Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.03.2022, RV/1100045/2020

Besteuerungsrecht hinsichtlich der von einer inländischen Krankenkasse an einen in Deutschland ansässigen Grenzgänger ausbezahlten Krankengelder

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Peter Steurer in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2018 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer des in Deutschland ansässigen Beschwerdeführers für das Jahr 2018 fest, wobei ausschließlich das im Inland bezogene Krankengeld erfasst wurde.

2. In der dagegen unter Anschluss des deutschen Steuerbescheides für das Jahr 2018 erhobenen Beschwerde brachte der Beschwerdeführer vor, er arbeite seit vielen Jahren in Vorarlberg als Grenzgänger. In Deutschland unterliege er der uneingeschränkten Steuerpflicht und sei zur Abgabe einer gemeinsamen Steuerklärung mit seiner Ehegattin verpflichtet. Abgesehen von den Einnahmen aus seinen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen habe er keine weiteren Einkünfte bezogen. Die mit dem angefochtenen Bescheid vorgenommene Besteuerung des Krankengeldes stelle eine unzulässige Doppelbesteuerung aufgrund seines Status als Grenzgänger dar.

3. Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab. Zahlungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung dürften nach Art. 18 Abs. 2 DBA-Deutschland ausschließlich im Kassenstaat besteuert werden. Aus der im Art. 15 Abs. 1 DBA-Deutschland normierten Subsidiarität gegenüber den Artikeln 16 bis 20 und aufgrund des Vorranges der spezielleren Regelung des Art. 18 Abs. 2 betreffend die Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung ergebe sich eindeutig, dass auch das gesetzliche Krankengeld von Grenzgängern der Regelung des Art. 18 Abs. 2 DBA-Deutschland unterliege und für derartige Bezüge somit das Kassenstaatsprinzip gelte. Nach Art. 27 DBA-Deutschland sei die im Abzugswege erhobene Steuer auf Antrag des Steuerpflichtigen zu erstatten, wenn und soweit sie durch das Abkommen ermäßigt werde oder entfalle. Diese Voraussetzung sei im Beschwerdefall aber nicht erfüllt und komme eine Rückerstattung daher nicht in Betracht.

4. Mit Vorlageantrag beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Nachdem die mit dem angefochtenen Bescheid vorgeschriebene Nachzahlung zunächst korrigiert worden sei, sei die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet abgewiesen worden. Auf telefonische Nachfrage sei ihm mitgeteilt worden, dass die Abgabe auf Antrag vom Finanzamt Eisenstadt rückerstattet würde. Danach sei ihm schriftlich mitgeteilt worden, dass eine Rückerstattung nicht möglich sei. Er habe den Behörden immer sämtliche Unterlagen zur Verfügung gestellt. In Deutschland unterliege er mit seinen gesamten Einkünften der uneingeschränkten Steuerpflicht und werde das Krankengeld nunmehr daher tatsächlich doppelt besteuert. Die Rechtsmittelfrist sei in Deutschland zwischenzeitig verstrichen und sei ihm somit auch die Möglichkeit genommen worden, Einspruch gegen den deutschen Bescheid zu erheben und dort die Steuer rückerstatten zu lassen. Aus der Anwendung des Doppelbesteuerungsabkommens dürfe dem Steuerpflichtigen kein Nachteil entstehen. Ziel des Doppelbesteuerungsabkommens sei die Vermeidung der Doppelbesteuerung, dies sei bei der Besteuerung des Krankengeldes aber nicht beachtet worden.

II. Sachverhalt

Der in Deutschland ansässige und dort unbeschränkt steuerpflichtige Beschwerdeführer ist als Grenzgänger in Österreich nichtselbständig tätig. Neben den von den beiden inländischen Arbeitgebern ausbezahlten, in Deutschland steuerpflichtigen Löhnen bezog er im Streitjahr von der Vorarlberger Gebietskrankenkasse Krankengelder in Höhe von insgesamt 14.544,96 € (zuzüglich sonstiger Bezüge in Höhe von 2.424,16 €), die mit dem angefochtenen Bescheid der inländischen Besteuerung unterzogen wurden.

III. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

Gemäß § 1 Abs. 3 EStG 1988 sind beschränkt steuerpflichtig jene natürlichen Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich nur auf die im § 98 aufgezählten Einkünfte.

Nach § 98 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 unterliegen der beschränkten Einkommensteuerpflicht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25), die im Inland oder auf österreichischen Schiffen ausgeübt oder verwertet wird oder worden ist oder die aus inländischen öffentlichen Kassen mit Rücksicht auf ein gegenwärtiges oder früheres Dienstverhältnis gewährt werden.

Gemäß § 25 Abs. 1 Z 1 lit. c EStG 1988 sind Bezüge aus einer gesetzlichen Kranken- oder Unfallversorgung Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn).

Die maßgeblichen Bestimmungen des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (in der Folge: DBA-Deutschland) lauten auszugsweise:

"Artikel 15
Unselbständige Arbeit

(1) Vorbehaltlich der Artikel 16 bis 20 dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, die Arbeit wird im anderen Vertragsstaat ausgeübt. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen im anderen Staat besteuert werden.

[…]

(6) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Person

1. in dem einen Staat in der Nähe der Grenze ihren Wohnsitz und in dem anderen Staat in der Nähe der Grenze ihren Arbeitsort hat und

2. täglich von ihrem Arbeitsort an ihren Wohnsitz zurückkehrt (Grenzgänger).

[…]"

Artikel 18
Ruhegehälter, Renten und ähnliche Zahlungen

(1) Erhält eine in einem Vertragsstaat ansässige Person Ruhegehälter und ähnliche Vergütungen oder Renten aus dem anderen Vertragsstaat, so dürfen diese Bezüge nur im erstgenannten Staat besteuert werden.

(2) Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Vertragsstaats erhält, dürfen abweichend von vorstehendem Absatz 1 nur in diesem anderen Staat besteuert werden.

[…]

Artikel 23
Vermeidung der Doppelbesteuerung

(1) Bei einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Person wird die Steuer wie folgt festgesetzt:

a) Von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer werden die Einkünfte aus der Republik Österreich sowie die in der Republik Österreich gelegenen Vermögenswerte ausgenommen, die nach diesem Abkommen in der Republik Österreich besteuert werden dürfen und nicht unter Buchstabe b fallen. Die Bundesrepublik Deutschland behält aber das Recht, die so ausgenommenen Einkünfte und Vermögenswerte bei der Festsetzung des Steuersatzes für andere Einkünfte und Vermögenswerte zu berücksichtigen. …

[…]

c) Einkünfte oder Vermögen einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Person, die nach dem Abkommen von der Besteuerung in der Bundesrepublik Deutschland auszunehmen sind, dürfen gleichwohl in der Bundesrepublik Deutschland bei der Festsetzung der Steuer für das übrige Einkommen oder Vermögen der Person einbezogen werden.

[…]"

Der als Grenzgänger im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens in Österreich nichtselbständig tätige Beschwerdeführer ist unbestritten in Deutschland ansässig und unterliegt daher mit seinen gesamten Einkünften der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht in Deutschland. Werden Einkünfte im Ausland (hier: Österreich) erzielt, kann das Besteuerungsrecht durch ein mit dem Quellenstaat der Einkünfte bestehendes Doppelbesteuerungsabkommen eingeschränkt sein. Doppelbesteuerungsabkommen entfalten dabei insofern eine Schrankenwirkung, als sie eine sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht ergebende Steuerpflicht begrenzen. Ob ein Steueranspruch besteht, ist daher zunächst nach innerstaatlichem Steuerrecht zu beurteilen. Ergibt sich aus dem innerstaatlichen Steuerrecht eine Steuerpflicht, ist in einem zweiten Schritt zu beurteilen, ob das Besteuerungsrecht durch ein Doppelbesteuerungsabkommen eingeschränkt wird (vgl. , mwN, und , mwN).

Die vom Beschwerdeführer bezogenen Krankengelder unterliegen nach der oben dargelegten Rechtslage ohne Zweifel der inländischen (beschränkten) Steuerpflicht.

Art. 15 DBA-Deutschland teilt den Vertragsstaaten das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vorbehaltlich der Bestimmungen der Artikel 16 bis 20 DBA-Deutschland zu. Sind die jeweiligen Voraussetzungen für eine Anwendung der Artikel 16 bis 20 DBA-Deutschland gegeben, gehen die in diesen Abkommensbestimmungen getroffenen Regelungen als lex specialis jener des Art. 15 DBA-Deutschland somit vor.

Art. 18 DBA-Deutschland regelt die Besteuerung von Ruhegehältern, Renten und ähnlichen Zahlungen. Nach Art. 18 Abs. 2 DBA-Deutschland dürfen Bezüge, die eine in einem Vertragsstaat (hier: Deutschland) ansässige Person aus der gesetzlichen Sozialversicherung des anderen Vertragsstaats erhält, nur im anderen Staat (hier: Österreich) besteuert werden. Bei dem gegenständlich von der Vorarlberger Gebietskrankenkasse ausbezahlten Krankengeld handelt es sich ohne Zweifel um solche unter Art. 18 Abs. 2 DBA-Deutschland fallende Bezüge aus der österreichischen gesetzlichen Sozialversicherung und kommt das Besteuerungsrecht diesbezüglich sohin Österreich zu (vgl. auch ).

Zur Vermeidung der in einem solchen Fall ansonsten eintretenden Doppelbesteuerung nimmt Deutschland bei einer in Deutschland ansässigen Person derartige Bezüge nach Art. 23 Abs. 1 DBA-Deutschland von der Besteuerung aus, darf die so ausgenommenen Einkünfte und Vermögenswerte bei der Festsetzung des Steuersatzes für das übrige Einkommen und Vermögen aber berücksichtigen. Deutschland ist sohin berechtigt, die Steuern von den ihm nach dem Abkommen tatsächlich zur Besteuerung überlassenen Einkünften nach dem Satz zu erheben, der sich unter Berücksichtigung des gesamten Einkommens des Steuerpflichtigen - im Beschwerdefall somit einschließlich des österreichischen Krankengeldes - ergibt. Der Progressionsvorbehalt stellt dabei sicher, dass die dem Vertragsstaat für Besteuerungszwecke zugeteilten Einkünfte zwar aus der Bemessungsgrundlage ausscheiden, die befreiten Einkünfte aber nicht ihre Progressionswirkung bezüglich der zur Besteuerung verbliebenen Einkünfte verlieren (vgl. , mwN). Der Progressionsvorbehalt führt für sich somit nicht zu einer Benachteiligung von Steuerpflichtigen, die auch im anderen Staat Einkünfte erzielen (vgl. ).

Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers ist eine abkommenswidrige Doppelbesteuerung des Krankengeldes nicht erkennbar. Aus dem vorgelegten deutschen Einkommensteuerbescheid geht hervor, dass die aus der in Österreich ausgeübten nichtselbständigen Tätigkeit herrührenden Bruttoarbeitslöhne (9.036,00 € einschließlich der Beiträge zur Mitarbeitervorsorgekasse) erfasst wurden. Das inländische Krankengeld in Höhe von insgesamt 16.969,00 € (einschließlich der sonstigen Bezüge) wurde, wie aus den Erläuterungen im deutschen Bescheid hervorgeht, lediglich für die Berechnung des Steuersatzes herangezogen (Progressionsvorbehalt). Eine doppelte Besteuerung des Krankengeldes ist sohin aber nicht erfolgt. Eine weitere Auseinandersetzung mit den diesbezüglichen Ausführungen des Beschwerdeführers erübrigt sich somit.

Hinsichtlich der Frage der Rückerstattung der Lohnsteuer wird der Vollständigkeit halber, abgesehen davon, dass ein solcher (abschlägiger) Bescheid nicht verfahrensgegenständlich ist, auf die diesbezüglichen Ausführungen des Finanzamtes in der Beschwerdevorentscheidung verwiesen (vgl. dazu auch ).

Soweit der Beschwerdeführer sein Unverständnis über die erfolgten unterschiedlichen Auskünfte des Finanzamtes zum Ausdruck gebracht hat, mag dies zwar berechtigt sein, vermag der Beschwerde aber nicht zum Erfolg zu verhelfen, ändert dies doch nichts an der dargelegten Rechtslage und der abkommenskonform erfolgten Besteuerung.

Gesamthaft gesehen war die Beschwerde somit als unbegründet abzuweisen.

IV. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Das strittige Besteuerungsrecht hinsichtlich des von der Vorarlberger Gebietskrankenkasse an den in Deutschland ansässigen Beschwerdeführer ausbezahlten Krankengeldes ergibt sich unmittelbar aus den angeführten innerstaatlichen Rechtsgrundlagen sowie den zwischenstaatlichen Bestimmungen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wird dadurch nicht berührt. Eine (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 1 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 98 Abs. 1 Z 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 18 Abs. 2 DBA D (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. III Nr. 182/2002
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.1100045.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at