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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.03.2022, RV/7103351/2017

Grenzen der amtswegigen Ermittlungspflicht

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7103351/2017-RS1
Macht der Abgabenpflichtige trotz (hier: zweimaliger) Aufforderung durch die Abgabenbehörde keine näheren Angaben zu den als Werbungskosten geltend gemachten Aus- und Fortbildungsmaßnahmen (hier: Kurs bei einer US-amerikanischen Bildungseinrichtung und nicht näher bezeichnete Studienreise) sowie zu den damit verbundenen Kosten und legt er auch keine diesbezüglichen Belege vor, geht die amtswegige Ermittlungspflicht nicht so weit, dass die Behörde bzw. das Gericht von sich aus Nachforschungen zu diesen Maßnahmen anstellen müsste.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2013 Steuernummer ***BFStNr*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom führte die belangte Behörde amtswegig die Arbeitnehmerveranlagung für den Beschwerdeführer durch und setzte die Einkommensteuer 2013 mit € 2.268,00 (Nachforderung) fest. Die Pauschbeträge für Werbungskosten und Sonderausgaben sowie der Verkehrsabsetzbetrag und der Arbeitnehmerabsetzbetrag wurden hierbei berücksichtigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die (als "Einspruch" bezeichnete) Beschwerde vom , in welcher der Beschwerdeführer mitteilte, dass er im Jahr 2013 einige "außergewöhnliche Belastungen" (Ausbildung/Weiterbildung in den USA) in nicht unbeträchtlicher Höhe hatte, die er steuerlich geltend machen will.

Mit Vorhalt vom ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer um Vorlage von Unterlagen (Kursbesuchsbestätigung, Zahlungsnachweise, usw.) zu den geltend gemachten Aufwendungen, die sie als Werbungskosten qualifizierte, sowie um Bekanntgabe seines beruflichen Tätigkeitsbereiches laut Arbeitsvertrag. Gleichzeitig wurden dem Beschwerdeführer mehrere Fragen zu den absolvierten Aus- und Fortbildungsmaßnahmen (Zusammenhang mit einem ausgeübten oder angestrebten neuen Beruf bzw. einer angestrebten besseren Position im ausgeübten Beruf?) gestellt. Zur Beantwortung des Vorhalts wurde eine Frist bis zum gesetzt, wobei der Beschwerdeführer auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, die Antragstellung sowie das gesamte Verfahren elektronisch abzuwickeln. Mit Eingabe vom ersuchte er, die Frist um zwei Wochen zu verlängern, da er bedingt durch einen beruflichen Auslandsaufenthalt noch nicht alle Unterlagen besorgen konnte und noch auf eine Bestätigung seines universitären Arbeitgebers warte, die bis dato nicht ausgestellt werden konnte, da sich der zuständige Institutsvorstand auf Studienreise befinde. Hierauf verlängerte die belangte Behörde die Frist zur Beantwortung des Vorhaltes bis . Diese verlängerte Frist ließ der Beschwerdeführer ungenutzt verstreichen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab, da die zur Prüfung der geltend gemachten Aufwendungen benötigten Unterlagen trotz Wahrung des Parteiengehörs nicht beigebracht wurden. In freier Beweiswürdigung seien demnach nur die nachgewiesenen bzw. glaubhaft gemachten Aufwendungen berücksichtigt worden.

Mit einer als "Ansuchen bzw. Ergänzung bzw. Einspruch zum Einkommensteuerbescheid 2013" bezeichneten Eingabe vom teilte der Beschwerdeführer mit, dass er mehrere Dokumente per Post an die belangte Behörde gesendet habe, diese jedoch nicht angekommen seien, was zur abschlägigen Beschwerdevorentscheidung geführt habe. Erneut teilte er mit, dass er im Jahr 2013 hohe Ausgaben für Weiterbildung (Kurs am MIT in Boston, USA) sowie für eine verpflichtende Studienreise hatte und dass diese Aufwendungen in direktem Zusammenhang mit seinem zweiten Job als Lektor stünden, den er ohne diese Bildungsmaßnahmen nicht ausüben könnte. Er ersuchte daher um die Möglichkeit, anlässlich eines persönlichen Vorsprachetermines die Belege vorzulegen und gegebenenfalls auftauchende Fragen gleich beantworten zu können.

Mit Vorhalt vom ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer unter Fristsetzung bis erneut um Übermittlung jener Unterlagen und Informationen, die ihm bereits mit Vorhalt vom abverlangt wurden, und teilte ihm mit, dass er erneut kontaktiert und eventuell zu einem persönlichen Gespräch eingeladen werden wird, falls nach Beantwortung dieser Fragen noch weitere Erhebungen notwendig sein sollten. Auch diesen Vorhalt ließ der Beschwerdeführer unbeantwortet, sodass die belangte Behörde am die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht veranlasste.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer bezog im Jahr 2013 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit von zwei Arbeitgebern, nämlich vom ***Bf-AG1*** in Höhe von insg. € 6.291,67 und von der ***Bf-AG2*** in Höhe von € 51.321,39 (jeweils Kennzahl 245).

Es kann nicht festgestellt werden, ob und in welcher Höhe der Beschwerdeführer im Jahr 2013 Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen getätigt hat. Ebensowenig können Feststellungen zu Art und Inhalt allfälliger Aus- und Fortbildungsmaßnahmen getroffen werden.

Beweiswürdigung

Die Feststellungen zu den Einkünften des Beschwerdeführers ergeben sich aus den im Akt erliegenden Lohnzetteln, die auch Bestandteil des angefochtenen Bescheides sind.

Die Negativfeststellung zu den Aus- und Fortbildungsmaßnahmen musste getroffen werden, da der Beschwerdeführer trotz zweier (inhaltsgleicher) Vorhalte keine näheren Angaben zu diesen Maßnahmen machte und keine diesbezüglichen Unterlagen vorlegte. In seiner Eingabe vom hat er lediglich mitgeteilt, dass es sich um einen Kurs am MIT in Boston sowie eine verpflichtende Studienreise handeln soll die für seinen Beruf als Lektor erforderlich sein sollen. Trotz ausdrücklicher dahingehender Fragen hat er keine näheren Angaben zur Art seiner beruflichen Tätigkeit und der absolvierten Aus- und Fortbildungsmaßnahmen sowie zu den damit verbundenen Kosten gemacht. Ebenso wenig hat er irgendwelche Belege vorgelegt. Da die benötigten Informationen auf andere Weise als durch den Beschwerdeführer nicht zu erlangen sind, war es für das Gericht nicht möglich festzustellen, ob und gegebenenfalls welche Aus- oder Fortbildungsmaßnahmen der Beschwerdeführer absolviert hat und welche Kosten damit allenfalls verbunden waren.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Vorweg ist zum Verfahrensgang festzuhalten, dass es für die Beurteilung von Anbringen nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen ankommt, sondern auf deren Inhalt, also das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes. Parteierklärungen sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen, d.h. es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der der Behörde vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeiten nimmt (Ritz, BAO6, Rz 1 zu § 85 m.w.N.). In diesem Sinne ist es unschädlich, dass die Beschwerde vom als "Einspruch" bezeichnet wird und kann auch die als "Ansuchen bzw. Ergänzung bzw. Einspruch zum Einkommensteuerbescheid 2013" bezeichnete Eingabe des Beschwerdeführers vom bzw. das darin erstattete inhaltliche Vorbringen als Vorlageantrag im Sinne des § 264 BAO gewertet werden, da darin zwar nicht ausdrücklich die Entscheidung durch das Verwaltungsgericht beantragt wird, aber doch unmissverständlich zum Ausdruck kommt, dass der Beschwerdeführer mit der Beschwerdevorentscheidung insofern nicht einverstanden ist, als die geltend gemachten Aus- und Fortbildungskosten nicht anerkannt wurden und er eine andere Entscheidung anstrebt. Auch bestehen für das Gericht keine Zweifel, dass sich die Eingabe gegen die Beschwerdevorentscheidung vom richtet. Diese wird zwar nicht ausdrücklich (etwa durch St.Nr. und Datum) bezeichnet, es ist aber aus dem gesamten Vorbringen ("Einkommensteuerbescheid 2013", "erneuter Bescheid in der ursprünglichen Fassung") erkennbar, dass nur diese Beschwerdevorentscheidung gemeint sein kann. Den Erfordernissen des § 264 Abs. 1 BAO ist daher entsprochen (vgl. Ritz, BAO6, Rz 4a zu § 85 m.w.N.).

Gemäß § 16 Abs. 1 Z. 10 EStG 1988 zählen zu den Werbungskosten u.a. Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf die tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen. Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Maßnahmen (Kurs, Studienreise) können grundsätzlich derartige Werbungskosten darstellen. Dass der Beschwerdeführer diese Kosten unrichtigerweise unter dem Titel der außergewöhnlichen Belastungen (Ausbildungskosten können dann außergewöhnliche Belastungen darstellen, wenn sie für die Berufsausbildung eines Kindes aufgewendet wurden, nicht aber wenn es sich um eigene Ausbildungskosten handelt; vgl. § 34 Abs. 8 EStG 1988) geltend gemacht hat, schadet in diesem Zusammenhang nicht.

Allerdings konnte mangels Mitwirkung des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, ob und in welcher Höhe derartige Kosten überhaupt aufgelaufen sind sowie gegebenenfalls ob sie die in § 16 Abs. 1 Z. 10 EStG 1988 normierten Voraussetzungen erfüllen. Zwar gilt im Abgabenverfahren der Grundsatz der amtswegigen Sachverhaltsermittlung (§ 115 BAO; auch wenn die Partei ihre Mitwirkungspflicht verletzt, z.B. einen Vorhalt nicht beantwortet: ), doch wird dieser Grundsatz durch eine mangelnde Mitwirkung der Partei insofern beeinflusst, als die Verpflichtung der Behörde/des Gerichtes, den Sachverhalt nach allen Richtungen über das von ihr als erwiesen anerkannte Maß hinaus zu prüfen in dem Ausmaß zurücktritt, in dem die Partei zur Mitwirkung an der Wahrheitsfindung ungeachtet ihrer Verpflichtung hierzu nicht bereit ist bzw. eine solche unterlässt (; , 97/14/0011; , 2004/15/0144). Die Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes besteht innerhalb der Grenzen der Möglichkeiten der Behörde/des Gerichtes und des vom Verfahrenszweck her gebotenen und zumutbaren Aufwandes (; , 2005/17/0088; , 2006/13/0136) und findet jedenfalls dort ihre Grenze, wo nach Lage des Falles nur die Partei Angaben zum Sachverhalt machen kann (; , 2006/13/0136). Eine erhöhte Mitwirkungspflicht der Partei (und damit eine umso weiter in den Hintergrund tretende amtswegige Ermittlungspflicht der Behörde/des Gerichtes) liegt zudem dann vor, wenn Sachverhaltselemente ihre Wurzeln im Ausland haben (§ 115 Abs. 1 letzter Satz BAO) bzw. wenn es sich um Begünstigungsbestimmungen handelt (; , 99/13/0070; , 2003/13/0117). Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht darf die Behörde/das Gericht in ihrer Beweiswürdigung berücksichtigen ().

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer lediglich angegeben, dass der von ihm belegte Kurs am MIT (gemeint wohl: Massachusetts Institute of Technology) in Boston stattgefunden hat. Ohne Mitwirkung des Beschwerdeführers hätten nähere Informationen zu diesem Kurs nur durch Ermittlungen bei dieser Bildungseinrichtung beschafft werden können. Dies würde jedoch die Grenze des zumutbaren für die Behörde/das Gericht zweifellos überschreiten, da es sich um eine ausländische Bildungseinrichtung handelt, die gegenüber österreichischen Abgabenbehörden/Gerichten nicht zur Auskunft verpflichtet ist und wohl aus Datenschutzgründen auch gar nicht berechtigt ist, die erforderlichen Informationen herauszugeben. Demgegenüber wäre es für den Beschwerdeführer, der - wenn er tatsächlich einen Kurs besucht hat - diese Informationen hat, ein Leichtes, sie der Behörde/dem Gericht zur Verfügung zu stellen, sodass von der Abgabenbehörde/vom Gericht nicht verlangt werden kann, umfangreiche und voraussichtlich ergebnislose Erhebungen im Ausland durchzuführen. Zu der geltend gemachten Studienreise liegen keinerlei nähere Informationen vor, sodass diesbezüglich alternative Möglichkeiten zur Sachverhaltsermittlung auch theoretisch nicht bestehen.

Die belangte Behörde hat den Beschwerdeführer zweimal vergeblich aufgefordert, die benötigten Informationen zur Verfügung zu stellen. Die in der Vorhaltsbeantwortung vom für die Verzögerung ins Treffen geführten Umstände (Auslandsaufenthalt des Beschwerdeführers, Studienreise des Institutsvorstandes) können angesichts dessen, dass seitdem rd. sieben Jahre verstrichen sind, einer Übermittlung der Informationen und Unterlagen nun nicht mehr entgegenstehen. Diese Verletzung der Mitwirkungspflicht durfte demnach in der Beweiswürdigung berücksichtigt werden und konnte angesichts dessen, dass der Beschwerdeführer nicht einmal einen Betrag für die geltend gemachten Ausbildungskosten genannt hat, nur zu der getroffenen Negativfeststellung führen. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Rechtsfrage, die sich hier stellt, ist, ob die Behörde/das Gericht angesichts der unterbliebenen Mitwirkung des Beschwerdeführers von weiteren Ermittlungen (die im vorliegenden Fall nur zum angeblich belegten Kurs und nur durch Ermittlungen bei einer ausländischen Bildungseinrichtung überhaupt denkbar wären) Abstand nehmen und in freier Beweiswürdigung feststellen konnte, ob und in welcher Höhe der Beschwerdeführer im Jahr 2013 Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen getätigt hat. Diese Frage ist durch die unter Punkt 3.1 zitierte Rechtsprechung hinreichend geklärt, sodass Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht zu lösen waren. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.

Wien, am

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