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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 20.03.2022, RV/7100836/2021

Keine Auswirkung auf die Abgabengutschrift trotz vollinhaltlicher Stattgabe BVE wegen der gesetzlichen Begrenzung der negativsteuerfähigen Absetzbeträge

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Mag. Andrea Ebner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht:

I. Der Beschwerde wird im Sinne der Beschwerdevorentscheidung des Finanzamtes vom stattgegeben. Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Beschwerdevorentscheidung gemäß § 262 BAO vom abgeändert.

II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer machte in seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2019 ua die nunmehr strittigen Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung iHv EUR 2.942,56 geltend.

Mit Bescheid vom setzte die belangte Behörde die Einkommensteuer für das Jahre 2019 ohne Berücksichtigung der Werbungskosten für die doppelte Haushaltsführung fest. Die übrigen in der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung geltend gemachten Werbungskosten wurden iHv EUR -702,96 berücksichtigt.

Am erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide der Jahre 2016, 2017 und streitgegenständlich 2019, weil in diesen Jahren die Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung nicht berücksichtigt worden seien. Begründend führte er aus, dass nach dem Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ RV/7104209/2017 betreffend die Einkommensteuer 2014 festgehalten worden sei, dass die doppelte Haushaltsführung wegen Unzumutbarkeit der Verlegung des Familienwohnsitzes zu berücksichtigen sei. Die für das Jahr 2014 anerkannten Gründe treffen vollinhaltlich auch auf die Jahre 2016 bis 2019 zu. Als weitere Gründe für die Beibehaltung des Lebensmittelpunktes in ***Y*** komme die in den Jahren 2017 und 2018 in ***Y*** durchgeführte Karenzierung und Kinderbetreuung des Beschwerdeführers sowie die Verlegung des Arbeitsplatzes nach ***Y*** per Oktober 2020.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab die belangte Behörde der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid des Jahres 2019 statt und Berücksichtigte die Werbungskosten nunmehr iHv EUR -3.645,52. Die Einkommensteuer für das Jahr 2019 setzte sie (wie bisher) mit EUR -3.643,00 fest.

Der Vorlageantrag vom richtete sich gegen den Einkommensteuerbescheid der Jahre 2016 und (streitgegenständlich) 2019, in welchem der Beschwerdeführer nähere Angaben zu den Gründen für die doppelte Haushaltsführung machte.

Die Beschwerdevorentscheidung betreffend die Einkommensteuer 2016 wurde mit Bescheid vom - somit vor Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht - gemäß § 299 BAO aufgehoben. Mit Sachbescheid vom selben Tag berücksichtigte die belangte Behörde die Werbungskosten für die doppelte Haushaltsführung und setzte die Einkommensteuer mit EUR -4.010,00 statt bisher EUR -3.166,00 fest.

Am legte die belangte Behörde die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid des Jahres 2019 dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor. Im Vorlageantrag vom selben Tag wies sie darauf hin, dass die Werbungskosten betreffend die doppelte Haushaltsführung im Jahr 2019 berücksichtigt worden seien. Die Kosten würden sich aber auf die Höhe der Gutschrift nicht mehr auswirken, weil die Erstattungsfähigkeit bereits ausgeschöpft sei.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer bezog im Streitjahr 2019 Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit aus seiner Tätigkeit an der ***Universität X***. Die steuerpflichtigen Bezüge im Jahr 2019 beliefen sich daraus auf EUR 23.686,16.

Im Streitjahr 2019 hatte der Beschwerdeführer einen Wohnsitz in ***Y***. Seit Dezember 2013 steht er in einem Arbeitsverhältnis mit der ***Universität X***. Der Beschwerdeführer hat zwei Kinder. Er betreut seinen minderjährigen Sohn ***A*** in seinem Haushalt in ***Y*** an vier von zehn Werktagen bzw an sechs von vierzehn Wochentagen. Er teilt sich mit der Kindesmutter die Obsorge; eine Übersiedelung an den Arbeitsort war für das Kind nicht möglich. In den Jahren 2017 und 2018 war der Beschwerdeführer karenziert und kümmerte sich um die die Kinderbetreuung des minderjährigen Sohnes ***B*** in ***Y***. Im Jahr 2019 stand dem Beschwerdeführer keine Wohnung am Arbeitsort zur Verfügung. Die Ausgaben für die Unterbringung in Pensionen in Leoben im Jahr 2019 iHv EUR 2.942,56 machte er als Werbungskosten für die doppelte Haushaltsführung geltend. Im Oktober 2020 verlegte der Beschwerdeführer seinen Arbeitsplatz nach ***Y***.

Dass der Beschwerdeführer im Streitjahr 2019 seinen Lebensmittelpunkt in ***Y*** hatte und die Voraussetzungen für die doppelte Haushaltsführung erfüllt hat wird von der belangten Behörde nicht in Streit gestellt. Vielmehr erkannte sie die in der Beschwerdevorentscheidung vom die Werbungskosten für die doppelte Haushaltsführung an.

Weiters wurden dem Beschwerdeführer im Jahr 2019 zuerkannt: weiters beantragte Werbungskosten, Sonderausgaben, Ausgaben für außergewöhnliche Belastung den Familienbonus Plus, den Alleinverdienerabsetzbetrag, den Unterhaltsabetzberag, Pendlerpauschale und Pendlereuro, Verkehrsabsetzbetrag.

Die Einkommensteuer vor Abzug der Absetzbeträge wurde in der Beschwerdevorentscheidung vom iHv EUR 2.987,61 festgestellt. Die Summe der im Jahr 2019 geltend gemachten Absetzbeträge betrug EUR -4.635,01.

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes. Die Angaben des Beschwerdeführers werden weder von der belangten Behörde noch vom Bundesfinanzgericht in Zweifel gezogen. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durfte das Bundesfinanzgericht daher in freier Beweiswürdigung von den obigen Sachverhaltsfeststellungen ausgehen.

Rechtliche Beurteilung

Vorbemerkung zur Einkommensteuer des Jahres 2016

Nach § 264 Abs. 7BAO scheidet der Vorlageantrag durch die Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung aus dem Rechtsbestand aus.

Die Gesetzesmaterialien führen dazu aus, dass § 264 Abs. 7 BAO sicher stellt, dass das Gericht keine Pflicht trifft, über Vorlageanträge nach der Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung zu entscheiden (EBRV 1352 BlgNR 25. GP 17).

Im Beschwerdefall hatte das Bundesfinanzgericht über die Einkommensteuer des Jahres 2016 somit nicht abzusprechen.

Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 dürfen bei den einzelnen Einkünften die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge nicht abgezogen werden.

Der Beschwerdeführer hat glaubhaft dargelegt, dass er sich im Streitjahr 2019 die Obsorge mit der Kindesmutter für seinen minderjährigen Sohn im Haushalt in ***Y*** geteilt hat und eine Verlegung des Wohnsitzes nach Leoben daher nicht möglich war. Im Jahr 2020 hat der Beschwerdeführer deshalb seinen Arbeitsplatz nach ***Y*** verlegt. Dass der Beschwerdeführer im Streitjahr 2019 seinen Familienwohnsitz in ***Y*** hatte wird weder vom Gericht noch von der belangten Behörde in Zweifel gezogen.

Die Begründung eines eigenen Haushaltes am Beschäftigungsort (doppelte Haushaltsführung) ist beruflich veranlasst, wenn der Familienwohnsitz vom Beschäftigungsort des Steuerpflichtigen so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann (vgl ).

Eine berufliche und damit zu Werbungskosten der betroffenen Aufwendungen führende Veranlassung einer doppelten Haushaltsführung liegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn einem Arbeitnehmer die Verlegung des (Familien-)Wohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei eine solche Unzumutbarkeit die unterschiedlichsten Ursachen haben kann (vgl , mwN). Die Unzumutbarkeit, den Familienwohnsitz aufzugeben, muss sich aus Umständen von erheblichem objektivem Gewicht ergeben (vgl ).

Vor dem Hintergrund der rechtlichen Ausführungen geht das Bundesfinanzgericht aufgrund des in freier Beweiswürdigung festgestellten Sachverhaltes davon aus, dass die Voraussetzungen für die Absetzbarkeit der Werbungskosten für die doppelte Haushaltsführung im Streitjahr 2019 erfüllt waren. Diese Ansicht wurde auch von der belangten Behörde mit Beschwerdevorentscheidung vom vertreten, in der sie den Werbungskostenabzug in der beantragten Höhe zuließ (siehe Berechnung zur Einkommensteuer des Jahres 2019 in der Beschwerdevorentscheidung).

Gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 ist Einkommen der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im Abs. 3 leg cit aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988) und außergewöhnlichen Belastungen (§§ 34 und 35 EStG 1988).

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat die belangte Behörde entsprechend des § 2 Abs 2 das Einkommen - unter Berücksichtigung des vollen Werbungskostenabzuges inklusive der Werbungskosten für die doppelte Haushaltsführung - mit EUR 21.536,04 ermittelt und nach Maßgabe des progressiven Einkommensteuertarifes die Steuerschuld mit EUR 2.987,61 berechnet.

Die Absetzbeträge (zB Alleinverdienerabsetzbetrag, Verkehrsabsetzbetrag) wirken sich in der Folge unmittelbar auf die Höhe der ermittelten Steuer aus (vgl etwa ). Dh sie kürzen die Steuerschuld selbst und nicht die Bemessungsgrundlage.

Für den Beschwerdefall bedeutet dies, dass von der ermittelten Steuerschuld iHv EUR 2.987,61 Absetzbeträge iHv -4.635,01 abzuziehen wären. Dies ergibt eine Summe iHv EUR -1.647,40. "Negativsteuerfähig" sind jedoch nur jene ausdrücklich im Gesetz aufgezählten Absetzbeträge.

Ergibt sich die Einkommensteuer unter null, ist nach § 33 Abs 8 Z 1 EStG 1988 insoweit der Alleinverdienerabsetzbetrag und der Alleinerzieherabsetzbetrag erstattungsfähig. Weiters sind nach Z 2 leg cit im Beschwerdefall maßgebend Sozialversicherungsbeiträge Beiträge iHv 50 %, begrenzt jedoch mit EUR 500 erstattungsfähig. Der Familienbonus Plus ist nicht negativsteuerfähig. Konkret bedeutet dies für den Beschwerdefall, dass in Summe maximal EUR -1.169,00 (EUR 669,00 Alleinverdienerabsetzbetrag + EUR 500,00 SV-Rückerstattung) erstattungsfähig sind. Der über EUR -1.169,00 hinausgehende Betrag (Differenzbetrag zu EUR -1.647,40) ist nicht erstattungsfähig.

Vom ermittelten negativsteuerfähigen Höchstbetrag waren EUR 214,68 an Einkommensteuer für jene dem besonderen Steuersatz iHv 6% unterliegende sonstige Bezüge (anstatt Tarifbesteuerung) hinzuzurechnen, woraus sich ein Steuerbetrag iHv EUR -954,32 berechnete. Der endgültige Gutschriftbetrag ermittelte sich in der Folge durch berücksichtigung der anrechenbaren Lohnsteuer iHv EUR -2.688,45 sowie EUR 0,23 zu Rundungszwecken und ergab eine Abgabengutschrift iHv insgesamt EUR-3.643,00.

Hinsichtlich der Berücksichtigung der Anerkennung der Werbungskosten für die doppelte Haushaltsführung war dem Beschwerdebegehren im Sinne der stattgebenden Beschwerdevorentscheidung vom stattzugeben und spruchgemäß zu entscheiden.

Da die "negativsteuerfähigen" Absetzbeträge gesetzlich begrenzt sind und im Beschwerdefall somit maximal EUR -1.169,00 berücksichtigt werden konnten, wirkt sich die Abgabengutschrift trotz vollständiger Berücksichtigung der Werbungskosten für die doppelte Haushaltsführung im Streitjahr 2019 nicht in der Abgabengutschrift aus.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im Beschwerdefall maßgebenden Rechtsfragen zur Abzugsfähigkeit von Werbungskosten für doppelte Haushaltsführung ist bereits durch die obig dargestellte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt (vgl zB ). Darüber hinaus war die in freier Beweiswürdigung vorgenommene Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes entscheidungswesentlich (vgl ). Die Voraussetzungen für eine Revisionszulassung nach Art 133 Abs 4 B-VG liegen somit nicht vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 2 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 18 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 35 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 105 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 33 Abs. 8 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 17a VfGG, Verfassungsgerichtshofgesetz 1953, BGBl. Nr. 85/1953
§ 24a VwGG, Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100836.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at