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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 26.04.2022, RV/7500075/2022

Parkometerstrafe - Einstellung des Beschwerdeverfahrens mangels Beschwerde

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7500075/2022-RS1
Ist das von der belangten Behörde vorgelegte Anbringen nicht als Beschwerde gegen die Vollstreckungsverfügung, sondern als Einspruch gegen die Strafverfügung zu qualifizieren, ist das Beschwerdeverfahren mangels Beschwerde einzustellen.

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***R*** in der Verwaltungsstrafsache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Eingabe der Beschuldigten vom den Beschluss gefasst:

I. Gemäß § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) in Verbindung mit § 31 VwGVG und § 5 Gesetz über das Wiener Abgabenorganisationsrecht (WAOR) wird die Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes festgestellt und das Beschwerdeverfahren betreffend die Eingabe vom eingestellt.

II. Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.

Begründung

1.a. Mit Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom , Zahl: MA67/216700111216/2021, wurde Frau ***Bf1*** (in weiterer Folge: Beschwerdeführerin) der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung 2006 für schuldig erkannt und über sie nach § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 eine Geldstrafe in der Höhe von € 60,00 verhängt und für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden festgesetzt.

Am erließ der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, eine Vollstreckungsverfügung, Zahl: MA67/216700111216/2021, da die mit der Strafverfügung vom , Zahl: MA67/216700111216/2021, verhängte rechtskräftige Strafe nicht bezahlt worden sei. Die offene Forderung inklusive Mahngebühr (gemäß § 54b Abs. 1a VStG) betrage € 65,00. Da der Bescheid nunmehr vollstreckbar sei, werde im Fall der nicht fristgerechten Bezahlung zur Einbringung des Gesamtbetrages gemäß § 3 VVG und § 10 VVG die Zwangsvollstreckung verfügt.

1.b. Mit Strafverfügung des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom , Zahl: MA67/216700103138/2021, wurde die Beschwerdeführerin der Begehung einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung 2006 für schuldig erkannt und über sie nach § 4 Abs. 1 Wiener Parkometergesetz 2006 eine Geldstrafe in der Höhe von € 60,00 verhängt und für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Stunden festgesetzt.

Am erließ der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6, eine Vollstreckungsverfügung, Zahl: MA67/216700103138/2021, da die mit der Strafverfügung vom , Zahl: MA67/216700103138/2021, verhängte rechtskräftige Strafe nicht bezahlt worden sei. Die offene Forderung inklusive Mahngebühr (gemäß § 54b Abs. 1a VStG) betrage € 65,00. Da der Bescheid nunmehr vollstreckbar sei, werde im Fall der nicht fristgerechten Bezahlung zur Einbringung des Gesamtbetrages gemäß § 3 VVG und § 10 VVG die Zwangsvollstreckung verfügt.

2. In der Eingabe der Beschwerdeführerin vom wurde ausgeführt:

"Unsere Nachmieterin in der Wohnung in […], wo wir seit November 2021 nicht mehr gemeldet sind hat uns mitgeteilt, dass ein Exekutor der Stadt Wien angeklopft habe. Nach meiner Recherche und einem Telefonat mit dem Magistrat sind wir draufgekommen, dass es sich um eine Parkstrafe handeln muss, die ungewöhnlicherweise, anstatt per Brief, direkt per Exekutionsbescheid eingehoben werden möchte. Ich bitte Sie also, das entsprechende Mandat an unsere neue Adresse zuzustellen: […]

Außerdem erinnere ich mich gut das betreffende Vorkommnis. Wir hatten übersehen, das Parkpickerl für den Zweiten Bezirk rechtzeitig zu verlängern und standen daher ohne gültiges Pickerl auf einem Parkplatz. Wir haben nach Kenntnis umgehend das Pickerl erneuert bzw. aktualisiert und der zuständige Parksheriff versicherte mir, kulanterweise die Strafe zurückziehen zu wollen. Ich werde mich heute im Laufe des Tages noch telefonisch mit der MA67 in Verbindung setzen und bitte Sie einstweilen um Kenntnisnahme!"

3. Die Behörde wertete diese Eingabe als Beschwerde gegen die Vollstreckungsverfügungen vom und vom und leitete sie samt den Akten des Verwaltungsverfahrens an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung weiter (Eingang am ).

4. Mit Schreiben vom forderte das Bundesfinanzgericht die Beschwerdeführerin auf bekanntzugeben, ob sie mit ihrer Eingabe vom

  • Beschwerde gegen die Vollstreckungsverfügungen 1) vom , Zahl: MA67/216700111216/2021, 2) vom , Zahl: MA67/216700103138/2021, oder

  • Einspruch gegen die zu Grunde liegenden Strafverfügungen 1) vom , Zahl: MA67/216700111216/2021, 2) vom , Zahl: MA67/216700103138/2021, erheben wollte oder

  • eine andere Intention gehabt habe.

Der Beschwerdeführerin wurde außerdem zur Kenntnis gebracht, dass die in Betracht kommenden Rechtsmittel nach der Aktenlage als verspätet zu werten seien. Sie wurde aufgefordert, zu diesen Fakten schriftlich Stellung zu nehmen, gegebenenfalls Zustellmängel geltend zu machen und eine Begründung bzw geeignete Nachweise zu übermitteln.

4. Die Beschwerdeführerin beantwortete die Aufforderung zur Stellungnahme am wie folgt:

"Nachdem ich Ihr Schreiben vergangene Woche abgeholt habe, möchte ich gerne zum Sachverhalt Stellung nehmen. Zunächst bin ich froh, dass ich endlich weiß, worum es in der Sache geht. Den entsprechenden Verdacht hatte ich ja schon in meinem Mail vom dargestellt und dank Ihrem Schreiben haben wir jetzt des Rätsels Lösung: meine digitale Amtssignatur! bzw. meine Unfähigkeit, diese zu bedienen und nicht richtig eingeschätzt zu haben, welche Konsequenzen dies nach sich ziehen würde.

Ich hatte diese digitale Amtssignatur seinerzeit aktiviert, weil es mir ein aus zeitliches und berufliches Gründen gangbarer Weg schien, zu einem Strafregisterauszug zu kommen. Nachdem ich daraufhin einmal eine Benachrichtigung über ein neues Dokument bekommen hatte, habe ich den Fehler gemacht, mich drei Mal falsch einzuloggen, weil ich mein Kennwort vergessen hatte. Worauf hin dieser Account gesperrt wurde. Und die neuerlichen Amtswege, mein Passwort zurückzusetzen bzw. ein neues anzufordern, habe ich dann verabsäumt bzw. wie vieles auf die lange Bank geschoben und mich nicht darum gekümmert. Das liegt hauptsächlich daran, dass ich einerseits neben meiner Arbeit im Krankenhaus einfach oft die Zeit und den Kopf dafür nicht finde, mich um solche Dinge zu kümmern und sich mir andererseits die neuen technischen Möglichkeiten, die unser Leben einfacher machen sollen, nicht immer ohne weiteres erschließen.

Mir ist insofern klar, dass die üblichen Einspruchsmöglichkeiten gegen das vorliegende Mandat nicht mehr möglich sind, da die Zustellung aus behördlicher Sicht erfolgt ist, wie Sie im Schreiben festhalten. Es ist also durchaus mein Versäumnis bzw. meine Unfähigkeit bezüglich digitaler Amtswege, dass diese Parkstrafen nie bezahlt wurden, letztlich, weil ich diese nicht wirklich erhalten habe bzw. keine Kenntnis davon hatte.

Natürlich lag damals eine Parkstrafe beim Auto und uns ist in dem Moment klar geworden, dass wir vergessen haben, das Parkpickerl zu erneuern. Umgehend haben wir uns damals um eine möglichst rasche Erneuerung beim Magistrat bemüht und ich habe sofort einen Parkschein im Auto hinterlegt und dem Parkwächter auch eine entsprechende Notiz gemacht. Wir hatten noch geglaubt, dass die Sache damit erledigt sei, wenn man in Betracht zieht, dass wir eigentlich nur für wenige Tage vergessen hatten, das 2-jährige Parkpickerl zu erneuern. Letztlich stellt sich die Sache für mich also dar: Wir hatten ein Parkpickerl mit 2 Jahren Laufzeit, haben die Verlängerung für einige wenige Tage verabsäumt und sofort nach Kenntnis die Gebühr für weitere 2 Jahre bezahlt. Es waren also wenige Tage, die wir unwissentlich ohne gültigen Parkschein waren.

Als wir dann plötzlich von unseren Nachmietern darüber verständigt wurden, dass ein Exekutor der Stadt Wien bei uns angeläutet hat, sind wir zunächst aus allen Wolken gefallen. Und auch auf Nachfrage bei verschiedenen Behörden, die uns immer wieder an eine andere Stelle verwiesen haben, bekamen wir keine Auskunft, denn ohne Aktenzeichen - und gerade dieses war mir aus obigen Umständen nie wirklich zugänglich (!) - wollte uns niemand sagen, worum es in der Sache geht. Sie können sich vielleicht die etwas kafkaesken Zustände ausmalen, mit denen wir uns konfrontiert sahen…

Ich würde Sie also bitten, in Anbetracht der Umstände Kulanz walten zu lassen bzw. würde ich Zustellmängel geltend machen, wie oben geschildert. Ich bin ja keine Falschparkerin im herkömmlichen Sinne und habe weder gehofft, dass mich niemand erwischt noch das Auto wissentlich ohne Parkschein abgestellt. Sowohl bei der ursprünglichen Strafe als auch bei deren Einmahnung waren es beide Male bürokratische Hindernisse und digitale Inkompetenz und nicht etwa absichtliches Falschparken oder Ignorieren von Strafmandaten meinerseits.

Ich hoffe, dass Sie ein wenig Verständnis für meine Situation aufbringen und die bestehende Forderung ein bisschen schmälern können und bin Ihnen im Übrigen für die Möglichkeit dieser Stellungnahme dankbar."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

§ 5 WAOR normiert:

"Über Beschwerden in Angelegenheiten der in den §§ 1 und 2 genannten Landes- und Gemeindeabgaben und der abgabenrechtlichen Verwaltungsübertretungen zu diesen Abgaben entscheidet das Bundesfinanzgericht."

Art. 130 Abs. 1 B-VG normiert:

"Die Verwaltungsgerichte erkennen über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit"

§ 14 VwGVG normiert:

"(2) Will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen."

§ 34 VwGVG normiert:

"(1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist das Verwaltungsgericht verpflichtet, über verfahrenseinleitende Anträge von Parteien und Beschwerden ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen zu entscheiden."

§ 49 VStG normiert:

"(1) Der Beschuldigte kann gegen die Strafverfügung binnen zwei Wochen nach deren Zustellung Einspruch erheben und dabei die seiner Verteidigung dienlichen Beweismittel vorbringen. Der Einspruch kann auch mündlich erhoben werden. Er ist bei der Behörde einzubringen, die die Strafverfügung erlassen hat.

(2) Wenn der Einspruch rechtzeitig eingebracht und nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, ist das ordentliche Verfahren einzuleiten. Der Einspruch gilt als Rechtfertigung im Sinne des § 40. Wenn im Einspruch ausdrücklich nur das Ausmaß der verhängten Strafe oder die Entscheidung über die Kosten angefochten wird, dann hat die Behörde, die die Strafverfügung erlassen hat, darüber zu entscheiden. In allen anderen Fällen tritt durch den Einspruch, soweit er nicht binnen zwei Wochen zurückgezogen wird, die gesamte Strafverfügung außer Kraft. In dem auf Grund des Einspruches ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe verhängt werden als in der Strafverfügung.

(3) Wenn ein Einspruch nicht oder nicht rechtzeitig erhoben oder zurückgezogen wird, ist die Strafverfügung zu vollstrecken."

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Auslegung von Parteianbringen auf das aus diesem erkenn- und erschließbare Ziel des Einschreiters an; Parteierklärungen und damit auch Anbringen sind ausschließlich nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Bei einem eindeutigen Inhalt eines Anbringens ist es der Behörde verwehrt, diesem eine abweichende, eigene Deutung zu geben, selbst wenn das Begehren, so wie es gestellt worden ist, von vornherein aussichtslos oder gar unzulässig wäre. Wenn jedoch der Inhalt eines von einer Partei gestellten Anbringens unklar ist, ist die Behörde entsprechend den ihr gemäß § 37 iVm § 39 AVG obliegenden Aufgaben verpflichtet, den Antragsteller zu einer Präzisierung seines Begehrens aufzufordern (, mwN).

Das Bundesfinanzgericht geht anhand der Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom davon aus, dass es sich bei ihrer Eingabe vom nicht um eine Beschwerde gegen die beiden Vollstreckungsverfügungen vom 4. Juni bzw , sondern um einen Einspruch gegen die zu Grunde liegenden Strafverfügungen gemäß § 49 VStG handelt. In ihrer Stellungnahme macht die Beschwerdeführerin erneut inhaltliche Einwendungen und insbesondere Zustellmängel, welche sich auf die elektronische Zustellung der verfahrensgegenständlichen Strafverfügungen beziehen, geltend.

Darüber hätte aber die belangte Behörde bescheidmäßig absprechen müssen (siehe auch Weilguni in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG2 § 49 Rz 3).

Durch die Vorlage der (vermeintlichen) Beschwerde ist das Bundesfinanzgericht involviert worden. Da die Eingabe der Beschwerdeführerin aber nicht als Beschwerde im Sinne des Art. 130 Abs. 1 B-VG gegen die Vollstreckungsverfügungen zu qualifizieren ist, besteht keine Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes, über das von der Verwaltungsbehörde (hier: Magistrat der Stadt Wien) vorgelegte Anbringen zu entscheiden. Die Eingabe ist vielmehr als Rechtsmittel gegen die Strafverfügungen anzusehen. Gemäß § 49 VStG kommt als Rechtsmittel gegen Strafverfügungen ein "Einspruch", nicht aber eine "Beschwerde" in Betracht.

Mangels Beschwerde war daher die Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichts mit Beschluss festzustellen und das Verfahren einzustellen. Mit Einstellung ist vorzugehen, wenn es an einer Beschwerde mangelt (vgl. ).

Zur Unzulässigkeit einer Revision

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm Art. 133 Abs. 9 B-VG und § 25a Abs. 1 VwGG ist gegen einen die Angelegenheit abschließenden Beschluss des Bundesfinanzgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist für die belangte Behörde unzulässig, da das Bundesfinanzgericht im vorliegenden Beschluss nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, sondern dessen Judikaturlinie folgt.

Für die Beschwerdeführerin gilt die absolute Unzulässigkeit einer Revision gemäß § 25a Abs. 4 VwGG.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
Art. 130 Abs. 1 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
§ 14 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
§ 34 VwGVG, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013
§ 5 WAOR, Wiener Abgabenorganisationsrecht, LGBl. Nr. 21/1962
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7500075.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at