des Erörterungstermins führt der Beschwerdeführer zwar aus, dass es möglich sei, dass im Büro über das Pendlerpauschale und eine diesbezügliche Beantragung gesprochen wurde, er allerdings nie aktiv einen diesbezüglichen Antrag beim Arbeitgeber gestellt habe. Ein Nachweis, dass der Beschwerdeführer einen Antrag gestellt hat, konnte nicht erbracht werden.
Der Beschwerdeführer hat erstmalig betreffend die Einkommensteuer 2013 eine Einkommensteuererklärung im Jahr 2015 abgegeben. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden keine Einkommensteuererklärungen abgegeben. Es ist daher glaubwürdig, dass sich der Beschwerdeführer bis zu diesem Zeitpunkt nicht näher mit dem Thema "Steuer" befasst hat. Auch ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer seine Lohnzettel, auf denen das Pendlerpauschale ausgewiesen wurde, nie einer näheren Betrachtung unterzogen hat, va wenn er keine Veranlagung durchgeführt hat.
In der Gesamtschau kann somit nicht als erwiesen angenommen werden, dass der Beschwerdeführer durch die Nichtmeldung seines Wohnsitzwechsels bei seinem Arbeitgeber und dadurch Weiterbezug des Pendlerpauschales zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt hat. Die verlängerte Verjährungsfrist des § 207 Abs 2 BAO kommt daher gegenständlich nicht zur Anwendung.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Frage, ob im gegenständlichen Fall vorsätzliches Verhalten vorliegt, wurde auf Grundlage der im Erkenntnis angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und ist eine auf Ebene der Sachverhaltsermittlung und Beweiswürdigung zu lösende Tatfragen, die zu keiner Lösung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung führen.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 207 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 207 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 33 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100783.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at