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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.04.2022, RV/3100589/2019

Vorsteuerausschluss nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, ***Bf1-StNr1***, vertreten durch ***Stb1***, gegen den von der belangten Behörde ***FA***, nunmehr Finanzamt Österreich, am ausgefertigten Bescheid betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2017 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die belangte Behörde hat mit dem am ausgefertigten Bescheid die Umsatzsteuer für das Jahr 2017 mit € -9.925,63 festgesetzt. In der gesondert ausgefertigten Bescheidbegründung vom führt die belangte Behörde aus (kursive Schreibweise im Original):

Vorsteuerkürzung iZm mit Herstellung bzw. Betrieb der Motorräder

Im Zuge dieser Prüfung wurde festgestellt, dass für Herstellung bzw. Instandhaltung der Motorräder u. Kraftwagen die Vorsteuer in Abzug gebracht wurde bzw. für IG-Lieferungen keine Erwerbssteuer in den Erklärungen angesetzt wurde.

Anzumerken wäre auch, dass entgegen der Stellungnahme, vom die Motorräder nicht nur zu Ausstellungszwecken renoviert wurden, sondern diese Fahrzeuge teilweise noch voll funktionstüchtig bzw. straßenverkehrstauglich sind und damit auch Bewegungsfahrten durchgeführt werden. Mit manchen Fahrzeugen wurden auch Oldtimerrennen bestritten.

Rechtliche Begründung:

§ 12 Abs. 2 Z 2. Nicht als für das Unternehmen ausgeführt gelten Lieferungen, sonstige Leistungen oder Einfuhren,

a) deren Entgelte überwiegend keine abzugsfähigen Ausgaben (Aufwendungen) im Sinne des § 20 Abs. 1 Z 1 bis 5 des Einkommensteuergesetzes 1988 oder der §§ 8 Abs. 2 und 12 Abs. 1 Z 1 bis 5 des Körperschaftsteuergesetzes 1988 sind,

b) die im Zusammenhang mit der Anschaffung (Herstellung), Miete oder dem Betrieb von Personenkraftwagen, Kombinationskraftwagen oder Krafträdern stehen, ausgenommen Fahrschulkraftfahrzeuge, Vorführkraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuge, die ausschließlich zur gewerblichen Weiterveräußerung bestimmt sind, sowie Kraftfahrzeuge, die zu mindestens 80% dem Zweck der gewerblichen Personenbeförderung oder der gewerblichen Vermietung dienen.

Nach ständiger - auf die Verkehrsauffassung abstellender - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Umsatzsteuerrecht ist für die Abgrenzung der Fahrzeugarten die wirtschaftliche Zweckbestimmung und nicht der Verwendungszweck im Einzelfall entscheidend. Maßgeblich ist der Zweck, dem das Fahrzeug nach seiner typischen Beschaffenheit und Bauart von vornherein und allgemein zu dienen bestimmt ist. Entscheidend ist u.a. das typische Erscheinungsbild eines Fahrzeuges an Hand seiner charakteristischen, das Fahrzeug von einem anderen Fahrzeug unterscheidenden Eigenschaften. Die kraftfahrrechtliche Einordnung der Fahrzeuge ist im Hinblick auf die dem Steuerrecht eigentümliche wirtschaftliche Betrachtungsweise nicht bindend (vgl. zuletzt , mwN).

2. Mit Schreiben vom hat die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde erhoben und diese wie folgt begründet (kursive Schreibweise im Original):

I. Der Sachverhalt

Die ***Bf1*** betreibt an der hochalpinen Straße zum ***Ort1*** ein Museum: Motorräder werden systematisch gesammelt, restauriert, aufbewahrt und ausgestellt. Ein gutes Bild über die historische und technische Entwicklung von Motorrädern wird der Allgemeinheit durch diese Ausstellungen vermittelt.

Die Qualität als "Museum" im Sinn des § 10 Abs 3 Z 6 lit c UStG wird von der Finanzverwaltung gemäß Rz 1410 ff UStR 2000 und der Kommentierung von Ruppe/Achatz, UStG5, § 10 Tz 172 f anerkannt.

Die Motorräder weisen in der Regel ein erhebliches Alter auf. Restaurierungen sind notwendig, um anschauliche Ausstellungsstücke im Museum ausstellen zu können. Eine Zulassung zum öffentlichen Verkehr wird in der Regel nicht angestrebt.

Die Zulassung zum öffentlichen Verkehr erfordert aufwendige Überprüfungen und Adaptierungen, um der Verkehrssicherheit zu entsprechen und Abgasnormen einzuhalten. Dadurch wird ein altes Motorrad zu stark verändert (z.B. durch Spiegel, Beleuchtung, Blinker etc). Zweck des Museums ist jedoch eine möglichst originalgetreue Konservierung alter Motorräder. Nur ein kleiner Teil der ausgestellten Motorräder wird bei speziellen Veranstaltungen fahrend vorgeführt. Das betrifft jedoch nur wenige Ausstellungsstücke und auch diese werden nur wenige Stunden pro Jahr fahrend zur Schau gestellt.

Strittig ist der Aufwand zur Restaurierung von Ausstellungsstücken: Eine Restaurierung von Ausstellungsstücken eines Museums zur Erzielung umsatzsteuerpflichtiger Umsätze (13% USt für das Entgelt zum Besuch des Museums) fällt nicht unter das Abzugsverbot nach § 12 Abs 2 Z 2 lit b UStG. Eine Restaurierung von Sammlungs- und Ausstellungsgegenständen eines Museums dient nicht der "Anschaffung (Herstellung), Miete oder dem Betrieb von" Kraftfahrzeugen (PKW, Kombi, hier: Krafträder), sondern der Konservierung historisch wertvoller Gegenstände.

Das Finanzamt kürzt im angefochtenen Bescheid den Vorsteuerabzug und stützt diese Kürzung auf den Vorsteuerausschluss des § 12 Abs 2 Z 2 lit b UStG. Dagegen richtet sich die Beschwerde.

II. Der Beschwerdepunk

Die Beschwerdeführerin wird durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Vorsteuerabzug verletzt: Die Umsatzsteuer für das Jahr 2017 ist erklärungsgemäß zu veranlagen. Der Vorsteuerabzug zur Erzielung steuerpflichtiger Umsätze aus dem Motorrad Museum ist nicht zu kürzen.

III. Die Begründung

Der Vorsteuerabzug in der Unternehmerkette zur Erzielung mehrwertsteuerpflichtiger Umsätze (hier: 13 %USt auf das Entgelt für Museumsbesucher) sichert die Kostenneutralität der USt in der Unternehmerkette. Der Vorsteuerabzug ist nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ein Grundprinzip und integraler Bestandteil des Mehrwertsteuersystems und darf grundsätzlich nicht eingeschränkt werden, (Beiser, Steuern17, 2019, Rz 544; Biosafe-Industria de Recilagen SA).

Österreich hat sich beim Unionsbeitritt den Vorsteuerausschluss nach § 12 Abs 2 Z 2 lit b UStG vorbehalten. Dieser Vorsteuerausschluss ist jedoch auf Grund seiner Systemwidrigkeit einschränkend auszulegen: Zum Grundsatz einer richtlinienkonformen Auslegung siehe Ruppe/Achatz UStG5, Einf Rz 27.

Eine Restaurierung von Sammlungs- und Ausstellungsgegenständen eines Museums zur fachgerechten Konservierung dient nicht einer "Anschaffung (Herstellung), Miete oder Betrieb" der gesammelten auf Grund ihres hohen Alters historisch wertvollen Motorräder. Die Restaurierung zur Konservierung in einem möglichst originalgetreuen Zustand lässt Adaptierungen zur Herstellung einer Betriebsbereitschaft und einer Zulassung zum öffentlichen Verkehr gerade nicht zu. Die Bescheidbegründung der Finanzverwaltung beruht insoweit auf nicht zutreffenden Sachverhaltsannahmen.

Wird eine Sammlung von Motorrädern nicht zu deren "Miete" oder "Betrieb" (im Sinn eies Betriebes von Kraftfahrzeugen gemäß § 12 Abs 2 Z 2 lit b UStG) verwendet, sondern zur Ausstellung und Konservierung in einem Museum nach § 10 Abs 3 Z 6 lit c UStG, so darf der Vorsteuerausschluss nach § 12 Abs 2 Z 2 lit b UStG nicht angewendet werden.

Eine unionsrechtskonforme Anwendung lässt eine extensive Auslegung systemwidriger Ausnahmebestimmungen nicht zu.

IV. Anträge

1. Der angefochtene Bescheid ist aufzuheben

2. Die USt für das Jahr 2017 ist erklärungsgemäß zu veranlagen

3. Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung hat zu unterbleiben (§ 262 Abs 2 BAO).

4. Eine Vorabentscheidung des EuGH durch eine Anfrage des BFG beim EuGH nach Art. 267 AEUV wird beantragt.

3. Die belangte Behörde hat die Bescheidbeschwerde mit Bericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß Artikel 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 kann der Unternehmer - neben den in § 12 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG 1994 genannten Vorsteuerbeträgen - unter anderem die Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen für sein Unternehmen abziehen. Dies gilt nicht für die sich auf Grund des Art. 12 Abs. 4 UStG 1994 ergebende Steuer für den innergemeinschaftlichen Erwerb. Nach Art. 12 Abs. 4 UStG 1994 gilt § 12 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 nicht für den innergemeinschaftlichen Erwerb.

2. Nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 gelten Lieferungen, sonstige Leistungen oder Einfuhren, die im Zusammenhang mit der Anschaffung (Herstellung), Miete oder dem Betrieb von Personenkraftwagen, Kombinationskraftwagen oder Krafträdern stehen, ausgenommen Fahrschulkraftfahrzeuge, Vorführkraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuge, die ausschließlich zur gewerblichen Weiterveräußerung bestimmt sind, sowie Kraftfahrzeuge, die zu mindestens 80% dem Zweck der gewerblichen Personenbeförderung oder der gewerblichen Vermietung dienen, nicht als für das Unternehmen ausgeführt.

3. Artikel 12 Abs. 4 UStG 1994 lässt die Fiktion des § 12 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 beim innergemeinschaftlichen Erwerb nicht greifen, sodass hinsichtlich dieser Gegenstände ein innergemeinschaftlicher Erwerb vorliegt. Artikel 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 schließt allerdings - wie § 12 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 - den Abzug der Vorsteuer daraus aus.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, dass für Kraftfahrzeuge, auch wenn sie nicht mehr zur Beförderung von Personen oder Sachen auf Straßen bestimmt sind, weil sie in einem Museum ausgestellt werden, der Vorsteuerausschluss nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 gilt (). Die Entscheidung ist zu einer Revision ergangen, die der im nunmehrigen Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht einschreitende Beschwerdeführer erhoben hatte und betraf den strittigen Vorsteuerabzug für die Anschaffung der Museumsfahrzeuge. Im nunmehrigen Verfahren begehrt der Beschwerdeführer den Vorsteuerabzug für Kosten von Restauration und Wartung der angeschafften Museumsfahrzeuge. Das Bundesfinanzgericht ist der Ansicht, dass der Vorsteuerausschluss nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 auch die Kosten für Restauration und Wartung dieser Fahrzeuge umfasst. Der Tatbestand schließt den Vorsteuerabzug nicht nur für die Anschaffung, sondern zudem für den Betrieb von Kraftfahrzeugen aus. Die Restauration und Wartung dient dem Betrieb der Fahrzeuge für Ausstellungs- und Erhaltungszwecke im Rahmen des Museums. Der Umstand, dass die Fahrzeuge nicht auf Straßen mit öffentlichem Verkehr verwendet werden, steht dem Vorsteuerausschluss nicht entgegen (). Zu den in der Beschwerde vorgetragenen europarechtlichen Bedenken wird die Auffassung vertreten, dass der beim Unionsbeitritt von Österreich vorbehaltenen Vorsteuerausschlusses nach § 12 Abs. 2 Z 2 lit. b UStG 1994 vom Bundesfinanzgericht nicht in einem solchen Maße extensiv ausgelegt wird, dass ein europarechtswidriger allgemeiner Ausschluss vom Recht auf Vorsteuerabzug vorliegt.

5. Somit war spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde gemäß § 279 Abs. 1 BAO als unbegründet abzuweisen.

III. Zulässigkeit einer Revision

Nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt vor Allem dann vor, wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Zur Frage, ob die Restaurierung und Wartung von Kraftfahrzeugen deren "Betrieb" im Sinn eines Betriebes gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lot. b UStG 1994 dient, fehlt eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist demzufolge zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100589.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at