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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.04.2022, RV/2100343/2011

Keine Erstattung von Vorsteuern bei zu Unrecht ausgewiesener Umsatzsteuer

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Erstattung von Vorsteuern für 1-12/2009 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.) ist in Deutschland ansässig. Mit 2 Anträgen begehrte sie die Erstattung von Vorsteuern für 01-12/2009 in Höhe von insgesamt 954,72 Euro betreffend den Erwerb von Gegenständen für ihr Unternehmen.

Das Finanzamt wies die Anträge jeweils mit Bescheid vom ab, da gem. Art 5 der 8. Mehrwertsteuer-RL der EU das Vorsteuererstattungsverfahren gem. VO BGBl 279/1995 nicht auf Lieferungen von Gegenständen anwendbar sei, welche steuerfrei seien oder von der Steuer befreit sein könnten. Da es sich im vorliegenden Fall um steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen handle, könne eine Vorsteuererstattung nicht erfolgen

Die Bf. brachte mit Eingabe vom eine Berufung - nunmehr Beschwerde - gegen diesen Abweisungsbescheid ein. Darin verwies sie darauf, dass sie die Gegenstände für Zwecke ihres Unternehmens angeschafft habe (Friseurbedarf), und diese Anträge erstmalig gestellt wurden. Mit dem Ausfüllen der Anträge habe es jedoch leider arge Schwierigkeiten gegeben. Es werde ersucht, diese dennoch anzuerkennen.

Das Finanzamt wies die Beschwerden mit Beschwerdevorentscheidungen vom ab. Es führte darin aus, dass es sich diesen Vorgängen um steuerfreie Abhollieferungen handle und die strittigen Rechnungen vom Aussteller zu korrigieren seien.

In der Folge stellte die Bf. mit Eingabe vom einen Vorlageantrag. Die Bf. führte darin aus, dass die Bf. bei einem österreichischen Lieferanten Friseurbedarf bestellt habe und diesen mit der Post zugesandt erhalten habe. Es handle sich somit um ig Erwerbe. Die Rechnungen seien zu Unrecht mit Umsatzsteuer geschrieben worden.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die Bf. erwarb im Jahr 2009 Gegenstände in Österreich für ihr Unternehmen und wurden diese per Post nach Deutschland befördert.
Der inländische Leistende unterwarf die Lieferungen der österreichischen Umsatzsteuer und wies die Umsatzsteuer in den Rechnungen aus.
Die Vorgänge stellen jedoch steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen dar oder könnten zumindest steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen sein.
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den vorliegenden Unterlagen und dem Parteienvorbringen.

Rechtliche Beurteilung

Art. 6 Abs. 1 UStG 1994:
Steuerfrei sind die innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7). Dies gilt nicht, wenn der
Unternehmer wusste oder wissen musste, dass die betreffende Lieferung im Zusammenhang mit Umsatzsteuerhinterziehungen oder sonstigen, die Umsatzsteuer betreffenden Finanzvergehen steht.
Art. 7 Abs. 1 UStG 1994:
Eine innergemeinschaftliche Lieferung (Art. 6 Abs. 1) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen vorliegen:
1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige
Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet. Wurde ein Gegenstand gemäß Art. 3 Abs. 2 im Rahmen einer Konsignationslagerregelung verbracht und wird der Gegenstand, innerhalb der in Art. 1a Abs. 3 genannten Frist an den geplanten Erwerber geliefert, gilt die Voraussetzung des ersten Satzes in diesem Zeitpunkt als erfüllt;
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
(...)
3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung ist beim Abnehmer in einem anderen
Mitgliedstaat steuerbar;
(...).
§ 12 Abs. 1 UStG 1994:
Der Unternehmer kann die folgenden Vorsteuerbeträge abziehen:
1. a) Die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.
Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die
Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, BGBl. Nr. 279/1995 idF BGBl. II Nr. 389/2010, lautet:
§ 1 Abs. 1:
Die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an nicht im Inland ansässige Unternehmer, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, ist abweichend von den §§20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2, 3 und 3a durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum
1. keine Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 oder
2. nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 oder
3. nur Umsätze, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz UStG 1994), ausgeführt hat;
4. weiters, wenn der Unternehmer nur Umsätze gemäß § 3a Abs. 13 lit. b UStG 1994
ausgeführt und von der Regelung der Art. 357 bis 369 Richtlinie 2006/112/EG Gebrauch
gemacht hat.

Nach Artikel 4 der Richtlinie des Rates 2008/9/EG erfolgt keine Erstattung der Vorsteuer für:
a) nach den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates der Erstattung fälschlich in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge;
b) in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge für Lieferungen von Gegenständen, die gemäß Artikel 138 oder Artikel 146 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2006/112/EG von der Steuer befreit sind oder befreit werden können.

Im Beschwerdefall beziehen sich die verrechneten Vorsteuern unbestritten auf innergemeinschaftliche Lieferungen im Sinne des Art. 7 UStG 1994 iVm Art. 6 UStG 1994.
Diese Lieferung waren entweder von der Steuer befreit oder hätte befreit werden können.
Dennoch hat der leistende Unternehmer Umsatzsteuer in Rechnung gestellt.
Dazu ist auszuführen:
War die Lieferung von der Umsatzsteuer befreit, dann ist die fälschlich in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehbar und daher auch nicht erstattungsfähig.
Wird nämlich trotz Vorliegens einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung Umsatzsteuer in Rechnung gestellt, so schuldet der die Rechnung ausstellende Unternehmer gemäß § 11 Abs. 12 UStG 1994 die Steuer auf Grund der Rechnung. Eine nach § 11 Abs. 12 UStG 1994 geschuldete Umsatzsteuer berechtigt den Leistungsempfänger jedoch nicht zum Vorsteuerabzug.
Aber auch nach Art. 4 lit. b der Richtlinie 2008/9/EG kann diese Steuer nicht erstattet werden.
Nach Auffassung des EuGH kann der Leistungsempfänger nach Art 168 MwSt-RL nur den Betrag an Vorsteuern abziehen, den der leistende Unternehmer auf Grund der Leistung schuldet ( "Genius Holding BV"). Vorsteuerbeträge, die somit lediglich auf Grund der Rechnung geschuldet werden, sind vom Abzug ausgeschlossen. Dies gilt auch für die Fälle der Vorsteuererstattung an ausländische Unternehmer (so auch im Grundsatz "Reemtsma Cigarettenfabrik GmbH") und in Fällen des Übergangs der Steuerschuld zu Unrecht ausgewiesener Umsatzsteuer (vgl C- 424/12 "Sc Fatorie SRL").
Auch im Erkenntnis , hat der Gerichtshof zu erkennen gegeben, dass er im zeitlichen Anwendungsbereich des UStG 1994 der Judikatur des EuGH folgen wird, und hat dies zwischenzeitlich auch getan (; , 2003/13/0125; , 2005/15/0140).
Danach ist die Vorsteuererstattungsverordnung BGBl 279/1995 idgF BGBl II 389/2010 auf Lieferungen von Gegenständen, die von der Steuer befreit sind oder nach Art. 7 UStG 1994 befreit werden können, nicht anwendbar, weil keine erstattungsfähigen Vorsteuern vorliegen.
Diese Vorgangsweise dient auch zur Sicherung des Mehrwertsteuerinformationsaustauschsystems (MIAS), des Mehrwertsteuerkontrollsystems innerhalb der Europäischen Union. Der liefernde Unternehmer hat seine innergemeinschaftlichen Lieferungen in die "Zusammenfassende Meldung" aufzunehmen.
Dadurch wird die Erfassung des entsprechenden innergemeinschaftlichen Erwerbes im Staat des erwerbenden Unternehmers sichergestellt.
Die Erstattung der beantragten Vorsteuern für 01-12/2009 war daher auf Grund des unrechtmäßigen Steuerausweises zu versagen.
Auch nach Art. 4 lit. b der Richtlinie 2008/9/EG kann diese Steuer nicht erstattet werden.
Danach ist die Vorsteuererstattungsverordnung BGBl 279/1995 idgF BGBl II 389/2010 auf
Lieferungen von Gegenständen, die von der Steuer befreit sind oder nach Art. 7 UStG 1994 befreit werden können, nicht anwendbar.
Im vorliegenden Fall kann lediglich eine Korrektur der Rechnungen zur Entlastung der Bf. führen. Die Bf. hat im Vorlageantrag selbst erkannt, dass die Umsatzsteuer von ihrem österreichischen Lieferanten zu Unrecht ausgewiesen wurde.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall liegt keine ungelöste Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, da das Bundesfinanzgericht der eindeutigen oben zitierten Judikatur von EuGH und VwGH folgte.
Eine Revision ist daher unzulässig.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100343.2011

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at