Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 28.04.2022, RV/1100477/2018

Keine begünstigte Besteuerung einer Pensionskassenauszahlung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 bei freiem Wahlrecht zwischen einer Kapitalauszahlung und dem Bezug einer Rente

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden Dr. Peter Steurer, die Richterin Mag. Natascha Gassner, die fachkundige Laienrichterin Mag. Renate Burtscher und den fachkundigen Laienrichter Bernd Feldkircher in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch die Bischof-Fuchs Steuerberatungs GmbH, Dorf Rieden 12, 6900 Bregenz, gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom betreffend Einkommensteuer 2017 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen; der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

1. Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer 2017 fest, wobei ein von einer schweizerischen Personalvorsorgeeinrichtung im Jänner 2017 ausbezahltes Altersguthaben in Höhe von 300.000,00 CHF zur Gänze steuerlich erfasst wurde. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 begünstigt zu besteuernde Pensionsabfindung vorliege, wenn ein Wahlrecht zwischen dem Bezug einer lebenslangen Rente und einer Kapitalauszahllung bestehe (Hinweis auf , und ).

2. In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte die steuerliche Vertretung unter Verweis auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2016/15/0025, im Wesentlichen vor, dass ein Wahlrecht zwischen einer einmaligen Abfindung und der Auszahlung einer laufenden Rente der Anwendung der Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 nicht entgegenstehe.

Hierfür spreche schon eine grammatikalische Interpretation der Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988. Einzige Voraussetzung sei eine Pensionsabfindung "auf Grund gesetzlicher oder statutenmäßiger Regelungen". Eine obligatio alternativa werde mit keiner Silbe erwähnt.

Eine Durchleuchtung der Norm im Wege einer teleologischen Interpretation führe zum Schluss, dass mit § 124b Z 53 EStG 1988 der durch die Zusammenballung von Bezügen entstandene Progressionseffekt gemildert werden sollte. Die Zusammenballung von Bezügen sei jedoch dieselbe, unabhängig davon, ob eine obligatio alternativa vorliege oder nicht. Sinn und Zweck der Norm sei es gewesen, die früheren Begünstigungen zurückzuführen, die Besonderheiten der gesetzlich zwingenden Vorsorge aber dennoch sachlich gerechtfertigt zu berücksichtigen.

Bei historischer Interpretation der Regelung ergebe sich, dass der Gesetzgeber auch jene Steuerpflichtigen vor Augen gehabt habe, die sich ihre Ansprüche gegenüber der ausländischen Pensionskasse bei der Pensionierung hätten abfinden lassen. Konkret seien die Leistungen ausländischer Pensionskassen mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 (BGBI. Nr. 201/1996) in die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit einbezogen worden und zwar ohne Rücksichtnahme auf eine obligatio alternativa. Zuvor seien Pensionen von ausländischen Pensionskassen als Einkünfte im Sinne des § 29 EStG 1988 qualifiziert worden und sei eine diesbezügliche Steuerpflicht daher erst nach Überschreiten des kapitalisierten Rentenwertes eingetreten. Abfindungen ausländischer Pensionskassenleistungen seien bis zu diesem Zeitpunkt hingegen - ebenfalls wieder ohne Rücksichtnahme auf eine obligatio alternativa - steuerlich nicht erfasst worden; der Abfindungsbetrag habe keinen wiederkehrenden Bezug im Sinne des § 29 EStG 1988 dargestellt. Ab sei § 67 Abs. 8 lit. b EStG 1988 zur Anwendung gekommen. Mit BGBI. I Nr. 142/2000 sei die Besteuerung von Pensionsabfindungen neu geregelt worden. Unter § 67 Abs. 8 (nunmehr) lit. e EStG 1988 fielen nur mehr jene Abfindungen, die den Betrag gemäß § 1 Abs. 2 Z 1 PKG nicht überstiegen. Pensionsabfindungen die höher seien, seien gemäß § 67 Abs. 10 EStG 1988 als laufender Bezug den Einkünften hinzuzurechnen. Im Jahr 2001 seien Pensionsabfindungen aufgrund der Übergangsvorschrift des § 124b Z 53 EStG 1988 (idF BGBI. I Nr. 142/2000) zu einem Viertel steuerfrei zu belassen gewesen. Mit BGBI. I Nr. 54/2002 sei die Bestimmung dahingehend geändert bzw. ergänzt worden, dass Zahlungen für Pensionsabfindungen von Pensionskassen (aufgrund gesetzlicher oder statutenmäßiger Regelungen) zu einem Drittel steuerfrei zu belassen seien. Abgesehen von diesen Voraussetzungen habe der Gesetzgeber keine Notwendigkeit für weitere Einschränkungen bezüglich der Anwendbarkeit der Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 gesehen. Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (927 BlgNR 21. GP) gehe hervor, dass der Gesetzgeber bei ausländischen Pensionskassen die Notwendigkeit einer Bestimmung, die die Zusammenballung abfedere, gesehen habe, weil diese "vielfach Pensionsabfindungen" vorsähen und "eine Übertragung des abzufindenden Barwertes in eine inländische Pensionskasse nicht möglich" sei. Dass dies "insbesondere" bei jenen zutreffe, "die in diesen Fällen keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung haben", belege, dass der damalige Gesetzgeber jene Grenzgänger nicht von der Begünstigung habe ausschließen wollen, die eine Wahl zwischen Pensionsabfindung und Rentenbezug hätten. Eine derartige Interpretation würde schließlich dazu führen, dass die gesamte Begünstigung des § 124b Z 53 dritter Satz EStG 1988 ihres praktischen Anwendungsbereiches beraubt würde. Folgerichtig handle es sich nicht um eine ausschließende oder taxative Aufzählung und damit nicht um eine Definition von normativen Voraussetzungen, sondern um eine demonstrative Anführung. Der Gesetzgeber habe somit in erster Linie Grenzgängern, denen die Möglichkeit der Rückkehr in eine inländische Pensionskasse verwehrt sei, einen steuerlich im Vergleich zum Pensionsbezug neutralen Weg eröffnet, Ansprüche aus einer wechselkurslabilen Währung in die Heimatwährung zurückzuführen. Da das Währungsrisiko das Wahlrecht überlagere, sei eine obligatio alternative im Rahmen der gesetzlichen oder statuarischen Regelungen sohin unschädlich.

Letztlich führe auch die systematische Interpretation zum selben Ergebnis. Im Erkenntnis vom , 2006/15/0258, habe der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass der Gesetzgeber von Verfassungs wegen nicht gehalten sei, bestehende Begünstigungsbestimmungen für die Zukunft stets unverändert beizubehalten, stelle doch die Besteuerung nach § 124b Z 53 EStG 1988 idF BGBI. I Nr. 54/2002 nach wie vor eine Begünstigung dar. Überdies sei zu bedenken, dass ein laufender Rentenbezug dem Versorgungscharakter mehr entspreche als die Kapitalabfindung eines Rentenanspruches, der Gesetzgeber also habe berücksichtigen können, dass eine über die Drittelbegünstigung hinausgehende Begünstigung der freiwilligen Entscheidung eines Steuerpflichtigen, sich die Rente abfinden zu lassen, dem Versorgungscharakter zuwiderliefe. Die freiwillige Entscheidung als Sachverhaltsbestandteil sei damit vom Verwaltungsgerichtshof sogar betont und als Rechtfertigungsgrund dafür herangezogen, dass die Verschlechterung der Behandlung ausländischer Pensionskassenabfindungen verfassungsrechtlich nicht bedenklich erschien. Der Gesetzgeber habe mit § 124b Z 53 dritter Satz EStG 1988 für Pensionsabfindungen einer Pensionskasse aufgrund gesetzlicher oder statutarischer Regelungen eine Sondernorm geschaffen, die nur für einen speziell eingegrenzten Personenkreis und nur anhand eines klaren und normativ eingeschränkten Konzeptes zur Anwendung kommen könne.

3. Mit Beschwerdevorentscheidung wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Entgegen den Ausführungen der steuerlichen Vertretung sei der gegenständliche Sachverhalt mit jenem, der dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2016/15/0025, zugrunde liege, nicht vergleichbar, habe die Beschwerdeführerin gegenüber der Vorsorgeeinrichtung doch einen alternativen Anspruch auf die Zahlung einer lebenslangen Altersrente gehabt. Demgegenüber sei die im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2015/15/0033, angeführte Judikatur auf den Beschwerdefall übertragbar, zumal kein Zwang zur Pensionsabfindung bestanden habe, sondern der Beschwerdeführerin nach dem Reglement der Vorsorgeeinrichtung die freie Wahlmöglichkeit zwischen zwei gleichrangigen Ansprüchen offengestanden wäre.

4. Mit Vorlageantrag beantragte die steuerliche Vertretung die Entscheidung über die Beschwerde durch den gesamten Senat sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Der Gesetzeswortlaut erfordere lediglich eine Pensionsabfindung aufgrund statutarischer Regelungen. Wie diese ausgestaltet sein müssten, sei nicht angeführt und könne daher auch das vom Finanzamt angeführte begünstigungsschädliche Wahlrecht daraus nicht abgeleitet werden. Zudem könne nicht von einem Verzicht auf eine lebenslange Rente gesprochen werden, wenn, so wie im Beschwerdefall, nicht der gesamte Anspruch, sondern nur ein Teil davon abgefunden werde. Schließlich sei der Beschwerdefall aus im Einzelnen angeführten Gründen entgegen den Ausführungen des Finanzamtes mit dem dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2016/15/0025, bzw. dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/1100654/2015, zugrundeliegenden Fall sehr wohl vergleichbar.

5. Im Zuge der mündlichen Verhandlung verwies die steuerliche Vertreterin neuerlich auf das bisherige Vorbringen, insbesondere den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2016/15/0025. Die Schädlichkeit eines Wahlrechtes entspreche nicht der ratio des Gesetzes. Sie kenne auch keine Statuten, in denen nur die Möglichkeit der Kapitalabfindung vorgesehen wäre, dies widerspräche zudem ganz augenscheinlich dem Versorgungsgedanken.

Die Beschwerdeführerin erläuterte die Beweggründe für die teilweise Kapitalauszahlung und wies darauf hin, dass es zum Zeitpunkt der Entscheidung über die gewählte Vorgangsweise im Jahr 2016 die Drittelbegünstigung noch gegeben habe. Es sei zwar eine Änderung im Raum gestanden, es habe aber nichts Konkretes gegeben, auf das man sich hätte stützen können. Erst im Einkommensteuerbescheid sei ihr im Nachhinein mitgeteilt worden, dass es eine andere Auslegung der Regelung gebe und die Steuerbegünstigung nicht mehr zustehe. Das Gesetz habe sich diesbezüglich aber nicht geändert, sie habe ihre Entscheidung bezüglich der Auszahlung nach dem geltenden Gesetz korrekt getroffen. Als Bürgerin möchte sie sich auf die geltenden Gesetze verlassen können. Sie könne nicht verstehen, dass Gesetze oder deren Auslegung rückwirkend geändert würden. Die ganzen Erkenntnisse seien erst ergangen, nachdem sie ihre Entscheidung bezüglich der Auszahlung getroffen habe, sie fühle sich daher ungerecht behandelt und müsse sich Jahre später verteidigen, weshalb sie sich damals so entschieden habe. Wenn die Auslegung eines Gesetzes geändert werde, müsse es auch eine Regelung geben, ab welchem Zeitpunkt diese anzuwenden sei.

Der Vertreter des Finanzamtes verwies auf das jüngst ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2019/15/0182. Zudem habe das Finanzamt schon im Jahr 2014 und somit vor der im Beschwerdefall bezüglich der Auszahlung getroffenen Entscheidung die Rechtsansicht vertreten, dass solche Kapitalabfindungen nicht unter die Drittelbegünstigung fielen.

II. Sachverhalt

Die im April 1955 geborene Beschwerdeführerin war in der Schweiz nichtselbständig tätig. Per wurde sie von der Arbeitgeberin altershalber vorzeitig entlassen. Im Jänner 2017 hat die betriebliche Vorsorgeeinrichtung der Schweizer Arbeitgeberin der Beschwerdeführerin antragsgemäß einen Teilbetrag (300.000,00 CHF abzüglich der Quellensteuer, die ihr in der Folge wieder rückerstattet wurde) des bestehenden Altersguthabens ausbezahlt. Aufgrund der erfolgten Kapitalauszahlung hat sich der Anspruch auf die von der betrieblichen Vorsorgeeinrichtung ausbezahlte Rente entsprechend vermindert.

III. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung

§ 124b Z 53 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 54/2002, lautet:

"Zahlungen für Pensionsabfindungen, deren Barwert den Betrag im Sinne des § 1 Abs. 2 Z 1 des Pensionskassengesetzes übersteigt, sind gemäß § 67 Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist bei Pensionsabfindungen, die im Jahre 2001 zufließen, nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Viertel steuerfrei zu belassen. Zahlungen für Pensionsabfindungen von Pensionskassen auf Grund gesetzlicher oder statutenmäßiger Regelungen sind nach Abzug der darauf entfallenden Pflichtbeiträge ab dem Jahr 2001 und in den folgenden Jahren zu einem Drittel steuerfrei zu belassen."

Der letzte Satz wurde der Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 mit BGBl. I Nr. 54/2002 angefügt. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (927 BlgNR 21. GP 2) wurde dazu Folgendes ausgeführt:

"Ausländische gesetzliche Regelungen bzw. die darauf beruhenden Statuten der ausländischen Pensionskassen sehen vielfach Pensionsabfindungen vor. Eine Übertragung des abzufindenden Barwertes in eine inländische Pensionskasse ist nicht möglich. Diese Problematik betrifft insbesondere Grenzgänger, die in diesen Fällen keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung haben. Es wäre daher unbillig, Pensionsabfindungen in diesen Fällen zur Gänze tarifmäßig zu besteuern."

Gesetzliche Grundlage für die berufliche Vorsorge in der Schweiz ist das Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen und Invalidenvorsorge (BVG) vom .

Nach Art. 13 Abs. 1 BVG haben Anspruch auf Altersleistungen Männer, die das 65. Altersjahr zurückgelegt haben (lit. a), und Frauen, die das 64. Altersjahr zurückgelegt haben (lit b). Abweichend davon können nach Art. 13 Abs. 2 erster Satz BVG die reglementarischen Bestimmungen der Vorsorgeeinrichtung vorsehen, dass der Anspruch auf Altersleistungen mit der Beendigung der Erwerbstätigkeit entsteht.

Gemäß Art. 37 Abs. 1 BVG werden Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenleistungen in der Regel als Rente ausgerichtet. Die Vorsorgeeinrichtung kann in ihrem Reglement nach Art. 37 Abs. 4 lit. a BVG jedoch vorsehen, dass die Anspruchsberechtigten an Stelle einer Rente eine Kapitalabfindung wählen können.

Nach dem Reglement der betrieblichen Vorsorgeeinrichtung der Arbeitgeberin wird das ordentliche Pensionierungsalter mit Vollendung des 65. Altersjahres erreicht (Art. 7 Abs. 1). Ab dem vollendeten 60. Altersjahr können die versicherten Personen die vorzeitige Pensionierung verlangen (Art. 7 Abs. 2). Nach Vollendung des 58. Altersjahres kann eine versicherte Person durch den Arbeitgeber vorzeitig altershalber entlassen werden (Art. 8 Abs. 1). Nach der Alterspensionierung im Sinne von Art. 7 oder nach der vorzeitigen Entlassung altershalber im Sinne von Art. 8 besteht Anspruch auf eine lebenslängliche Altersrente (Art. 26 Abs. 1). Bei Alterspensionierung im Sinne von Art. 7 oder bei vorzeitiger Entlassung altershalber im Sinne von Art. 8 kann die versicherte Person verlangen, dass ihr anstelle einer Altersrente das vorhandene Sparguthaben ganz oder teilweise als Kapital ausbezahlt wird (Art. 35 Abs. 1).

Strittig ist im Beschwerdefall einzig, ob die dem Reglement der Vorsorgeeinrichtung entsprechend erfolgte Kapitalauszahlung der begünstigten Besteuerung nach § 124b Z 53 EStG 1988 unterliegt.

Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Bestimmung des § 124b Z 53 dritter Satz EStG 1988 ist, wie der Verwaltungsgerichtshof in zahlreichen Erkenntnissen ausgesprochen hat, "dass (insbesondere bei ausländischen Pensionskassen im Hinblick auf die dortige gesetzliche Situation) den Anspruchsberechtigten keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung eingeräumt ist" (vgl. , mwN, sowie jüngst ua. , mwN, , mwN, und , mwN).

In diesem Sinne ist im Falle einer aufgrund des endgültigen Verlassens der Schweiz bzw. des Fürstentums Liechtenstein ausbezahlten Freizügigkeitsleistung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entscheidend, ob ein Vorsorgeschutz mit späterem Rentenanspruch durch eine entsprechende Disposition über die Freizügigkeitsleistung (in den zugrundeliegenden Fällen durch Abschluss einer prämienfreien Freizügigkeitspolice) hätte aufrechterhalten werden können (betreffend Liechtenstein vgl. ua. , und ; betreffend die Schweiz vgl. ua. , mwN, und , mwN). Es könne nicht von einem Zwang zur Pensionsabfindung - Voraussetzung für die Steuerbegünstigung des § 124b Z 53 EStG 1988 - ausgegangen werden, wenn dem Abgabepflichtigen nach Beendigung der nichtselbständigen Tätigkeit die Möglichkeit offen gestanden wäre, sich für eine prämienfreie Freizügigkeitspolice zu entscheiden und daraus später "Altersleistungen in Rentenform" zu beziehen (vgl. , mwN).

Im jüngst ergangenen Erkenntnis vom , Ro 2019/15/0182, hat der Verwaltungsgerichtshof weiters klargestellt, dass ein begünstigungsschädliches Wahlrecht auch dann vorliegt, wenn nach den reglementarischen Bestimmungen aufgrund des Alters die Möglichkeit besteht, anstelle der Inanspruchnahme der Kapitalauszahlung (Freizügigkeitsleistung) in den vorzeitigen Ruhestand zu gehen und damit die Altersleistung in Rentenform zu beziehen (ande-res könnte dann gelten, wenn die Inanspruchnahme der Frühpension mit unzumutbaren rechtlichen Nachteilen verbunden wäre).

Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann sohin kein Zweifel darüber bestehen, dass eine bestehende Wahlmöglichkeit zwischen dem Bezug einer Rente und einer (teilweisen) Kapitalabfindung der Anwendung der Drittelbegünstigung des § 124b Z 53 EStG 1988 entgegensteht und erübrigt sich daher eine weitere Auseinandersetzung mit den Einwendungen der steuerlichen Vertretung betreffend das sich in grammatikalischer, teleologischer, historischer und systematischer Interpretation der Bestimmung ergebende Auslegungsergebnis (vgl. dazu ua. ). Soweit sie sich auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2016/15/0025, in dem der Verwaltungsgerichtshof die Beurteilung eines einer Grenzgängerin im Zusammenhang mit dem endgültigen Verlassen der Schweiz ausbezahlten Altersguthabens als begünstigte Pensionsabfindung im Sinne des § 124b Z 53 EStG 1988 nicht als rechtswidrig erachtet hat, stützt, genügt es, darauf hinzuweisen, dass diesem Beschluss ein Fall zugrunde lag, in dem, wie vom Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich festgehalten, ein Wahlrecht zwischen dem Bezug einer Alterspension oder der Barauszahlung des Rentenanspruchs nach den unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen des Bundesfinanzgerichtes gerade nicht bestanden hatte. Anders als im Beschwerdefall hatte die Revisionswerberin in diesem Fall die Schweiz vor Erreichen des Pensionsalters (sie war Jahrgang 1965) verlassen und somit nur die Möglichkeit, das Altersguthaben auf ein Freizügigkeitskonto oder eine Freizügigkeitspolice zu übertragen, wobei in der Folge eine Auszahlung in Rentenform nicht mehr möglich ist (zu den diesbezüglichen Ermittlungsergebnissen ausführlich ua. , betreffend Liechtenstein, sowie , und , betreffend die Schweiz). Insoweit besteht somit ein entscheidender Unterschied im Sachverhalt.

Nachdem der Beschwerdeführerin infolge der vorzeitigen Entlassung altershalber nach den Bestimmungen des Vorsorgereglements der betrieblichen Vorsorgeeinrichtung der Arbeitgeberin ein Wahlrecht zwischen (künftigen höheren) Rentenleistungen und der (teilweisen) Auszahlung des Altersguthabens (unbestritten) offenstand, liegt eine nach § 124b Z 53 EStG 1988 zu besteuernde "Pensionsabfindung" somit nicht vor.

Soweit die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung ihr Unverständnis über die nachträgliche Änderung der Auslegung der Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 zum Ausdruck gebracht hat, ist dies zwar verständlich, vermag der Beschwerde aber nicht zum Erfolg zu verhelfen. Auch wenn Abfindungszahlungen ausländischer Vorsorgeeinrichtungen trotz bestehendem Wahlrecht über Jahre hinweg unter Anwendung der Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 besteuert wurden, kann daraus ungeachtet der unverändert gebliebenen Gesetzesbestimmung ein Rechtsanspruch auf Beibehaltung dieser Verwaltungspraxis nicht abgeleitet werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schützt der Grundsatz von Treu und Glauben nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer allenfalls auch unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung für die Vergangenheit; die Behörde ist vielmehr verpflichtet, von einer als gesetzwidrig erkannten Verwaltungsübung abzugehen (vgl. , mwN, , und ). Es müssen sohin besondere Umstände vorliegen, die ein Abgehen von der bisherigen Rechtsauffassung durch die Abgabenbehörde unbillig erscheinen lassen, wie dies etwa der Fall sein kann, wenn ein Abgabepflichtiger von der zuständigen Abgabenbehörde ausdrücklich zu einer bestimmten Vorgangsweise aufgefordert wird und sich nachträglich die Unrichtigkeit derselben herausstellt (vgl. ua. , und , mwN). Dass ein solcher Fall vorgelegen wäre, ist nicht erkennbar. Zudem kann der Grundsatz von Treu und Glauben nur insoweit Auswirkungen zeitigen, als das Gesetz der Vollziehung einen Vollzugsspielraum einräumt (vgl. , mwN, und , mwN). Ein Vollzugsspielraum in diesem Sinne bestand bei der Beurteilung der Anwendbarkeit der Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 aber nicht.

Die Nichtberücksichtigung der Drittelbegünstigung gemäß § 124b Z 53 EStG 1988 erweist sich somit gesamthaft gesehen als rechtmäßig und konnte der Beschwerde daher kein Erfolg beschieden sein.

IV. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im Beschwerdefall strittige Frage, ob die (anteilige) Auszahlung eines Altersguthabens im Fall eines (alternativ) bestehenden Anspruches auf laufende Rentenleistungen unter die Begünstigung des § 124b Z 53 EStG 1988 fällt, ist durch die angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG wird durch das vorliegende Erkenntnis somit nicht berührt. Eine (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.

Feldkirch, am

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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.1100477.2018

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