Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 24.03.2022, RV/7100161/2022

Covid-19 Ratenzahlungsmodell; Vorauszahlungen irrtümlich nicht einbezogen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden***V***, den Richter***Ri*** sowie die fachkundigen Laienrichter ***B1*** und ***B2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch ***Stb***, ***Adr-Stb***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung eines COVID-19-Ratenzahlungsansuchens, Steuernummer ***BF1StNr1*** in Anwesenheit der Schriftführerin ***SF*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben und der Beschwerdeführerin Raten für die Monate März bis September 2022 in Höhe von monatlich € 3.733,00, zahlbar bis Ende des jeweiligen Monates, gewährt.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Eingabe vom beantragte die nunmehrige Beschwerdeführerin ***Bf1*** (Bf.) die Begleichung des Abgabenrückstandes nach dem COVID-19-Ratenzahlungsmodell in 36 monatlichen Raten, wobei hinsichtlich der Phase I die monatliche Rate € 1.210,73 für die Monate 1 - 3 und € 3.733,08 für die Monate 4 - 15 betragen würden. Die Voraussetzung mehr als 50 % nach dem sei erfüllt und werde beantragt, auch die Vorauszahlung 2021 iHv rd. € 32.500,00 einzubeziehen. Voraussichtliche Zinsen würden insgesamt € 1.750,87 anfallen, sodass in Summe Phase I € 50.180,03 ausmache.

Hinsichtlich der erst im August 2022 beantragbaren Phase II würden 21 monatliche Raten von € 3.459,23 beantragt, wobei voraussichtliche Zinsen von € 2.250,75 anfallen, sodass in Summe Phase II € 50.180,03 ausmache.

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt das COVID-19-Ratenzahlungsansuchen ab und forderte die Bf. zur Vermeidung von Einbringungsmaßnahmen auf, die rückständigen Abgabenschuldigkeiten in Höhe von € 90.060,92 unverzüglich und in Höhe von € 31.012,00 bis zu entrichten. Als Begründung wurde ausgeführt, dass der Rückstand nicht überwiegend aus Abgaben bestehe, die zwischen dem und dem fällig geworden sind. Dabei seien auch die bescheidmäßig festgesetzten (zukünftigen) Vorauszahlungen an Einkommen- oder Körperschaftsteuer in die Ermittlung des Überwiegens miteinbezogen worden. Die Voraussetzungen des § 323e Abs. 1 BAO seien daher nicht erfüllt.

Am erhob die Bf. fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid über die Abweisung eines COVID-19-Ratenzahlungsansuchens vom und führte wie folgt aus:

"Der bekämpfte Bescheid langte am ein, sodass das Rechtsmittel am innerhalb offener Frist erfolgt. Der Bescheid spricht zwar aus, dass die Abgaben überwiegend nicht im fraglichen Zeitraum des § 323e BAO erfolgen, entbehrt aber in der Begründung einer Berechnung (Verfahrensmangel). Die steuerliche Vertretung berechnet folgendermaßen: Rückstand 121.072,92 + VZ 2021 32.500 ergibt 153.572,92. Davon wurden im fraglichen Zeitraum (323e BAO) fällig: VZ 2021 32.500 + E2018 30.212 + ZI2018 174,50 + ST2020 900,67 + E 2019 13.075, ergibt 76.862,17, das sind 50,04% und somit überwiegen.
Beantragt wird, dass der Abweisungsbescheid ersatzlos aufgehoben und durch einen Bewilligungsbescheid ersetzt wird."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom betreffend die Erledigung des Antrages auf Ratenbewilligung gemäß § 323e Abs. 2 BAO abgewiesen und begründend ausgeführt:

"In der Beschwerdebegründung wird vorgebracht, dass im gegenständlichen Fall der Rückstand überwiegend, nämlich zu 50,04 %, aus Abgaben bestehe, die im Zeitraum vom bis fällig geworden sind.
Ihrer Berechnung zugrunde gelegt haben Sie einen Rückstand in Höhe von € 121.072,92 zuzüglich Einkommensteuervorauszahlungen 2021 in Höhe von € 32.500,00. Richtig ist, dass zum Zeitpunkt der Erledigung des COVID-19-Ratenzahlungsansuchens vom ein Rückstand in Höhe von € 121.072,92 bestanden hat. Nicht nachvollziehbar ist die Ausführung betreffend Einkommensteuervorauszahlungen für 2021. Eine bescheidmäßige Festsetzung von Einkommensteuervorauszahlungen 2021 gibt es nicht.
Somit ist Grundlage für die Berechnung der Betrag von € 121.072,92. Davon fallen in den maßgeblichen Zeitraum: Einkommensteuer 2018 € 30.212,00, Anspruchszinsen 2018 € 174,50, Stundungszinsen 2020 € 900,67 und Einkommensteuer 2019 € 13.075,00, dies ergibt in Summe einen Betrag von € 44.362,17 und somit einen Anteil an Abgaben, die im Zeitraum von bis fällig geworden sind, von 36,64 %.
Da laut obiger Ausführungen der Rückstand nicht überwiegend aus Abgaben, die zwischen dem und fällig geworden sind, besteht, sind die Voraussetzungen des § 323e Abs. 2 Z 1 BAO nicht erfüllt. Die Beschwerde musste daher aus Rechtsgründen abgewiesen werden."

Mit Eingabe vom stellte die Bf. innerhalb offener Frist den Vorlageantrag an das Bundesfinanzgericht und führt dazu wie folgt aus:

"Die Finanzverwaltung beruft sich in ihrer Beschwerdevorentscheidung darauf, dass eine Einkommensteuervorauszahlung 2021 nicht festgesetzt wurde, jedoch in den Anträgen tatsächlich berücksichtigt wurde.
Aufgrund mangelnder bescheidmäßiger Festsetzungen der Vorauszahlungen sieht die belangte Behörde es als gegeben an, dass ein Überwiegen der fälligen Beträge nicht vorliegt (rechnerisch ist dies korrekt). Aus Sicht der steuerlichen Vertretung kann es sich lediglich um einen "Fehler" (möglicherweise "absichtlicher" Fehler) handeln. Bis dato reglementiert § 45 EStG, dass ein Steuerpflichtiger Vorauszahlungen zu leisten hat. Vorauszahlungen leisten zu haben, ist eine sogenannte Mussbestimmung und erscheint es nicht im Rahmen einer Ermessensübung dem Finanzamt zugänglich, dass Vorauszahlungsbescheide einfach nicht erteilt oder nicht festgesetzt werden.
Allenfalls könnte die Vermutung aufkommen, dass dieser Vorgang nahezu absichtlich unterbrochen wurde (Umprogrammierung im Bundesrechenzentrum?), um gerade die von der Regierung vorgesehene SafetyCar-Phase nicht vornehmen zu müssen.
Insgesamt erscheint es angebracht, dass die Finanzverwaltung sich gesetzeskonform verhält und mit Festsetzung des Einkommensteuerbescheides auch den Vorauszahlungsbescheid 2021 erlassen hätte müssen, dies nunmehr nachzuholen.
Dementsprechend wird der Antrag auf Wiedereinsetzung der Frist 30.06. gestellt. Die Wiedereinsetzung möge erfolgen, sobald der Einkommensteuervorauszahlungsbescheid 2021 erstellt und ausgefertigt wurde.
Darüber hinaus wird erneut der ursprüngliche Antrag im Rahmen der Wiedereinsetzung beantragt.
Für den Fall der Vorlage vor das Bundesfinanzgericht werden folgende weitere Anträge gestellt:
1. Mündliche Verhandlung
2. Entscheidung durch den gesamten Senat
3. Aussetzung gem. § 212a BAO bis das Bundesfinanzgericht ein Erkenntnis erlassen hat.

Die steuerliche Vertretung ist bereits heute mit einer Erledigung durch § 299 BAO (Aufhebung des Abweisungsbescheides einverstanden.

Kritische Anmerkung:
Besonders hilfreich für die Abgabepflichtige ist es nicht, wenn in einem ohnehin schwierigeren Umfeld und aufgrund der aktuell aus den Zeitungen zu entnehmenden Umständen auch noch Fehler der Finanzverwaltung (und kann sich die steuerliche Vertretung nichts anderes als ein lediglich einen Irrtum hinsichtlich des fehlenden Vorauszahlungsbescheides vorstellen) diesen Fehler dahingehend zu nutzen, dass Anträge, die gerade für dieses schwierige Umfeld von der Bundesregierung eingeräumt wurden, nunmehr ablehnt
."Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde mit Schreiben vom zurückgenommen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 323e Abs. 1 BAO besteht abweichend von § 212 Abs. 1 nach Maßgabe der Abs. 2 bis 3 die Möglichkeit zur Entrichtung eines überwiegend COVID-19-bedingten Abgabenrückstandes (Abs. 2 Z 1) in angemessenen Raten in zwei Phasen über die Dauer von längstens sechsunddreißig Monaten. Die Zinsen betragen zwei Prozent über dem jeweils geltenden Basiszinssatz pro Jahr. Die gleichzeitige Gewährung einer Zahlungserleichterung gemäß § 212 ist ausgeschlossen.

Gemäß § 323e Abs. 2 BAO gilt für die Phase 1 des COVID-19-Ratenzahlungsmodells Folgendes:
1. Gegenstand des Antrags auf Ratenzahlung sind Abgabenschuldigkeiten, die überwiegend zwischen dem und dem fällig geworden sind einschließlich die der Höhe nach bescheidmäßig festgesetzten Vorauszahlungen an Einkommen- oder Körperschaftsteuer, hinsichtlich derer die Zahlungstermine in der Phase 1 gelegen sind.
2. Der Antrag auf Ratenzahlung ist ab dem bis zum einzubringen.
3. Der Ratenzahlungszeitraum endet am .
4. Innerhalb des Ratenzahlungszeitraumes kann der Abgabepflichtige einmal einen Antrag auf Neuverteilung der Ratenbeträge stellen.
5. Die während des Ratenzahlungszeitraumes an eine Abgabenbehörde geleisteten Zahlungen können weder nach der Insolvenzordnung - IO, RGBl. Nr. 337/1914 noch nach der Anfechtungsordnung - AnfO, RGBl. Nr. 337/1914, angefochten werden.
Abgesehen von den Voraussetzungen für die Gewährung der Ratenzahlung ist im übrigen § 212 BAO anzuwenden.

Insoweit in der Beschwerdebegründung vorgebracht wurde, der Rückstand bestehe überwiegend, nämlich zu 50,04%, aus Abgaben, die im Zeitraum vom bis fällig geworden seien, wobei der Berechnung ein Rückstand in Höhe von € 121.072,92 zuzüglich Einkommensteuervorauszahlungen 2021 in Höhe von € 32.500,00 zugrunde gelegt wurde bzw. das Finanzamt mit Festsetzung des Einkommensteuerbescheides 2020 auch einen Einkommensteuervorauszahlungsbescheid 2021 hätte erlassen müssen, ist darauf hinzuweisen, dass seitens der Bf. am ein Antrag auf Nullstellung der Einkommensteuervorauszahlungen über FinanzOnline eingebracht wurde. Infolge des Eintrags bei der Kennzahl 305 wurde die Nullstellung nicht nur für das Jahr 2020 (richtig wäre Kennzahl 303 gewesen), sondern auch für die Folgejahre beantragt, womit der Einkommensteuerbescheid 2020 keine Festsetzung von Einkommensteuervorauszahlungen für 2021 auslöste. Mit Bescheid vom erfolgte sohin eine antragsgemäße Erledigung auf Nullstellung der Einkommensteuervorauszahlungen.

Nunmehr hat die belangte Behörde aufgrund der Vorbringen im gegenständlichen Verfahren den Antrag auf eine COVID-19-Ratenzahlung vom auch als Antrag auf Festsetzung einer Einkommensteuervorauszahlung 2021 gewertet und mit Bescheid vom für 2021 und Folgejahre Einkommensteuervorauszahlungen in Höhe von € 32.500,00 festgesetzt.

Da in die Ermittlung des Überwiegens der COVID-19-bedingten Abgaben auch bescheidmäßige (zukünftige) Vorauszahlungen an Einkommensteuer miteinzubeziehen sind, die in der ersten Phase des Ratenzahlungsmodelles fällig werden, liegen die gemäß § 323e Abs. 2 BAO für die Anwendung des COVID-19-Ratenzahlungsmodells erforderliche Voraussetzung eines überwiegend COVID-19-bedingten Abgabenrückstandes vor (s. Berechnungsblatt vom ).

Da die Bf. die beantragten Raten bis zur Sitzung des Senates des Bundesfinanzgerichtes fristgerecht laut Zahlungsplan entrichtet hat, werden die restlichen Raten nunmehr für die noch offenen Monate März bis September 2022 iHv € 3,733,00 festgesetzt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens war keine Rechtsfrage, sondern die Sachverhaltsfrage, ob ein überwiegend COVID-19-bedingter Abgabenrückstand als Voraussetzung für die Anwendung des COVID-19-Ratenzahlungsmodells gegeben ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 323e Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 323e Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100161.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at