Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.03.2022, RV/7103869/2020

Kein Anspruch auf Familienbeihilfe bei der aus einem Drittstaat stammenden Kindesmutter, wenn nur das Kind über einen Aufenthaltstitel nach § 8 oder § 9 NAG verfügt

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2022/16/0035. Mit Erkenntnis vom wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Christian Doktor über die Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch RA Dr. Gregor Klammer, Lerchenfelder Gürtel 45/11, 1160 Wien, vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf vom , betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung der Familienbeihilfe von Juni 2015 bis Juli 2017, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Namen der Bf.:

Vorweg ist die Identität der Bf. zu bestätigen. Im angefochtenen Erstbescheid, in Dokumenten wie der E-Card und im FB-Antrag wird der Familiennamen der Bf. mit einem "U" als zweiten Buchstaben geschrieben. Im nunmehr vorgelegten Reisepass, der BVE usw. wird der Name mit einem "V" als zweitem Buchstaben geschrieben. Da das Geburtsdatum (bzw. SV-Nummer) auf allen Dokumenten und Bescheiden ebenso übereinstimmt, wie die jeweilige Wohnadresse und in den Aufenthaltsverfahren und im Pass die Schreibweise mit "U" gewählt wurde und die andere Schreibweise als alias angeführt wird, kommt das Gericht zum Schluss, dass es eindeutig um dieselbe Person handelt, und lediglich eine unterschiedliche Schreibweise vorliegt, sämtliche Bescheide als ordnungsgemäß an die Bf. adressiert anzusehen sind und schlussendlich die Schreibweis im Pass mit "V" die gültige ist.

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist nigerianische Staatsbürgerin, ist seit mit einem Hauptwohnsitz in Wien gemeldet und stellte am einen Antrag auf Gewährung derFamilienbeihilfe für ihren Sohn S., geb. , ab Geburt.

Das Finanzamt ersuchte die Bf. mit Schreiben vom um Übermittlung eines Nachweises über den rechtmäßigen Aufenthalt (z. B.: NAG-Karte mit Aufenthaltstitel) vom Kind ab Geburt, einen Nachweis des ständigen Aufenthaltes im Bundesgebiet vom Kind ab Geburt (Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen) und um einen Flüchtlingsausweis/Bescheid über Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft betreffend die Bf. Angemerkt wurde, dass eine Aufenthaltskarte nicht ausreichend sei.

Die Bf. legte dem Finanzamt den Mutter-Kind-Pass, das Schreiben des Bundesministeriums für Inneres (Bestätigung über die erfolgte Antragstellung vom ) sowie eine Aufenthaltskarte des Kindes, ausgestellt vom Amt der Wiener Landesregierung, MA 35, Datum der Ausstellung: , gültig bis , vor.

Das Finanzamt wies den Antrag mit Bescheid vom mit der Begründung ab, dass die Bf. trotz Aufforderung die abverlangten Unterlagen nicht eingebracht habe und dadurch ihrer Mitwirkungspflicht nach § 115 Bundesabgabenordnung nicht nachgekommen sei. Es müsse angenommen werden, dass im beantragten Zeitraum kein Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden habe bzw. bestehe. Der Abweisungsbescheid bezog sich auf den Zeitraum ab Juni 2015. Angaben wie lange dieser Bescheid gelten soll finden sich nicht.

Die Bf. erhob gegen den Abweisungsbescheid am mit folgender Begründung Beschwerde:

"Wie im Verfahren vorgebracht, ist Vater des Kindes Herr KV, geb . Der Kindesvater ist mit einer in Österreich lebenden britischen Staatsbürgerin verheiratet, aus diesem Grund war gleich dem Vater auch das Kind ab Geburt gemäß Art 7 Abs 2 Unionsbürger RL 2004/38/EG zum Aufenthalt in Österreich berechtigt. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , VGW 151/023/8940/2016-9, wurde dem Kind dann auch eine Aufenthaltskarte nach § 54 Abs 1 NAG zuerkannt.

Ich selbst leite mein Aufenthaltsrecht von jenem des Kindes ab, da das Kind sein Recht zur Aufenthaltsnahme beim Vater nicht verwirklichen könnte, wenn mir ein Aufenthaltsrecht verweigert werden würde. Es ist hier gemäß Art 24 EuGRC das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen, und zwar insbesondere der Schaden an der körperlichen und emotionalen Entwicklung des Kindes im Falle der Trennung von mir.

Die Familienbeihilfe ist eine Transferleistung, die es Eltern erleichtern soll, den Unterhaltsleistungen für ihre Kinder nachzukommen und dient daher direkt dem Kindeswohl. Es ist auch davon auszugehen, dass im Rahmen des laufenden Asylverfahrens meine humanitäre Aufenthaltsbewilligung auszusprechen sein wird, insoferne ist dieses Verfahren bereits entscheidungsreif. Dass hier eine Entscheidung bis heute nicht getroffen wurde, darf den Unterhalt des Kindes nicht schmälern.

Anträge

Es ergeht daher der Antrag, das Bundesfinanzgericht möge den angefochtenen Bescheid vom abändern und Familienbeihilfe antragsgemäß zusprechen. Dazu möge eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt werden."

Das Finanzamt gab der Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom für den Zeitraum Jänner 2018 bis Jänner 2019 statt.

Für den Zeitraum Juni 2015 bis Dezember 2017 wurde die Beschwerde mit folgender Begründung abgewiesen:

"Sie beantragen die Gewährung der Familienbeihilfe für Ihren Sohn S., geb. , ab Geburt. Sie und Ihr Sohn sind nigerianische Staatsbürger.

Gemäß § 3 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG 1967) haben Personen, die nicht österreichische StaatsbürgerInnen sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Für Kinder, die nicht österreichische StaatsbürgerInnen sind, besteht gemäß § 3 Abs. 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) nur Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, gewährt wurde, haben Anspruch auf Familienbeihilfe auch für jene Kinder, denen ebenfalls Asyl nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde. Maßgebend für den Beginn des Beihilfenanspruchs ist jener Monat, in dem sowohl die antragstellende Person als auch das Kind über den Asylstatus verfügen. Dieser muss durch Vorlage positiver Asylbescheide dokumentiert werden.

Personen, denen der Status von subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, wird nur dann Familienbeihilfe gewährt, wenn sie oder ein anderes Familienmitglied keinen Anspruch auf eine Leistung aus der Grundversorgung haben und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch auf Familienbeihilfe besteht auch für jene Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.

Im gegenständlichen Fall besitzt Ihr Kind eine gültige NAG ab dem bis .

Ihr Aufenthaltstitel ist für die Zeit vom bis gültig.

Es war daher laut oben genannter gesetzlicher Bestimmungen spruchgemäß zu entscheiden."

Die Bf. brachte am folgenden Vorlageantrag ein:

"Das Finanzamt hat nunmehr Familienbeihilfe für das Kind S. ab dem Monat 1/2018 zuerkannt, den Anspruch aber für 6/15 bis 12/2017 verneint. Dies mit der Begründung das Kind habe seit einen Aufenthaltstitel, die Mutter erst seit dem .

Dies ist so nicht richtig. Sein Vater KV, geb , ist Ehegatte der britischen Staatsangehörigen G., geb . Das Kind ist als Stiefkind der britischen Gattin seines Vaters in Österreich gemäß Art 7 Abs 2 RL 2004/38/EG rechtmäßig niedergelassen. Die ihm nach Erhebung einer Säumnisbeschwerde und Verfügung durch Erkenntnis des Verwaltungsgericht Wien vom , VGW-151/023/8940/2016-8, ausgestellte Aufenthaltskarte dokumentiert (siehe § 9 Abs 1 Z 2 NAG) lediglich dieses bereits mit Geburt entstandene Aufenthaltsrecht.

Angesichts dessen, dass im Hinblick auf die Rechte nach Art 8 MRK § 9 Abs 3 BFA-VG vorsieht, dass eine Rückkehrentscheidung gegen Angehörige von Personen, die "ein unbefristetes Niederlassungsrecht {§ 45 oder §§51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre" ist der Aufenthalt der Kindesmutter eines Neugeborenen mit Aufenthaltsrecht nach der UnionsbürgerRL wohl ebenfalls rechtmäßig.

Hinzuweisen ist hier auf , Chavez-Vilchez Rz 54 ff.

Daher hätte das Finanzamt Familienbeihilfe ab dem Geburtsmonat 6/15 zuerkennen müssen.

Es ergeht daher Vorlageantrag und stelle ich den Antrag an das Bundesfinanzgericht in Ab änderung der angefochtenen Beschwerdevorentscheidung mir Familienbeihilfe ab 6/2015 zuzuerkennen und dazu eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen."

Mit Fax vom hat der Rechtsvertreter der Bf. auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Diese konnte somit unterbleiben.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Bf., der Sohn und der Kindesvater KV sind nigerianische Staatsbürger.

Der Kindesvater war im Streitzeitraum mit einem Hauptwohnsitz in Wien gemeldet.

Die Gattin des Kindesvaters, G., eine britische Staatsangehörige, war bis mit einem Hauptwohnsitz in Wien gemeldet.

Der Sohn der Bf. besitzt seit Geburt (Juni 2015) einen gültigen, von seinem Vater abgeleiteten Aufenthalts-titel (Aufenthaltskarte für "Angehörige eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers" - § 54 NAG, da er mit einer britischen Staatsangehörigen verheiratet ist) in Österreich.

Die Familienbeihilfe wurde vom Finanzamt ab Jänner 2018 gewährt, da die Bf. seit Jänner 2018 über einen gültigen Aufenthaltstitel verfügt (§ 55 AsylG).

Strittig ist, ob der Bf. für den Zeitraum Juni 2015 bis Juni 2017 die Familienbeihilfe zustand.

Die Bf. leitet das Aufenthaltsrecht von jenem ihres Kindes ab.

Rechtsgrundlagen und rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, für minderjährige Kinder.

Gemäß § 3 Abs. 1 FLAG 1967 in der ab geltenden Fassung BGBl. I Nr. 100/2005 haben Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

Nach § 3 Abs. 2 FLAG 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, wenn sie sich nach §§ 8 und 9 Niederlassungs-und und Aufenthaltsgesetz rechtmäßig in Österreich aufhalten.

In den §§ 8 und 9 NAG sind alle Aufenthaltstitel aufgezählt, die bei Erfüllung aller anderen Voraussetzungen zu einem Bezug von Familienbeihilfe berechtigen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der zitierten gesetzlichen Regelung des § 3 FLAG ist es seit erforderlich, dass sowohl der anspruchsberechtigte Elternteil als auch das anspruchsvermittelnde Kind bzw. jene Person mit Eigenanspruch über einen dieser Aufenthaltstitel verfügt.

Das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz trat gemäß § 82 Abs. 1 NAG mit in Kraft. Die Übergangsbestimmungen sind in § 81 NAG geregelt.

§ 8 NAG lautet:

(1) Aufenthaltstitel werden erteilt als:

1. Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte", der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, für die eine schriftliche Mitteilung oder ein Gutachten gemäß §§ 20d Abs. 1 Z 1 bis 4 oder 24 AuslBG erstellt wurde, berechtigt;

2. Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus", der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 AuslBG berechtigt;

3. Aufenthaltstitel "Blaue Karte EU", der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, für die eine schriftliche Mitteilung gemäß § 20d Abs. 1 Z 5 AuslBG erstellt wurde, berechtigt;

4. "Niederlassungsbewilligung", die zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt;

5. "Niederlassungsbewilligung - ausgenommen Erwerbstätigkeit", die zur befristeten Niederlassung ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt;

6. "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger", die zur befristeten Niederlassung ohne Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt; die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist nur auf Grund einer nachträglichen quotenpflichtigen Zweckänderung erlaubt;

7. Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" für die Dokumentation des unbefristeten Niederlassungsrechts, unbeschadet der Gültigkeitsdauer des Dokuments;

8. Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" für die befristete Niederlassung mit der Möglichkeit, anschließend einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" (Z 7) zu erhalten;

9. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

10. "Aufenthaltsbewilligung" für einen vorübergehenden befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet zu einem bestimmten Zweck (§§ 58 bis 69).

(2) Der Bundesminister für Inneres legt das Aussehen und den Inhalt der Aufenthaltstitel nach Abs. 1 durch Verordnung fest. Die Aufenthaltstitel haben insbesondere Name, Vorname, Geburtsdatum, Lichtbild, ausstellende Behörde und Gültigkeitsdauer zu enthalten; sie gelten als Identitätsdokumente.

(3) Die Aufenthaltsbewilligung (Abs. 1 Z 10) von Ehegatten, eingetragenen Partnern und minderjährigen ledigen Kindern hängt vom Bestehen der Aufenthaltsbewilligung des Zusammenführenden ab (§ 69).

(4) Unbeschadet der §§ 32 und 33 ergibt sich der Berechtigungsumfang eines Aufenthaltstitels aus dem 2. Teil."

§ 2 FLAG legt die allgemeinen und besonderen Voraussetzungen fest, unter denen jemand Anspruch auf Familienbeihilfe hat.

§ 3 FLAG stellt ergänzend für Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind oder die Staatsbürgerschaft eines EU-Mitgliedsstaates haben, weitere besondere Voraussetzungen auf. § 3 enthält Regelungen für den Familienbeihilfenbezug durch Fremde und für Fremde, also jeweils durch oder für Personen, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen (§ 2 Abs. 4 Z 1 FPG). § 3 Abs. 2 bezieht sich auf den Anspruch auf Familienbeihilfe vermittelnde Kinder (§ 2), die nicht österreichische Staatsbürger sind.

Das FLAG knüpft hierbei an die Bestimmungen des NAG betreffend die jeweiligen Aufenthaltstitel an, sofern sich aus dem Unionsrecht nichts Anderes ergibt.

Die bloße Antragstellung oder Antragsbestätigung ist noch kein Aufenthaltstitel iSd § 8 NAG, ein Aufenthaltstitel liegt erst ab Beginn von dessen Gültigkeit vor. Erst ab diesem Zeitpunkt ist ein nach § 8 NAG rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich gegeben ().

Fremde haben seit grundsätzlich nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach § 8 oder § 9 NAG rechtmäßig in Österreich aufhalten. Nach der geltenden Rechtslage kommt es nach Abs. 1 und Abs. 2 darauf an, ob für den Anspruchsberechtigten (Abs. 1, und das anspruchsvermittelnde Kind, Abs. 2) ein aufrechter Aufenthaltstitel nach § 8 (oder nach § 9) NAG besteht. Es besteht somit nach geltender Rechtslage kein Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn kein gültiger Aufenthaltstitel vorliegt, soweit nicht Abs. 3, 4, oder 5 zum Tragen kommen.

Liegt ein Aufenthaltstitel nach § 8 (oder § 9 NAG) vor, ist es nicht Sache der Beihilfenbehörden, zu prüfen, ob dieser Aufenthaltstitel von der Fremdenbehörde zu Recht oder zu Unrecht erteilt wurde (Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, Kommentar, § 3 Rz 145-148, , vgl. auch , ).

Demgemäß ist in gegenständlichem Fall auch nicht vom zuständigen Finanzamt sowie vom Bundesfinanzgericht zu prüfen, ob Familienbeihilfe, trotz fehlenden Aufenthaltstitels für einen bestimmten Zeitraum, was beschwerdegegenständlich Streitpunkt ist, gewährt werden könnte, da ein formaler Anknüpfungspunkt ex lege an einen für den jeweiligen Zeitraum fehlenden Aufenthaltstitel iSd NAG § 8 (und § 9) vorliegt, und bei fehlendem Aufenthaltstitel für einen bestimmten Zeitraum eine unabdingbare Voraussetzung für den allfälligen Anspruch auf Familienbeihilfenbezug nicht erfüllt ist, was für den beschwerdegegenständlichen Zeitraum zutrifft. Das Vorliegen eines aufrechten Aufenthaltstitels nach § 8 NAG ist konstitutiv für den Bezug der Familienbeihilfe (vgl. , , Csaszar/Lenneis/Wanke, FLAG, § 3 Rz 145 ff).

Angemerkt wird, dass das Bundesfinanzgericht wie auch das Finanzamt aufgrund des Legalitätsprinzips an die geltenden Gesetze gebunden ist. Aus diesem Grund besteht für das Bundesfinanzgericht auch kein Raum, von den eindeutigen Gesetzeswortlauten des § 3 Abs. 1 FLAG 1967 idgF iVm § 8 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes abzugehen.

Es mag sein, dass sich die Bf im Beschwerdezeitraum auf Grund der Bestimmungen des FPG rechtmäßig im Inland aufgehalten hat. Darauf kommt es aber nicht an (vgl. ). Die Bf hat im Beschwerdezeitraum nicht, und das ist allein nach § 3 FLAG 1967 ausschlaggebend, über einen Aufenthaltstitel nach § 8 NAG verfügt (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 3, V. Anspruchsvermittelnde nichtösterreichische Kinder [Rz 221 - 236]).

Im vorliegenden Fall verfügte zwar das Kind der Bf. über einen aufrechten Aufenthaltstitel, nicht jedoch die Bf. Diese verfügt erst seit Jänner 2018 über einen gültigen Aufenthaltstitel nach dem NAG und zwar seit gemäß § 55 Abs. 1 Z1 und 2 Asylgesetz und ab 1/2019 eine Rot-Weiß-Rot Karte.

Da die Bestimmungen des § 3 Abs. 1 und Abs. 2 FLAG 1967 - neben dem Vorliegen der allgemeinen anspruchsbegründenden Voraussetzungen für die Gewährung von Familienbeihilfe - in jedem Fall das Vorliegen von Aufenthaltstiteln gemäß § 8 und 9 NAG sowohl für den Antragsteller als auch das anspruchsvermittelnde Kind verlangen (s. auch die Homepage https://www.bundeskanzleramt.gv.at/agenda/familie/familienbeihilfe/familienbeihilfe-fuer-drittstaatsangehoerige.html ). Dies hat aber zur Folge, dass ein Anspruch auf Familienbeihilfe zu verneinen ist, wenn entweder nur der Anspruchsberechtigte oder nur das Kind über keinen gültigen Aufenthaltstitel verfügt (Entscheidung des ).

Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG, 2. Aufl. 2020, § 3, V. Anspruchsvermittelnde nicht österreichische Kinder [Rz 221 - 236] führt diesbezüglich Folgendes aus:

"Der Gesetzgeber verfolgt mit dem FLAG den Zweck, die Last, welche die Betreuung der Kinder verursacht, abzugelten. Das Kind fungiert - abgesehen von den Fällen, bei welchen das Kind selbst anspruchsberechtigt ist - als Vermittler für den Anspruch auf FB. Die FB gebührt bei dieser Konstellation im Anwendungsbereich des § 3 ebenso wie nach den allgemeinen Bestimmungen nicht dem Kind, sondern der Person, die die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt (vgl ; ).

Der Begriff "Kinder" in § 3 wird in § 2 Abs 3 definiert.

Stellen die unionsrechtlichen Verordnungen hinsichtlich Familienleistungen auf die die betreffende Leistung gewährenden nationalen Rechtsvorschriften ab und zählt § 2 Abs 3 lit c zu den Familienangehörigen, für welche die Familienleistung (FB)gewährt wird, auch die Stiefkinder, fallen damit bei Anwendung der beiden unionsrechtlichen Verordnungen 1408/71 und 833/2004 auf die Frage der österr FB unter den Begriff "Familienangehöriger" auch die Stiefkinder einer von der VO erfassten Person (vgl ).

B. Rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich

Wird FB für ein Kind beantragt, das ein Fremder ist, muss für dieses Kind ebenfalls der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet nach § 8 oder § 9 NAG gegeben sein. Es genügt nicht, dass der Antragsteller über einen Aufenthaltstitel iSd Abs 1 verfügt bzw einen solchen (EU-/EWR-/SchweizerBürger) nicht benötigt, auch für das Kind muss ein Aufenthaltstitel iSd Abs 2 vorliegen oder dieses muss einen solchen nichtbenötigen (). Art und Gültigkeitsdauer des Titels der Kinder richten sich - wenn diese auch Fremde sind - grundsätzlich nach dem Aufenthaltstitel der Mutter oder eines anderen Familienangehörigen iSd § 2 Abs 3."

Zufolge der vorstehenden rechtlichen Ausführungen irrt die Bf., wenn sie vermeint, dass ihr die Familienbeihilfe zusteht, da sich das Aufenthaltsrecht und damit der Anspruch auf Familienbeihilfe vom gültigen Aufenthaltstitel ihres Kindes ableitet.

Das von der Bf. angezogene Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union (Große Kammer) vom , C-133/15, ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da in diesem Fall die Tochter der Klägerin in Thailand geboren wurde und die Klägerin thailändische Staatsbürgerin ist. Ihre Tochter und der Vater des Kindes, der Lebensgefährte der Klägerin, sind österreichische Staatsbürger.

Die Bf. hatte somit im Beschwerdezeitraum (Juni 2015 bis Juli 2017) keinen Anspruch auf Familienbeihilfe.

Streitzeitraum

Der Streitzeitraum für den das BFG zur Entscheidung berufen ist, ist mit dem Monat in dem der Erstbescheid ergangen ist - Juli 2017 - begrenzt. Über danach verwirklichte Sachverhalten hat und konnte das Finanzamt zu diesem Zeitpunkt noch nicht erstinstanzlich entscheiden. Ohne eine vorangegangene Entscheidung der Erstinstanz, ist eine Zuständigkeit des BFG ausgeschlossen.

Das Gericht ist zwar durchaus der Ansicht, dass das Finanzamt zu Recht davon ausging, dass der Bf. ab Jänner 2018 Familienbeihilfe zustand, da auch sie ab diesem Zeitpunkt über einen gültigen Aufenthaltstitel verfügte und für die Monate August bis Dezember 2017 mangels eines solchen Aufenthaltstitels, in Übereinstimmung mit dem Gesetz und der geltenden Judikatur des VwGH's der Familienbeihilfenanspruch nicht besteht. Da alle dies Sachverhalte nach dem streitgegenständlichen Zeitraum verwirklicht wurden, war es sowohl dem Finanzamt in der BVE, als auch nun dem BFG versagt darüber abzusprechen. Da die BVE ohnedies durch den Vorlageantrag aus dem Rechtsbestand entfernt wurde, konnte sich das Gericht darauf beschränken, darauf hinzuweisen, dass seine Zuständigkeit in der Sache zu entscheiden mit dem Monat Juli 2017 endet.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der Revision:

Eine Revision ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn ein Erkenntnis von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG kommt einer Rechtsfrage unter anderem dann grundsätzliche Bedeutung zu, wenn das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht.

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig. Es handelt sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, da das Bundesfinanzgericht in rechtlicher Hinsicht der in der Entscheidung dargestellten Judikatur folgt.

Wien, am

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