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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.03.2022, RV/2100574/2019

Rückforderung von Familienbeihilfe wegen Übersiedlung der Familie in die USA

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** USA, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Judenburg Liezen vom
betreffend Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für Kind1, geb. xx.xx.2008, und Kind2, geb. yy.yy.2014, für den Zeitraum Februar 2017 bis Oktober 2018, SVNr. ***1***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) beantragte am die Einstellung der Familienbeihilfe mit sofortiger Wirkung für ihre Kinder Kind1, geb. xx.xx.2008, und Kind2, geb. yy.yy.2014, und gab ihre neue Adresse in ***2***/USA bekannt.

Im Ermittlungsverfahren stellte das Finanzamt fest, dass die Beschwerdeführerin, ihr Ehegatte und die beiden Kinder am ihren Hauptwohnsitz in Österreich abgemeldet haben (Abfrage im ZMR).

Mit Bescheid des Finanzamtes vom wurde die Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbetrag für die Kinder Kind1, geb. xx.xx.2008, und Kind2, geb. yy.yy.2014, für den Zeitraum Februar 2017 bis Oktober 2018 in der Gesamthöhe von 8.168,80 € zurückgefordert. In der Begründung wurde unter Hinweis auf §§ 2 Abs. 1, 5 Abs. 3 und 25 FLAG 1967 ausgeführt, dass die Bf. und ihre Familie mit in Österreich abgemeldet seien und daher der Anspruch auf Familienbeihilfe am erloschen sei.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht die Beschwerde mit der Begründung, dass sie sich rechtmäßig im Zentralen Melderegister abgemeldet hätten unter der Annahme, dass das Finanzamt informiert werde. Der Bf. sei nicht bewusst gewesen, dass sie als österreichische Staatsbürgerin die Familienbeihilfe nicht weiter beziehen dürfe, das Finanzamt habe die Zahlungen auch nicht eingestellt. Erst durch einen Zeitungsartikel seien sie auf diesen Umstand aufmerksam geworden und hätten sofort die Einstellung der Zahlungen beantragt. Die Bf. ersucht den Betrag nicht fällig zu stellen, da sie den geforderten Betrag nicht zurück zahlen könne, und ersucht ihre Unkenntnis und das Missverständnis zu berücksichtigen.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab. In der Begründung wurde ausgeführt:
"Gemäß § 25 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) sind Personen, denen Familienbeihilfe gewährt wird, verpflichtet, Tatsachen, die bewirken, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt, sowie Änderungen des Namens oder der Anschrift ihrer Person oder der Kinder, innerhalb eines Monats ab dem Bekannt werden, beim zuständigen Finanzamt zu melden.
Sie und Ihre Familie sind mit in Österreich abgemeldet.
Die Meldung beim Finanzamt Judenburg Liezen wurde unterlassen.
Das Argument des Nichtwissens bzw. keine Schuld am Sachverhalt zu haben, kann deswegen nicht verfangen, weil die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge von subjektiven Momenten unabhängig und allein an die Voraussetzung des Fehlens der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug geknüpft ist (vergl. und 96/15/0001).
Gemäß § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) haben Personen Anspruch auf Familienbeihilfe, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Gemäß § 5 Abs. 3 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.
Der Anspruch auf die Familienbeihilfe erlischt demnach mit .
"

In einem weiteren Schreiben vom , das vom Finanzamt als Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde an das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) gewertet wurde, ersuchte die Bf. "ihren Einspruch nochmals zu überdenken", da es ihr aus finanziellen Gründen nicht möglich sei den Betrag zurück zu zahlen.

Mit Mängelbehebungsauftrag vom wurde die Beschwerdeführerin vom Finanzamt aufgefordert, eine Begründung nachzureichen, und darauf hingewiesen, dass bei Versäumung der angeführten Frist die Beschwerde als zurückgenommen gelte.

Der Mängelbehebungsauftrag blieb unbeantwortet. Lediglich der Schriftverkehr der Bf. mit der Abgabensicherung des Finanzamtes über eine vereinbarte Ratenzahlung wurde vorgelegt.

In der Folge wurde die Beschwerde vom Finanzamt dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Der Vorlageantrag ist ein Anbringen zur Geltendmachung von Rechten iSd § 85 Abs. 1 Bundesabgabenordnung (BAO). Er ist daher im Allgemeinen schriftlich zu stellen. Er muss nicht begründet werden (vgl. zB , und Ritz/Koran, BAO-Kommentar7, § 264, Rz 4).

§ 2 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) idgF regelt:
(1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
a) für minderjährige Kinder,
…………………
(8) Personen haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.

Nach § 5 Abs. 3 FLAG 1967 besteht für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, kein Anspruch auf Familienbeihilfe.

Gemäß § 26 Abs. 2 erster Satz BAO hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinn der Abgabenvorschriften dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt.

Gemäß § 25 FLAG 1967 sind Personen, denen Familienbeihilfe gewährt oder an Stelle der anspruchsberechtigten Person ausgezahlt (§ 12) wird, verpflichtet, Tatsachen, die bewirken, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt, sowie Änderungen des Namens oder der Anschrift ihrer Person oder der Kinder, für die ihnen Familienbeihilfe gewährt wird, zu melden. Die Meldung hat innerhalb eines Monats, gerechnet vom Tag des Bekanntwerdens der zu meldenden Tatsache, bei dem nach § 13 zuständigen Finanzamt zu erfolgen.

§ 26 Abs. 1 FLAG 1967 bestimmt:
Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

Bei der Frage des ständigen Aufenthaltes iSd § 5 Abs. 3 geht es um objektive Kriterien, die nach den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs. 2 BAO zu beurteilen sind (vgl. etwa ; ; ). Diese Beurteilung hat nicht auf den subjektiven Gesichtspunkt des Mittelpunktes der Lebensinteressen abzustellen, sondern auf das objektive Kriterium der grundsätzlichen körperlichen Anwesenheit.
Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der ständige Aufenthalt im Sinne des § 5 Abs. 3 unter den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs. 2 BAO zu beurteilen. Danach hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne der Abgabenvorschriften dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Ein Aufenthalt in dem genannten Sinne verlangt grundsätzlich körperliche Anwesenheit. Daraus folgt auch, dass eine Person nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann (vgl. Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 5 Rz 9).

Lassen objektive Gesichtspunkte erkennen, dass ein Aufenthalt nicht nur vorübergehend währen wird, dann liegt schon ab dem Vorliegen dieser Umstände, allenfalls ab Beginn des Aufenthaltes, ein ständiger Aufenthalt vor (vgl. ).

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine objektive Erstattungspflicht zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe. Die Verpflichtung zur Rückzahlung ist von subjektiven Momenten unabhängig, beispielsweise ob die Familienbeihilfe gutgläubig empfangen worden ist, wie sie verwendet worden ist oder ob die Rückzahlung eine Härte bedeutet ( und Vorjudikatur).

In den Mitteilungen über den Bezug der Familienbeihilfe werden die Familienbeihilfenbezieher darauf hingewiesen, dass Tatsachen, die bewirken können, dass der Anspruch auf die Beihilfe erlischt, sowie Änderungen der im Antrag angeführten Daten auch im eigenen Interesse (z.B. zur Vermeidung von Rückforderungen) umgehend dem Finanzamt mitzuteilen sind.

Da die Beschwerdeführerin die Übersiedlung der gesamten Familie im Jänner 2017 in die USA nicht rechtzeitig dem Finanzamt meldete, erlangte es erst durch das Schreiben der Bf. vom von diesem Umstand Kenntnis.

Die Bf. und ihre Familie meldete sich am in Österreich ab und verlegte ihren Wohnsitz und Lebensmittelpunkt nach ***2***. Aus diesem Grund besteht das Anspruchsrecht auf Gewährung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages gemäß § 2 Abs. 1 FLAG 1967 ab Februar 2017 nicht mehr und seit diesem Zeitpunkt befindet sich der ständige Aufenthalt der Kinder nach § 5 Abs. 3 FLAG 1967 im Ausland/Drittstaat.

Die Rückforderung lt. Bescheid vom erfolgte daher nicht rechtswidrig.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Bf. die Familienbeihilfe und den Kinderabsetzbetrag aus finanziellen Gründen nicht zurückzahlen könne. Eine Ratenvereinbarung mit dem Finanzamt wurde jedoch bereits getroffen.

Es war wie im Spruch zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im vorliegenden Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt, insbesonders weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht (siehe zitierte VwGH-Judikatur), ist eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Graz, am

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