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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 27.04.2022, RV/5100203/2022

1. Keine Gewährung der Familienbeihilfe an Studierende bei Überschreiten der vorgesehenen Studienzeit und danach vorliegenden weiteren Verzögerungen aufgrund der Covid 19 Pandemie 2. Auch keine Gewährung der Familienbeihilfe an Studierende gemäß § 15 Abs. 1 FLAG "in die Vergangenheit"

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/5100203/2022-RS1
Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 15 Abs. 1 FLAG 1967 finden die während des Zeitraumes März 2020 bis Februar 2021 vorliegenden Anspruchsvoraussetzungen lediglich im unmittelbaren Anschluss an den Anspruchszeitraum bis März 2021 in Bezug auf dieses Kind weiter Anwendung. Somit bewirkt der Anspruch auf Familienbeihilfe in zumindest einem Monat im in § 15 Abs. 1 FLAG 1967 genannten Zeitraum einen weiteren Anspruch in die Zukunft („im unmittelbaren Anschluss an den Anspruchszeitraum“) bis März 2021, jedoch nicht für die Vergangenheit.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Anna Zangerl-Reiter in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend die Zuerkennung der Familienbeihilfe für den Zeitraum Oktober 2019 bis Dezember 2020, Steuernummer ***BfStNr***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Mit dem Formular Beih 100 beantragte die Beschwerdeführerin am für ihren Sohn ***T*** die Zuerkennung der Familienbeihilfe ab dem und gab als Grund "Masterstudium" an. Dem Antrag legte sie das Abschlusszeugnis des Bachelorstudiums ***X*** vom der Johannes Kepler Universität Linz, die Studienbestätigung für das Sommersemester 2021 für das ordentliche Masterstudium ***X*** sowie eine Bestätigung des Studienerfolges für das Bachelorstudium ***X*** bei.

2. Mit Bescheid vom wurde der Antrag auf Familienbeihilfe für den Zeitraum Oktober 2019 bis Dezember 2020 abgewiesen. Begründend führte das Finanzamt zu ihrem Sohn ***T*** aus, Familienbeihilfe stehe für volljährige Studierende zu, wenn das Kind das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuche, ordentlicher Studierender sei und sich innerhalb der vorgesehenen Studienzeit befinde. Diese Voraussetzungen würden beim Kind der Beschwerdeführerin nicht zutreffen.

3. Gegen den Abweisungsbescheid erhob die Beschwerdeführerin am Beschwerde. Der Sohn habe alle für den Bachelorabschluss notwendigen Prüfungen bis zum absolviert, die Bachelorarbeit habe sich zu diesem Zeitpunkt in einem bereits fortgeschrittenen Stadium befunden. Aufgrund der ab Mitte März 2020 geltenden Corona Maßnahmen an der Johannes Kepler Universität sei ein zügiger Abschluss des Bachelorstudiums, um die Voraussetzungen für die Familienbeihilfe wieder zu erfüllen, plötzlich unmöglich gewesen, da am Institut für elektrische Antriebe und Leistungselektronik Zutrittsbeschränkungen gegolten hätten und die für den Abschluss der Bachelorarbeit notwendigen Tätigkeiten nur erschwert und innerhalb enger Zeitfenster erst ab Anfang Juli wieder durchgeführt werden hätten können. Am sei das Bachelorstudium abgeschlossen worden. Die Beschwerdeführerin beantrage daher, die Voraussetzung für die Familienbeihilfe entsprechend zu berücksichtigen.

4. Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen. ***T*** habe mit dem Bachelorstudium ***X*** an der Johannes Kepler Universität Linz im Wintersemester 2015/16 begonnen. Bei einer gesetzlichen Studiendauer von sechs Semestern und zwei Toleranzsemestern sei die höchstzulässige Studiendauer somit 09/2019. Die Familienbeihilfe stehe daher von Oktober 2019 bis Dezember 2020 nicht zu.

5. Im Vorlageantrag vom wiederholte die Beschwerdeführerin ihr Beschwerdevorbringen und ergänzte, sie bitte um Auszahlung der Familienbeihilfe von März bzw. Juni 2020 bis Dezember 2020, da es nicht das Verschulden ihres Sohnes gewesen sei, dass er das Bachelorstudium erst im Jänner 2021 anstatt im Juni 2020 abgeschlossen habe. Es habe zu dieser Zeit eine Regelung gegeben, dass die Familienbeihilfe für Studierende, die im Sommersemester 2020 Anspruch auf Familienbeihilfe gehabt hätten, automatisch bis März 2021 weiter ausbezahlt werde.

6. Das Finanzamt beantragte im Vorlagebericht die Abweisung der Beschwerde, da die höchstzulässige Studiendauer mit September 2019 geendet habe. Nachträgliche Verzögerungen im Studium durch Corona Maßnahmen ab März 2020 könnten zu keinem Familienbeihilfenanspruch führen. Da im Sommersemester 2020 kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden habe, könne § 15 FLAG nicht zur Anwendung kommen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

1. Der Sohn der Beschwerdeführerin, ***T***, ist im ***Monat*** 1996 geboren. Er vollendete das 18. Lebensjahr im ***Monat*** 2014 und das 25. Lebensjahr im ***Monat*** 2021.

2. Von bis hat er den Präsenzdienst absolviert.

3. Er hat das Bachelorstudium ***X*** als ordentlicher Studierender im Oktober 2015 an der Johannes Kepler Universität Linz begonnen und im Oktober 2020 abgeschlossen.

Mit Jänner 2021 hat er das Masterstudium ***X*** an der Johannes Kepler Universität begonnen.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den an das Finanzamt übermittelten Daten. Diese werden von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

1. Gemäß § 2 Abs. 1 lit. b Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG) idF BudgBG 2016 haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden, Anspruch auf Familienbeihilfe. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten.

Die Altersgrenze wird gemäß § 2 Abs. 1 lit. g FLAG 1967 längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres verlängert, wenn der Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienst bis zu Vollendung des 24. Lebensjahres geleistet wird oder wurde und wenn die in lit. b vorgesehene Studiendauer eingehalten wird.

Bakkalaureats-/Bachelorstudien dauern sechs Semester.

Wird ein Studienabschnitt bzw das Bakkalaureats-/Bachelor-, Master- oder Doktoratsstudium innerhalb der laut FLAG zur Verfügung stehenden Studienzeit (vorgesehene Ausbildungszeit plus ein Ausbildungsjahr) nicht abgeschlossen und liegen keine Gründe für eine Verlängerung der Studienzeit vor, fällt der Anspruch auf Familienbeihilfe (vorerst) weg.

2. Für Personen, die im Zeitraum von einschließlich März 2020 bis einschließlich Februar 2021 für zumindest einen Monat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind haben, finden gemäß § 15 Abs. 1 FLAG 1967 die während dieses Zeitraumes vorliegenden Anspruchsvoraussetzungen im unmittelbaren Anschluss an den Anspruchszeitraum bis März 2021 in Bezug auf dieses Kind weiter Anwendung, solange während dieses Zeitraumes keine andere Person anspruchsberechtigt wird.

Mit Inkrafttreten wurde die Bestimmung des § 15 FLAG 1967 neu ins Familienlastenausgleichsgesetz aufgenommen. Laut Initiativantrag 1343/A erfolgte dies als eine der Maßnahmen zur Bekämpfung der durch die COVID-19 Pandemie bedingten Armutsfolgen. Diese Bestimmung bewirkt einen fiktiven Familienbeihilfenanspruch für die Zeit von März 2020 bis März 2021, sofern zumindest in einem Monat (in der Zeit von März 2020 bis einschließlich Februar 2021) ein Anspruch auf Familienbeihilfe bestand.

3. Bei der Interpretation einer Gesetzesnorm ist auf den Wortsinn und insbesondere auch auf den Zweck der Regelung, auf den Zusammenhang mit anderen Normen sowie die Absicht des Gesetzgebers abzustellen. Erläuterungen zur Regierungsvorlage können im Rahmen der Interpretation des bezughabenden Gesetzes einen Hinweis auf das Verständnis des Gesetzes bieten (vgl. ; ; , mwN). Stehen die Materialien aber in eindeutigem Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes, sind sie für die Auslegung bedeutungslos (vgl. ; , mwN).

4. Streitgegenständlich ist die Zuerkennung der Familienbeihilfe für den Zeitraum Oktober 2019 bis Dezember 2020.

Der Sohn der Beschwerdeführerin, ***T***, hat im Oktober 2015 sein Bakkalaureatsstudium begonnen. Einen Anspruch auf Familienbeihilfe vermittelte der Sohn der Beschwerdeführerin für die Dauer von sechs Semestern plus ein Ausbildungsjahr und fiel der Anspruch auf Familienbeihilfe somit mit Oktober 2019 (vorerst) weg. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Sohn der Beschwerdeführerin sein Bakkalaureatsstudium noch nicht abgeschlossen. Tatsächlich abgeschlossen hat er es im Oktober 2020.

Somit steht die Familienbeihilfe für den Sohn der Beschwerdeführerin gemäß § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 für den Zeitraum von Oktober 2019 bis Dezember 2020 nicht zu. Anspruch auf Familienbeihilfe vermittelte der Sohn der Beschwerdeführerin wieder ab Jänner 2021, als er sein Masterstudium ***X*** an der Johannes Kepler Universität Linz aufnahm.

5. Zwar vermittelt der Sohn der Beschwerdeführerin im Zeitraum zwischen März 2020 und Februar 2021 für die Monate Jänner und Februar 2021 einen Anspruch auf Familienbeihilfe, jedoch führt die Regelung des § 15 Abs. 1 FLAG 1967 nicht dazu, dass aufgrund dieses Anspruches die Familienbeihilfe auch für den Zeitraum von März bzw. Juni 2020 bis Dezember 2020 zuzuerkennen ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 15 Abs. 1 FLAG 1967 finden die während des Zeitraumes März 2020 bis Februar 2021 vorliegenden Anspruchsvoraussetzungen lediglich im unmittelbaren Anschluss an den Anspruchszeitraum bis März 2021 in Bezug auf dieses Kind weiter Anwendung. Somit bewirkt der Anspruch auf Familienbeihilfe in zumindest einem Monat im in § 15 Abs. 1 FLAG genannten Zeitraum einen weiteren Anspruch in die Zukunft ("im unmittelbaren Anschluss an den Anspruchszeitraum") bis März 2021, jedoch nicht in die Vergangenheit. Insofern ist die Formulierung im Initiativantrag zum § 15 FLAG irreführend, wenn dort angeführt ist: "Diese Bestimmung bewirkt einen fiktiven Familienbeihilfenanspruch für die Zeit von März 2020 bis März 2021, sofern zumindest in einem Monat (in der Zeit von März 2020 bis einschließlich Februar 2021) ein Anspruch auf Familienbeihilfe bestand." Aufgrund dieser Formulierung würde § 15 FLAG auch einen Anspruch auf Familienbeihilfe für die Vergangenheit bewirken. Nach der Judikatur des VwGH sind die Ausführungen im Initiativantrag zum § 15 FLAG 1967 für dessen Auslegung aber bedeutungslos, da diese in eindeutigem Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes stehen.

Somit kann auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin, ihren Sohn treffe am wegen der Corona Maßnahmen verzögerten Abschluss seines Bakkalaureatsstudiums kein Verschulden, der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, weder für den Zeitraum ab Oktober 2019, noch ab März oder Juni 2020.

Da der Sohn der Beschwerdeführerin ab Jänner 2021 Anspruch auf Familienbeihilfe hat, konnte auch § 15 Abs. 1 FLAG keinen Anspruch auf Familienbeihilfe für den Zeitraum ab März 2020 vermitteln.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist nicht zulässig, da sich die im Spruch ausgeführten Rechtsfolge aus den klaren und eindeutigen gesetzlichen Bestimmungen ergibt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt somit nicht vor.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100203.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at