Abweisung eines Aussetzungsantrages gem. § 212a BAO ohne Vorliegen der Voraussetzungen (wenig erfolgversprechende Beschwerde bzw. auf Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtetes Verhalten)
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinR in der Beschwerdesache Bf, Bf_Adr, vertreten durch Stb, Stb_Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Kufstein Schwaz (nunmehr: FA Österreich) vom betreffend Abweisung eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO, St.Nr. Bf_StNr zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.
Dem Antrag auf Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO vom wird teilweise stattgegeben. Die Aussetzung der Einhebung wird für folgende Abgaben bewilligt:
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Abgabe | Betrag |
Umsatzsteuer 2009 | 100.644,39 € |
Umsatzsteuer 2010 | 1.421.180,57 € |
Umsatzsteuer 2011 | 2.348.035,51 € |
Umsatzsteuer 2012 | 1.357.515,93 € |
Umsatzsteuer 2013 | 1.876.213,37 € |
Umsatzsteuer 2014 | 1.728.600,14 € |
Umsatzsteuer 2015 | 400.617,12 € |
Säumniszuschlag (SZA) 2010 | 3.047,28 € |
Säumniszuschlag (SZA) 2011 | 28.423,61 € |
Säumniszuschlag (SZA) 2012 | 46.960,71 € |
Säumniszuschlag (SZA) 2013 | 27.150,32 € |
Säumniszuschlag (SZA) 2014 | 37.524,27 € |
Säumniszuschlag (SZA) 2015 | 34.572,00 € |
Säumniszuschlag (SZA) 2016 | 8.012,34 € |
Im Umfang der Umsatzsteuer 2010 iHv € 750,00, des Säumniszuschlags (SZA) 2011 iHv € 15,00, der Umsatzsteuer 2011 IHv € 1.750,00 sowie des Säumniszuschlags (SZA) 2012 iHv € 35,00 wird die Beschwerde gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Sachverhalt/Verfahrensgang
1. 2015/2016 wurden beim Beschwerdeführer (Bf) eine die Kalenderjahre 2009 bis 2014 umfassende Außenprüfung, sowie eine Nachschau für den Zeitraum 01-11/2015 durchgeführt. Die in der Außenprüfung getroffenen Feststellungen führten zu Nachforderungen an Umsatzsteuer für die Jahre 2009 bis 2015 iHv insgesamt € 9.287.026,69 zuzüglich Säumniszuschlägen.
2. In der Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide wurde die Aussetzung der strittigen Abgabenbeträge gem. § 212a BAO im Ausmaß von € 9.421.120,54 beantragt. Dieser Aussetzungsantrag wurde mit Bescheid vom abgewiesen. Nach Zitat in der Bescheidbegründung stützte die Abgabenbehörde die Abweisung auf § 212a Abs. 2 lit. a und lit. c BAO. Es wurde weiters ausgeführt, dass während der Betriebsprüfung schwerwiegende Buchführungsmängel und nicht verbuchte Erlöse festgestellt worden seien, die zum Ansatz von Sicherheitszuschlägen geführt hätten. Darüber hinaus seien Ungereimtheiten iZm der Belegerteilung festgestellt worden und seien über einen Zeitraum von sieben Jahren weder in Österreich noch Italien Umsatzsteuervoranmeldungen noch -erklärungen eingereicht worden, was auf einen bewusst in Kauf genommenen Abgabenbetrug hinweise.
Da der Abgabepflichtige in Österreich kaum anzutreffen und hier auch kein Vermögen vorhanden sei, sei die Einbringung der Abgabenforderung stark gefährdet. Dem Antrag auf Aussetzung der Einhebung könne daher nicht zugestimmt werden.
3. Die Beschwerde gegen den Bescheid über die Abweisung des Aussetzungsantrages wurde wie beantragt gem. § 262 Abs. 2 BAO ohne Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung direkt dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.
In der Beschwerde wurde ausdrücklich in Abrede gestellt, dass der Bf, wie im angefochtenen Bescheid unter Verweis auf den Betriebsprüfungsbericht ausgeführt, in Österreich weder UVA`s noch Umsatzsteuerjahreserklärungen eingereicht habe. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Beschwerde gegen die Umsatzsteuerbescheide wenig erfolgversprechend sein solle. Die bloße Gefährdung der Einbringlichkeit mache die Aussetzung der Einhebung nicht unzulässig. Welches aktive, auf Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtete Verhalten des Bf die Abgabenbehörde diesem konkret zur Last lege, sei dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen.
4. Im Vorlagebericht vom führte die Abgabenbehörde aus, dem Aussetzungsantrag sei wegen des Verdachtes eines Abgabenbetruges sowie der starken Gefährdung der Einbringung der Abgabenforderung nicht entsprochen worden.
In der Beschwerde sei kein konkretes Vorbringen zur Gefährdung der Einbringlichkeit erfolgt und sei die Beschwerde schon aus diesem Grund abzuweisen. Wie aus dem Sicherstellungsverfahren abzuleiten sei, seien im Inland keine verwertbaren Vermögenswerte vorhanden.
5. Mit Schreiben des steuerlichen Vertreters vom wurden die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Senat zurückgenommen.
II. Rechtslage
1. Gemäß § 212a Abs. 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerde die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. ist die Aussetzung der Einhebung nicht zu bewilligen,
a) soweit die Beschwerde nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint, oder
b) soweit mit der Bescheidbeschwerde ein Bescheid in Punkten angefochten wird, in denen er nicht von einem Anbringen des Abgabepflichtigen abweicht, oder
c) wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist.
2. Die Tatbestände des § 212a Abs. 2 lit. a bis lit. c BAO sind selbständig nebeneinander normiert und jeder steht für sich allein der Bewilligung einer Aussetzung der Einhebung entgegen. Das bedeutet, dass auch dann, wenn der Tatbestand einer wenig erfolgversprechenden Berufung nicht gegeben ist, also das Rechtsmittel durchaus Erfolg haben kann, dennoch das Vorliegen eines Verhaltens, das auf die Gefährdung der Einbringlichkeit allfälliger Abgaben gerichtet ist, eine Bewilligung der Aussetzung der Einhebung unzulässig macht ().
3. Eine Abweisung nach § 212a Abs. 2 lit. a BAO kommt nur dann in Betracht, wenn die Erfolglosigkeit eines Rechtsmittels offenkundig ist, wenn also die Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels für jede mit der Sache vertraut gemachte urteilsfähige und objektiv urteilende Person erkennbar ist (Stoll, BAO 2273; ).
Ungeachtet der Frage, ob eine Abweisung eines Antrags nach § 212a nur bei "offenkundiger Erfolglosigkeit" (im Sinne von offenkundiger Aussichtslosigkeit) in Betracht kommt (idS , unter Berufung auf Stoll, BAO 2273; ähnlich , in einem die Getränkesteuer betreffenden Fall), oder ob der Maßstab dahin zu gehen hat, dass die Berufung nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend scheine, setzt die Abweisung jedenfalls voraus, dass bei objektiver Betrachtung geringe Erfolgsaussichten gegeben sind. ()
Es ist nicht Aufgabe des Aussetzungsverfahrens gem. § 212a BAO, die Berufungsentscheidung vorweg zu nehmen. Vielmehr sind die Erfolgsaussichten der Berufung anhand des Berufungsvorbringens zu beurteilen. (Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3 § 212a [Stand , rdb.at], E 39 mwN)
4. Nach § 212a Abs. 2 lit. c BAO macht die bloße Gefährdung der Einbringlichkeit allein die Aussetzung nicht unzulässig. Erst ein bestimmtes, auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtetes Verhalten des Abgabepflichtigen schließt die Bewilligung der Aussetzung aus. Weder aus dem Wortlaut der genannten Gesetzesstelle noch aus ihrem Zweck lässt sich aber ableiten, dass die Behörde in diesem Zusammenhang nur ein Verhalten des Abgabepflichtigen berücksichtigen darf, das in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Aussetzungsantrag steht. ()
Ebenso wie ein Verhalten des Abgabepflichtigen mehrere verschiedene materiellrechtliche Abgabentatbestände verwirklichen kann (etwa auf dem Gebiet der Ertragsteuern und der Verkehrsteuern), kann es zusätzlich auch verfahrensrechtliche Tatbestände erfüllen. Verlagert ein Abgabepflichtiger den wirtschaftlichen Erfolg seiner Aktivitäten durch fingierte Betriebsaufwendungen - dazu gehören auch überhöhte Einstandspreise - ins Ausland und hat diese Vorgangsweise zur Folge, dass die für die Entrichtung der tatsächlich geschuldeten Abgaben erforderlichen finanziellen Mittel durch Zahlungsfluss ins Ausland dem Zugriff der österreichischen Finanzverwaltung entzogen werden, so ist ein solches Verhalten gleichermaßen für die Ermittlung der Abgabenbemessungsgrundlagen wie auch für die Abgabeneinhebung von Relevanz. Es kann daher durchaus den Tatbestand des § 212a Abs 2 lit c erfüllen, vorausgesetzt, dass es zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Aussetzung der Einhebung als Verhalten oder als dessen Wirkung noch anhält. ()
Die Verletzung abgabenrechtlicher Mitwirkungspflichten (§§ 138, 141) kommt hingegen nicht einem auf die Gefährdung der Einbringlichkeit gerichteten Verhalten gleich (Ritz/Koran, BAO7, § 212a Tz 19, mit Verweis auf ).
5. Das rechtsstaatliche Prinzip erfordert ein bestimmtes Mindestmaß an faktischer Effizienz von Rechtsschutzeinrichtungen. Daher darf der Beschwerdeführer nicht generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung bis zur endgültigen Erledigung des Rechtsmittels belastet werden.
Die Aussetzung der Einhebung dient dem Ziel der faktischen Effizienz von Bescheidbeschwerden. Dieses Ziel ist bei der Auslegung der die Aussetzung regelnden Bestimmungen (zB § 212a, § 214 Abs. 3 zweiter Unterabsatz, § 215 Abs. 1 und 2) zu beachten. (Ritz/Koran, BAO7, § 212a Tz 1 mwN)
III. Erwägungen
1. (Geringe) Erfolgsaussichten der Beschwerde
In der Begründung des angefochtenen Bescheides werden zwar lit. a und lit. c des § 212a Abs. 2 BAO zitiert, es ist jedoch nicht erkennbar, aus welchen konkreten Gründen die Abgabenbehörde die Beschwerde als wenig erfolgversprechend erachtet.
In der Beschwerde tritt der Bf den Prüfungsfeststellungen Tz 6-9 lt. Bericht vom dezidiert entgegen. So wird zu Tz 6 (Anerkennung einer ig Lieferung) ins Treffen geführt, dass im Zuge der Betriebsprüfung der Nachweis für die Lieferung ins EU-Ausland erbracht, von der Abgabenbehörde aber ohne stichhaltige Begründung zurückgewiesen worden sei. Auf den Nachweis des der Lieferung vorgelagerten ig Erwerbs komme es für die Steuerfreiheit der Lieferung nicht an.
Zu Tz 7 des Betriebsprüfungsberichtes (Vorliegen eines Abgabenbetruges) verweist die Beschwerde auf eine im Jahr 2012 beim Bf durchgeführte Außenprüfung, in deren Verlauf der Abgabenbehörde eine in Italien im Jahr 2011 eingereichte Selbstanzeige bei der Guardia di Finanza vorgelegt worden war. Es könne nicht dem Bf angelastet werden, dass das Verfahren in Italien bis dato nicht abgeschlossen sei, er jedoch als Beschuldigter bis zum Abschluss des Ermittlungsverfahrens keine Auskünfte über den Stand der Ermittlungen erhalte. Im Wege der Amtshilfe Auskünfte von der italienischen Behörde einzuholen, habe die Abgabenbehörde jedoch unterlassen.
Im Betriebsprüfungsbericht werde im Zusammenhang mit dem dem Bf vorgeworfenen Abgabenbetrug das , Schoenimport Italmoda, angeführt, wonach bei offensichtlichem Steuerbetrug sämtliche aus der MWSt-Systemrichtlinie abgeleiteten Vergünstigungen des Umsatzsteuersystems zu verwehren seien.
Mangels Betrugsabsicht durch die ständige Offenlegung und mangels ausreichender Ermittlungen im Wege der Amtshilfe sei die Rechtsprechung "Schoenimport Italmoda" im Beschwerdefall nicht anwendbar.
Subsidiär zu Tz 7 werde im Betriebsprüfungsbericht unter Tz 8 für den Fall der Nichtanwendbarkeit der Rechtsprechung "Schoenimport Italmoda" ein Teil der Lieferungen als ig Verbringungen eingestuft, welche mangels italienischer UID in Österreich steuerpflichtig seien. Die zugrundeliegenden Sachverhalte seien nachweislich bereits in der 2012 abgeschlossenen Betriebsprüfung für die Jahre 2009-2011 bekannt und insbesondere Gegenstand der Vorbesprechung vom gewesen. Es sei in dieser Besprechung unter Verweis auf das , "Albert Collée", letztlich der Schluss gezogen worden, die damals bereits bekannten, nicht näher bezifferten Sachverhalte des ig Verbringens nicht der Umsatzbesteuerung zu unterwerfen unter der Bedingung, dass sich der Bf bei der italienischen Finanzverwaltung im Wege einer Selbstanzeige offenbare. Dieser Auflage sei der Bf nachweislich nachgekommen.
Die 2011 getroffene Vereinbarung stelle kein, wie im Betriebsprüfungsbericht dargestellt, "Tolerieren" durch die Abgabenbehörde dar, sondern eine rechtsgültige Anwendung von geltendem EU-Recht. Wenn nun von dieser Rechtsansicht einseitig abgegangen werde, stelle dies einen klaren Verstoß gegen Treu und Glauben dar.
Diese Ansicht wurde im Schreiben des steuerlichen Vertreters vom bekräftigt, in welchem sich dieser, wie bereits während der Betriebsprüfung, auf die im Rahmen einer 2011/2012 durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung besprochene Vorgehensweise iZm den geschäftlichen Gepflogenheiten des Bf beruft.
Einem im Zuge dieser USO angefertigten Besprechungsprotokoll vom ist dazu, nach Wiedergabe der Abläufe im Kfz-Handel des Bf, Folgendes zu entnehmen:
"3. Steuerliche Betrachtung:
Die Beteiligten stimmen darin überein, dass es sich umsatzsteuerlich grundsätzlich um zwei verschiedene Sachverhalte handelt.
Und zwar:
Pkt a: Versandhandel (Schwierigkeit des Nachweises - allenfalls Glaubhaftmachung); grundsätzlich in Italien steuerpflichtig (da nicht auf die Lieferschwelle verzichtet wurde, bis zu dieser pflichtig in Österreich)
Pkt b: Innergemeinschaftliches Verbringen zu eigenen Handen nach Italien. Dafür ist eine ital. UID-Nr. Voraussetzung, um den Umsatz in Österreich steuerfrei zu belassen.
4. Mögliche Lösung:
Eine Trennung der Lieferungen nach a) und b) ist im Nachhinein nicht mehr stichhaltig möglich.
Unter der Voraussetzung, dass die Versteuerung in Italien nachgewiesen wird (an Hand des Steuerbescheides um auch die Summen kontrollieren zu können), wird ab Überschreiten der Lieferschwelle (im Jahr 2009 beträgt diese: € 27.888,67) unter Anwendung der Versandhandelsregelung von einer Besteuerung in Österreich abgesehen. Bis zum Erreichen der Lieferschwelle in Österreich steuerpflichtig.
Dabei wird auch das Verbringen in diese Betrachtungsweise miteinbezogen (unter Hinweis auf Art. 3 Abs. 1a UStG, dass es sich beim Verbringen, das unter die Versandhandelsregelung fällt, nur um eine vorübergehende Verwendung handelt und dafür keine UID-Nummer in Italien notwendig ist. Die USt-Versteuerung hat ohnehin in beiden Fällen in Italien zu erfolgen). Diese Vorgangsweise wurde mit dem Fachvorstand abgesprochen.
5. Vorgangsweise:
Dem Pflichtigen wurde aufgetragen, dass er sich unmittelbar in Italien bei der Finanzbehörde meldet und die Umsatzversteuerung nachweist."
Schon aufgrund des Vorwurfs der mangelnden Sachverhaltsermittlungen iZm dem in Italien nach wie vor nicht abgeschlossenen Verfahren kann keinesfalls davon die Rede sein, dass die dem Aussetzungsantrag zugrundeliegende Beschwerde offenkundig erfolglos bleiben muss. So ist nicht nachvollziehbar, weshalb kein Rechtshilfeersuchen gestellt wurde, um den Verfahrensstand in Italien festzustellen. Dem Einwand des Bf, er habe als Beschuldigter kein Recht auf Akteneinsicht und damit keine Möglichkeit, die nötigen Informationen selbst zu beschaffen, ist das Finanzamt nicht entgegengetreten.
Der Vorwurf der mangelnden Mitwirkung, den die Abgabenbehörde in ihrer Replik vom auf die Vorhaltsbeantwortung vom , erhebt, geht vor diesem Hintergrund im gegenständlichen Verfahren ins Leere. Eine erhöhte Mitwirkungspflicht iZm Auslandssachverhalten trifft Abgabepflichtige in erster Linie dann, wenn die abgabenbehördliche Ermittlungspflicht, etwa infolge fehlender Amtshilfemöglichkeiten, an ihre Grenzen stößt (Ritz/Koran, BAO7, § 115 Tz 10 mwN). Wie im vorigen Absatz ausgeführt, kann davon im Beschwerdefall keine Rede sein.
Überdies geht aus dem Betriebsprüfungsakt zur Umsatzsteuersonderprüfung, wie oben zitiert, eindeutig hervor, dass das Finanzamt selbst ein grundsätzliches Besteuerungsrecht Italiens nicht ausschloss; so wurde vorbehaltlich einer Besteuerung in Italien von der österreichischen Besteuerung abgesehen; die weiteren Bedingungen, insbesondere die Erstattung einer Selbstanzeige, hat der Bf nachweislich erfüllt. Dass das Verfahren in Italien nach wie vor nicht abgeschlossen ist, und aus diesem Grund auch (noch) keine Bescheide für die Zeiträume 2010 bis 2014 ergangen sind, kann ihm ebenso wenig zum Vorwurf gemacht werden wie der Umstand, dass er die aus dem italienischen Umsatzsteuerbescheid 2009 resultierende Zahllast bislang, zumal er diesen bekämpft hat, nicht entrichtet hat.
Eine Aussetzung der Einhebung der strittigen Beträge ist daher auch und vor allem im Hinblick auf den Zweck des § 212a BAO geboten, wonach der Bf nicht einseitig mit den Rechtsfolgen der allenfalls rechtswidrigen Abgabenfestsetzung belastet werden darf.
Die Abweisung des Aussetzungsantrages aus dem Titel des § 212a Abs. 2 lit. a BAO erfolgte somit zu Unrecht. Aus welchen konkreten Gründen die Abgabenbehörde die Beschwerde als wenig erfolgversprechend iSd der genannten Bestimmung erachtete, hat sie im Übrigen, wie bereits oben bemerkt wurde, zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens ausgeführt.
2. Auf Gefährdung der Einbringlichkeit gerichtetes Verhalten
Mehr noch als aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt sich aus dem Vorlagebericht, dass die Abgabenbehörde in erster Linie die Gefährdung der Einbringlichkeit der festgesetzten Umsatzsteuern als einer Aussetzung gem. § 212a BAO abträglich erachtet.
Soweit die Abgabenbehörde jedoch vermeint, schon die bloße Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabennachforderungen stelle einen Grund für die Abweisung des Aussetzungsantrages dar, irrt sie. Dies ergibt sich bereits unmittelbar aus dem Gesetzestext des § 212a BAO.
Im Gegensatz zum Sicherstellungsauftrag gem. § 232 BAO setzt § 212a Abs. 2 lit. c BAO voraus, dass der Abgabepflichtige ein auf Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgaben gerichtetes Verhalten setzt. Wann die entsprechende Handlung stattfindet, ist jedoch nicht von Belang. Es kann sich somit auch um ein Verhalten handeln, welches bereits eine rechtsrichtige Abgabenfestsetzung verhinderte, sofern damit gleichzeitig die Einbringlichkeit der Abgabe vereitelt wurde.
Als Grund für die Abweisung des Aussetzungsantrages wurde außerdem der "Verdacht des Abgabenbetruges" ins Treffen geführt.
Grundsätzlich stellte ein Verhalten, das den Tatbestand des Abgabenbetruges erfüllt, und wie es im Betriebsprüfungsbericht dargestellt wurde, einen Grund dar, einen Aussetzungsantrag gem. lit. c abzuweisen, zumal die Intention einer solchen betrügerischen Handlung für gewöhnlich darauf gerichtet ist, die hinterzogenen Abgaben eben nicht zu entrichten.
Als Zweck der Vorschrift des § 212a Abs. 2 lit. c BAO ist das Bestreben zu erkennen, einen Abgabepflichtigen, der sein Vermögen dem Zugriff des Abgabengläubigers zu entziehen versucht, daran zu hindern, den durch eine Aussetzung der Einhebung bewirkten Zahlungsaufschub zu einer erfolgreichen Fortsetzung solcher Versuche zu missbrauchen ().
Der Bf hat im Jahr 2011 in Italien nachweislich Selbstanzeige erstattet und wird seitdem dort als Beschuldigter geführt. In Österreich verfügt er laut Begründung des angefochtenen Bescheides über kein Vermögen; ein Rechtshilfeersuchen an die italienischen Behörden zur Sachverhaltsermittlung sowie zur Feststellung - bzw. im Weiteren der Sicherung - von allfälligem Vermögen in Italien wurde von der Abgabenbehörde nicht gestellt, obwohl ein Sicherstellungsauftrag als Titel im Sicherungsverfahren zur Verfügung stünde. Es darf darauf verwiesen werden, dass ein Aussetzungsantrag bzw. auch eine aufrechte Aussetzung der Einhebung nicht die Einstellung eines Sicherungsverfahrens zur Folge hat ().
Inwieweit die Aussetzung der Einhebung im Beschwerdefall vom Bf zu einer allfälligen Fortsetzung eines Verhaltens ausgenutzt werden sollte, mit dem er (bislang nicht festgestelltes) Vermögen dem Zugriff der Abgabenbehörde zu entziehen trachtete, ist nicht ersichtlich.
Im Weiteren darf auf die obigen Ausführungen zur (geringen) Erfolgsaussicht der Beschwerde verwiesen und dazu ergänzt werden: Das dem Bf als Abgabenbetrug vorgeworfene Verhalten war sowohl der österreichischen Abgabenbehörde als auch den italienischen Finanzbehörden ab der Umsatzsteuersonderprüfung 2011/2012 bzw. der in der Folge eingebrachten Selbstanzeige bekannt. Zu Recht verweist die Stellungnahme des steuerlichen Vertreters vom darauf, dass ab diesem Zeitpunkt ein allfälliger Abgabenbetrug, der im Übrigen bestritten werde, nicht mehr zu verwirklichen gewesen sei. Angesichts zahlreicher, im Verfahren "BP2000" ersichtlicher Überprüfungsmaßnahmen der Abgabenbehörde kann dieser Einwand nicht von der Hand gewiesen werden.
3. Aussetzungsbetrag
1. Die Beschwerde vom gegen die Umsatzsteuerbescheide richtete sich nicht gegen die in Tz 2 des Betriebsprüfungsberichtes getroffene Feststellung iZm fehlenden Erlösen der Zeiträume 2010 und 2011. Im Jahr 2010 hatte diese Feststellung eine Nachforderung an Umsatzsteuer iHv € 750,00 zur Folge. Mangels gegen diese Nachforderung gerichtete Beschwerde hatte diesbezüglich auch keine Aussetzung der Einhebung zu erfolgen.
Auf den Säumniszuschlag (SZA) 2011 wirkte sich genannte Nachforderung im Ausmaß von € 15,00 aus.
2. Grundsätzlich wurde in der Bescheidbeschwerde vom gegen die Umsatzsteuer- und Säumniszuschlagsbescheide die Aussetzung von insgesamt € 9.421.120,54 beantragt. Es handelt sich dabei um den zu diesem Datum offenen Saldo auf dem Abgabenkonto des Bf. Infolge eines zum Zeitpunkt der Verbuchung der sich aus der abgabenbehördlichen Prüfung ergebenden Nachforderungen auf dem Abgabenkonto bereits aushaftenden Rückstandes iHv € 39.592,19, sowie der sich aus der Prüfung ergebenden Gutschriften an Einkommensteuer und Anspruchszinsen 2010-2015
Unzulässigkeit der Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung waren im Beschwerdefall nicht zu lösen. Vielmehr waren ausschließlich Sachverhaltsfragen zu beurteilen; eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Entscheidung ist nicht erkennbar, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 212a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 212a Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100066.2017 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at