Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.01.2022, RV/7103372/2021

Rückforderung von Familienbeihilfe bei der nicht Anspruchsberechtigten, auch wenn die Beihilfe auf ein von ihr bekanntgegebenes Konto überwiesen wurde, auf dem sie im Zeitpunkt der Überweisung nicht mehr Mitinhaberin war, ohne diesen Umstand dem FA bekanntgegeben zu haben

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Regina Vogt in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe 05.2020-08.2020 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom wurden Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für die Kinder ***1*** und ***2*** für den Zeitraum Mai 2020 bis August 2020 mit der Begründung von der Beschwerdeführerin (Bf.) zurückgefordert, dass die Kinder nicht mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebten.

In der Beschwerde vom wendete die Bf. ein, sie lebe seit November 2019 von ihrem Ex-Mann getrennt, die Kinder lebten bei ihm und sie habe das gesamte Jahr 2020 keine Kinderbeihilfe oder dergleichen bezogen.

Die Beschwerde wurde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen.

Als Begründung wurde folgendes ausgeführt:

"Sie waren von Mai bis August 2020 die vermeintlich Anspruchsberechtigte und wurde die

Familienbeihilfe auf das von Ihnen bekanntgegebene Konto überwiesen.

Vorrangigen Anspruch auf Familienbeihilfe hat der Elternteil, in dessen Flaushalt sich das

Kind überwiegend aufhält. Die Kinder ***2*** und ***1*** waren im gegenständlichen

Beschwerdezeitraum beim Kindesvater wohnhaft, weshalb diesem die Familienbeihilfe für

diesen Zeitraum zusteht. Daher ist die Familienbeihilfe von 05/2020 bis 08/2020 von Ihnen

zurückzufordern.

Zu Ihrer Behauptung, dass auf Ihrem Konto keine Zahlungen eingegangen sind, ist

auszuführen, dass Sie verpflichtet sind, dem Finanzamt die korrekten Kontodaten und

Kontoänderungen bekanntzugeben. Sollte die Familienbeihilfe auf ein anderes Konto (das

des Kindesvaters) ausbezahlt worden sein, so werden Sie dahingehend auf den Zivilrechtsweg verwiesen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich der Vorlageantrag vom , in dem die Bf. vorbrachte, das Konto laufe seit ihrer Scheidung auf den Kindesvater, sie habe keinen Zugang zu dem Konto. Sie legte eine am bei der kontoführenden Bank erstellte Verzichtserklärung vor, wonach sie als Kontoinhaberin des auf ihren Namen und den Namen ihres ehemaligen Ehemannes lautenden Kontos Nr. ***6*** gestrichen worden sei. Dies wurde durch die Unterschrift ihres ehemaligen Ehemannes auf dieser Erklärung bestätigt.

Im Vorlagebericht vom führte die belangte Behörde ergänzend zum Sachverhalt folgendes aus:

"Der Kindesvater ***3*** beantragte ab die Familienbeihilfe (mit Antrag vom ), da die Kinder nach der Trennung von der Beschwerdeführerin (Bf.) bei ihm wohnhaft seien. Die Familienbeihilfe bezog bis August 2020 die Bf.. Laut ZMR wurde der Hauptwohnsitz der Bf. mit umgemeldet und daraufhin dem KV ab 05/2020 die Familienbeihilfe zuerkannt. Bei der Bf. erfolgte zunächst aufgrund der CovidVorgaben eine fiktive Rückforderung für die Monate 05-08/2020, damit beim KV ausgezahlt werden konnte. Im Juni 2021 erging der Rückforderungsbescheid an die Bf. In der Beschwerde brachte die Bf. vor, dass sie seit November 2019 vom KV getrennt sei und seit diesem Zeitpunkt keine Familienbeihilfe mehr bezogen habe.

Im Zuge der Rechtsmittelbearbeitung stellte sich heraus, dass die von der Bf. bekanntgegebene und für die FBH gewidmete IBAN die gleiche IBAN ist wie die des KV und dass alle Zahlungen auf dieses Konto erfolgen.

Mittlerweile liegt auch eine Bestätigung der Bank vor, dass die Bf. seit 11/2019 keinen Zugriff mehr auf das damalige Gemeinschaftskonto hat.

Die Beschwerde wurde mit der Begründung abgewiesen, dass die Bf. verpflichtet sei, dem Finanzamt die korrekten Kontodaten und Kontoänderungen (relevante Änderungen) bekanntzugeben. Es wurde ein Vorlageantrag eingebracht.

Beweismittel:

laut Aktenkonvolut

Stellungnahme:

Wenn die Bf. die Familienbeihilfe im Zeitraum 05/2020 bis 08/2020 wegen fehlender Haushaltszugehörigkeit zu

Unrecht bezogen hat, dann ist diese - wie bereits geschehen - gem. § 26 FLAG mit Bescheid zurückzufordern.

Für diesen Zeitraum wurde der Bf. die Mitteilung vom über den Bezug der Familienbeihilfe samt Angabe der Kontonummer ***4*** übermittelt. Diese Kontonummer wurde bereits 2008 von der Bf. als neue Kontonummer bekannt gegeben und auch im letzten AÜS bestätigt.

Anspruchsberechtigt war grundsätzlich bis zur Aufhebung der Haushaltzugehörigkeit die Bf. Dass diese seit 11/2019 keinen Zugang auf das von ihr angeführte Konto hat, ändert nicht die Tatsache, dass sie ab Aufhebung der Haushaltszugehörigkeit keinen Anspruch mehr auf die Familienbeihilfe hat. Dies hätte sie auch iSd. § 25 FLAG dem FA binnen eines Monats melden müssen.

Die im Zusammenhang mit dem Vorlageantrag eingebrachte Verzichtserklärung hinsichtlich des Kontos, auf das ausgezahlt wurde, ändert nichts an der rechtlichen Beurteilung."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (Bf.) lebt seit November 2019 vom Kindesvater getrennt. Seit damals ist sie auch nicht mehr Kontoinhaberin des bis dahin auf beide Eheleute lautenden Kontos bei der ***5*** mit der Kontonummer ***4***.

Diese Tatsache wurde dem Finanzamt nicht zur Kenntnis gebracht.

Am erhielt die Bf. eine Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe für beide Kinder bis August 2020 unter Anführung der o.a. Kontonummer.

"Sie werden ersucht, Tatsachen, die bewirken können, dass der Anspruch auf die Beihilfen erlischt (z. B.

Beendigung der Berufsausbildung oder eigene Einkünfte des Kindes), sowie Änderungen der in Ihrem

Antrag angeführten Daten auch im eigenen Interesse (z. B. zur Vermeidung von Rückforderungen)

umgehend Ihrem Finanzamt mitzuteilen."

Am erhielt sie eine weitere Mitteilung, wonach ihr Familienbeihilfe nur bis April 2020 zustünde, ebenfalls unter Anführung der o.a. Kontonummer.

Die Familienbeihilfe für den Zeitraum Mai 2020 bis August 2020 wurde auf das o.a. Konto überwiesen.

Dem Finanzamt war der Umstand, dass die Bf. nicht mehr Kontoinhaberin des o.a. Kontos war, nicht bekannt.

Beweiswürdigung

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Gegen den Bescheid vom , mit dem die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge für die Kinder ***1*** und ***2*** für den Zeitraum Mai 2020 bis August 2020 zurückgefordert wurden, wendet die Bf. lediglich ein, dass sie die Familienbeihilfe nicht bezogen habe, da diese auf das ehemalige gemeinsame Konto mit ihrem ehemaligen Ehemann überwiesen worden sei. Auf dieses Konto habe sie jedoch seit November 2019 keinen Zugriff mehr.

Der Anspruchsverlust mangels Haushaltszugehörigkeit der Kinder im Rückforderungszeitraum , wie auch in der Beschwerdevorentscheidung vom10.9.2021 dargestellt, wird von der Bf. nicht bestritten.

Strittig ist hingegen, ob die Überweisung auf das von ihr bekanntgegebene Konto, das im Zeitpunkt der Überweisung jedoch nicht mehr ihr Konto war, die Rückforderung bei der Bf. ausschließt.

Die Rückzahlungsverpflichtung zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe bzw. Kinderabsetzbeträge ist in § 26 Familienlastenausgleichgesetz (FLAG) 1967 geregelt.

Dieser lautet:

Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen, soweit der unrechtmäßige Bezug nicht ausschließlich durch eine unrichtige Auszahlung durch eine in § 46 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 genannte Gebietskörperschaft oder gemeinnützige Krankenanstalt verursacht worden ist.

Die zitierte Gesetzesbestimmung normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, ohne Rücksicht darauf, ob die Beträge gutgläubig empfangen wurden oder ob die Rückzahlung eine Härte bedeutet. Die Verpflichtung zur Rückerstattung ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist nur, ob der Empfänger die Beträge objektiv zu Unrecht erhalten hat (vgl etwa ; , 98/13/0067), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl ; , 2005/13/0142). Allenfalls im Bereich der Strafbarkeit nach § 29 (oder nach § 146 StGB) relevante subjektive Momente, wie Verschulden an der (ursprünglichen oder weiteren) Auszahlung der FB (etwa durch unrichtige Angaben im Antrag gem. § 10 oder Verstoß gegen die Meldepflicht gem. § 25), Gutgläubigkeit des Empfangs der FB oder die Verwendung der FB, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge unerheblich (vgl etwa ; , 2006/13/0174; , 2012/16/0047). Entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat (vgl etwa oder , 2007/15/0162).

Gibt der Beihilfenbezieher ein Bankkonto an, auf das die Familienbeihilfe (und der Kinderabsetzbetrag) vom Finanzamt überwiesen werden soll, sind Auszahlungen auf dieses Konto dem Beihilfenbezieher zuzurechnen, auch wenn Kontoinhaber ein Dritter ist (vgl ). Die Bekanntgabe einer Kontonummer und der Bezeichnung, auf wen das Konto lautet, die nicht notwendigerweise den Namen des Anspruchsberechtigten tragen muss, bewirkt iVm der späteren Auszahlung auf dieses Konto noch nicht, dass der als Anspruchsberechtigter Auftretende, der diese Angaben getätigt hat, die FB nicht bezogen hätte, sondern ein anderer aber über dieses Konto Verfügungsberechtigter (vgl ). Gibt ein vom Finanzamt als Anspruchsberechtigter Angesprochener eine Kontonummer bekannt und wird die FB anschließend auf dieses Konto überwiesen, so ist dies dem Fall gleichzuhalten, dass der Betreffende diese Beträge erhalten und - gegebenenfalls - an eine andere Person weitergegeben hat (vgl )." (Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG², § 26, Rz 12ff aaO, Rz 24ff).

Wie aus Wanke, aaO, Rz 24, ersichtlich ist, ist für die Rückforderung also erforderlich, dass die Familienbeihilfe demjenigen, von dem sie rückgefordert werden soll, auch tatsächlich ausbezahlt worden ist. Hierzu würde ausreichen, wenn der Beihilfenbezieher ein (beliebiges) Konto, das auch einer dritten Person zugerechnet werden kann, bekannt gegeben hat, auf das die Familienbeihilfe überwiesen werden soll.

Gemäß § 25 FLAG 1967 sind Personen, denen Familienbeihilfe gewährt oder an Stelle der anspruchsberechtigten Person ausgezahlt (§12) wird, verpflichtet, Tatsachen, die bewirken, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt, sowie Änderungen des Namens oder der Anschrift ihrer Person oder der Kinder, für die ihnen Familienbeihilfe gewährt wird, zu melden. Die Meldung hat innerhalb eines Monats, gerechnet vom Tag des Bekanntwerdens der zu meldenden Tatsache, bei dem nach § 13 FLAG zuständigen Finanzamt zu erfolgen. Nach dieser gesetzlichen Bestimmung hätte die Bw. jedenfalls die Verpflichtung gehabt, jene Tatsachen zu melden, die eine Änderung im Anspruch auf Familienbeihilfe bzw. des Kinderabsetzbetrages bewirken und darüber hinaus auch die Änderung der Kontodaten bekannt geben müssen. Beides wurde im vorliegenden Fall unterlassen.

Die Anwendung der angeführten gesetzlichen Bestimmungen und der dazu ergangenen höchstgerichtlichen Judikatur auf den gegenständlichen Sachverhalt führt zu folgendem Ergebnis:

Obwohl die Bf. im Verfahren vorbringt, bereits seit November 2019 nicht mehr Mitinhaberin des ursprünglich gemeinsamen Kontos gewesen zu sein und dies auch durch Vorlage einer von ihr und ihrem ehemaligen Ehemann unterfertigten Verzichtserklärung bestätigte und ihr im August 2020 und im April 2021 Mitteilungen über den Bezug der Familienbeihilfe zugekommen waren, die ebendiese Kontonummer für deren Überweisung anführten, verständigte sie das Finanzamt nicht davon, dass sie nicht mehr Mitinhaberin dieses Konto war. Dadurch trat sie aber dem Finanzamt gegenüber nicht nur als Anspruchsberechtigte sondern auch als über dieses Konto Verfügungsberechtigte auf.

Die Formulierung des § 26 FLAG 1967, wonach zur Rückzahlung jener (jene) verpflichtet ist, der (die) Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, ist im Zusammenhang mit § 19 Einkommensteuergesetz (EStG) 1988 zu sehen: Einnahmen sind dann bezogen, wenn sie einem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Zum Zufluss von Einnahmen wird in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. ) ausgeführt: Zugeflossen ist ein Geldbetrag auch dann, wenn er auf Grund einer Vorausverfügung des Steuerpflichtigen über seinen Auftrag der im Voraus bestimmten Verwendung zugeführt wird. Auch Doralt führt im Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Tz 21 zu § 19, unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus: "Verfügt ein Steuerpflichtiger über einen noch nicht zugeflossenen Betrag (Vorausverfügung), dann fließt dieser mit Erfüllung des Auftrages dem Auftraggeber zu."

Da die Bf. auch noch nach ihrer Verzichtserklärung im November 2019 weiterhin die Auszahlung auf ein Konto verfügte, dass nicht (mehr) ihr Konto war, gelten diese Beträge somit als ihr zugeflossen.

Daran ändert auch entgegen der Auffassung der Bf. nichts, dass sie auf diesem Konto nicht mehr zugriffsberechtigt war, da dieser Fall jenem gleich zu halten ist, bei dem die Überweisung auf das Konto eines Dritten erfolgt.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Frage, wann die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge als bezogen gelten und daher von einem nicht Anspruchsberechtigten zurückzufordern sind, wurde von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bereits ausreichend geklärt, sodass die ordentliche Revision auszuschließen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103372.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at