Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.01.2022, RV/7102541/2021

Energieabgabenvergütung, Änderung der Marktgängigkeit

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Christian Baumgartner über die Berufung, nunmehr Beschwerde der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch die CONSULTATIO Wirtschaftsprüfung GmbH & Co KG, Karl-Waldbrunner-Platz 1, 1210 Wien, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrages vom auf Vergütung von Energieabgaben für das Wirtschaftsjahr 06/2010 bis 05/2011, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Energieabgabenvergütung betreffend den Zeitraum 06/2010 bis 05/2011 wird mit Euro 14.153,58 festgesetzt.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Erkenntnis vom , RV/7101495/2013, entschied das Bundesfinanzgericht über die o. a. Berufung, nunmehr Beschwerde, in der die Gewährung der Energieabgabenvergütung für den Zeitraum 06/2010 bis 05/2011 in Höhe von Euro 14.153,58 beantragt wurde und gab dieser teilweise Folge, indem es die Energieabgabenvergütung für den genannten Zeitraum auf Grundlage der Berufungsvorentscheidung vom im Ausmaß von Euro 9.516,94 festsetzte. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird betreffend des bisherigen Verfahrensablaufes sowie des Vorbringens der Bf. auf die dort erstellten diesbezüglichen Ausführungen verwiesen.

Gegen dieses Erkenntnis erhob die Beschwerdeführerin, in der Folge als Bf. bezeichnet, außerordentliche Revision, die der VwGH zuließ und das Erkenntnis des BFG mit Entscheidung vom , Ra 2020/15/0122-7, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufhob und in dessen Rz 31 bis 41 dazu wörtlich wie folgt ausführte:

"Die mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, normierten Änderungen des EAVG sind mit in Kraft getreten (vgl. ). Gemäß § 2 Abs. 1 EAVG idF BGBl. I Nr. 111/2010 ist ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Vergütung nur (mehr) für Betriebe gegeben, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht und soweit sie nicht die in § 1 Abs. 3 EAVG genannten Energieträger (Strom, Erdgas, Kohle, Heizöl, Flüssiggas) oder Wärme (Dampf oder Warmwasser), die aus den in § 1 Abs. 3 EAVG genannten Energieträgern erzeugt wurde, liefern.

Nach den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 2011 (vgl. 981 BlgNR 24. GP 141) sollen alle Betriebe, deren Schwerpunkt in der Erbringung von Dienstleistungen besteht, keinen Anspruch auf Energieabgabenvergütung haben (vgl. ).

Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Unterscheidung zwischen Betrieben mit Schwerpunkt in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter und anderen Betrieben hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom , B 321 12, ausgesprochen, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf die typischerweise unterschiedliche Wettbewerbssituation im Recht der Energieabgabenvergütung zwischen Produktions- und Dienstleistungsbetrieben differenzieren und letztere davon ausschließen durfte. Dienstleistungsbetriebe (auch energieintensive Dienstleistungsbetriebe) seien durch Standort- und Personengebundenheit sowie durch das Zusammenfallen von "Produktion" und 9"Verbrauch" gekennzeichnet, auch wenn es - nicht zuletzt im Hinblick auf die moderne Informationstechnologie - bei einzelnen Dienstleistungen zu einer Trennung von "Produktion" und "Verbrauch" kommen könne. Der typische Produktionsbetrieb erzeuge demgegenüber in der Regel Güter, die global gehandelt werden könnten, für den Konsumenten mit ausländischen Produkten ohne weiteres austauschbar seien und bei denen daher die Produktionskosten eine entscheidende Rolle spielten. Der inländische Produktionsbetrieb sei dem internationalen Wettbewerb auch dadurch ausgesetzt, dass ausländische Produkte auf dem Inlandmarkt angeboten und damit in Wettbewerb zu inländischen Produkten treten würden.

Strittig ist, ob der Schwerpunkt der Tätigkeit der Revisionswerberin in der Herstellung von körperlichen Wirtschaftsgütern isd § 2 Abs. l EAVG besteht.

Das Bundesfinanzgericht stützt seine Ansicht, dass der Schwerpunkt der Tätigkeit der Revisionswerberin nicht in der Herstellung von körperlichen Wirtschaftsgütern bestehe, darauf, dass sich durch die im Betrieb der Revisionswerberin vorgenommenen Behandlungsschritte am Wesensgehalt des bearbeiteten Gemüses nichts ändere und beispielsweise eine feldgefallene Karotte auch gewaschen, vom Kraut befreit, zerschnitten und verpackt eine Karotte bleibe.

Entscheidend dafür, ob eine Bearbeitung zugleich als Herstellung eines Wirtschaftsguts isd § 2 Abs. 1 EAVG gilt, ist zunächst, ob durch die Bearbeitung ein Produkt anderer Marktgängigkeit entsteht (vgl. , und , Ro 2020/15/0001). Für die Beurteilung, ob ein Produkt anderer Marktgängigkeit entstanden ist, ist die Verkehrsauffassung, das heißt die allgemeine Auffassung der beteiligten Wirtschaftskreise und hier vor allem die Sicht des Abnehmers maßgeblich (vgl. etwa zur Umsatzsteuer Ruppe/Achatz, UStG4, § 3 Tz 112 sowie § 8 Tz 19 ff).

Mit der Einschränkung der Energieabgabenvergütung auf Betriebe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht, hat der Gesetzgeber eine Unterscheidung zwischen Produktionsbetrieben und Dienstleistungsbetrieben getroffen (vgl. 981 BlgNR 24. GP 141). Dabei wurde auf die unterschiedliche Konkurrenzsituation zwischen diesen Betriebsarten abgestellt. Ein Produktionsbetrieb erzeugt typischerweise Güter, die für den Konsumenten mit ausländischen Produkten ohne weiteres austauschbar sind und der damit dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt ist, etwa, weil er seine Produkte im Ausland verkauft, oder auch dadurch, dass ausländische Produkte auf dem Inlandmarkt angeboten werden und damit in Wettbewerb zu seinen Produkten treten (vgl. ).

Der Betrieb der revisionswerbenden Partei umfasst ein Betriebsgelände im Ausmaß von rund 1,3 Hektar, auf dem sich große Werkshallen mit Maschinen und Anlagen beenden. Die revisionswerbende Partei verkauft ihre Produkte an den Lebensmittelhandel. Sie enden sich - nach dem unwidersprochenen Beschwerdevorbringen - in den Regalen großer österreichischer Lebensmitteleinzelhändler. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes erweisen sich die beschriebenen Tätigkeiten (Enterden, Reinigen, Befreien von Keimlingen, Sortieren, Zerschneiden und Verpacken) als produktionsbezogene Verarbeitungsschritte, die noch Teil des Entstehungsprozesses der für den Handel aufbereiteten Endprodukte sind.

Entgegen dem im angefochtenen Erkenntnis vertretenen Standpunkt kommt bei der Beurteilung, ob ein Produktionsbetrieb isd § 2 Abs. 1 EAVG vorliegt, auch der richtigen Einordnung einer Tätigkeit nach der Verordnung (EG) Nr. 1893/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Aufstellung der statistischen Systematik der Wirtschaftszweige NACE Revision 2 bzw. der von der Statistik Austria herausgegebenen Systematik der Wirtschaftstätigkeiten ÖNACE 2008, eine gewisse Indizwirkung zu (vgl. ).

Das Bundesfinanzgericht hat der Änderung der Marktgängigkeit des hier in Rede stehenden Gemüses vor und nach der Bearbeitung keine Bedeutung beigemessen. Auch das Vorbringen im ergänzenden Schriftsatz der revisionswerbenden Partei vom , wonach ihre Tätigkeit in der Wirtschaftsklassifikation ÖNACE 2008 unter 77Abschnitt C - Herstellung von Waren, Abteilung 1D - Herstellung von Nahrungs- und Futtermitteln, Gruppe 10.3 Obst- und Gemüseverarbeitung, Klasse 10.39-0 sonstige Verarbeitung von Obst und Gemüse" zu subsumieren sei, erachtete das Bundesfinanzgericht als völlig unbeachtlich.

Dadurch hat es die Rechtslage verkannt, weshalb das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war."

Die gegenständliche Berufung, nunmehr Beschwerde, gilt damit wiederum als unerledigt.

Mit am beim BFG eingelangtem Schreiben gleichen Datums zog die steuerliche Vertreterin der Bf. die Anträge auf Entscheidung durch den gesamten Senat sowie auf Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zurück.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Strittig ist die Frage, ob es sich bei der Bf. um einen vergütungsfähigen Produktionsbetrieb iSd § 2 Abs. 1 EAVG handelt oder nicht.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, dass das BFG gemäß § 63 Abs. 1 VwGG verpflichtet ist, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision stattgegeben hat, in der betreffenden Rechtssache mit den ihm zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Der VwGH stellte, w. o. ausgeführt, fest, dass sich die von der Bf. entfalteten Tätigkeiten (Enterden, Reinigen, Befreien von Keimlingen, Sortieren, Zerschneiden und Verpacken) als produktionsbezogene Verarbeitungsschritte, die noch Teil des Entstehungsprozesses der für den Handel aufbereiteten Endprodukte seien, erwiesen.

Der Vergütungsbetrag nach dem Energieabgabenvergütungsgesetz war daher in Höhe von Euro 14.153,58 festzusetzen.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Eine derartige Rechtsfrage liegt hier nicht vor, da mit diesem Erkenntnis die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ra 2020/15/0122-7, geäußerte Rechtsansicht umgesetzt wird.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 2 Abs. 1 EGVG, Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008, BGBl. I Nr. 87/2008
§ 63 Abs. 1 VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102541.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at