Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 28.04.2022, RV/7100587/2022

§ 323c BAO: Antrag auf Überrechnung ist nicht als Antrag auf Rückzahlung auszulegen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch V, R sowie die fachkundigen Laienrichter L1 und L2 in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch V, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Steuernummer 222, über die Abweisung eines Umbuchung/ Überrechnungsantrages nach der am in Anwesenheit des steuerlichen Vertreters der Beschwerdeführerin, V1, der Vertreterin des Finanzamtes Österreich, V2, sowie der Schriftführerin S, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) stellte am durch ihre steuerliche Vertreterin über FinanzOnline folgenden Antrag:
"Betreff: Übertragung eines Geldbetrages v. X auf A v. in Höhe von 8455,01 Euro
Unter Verweis auf die heute eingebrachte Übertragung in Höhe von 8.455,01, bitten wir trotz Rückstand um Veranlassung der Übertragung, ohne den Umweg einer Rückzahlung gehen zu müssen! Da geht es um eine USt-Schuld zwischen diesen beiden Gesellschaften (X 222 & A, 333). Die Genehmigung wäre eine große Erleichterung für alle Beteiligten!" ……

Den Antrag wies das Finanzamt mit dem hier angefochtenen Bescheid vom mit der Begründung ab, das Abgabenkonto weise derzeit einen Rückstand auf.

Dagegen brachte die Bf. durch ihren Vertreter am das Rechtsmittel der Beschwerde mit folgender Begründung ein:
"In Vollmacht unserer Mandantin bringen wir innerhalb offener Monatsfrist das RM der Beschwerde gg. die Abweisung der beantragten Überrechnung ein und verweisen auf den Auszug zu den (Corona-)Unterstützungsmaßnahmen, publiziert vom BMF, den wir (weil nicht anders möglich) via sonstige Anbringen heute zusätzlich übermitteln! Hiernach sollte eine Rückzahlung (& damit wohl auch eine Überrechnung innerhalb der Finanzverwaltung!!), TROTZ Rückstands auf dem Abgabenkonto, möglich sein! Wir bitten daher um Überrechnung im beantragten Ausmaß" …..

Mit der Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Gegenstand einer Überrechnung von einem Abgabenkonto auf das Abgabenkonto eines anderen Abgabepflichtigen könne nur ein sich aus der Gebarung ergebendes Guthaben sein. Auf dem Abgabenkonto der Bf. bestehe aber ein Rückstand.
§ 323c Abs. 6, Abs. 9 und Abs. 10 BAO beziehe sich nur auf Rückzahlungen gemäß § 239 BAO und könne daher bei einem Überrechnungsantrag nicht angewendet werden.

Gegen die Beschwerdevorentscheidung richtet sich der Vorlageantrag gem. § 264 Abs. 1 BAO vom mit folgendem Wortlaut:
"In Vollmacht unserer Mandantin beantragen wir hiermit unsere Beschwerde gg. die Abweisung des am eingebrachten Überrechnungsantrages im Rahmen des Sonder-Regimes der Corona-Unterstützungsmaßnahmen dem BFG, zur Entscheidung im Rahmen eines Senats, vorzulegen und begründen dieses Ansinnen wie folgt: Uns ist bewusst, dass bis zur Entscheidung die Überrechnung nicht mehr notwendig sein wird! Uns geht es aber darum, dass die Abweisung unseres Überrechnungsantrages und die Begründung dafür - für uns - an Absurdität nicht zu überbieten ist! Daher möchten wir, für alle jemals noch ins Haus stehenden Sonderregelungen im Rahmen von noch kommenden Pandemien eine Klarstellung iZm den Regeln, die offenbar nur WIR nicht verstehen (können) und daher hinterfragen (müssen)! Sollte die Unterstützungsmaßnahme nur als Rückzahlungsmöglichkeit und nicht AUCH als Möglichkeit der Verfügung (in Form einer beantragen Überrechnung, zur Tilgung einer Schuld, auf das FA-Kto. Einer anderen Steuerpflichtigen) verstanden werden, dann möchten wir das gerne zweitinstanzlich beschieden haben! Es widerspricht jeglicher Logik, da ja das andere Abgabenkonto ja auch als alternatives Bankkonto verstanden werden könnte. Dass so die Gutschrift innerhalb der Finanzverwaltung bleiben würde, ohne auf ein unternehmereigenes Bankkonto (zwischen)transferiert zu werden, sei nur am Rande erwähnt! Ja! Wirkt wie ein Prinzipienreiterei! Dennoch möchten wir hier eine Klarstellung!"……

In der am abgehaltenen mündlichen Verhandlung führte der steuerliche Vertreter der Bf. seine Beschwerde aus. Es gehe ums Prinzip, ob tatsächlich nur eine Rückzahlung wie im Gesetz vorgesehen oder nicht auch eine Überrechnung auf ein anderes Konto zulässig sei.
Der steuerliche Vertreter beantragte die Stattgabe der Beschwerde und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Die Vertreterin des Finanzamtes verwies darauf, dass das Finanzamt an das Gesetz gebunden sei und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Am Abgabenkonto der Bf. wurden am der Körperschaftsteuerbescheid 2019 (Nachforderung 1.217 €) und der Umsatzststeuerbescheid 2019 (Gutschrift in der Höhe von 8.835,42 €) verbucht. Dadurch verminderte sich der am Konto zu diesem Zeitpunkt bestehende Abgabenrückstand von 15.585,73 € auf 7.967,31 €.
Da am Abgabenkonto am eine Zahlung von 5.300 € geleistet wurde, betrug der aushaftende Rückstand im Zeitpunkt des Antrages auf Überrechnung am bzw. im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides am 2.667,31 €.
Am Abgabenkonto der Bf. war eine Zahlungserleichterung bescheidmäßig zuerkannt (Buchungsabfrage Abgabenkonto 222).

Auf dem Abgabenkonto der A wurde am der Umsatzsteuerbescheid 2019 mit einer Nachforderung in der Höhe von 8.455,01 € verbucht (Buchungsabfrage Abgabenkonto 333).

§ 323c BAO (Sonderregelungen aufgrund der Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19) lautet auszugsweise:

(6) Bis sowie von bis erfüllt eine sonstige Gutschrift oder ein Teil einer sonstigen Gutschrift keinen Tilgungstatbestand gemäß § 211 BAO, wenn diese Gutschrift auf einem Abgabenkonto zu verbuchen ist, auf dem

1. ein Abgabenrückstand besteht, für den ein Ansuchen nach § 212 BAO im Verfahren FinanzOnline eingebracht oder eine Zahlungserleichterung mit Bescheid zuerkannt und

2. innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe des die sonstige Gutschrift auslösenden Bescheides oder Erkenntnisses, bei Selbstberechnung einer Abgabe gleichzeitig mit der Selbstberechnungund Bekanntgabe des negativen Abgabenzahlungsanspruches oder im Zusammenhang mit Prämien, Vergütungen oder Erstattungen gleichzeitig mit deren Beantragung ein Antrag auf Rückzahlung gemäß Abs. 9 im Verfahren FinanzOnline eingebracht wurde.

(7) Abs. 6 kommt nicht zur Anwendung, wenn die sonstige Gutschrift gemäß § 214 Abs. 8 zu verrechnen oder eine Abschreibung von Abgaben (§§ 235, 236) erfolgt. In den Fällen des § 26 Abs. 3 und 5 UStG 1994 kommt Abs. 6 insoweit nicht zur Anwendung, als eine Einfuhrumsatzsteuer auf dem Abgabenkonto verbucht ist.

(8) Für sonstige Gutschriften im Sinne des Abs. 6 ist § 215 Abs. 1 bis 3 BAO sinngemäß anzuwenden, es sei denn, dass dadurch eine Tilgung von Abgaben erfolgen würde, für die ein Ansuchen nach § 212 BAO im Verfahren FinanzOnline eingebracht oder eine Zahlungserleichterung mit Bescheid zuerkannt wurde.

(9) Für Anträge auf Rückzahlung sonstiger Gutschriften im Sinne des Abs. 6 ist § 239 BAO sinngemäß anzuwenden. Die Anwendung des § 239a BAO bleibt unberührt.

(10) Die Abs. 6 bis 9 finden auf sonstige Gutschriften Anwendung, die

1. vor dem verbucht wurden und aus Bescheiden oder Erkenntnissen resultieren, welche nach dem bekanntgegeben werden oder im Zusammenhang mit einer Selbstberechnung nach dem bekanntgegeben werden;

2.vor dem verbucht wurden und aus Bescheiden oder Erkenntnissen resultieren, welche nach dem bekanntgegeben werden oder im Zusammenhang mit einer Selbstberechnung nach dem bekanntgegeben werden.

Bei der aus der Verbuchung des Umsatzststeuerbescheides 2019 resultierenden Gutschrift in der Höhe von 8.835,42 € handelt es sich um eine sonstige Gutschrift im Sinne des § 323c Abs. 6 BAO, die keinen Tilgungstatbestand gemäß § 211 BAO bewirkte, weil am Abgabenkonto der Bf. ein Abgabenrückstand bestand, für den eine Zahlungserleichterung mit Bescheid zuerkannt worden war. Ein Antrag auf Rückzahlung der sonstigen Gutschrift unter sinngemäßer Anwendung des § 239 BAO wäre daher nach § 323c Abs. 9 BAO möglich gewesen.

Im Anbringen vom beantragte der steuerliche Vertreter der Bf., einen Betrag in der Höhe von 8.455,01 € auf das Abgabenkonto der A zu überweisen.

Sinn der Bestimmung des § 323c Abs. 6 BAO ist die durch die Möglichkeit der Rückzahlung von sonstigen Gutschriften trotz Bestehens von Abgabenrückständen geschaffene Erhaltung der Liquidität des eigenen Betriebes, weshalb eine Umbuchung/Überrechnung auf das Abgabenkonto eines anderen Unternehmens gemäß § 215 Abs. 4 BAO vom Gesetzgeber nicht begünstigt wurde.
§ 323 c Abs. 6 BAO verweist hinsichtlich des Rückzahlungsantrages auf Abs. 9, in dem wiederum auf die sinngemäße Anwendung des § 239 BAO verwiesen wird.
Für den Fall einer Umbuchung oder Überrechnung einer sonstigen Gutschrift sah § 323c Abs. 8 BAO hingegen die sinngemäße Anwendung des § 215 Abs. 1 bis 3 BAO vor.
Der von der Bf. vertretenen Rechtsansicht, § 323 c Abs. 6 BAO sei so auszulegen, dass auch Umbuchungen und Überrechnungen wie Rückzahlungen zu behandeln seien, steht daher der ausdrückliche Gesetzeswortlaut entgegen.

§ 215 Abs. 1 bis 3 BAO lautet:
(1) Ein sich aus der Gebarung gemäß § 213 unter Außerachtlassung von Abgaben, deren Einhebung ausgesetzt ist, ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen ist zur Tilgung fälliger Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die dieser Abgabepflichtige bei derselben Abgabenbehörde hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist.
(2) Das nach einer gemäß Abs. 1 erfolgten Tilgung von Schuldigkeiten bei einer Abgabenbehörde des Bundes verbleibende Guthaben ist zur Tilgung der dieser Behörde bekannten fälligen Abgabenschuldigkeiten zu verwenden, die der Abgabepflichtige bei einer anderen Abgabenbehörde des Bundes hat; dies gilt nicht, soweit die Einhebung der fälligen Schuldigkeiten ausgesetzt ist.
(3) Ist der Abgabepflichtige nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähig, so ist ein nach Anwendung der Abs. 1 und 2 noch verbleibendes Guthaben unter sinngemäßer Anwendung dieser Bestimmungen zugunsten derjenigen zu verwenden, die nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes im eigenen Namen über das Guthaben zu verfügen berechtigt sind.

Voraussetzung einer Umbuchung oder Überrechnung nach § 215 BAO ist demnach das Bestehen eines Guthabens am Abgabenkonto.

Ein solches bestand nach der Aktenlage nicht, weshalb die Abweisung des Überrechnungsantrages durch das Finanzamt zu Recht erfolgte.

Auch in den der Beschwerde beigelegten, vom BMF publizierten "Unterstützungsmaßnahmen im Bereich der Entrichtung von Abgaben" wird unter Punkt 4. ausschließlich zur Rückzahlung von Gutschriften festgehalten, dass es für den Zeitraum 22.11. bis möglich ist, sich trotz Bestehens fälliger Abgabenschuldigkeiten auf dem Abgabenkonto Gutschriften zurückzahlen zu lassen. Eine Umbuchung oder Überrechnung von sonstigen Gutschriften am Abgabenkonto wird nicht angeführt.

Zur Zulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Rechtsfolge der Abweisung eines Überrechnungsantrages im Fall des Bestehens eines Rückstandes am Abgabenkonto ergibt sich aus der eindeutigen Gesetzeslage. Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung wurden nicht aufgeworfen, weshalb eine ordentliche Revision nicht zulässig ist.

Beilage für die Parteien: Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom in Abl.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 323c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100587.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at