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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.04.2022, RV/7100983/2022

Familienbeihilfe auch bei Beginn einer weiteren Berufsausbildung nach Vollendung des 24. Lebensjahres, wenn das Kind vor Vollendung des 24. Lebensjahres den Zivildienst absolviert hat und sich bei Vollendung des 24. Lebensjahres in Berufsausbildung befunden hat

Beachte

Revision (Amtsrevision) beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2022/16/0044. Mit Erk. v. als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe 05.2021-11.2021 und Kinderabsetzbeträgen für den gleichen Zeitraum zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Der Rückforderungszeitraum wird auf den Monat Mai 2021 eingeschränkt und beträgt der Rückforderungsbetrag € 165,10 für die Familienbeihilfe und € 58,40 für den Kinderabsetzbetrag.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurden Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge i.H. von insges. € 1.564,50, die für den Sohn ***1***, geb. ***2***, ausbezahlt worden waren vom Beschwerdeführer (Bf.) zurückgefordert.

Als Begründung wurde folgendes angeführt:

"Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Voraussetzung

wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt (§ 10 Abs. 2

Familienlastenausgleichsgesetz 1967)

Was ist eine Berufsausbildung?

Das Kind verwendet seine überwiegende Zeit dazu, praktisches und theoretisches

Fachwissen zu erlernen und schließt diese Ausbildung mit einer Abschlussprüfung ab. Die

Ausbildung hat eine angemessene Unterrichtsdauer und ist nicht auf Allgemeinbildung wie

zum Beispiel Sprachkurse ausgerichtet."

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde vom brachte der Bf. vor, sein Sohn habe das Studium der Rechtswissenschaften am erfolgreich abgeschlossen. Sein Sohn habe den Richterberuf angestrebt. Daher habe er alles in seiner Macht Stehende versucht, um am mit der Gerichtspraxis beginnen zu können. Er habe diese somit zum frühest möglichen Zeitpunkt begonnen. Die Gerichtspraxis stelle einen unabdingbaren Teil der Berufsausbildung zum Richter dar, da ein derartiger Beruf ohne sie nicht ergriffen werden könne. Überdies werde selbst im Rechtspraktikantengesetz in den §§5 und 6 stets der Terminus "Ausbildung" verwendet. In § 7 werde zudem normiert, dass Rechtspraktikanten an den für diese eingerichteten Übungskursen teilzunehmen haben. Dies untermauere zusätzlich, dass es sich bei der Gerichtspraxis eindeutig um ein Ausbildungsverhältnis bzw. um eine

Berufsausbildung zum Richter handle.

In der Beschwerdevorentscheidung vom wurde auf die Bestimmungen des § 2 Abs. 1 lit. b, lit .d und lit. g FLAG (Familienlastenausgleichsgesetz) verwiesen und in deren Anwendung die Familienbeihilfe für Mai 2021 mit der Begründung verwehrt, dass sich der Sohn nach dem Studienabschluss im April 2021 nicht in Berufsausbildung befunden habe.Dass es sich bei der Gerichtspraxis um Berufsausbildung handelt wurde von der belangten Behörde nicht bestritten, jedoch die Rückforderung für Juni bis November damit begründet, dass diese Berufsausbildung nach Vollendung des 24. Lebensjahres begonnen worden sei.

Im Vorlageantrag vom führte der Bf. u.a. folgendes aus:

"Problematisch ist fallgegenständlich (dass es sich bei der Gerichtspraxis um eine

Ausbildung handelt ist wohl unbestritten) somit - bei Vorliegen sämtlicher anderer

Anspruchsvoraussetzungen - lediglich, dass mein Sohn nach Vollendung des 24.

Lebensjahres sein Gerichtspraktikum begonnen hat.

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Ausbildung zum Richter/Staatsanwalt oder

Rechtsanwalt in Österreich jedoch zwingend einen theoretischen Teil (Studium) und einen

praktischen Teil (Gerichtspraxis) umfasst muss für diese Fälle somit sehr wohl von einer

einzigen durchgehenden, sohin einheitlichen Berufsausbildung ausgegangen werden,

was eine Anspruchsberechtigung bis zur Vollendung des 25. Lebensjahr begründen würde."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Sohn des Bf., ***1***, wurde am ***2*** geboren.

Er vollendete daher am ***3*** sein 24. Lebensjahr und am ***4*** sein 25. Lebensjahr.

Von bis leistete er den Zivildienst ab.

Im Wintersemester 2016 begann er das Studium der Rechtswissenschaften und beendete dieses am .

Im Mai 2021 bewarb sich für die Aufnahme als Rechtspraktikant beim OLG Wien.

Von bis absolvierte er ebendort die Gerichtspraxis.

2. Beweiswürdigung

Beweis wurde aufgenommen durch Vorlage in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere auch den Vorlagebericht, der dem Bf. mit Schreiben der belangten Behörde vom zur Kenntnis gebracht wurde.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I.

Strittig ist im gegenständlichen Fall, ob dem Bf. auch während der Ausbildung seines Sohnes als Rechtspraktikant Familienbeihilfe zusteht, obwohl er diese Ausbildung nach Vollendung des 24. Lebensjahres und nach Abschluss eines Studiums begonnen hat.

Gem. § 2 Abs. lit. b Familienlastenausgleichsgesetz )FLAG) 1967 haben Personen Anspruch auf

Familienbeihilfe, wenn diese im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für volljährige Kinder, wenn diese das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist.

Gem. § 2 Abs. 1 lit g FLAG 1967 besteht für volljährige Kinder, die in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davorgeleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres Anspruch auf die

Familienbeihilfe - für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte

Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit b vorgesehenen Studiendauer.

Gemäß § 10 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz FLAG 1967 erlischt der Anspruch auf Familienbeihilfe mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Außer Streit steht nunmehr zwischen den Parteien, dass es sich bei Absolvierung der Gerichtspraxis um eine Berufsausbildung gem. § 2 Abs. 1 lit. b FLAG handelt. Dies gilt unabhängig davon, ob anschließend eine Ausbildung zum Richter erfolgt /vgl. Lenneis in FLAG, Kommentar, 2. Auflage und das dort zitierte Erkenntnis des ).

Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, dass der Verlängerungstatbestand des §2 Abs. 1 lit. g FLAG beim vorliegenden Sachverhalt nicht greife, weil der Sohn des Bf. nach Vollendung des 24. Lebensjahres eine - nach Beendigung des Universitätsstudiums - weitere Berufsausbildung begonnen habe.

Diese Auffassung teilt das Bundesfinanzgericht aus folgenden Gründen nicht, weshalb auch auf die Argumentation des Bf., es handle sich bei der Kombination Jusstudium-Gerichtspraxis um eine durchgehende Berufsausbildung, nicht näher eingegangen werden musste.

Hingegen wird sowohl in der Rechtsprechung als auch im Schrifttum zum FLAG 1967 hinsichtlich § 2 Abs. 1 lit. g nachstehende Auffassung vertreten:

Abweichend vom Grundsatz, wonach Familienbeihilfe nur bis zum Ablauf des Monats, in den der 24. Geburtstag fällt, zusteht, besteht ein (Eigen)Anspruch auf Familienbeihilfe bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres dann, wenn in dem Monat, in dem das Kind das 24. Lebensjahr vollendet hat, der Präsenz-, Ausbildungs- oder Zivildienst geleistet wird. Wurde der Dienst vor dem 24. Lebensjahr geleistet, muss sich das Kind bei Vollendung des 24. Lebensjahres in Berufsausbildung befinden (, mit dem die Behandlung der Beschwerde gegen , abgelehnt wurde).

Auch wenn das Studium erst mit - oder vor - dem 24. Lebensjahr begonnen wird und zuvor der Präsenzdienst bereits abgeleistet worden ist, liegt ein Verlängerungstatbestand vor ().

Insbesondere darf auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7101215/2021 verwiesen werden und den dazu ergangenen Aufsatz im BFG Journal, Ausgabe Juli/August 2021, S.269.

Unzweifelhaft hat der Sohn des Bf. den Zivildienst vor Vollendung des 24. Lebensjahres absolviert und hat sich bei dessen Vollendung, am ***3***, in Berufsausbildung (Universitätsstudium) befunden.

Damit ist der Verlängerungstatbestand des § 2 Abs. 1 lit. g FLAG bereits erwirkt.

In Anbetracht vorstehender Ausführungen und in Ermangelung anderslautender gesetzlicher Bestimmungen "verblieb" dem Bf. für eine etwaige weitere Berufsausbildung ein bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres bestehender Anspruch auf Familienbeihilfe erhalten.

Da er sich im Zeitraum Juni 2021 bis Dezember 2021 in Berufsausbildung (Gerichtspraxis) befunden hat, stehen dem Bf. für diesen Zeitraum Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge zu.

Der Bf. vermeint, ihm stehe auch für Mai 2021 Familienbeihilfe zu, weil sich der Sohn in diesem Monat um die Aufnahme als Rechtspraktikant bemüht habe und zum frühest möglichen Zeitpunkt nach Abschluss des Studiums im April 2021 mit der Gerichtspraxis begonnen habe.

Dabei überseiht der Bf. allerdings, dass die Frage, ob eine Berufsausbildung zu frühest möglichen Zeitpunkt begonnen wurde, gem. § 2 Abs. 1 lit. d FALG nur dann von Bedeutung ist, wenn nach Beendigung einer Schulausbildung mit einer Berufsausbildung begonnen wird.

Der Begriff "Schulausbildung" ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt, jedoch ist nach den "Erläuternden Bemerkungen" zum FLAG darunter insbesondere jene Schulausbildung zu verstehen, die mit Matura endet. § 2 Abs.1 lit. d FLAG 1967 ist daher auf den Zeitraum zwischen zwei Berufsausbildungen - hier Universitätsstudium und Gerichtspraxis - nicht anwendbar.

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 zurückzuzahlen. Diese Bestimmung legt eine objektive Erstattungspflicht desjenigen fest, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Diese Verpflichtung ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich (vgl. ).

Gem. § 8 Abs. 1 Zif.3 lit. d FLAG 1967 beträgt die Familienbeihilfe für jedes Kind, das zu Beginn des Kalendermonats das 19. Lebensjahr vollendet hat, € 165,10.

Nach § 33 Abs. 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 € für jedes Kind zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetztes 1967 anzuwenden.

Da sich der Sohn des Bf. im Mai 2021 nicht in Berufsausbildung befunden hat, erfolgte die Rückforderung von Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für Mai 2021 daher in der im Spruch genannten Höhe zu recht.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine derartige Rechtsfrage liegt nicht vor, da die Anspruchsberechtigung des Bf. auf Familienbeihilfe direkt auf den gesetzlichen Normen des FLAG 1967 gründet.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100983.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at