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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 18.03.2022, RV/4100400/2017

Der Pauschbetrag für Berufsausbildung eines Kindes ist bei mehreren Unterhaltsverpflichteten aufzuteilen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht erkennt durch die Richterin Dr. Elisabeth Hafner in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Klagenfurt (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht:

I. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem am Ende der Entscheidungsgründe als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Zu Spruchpunkt I.

Verfahrensablauf

Der Beschwerdeführer (BF) beantragte erstmalig in der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 die Berücksichtigung des Pauschbetrages gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 für eine Berufsausbildung seines Sohnes L außerhalb des Wohnortes.

Das Finanzamt wies die Beschwerde ab. Begründet wurde dies damit, dass die Berücksichtigung des beantragten Pauschbetrages nicht möglich sei, da dieser bereits zu 100% von der Ehegattin des BF in Anspruch genommen worden sei. Der Pauschbetrag gemäß § 34 Abs. 8 EStG 1988 stehe nur einmal je Kind zu und sei nach herrschender Verwaltungspraxis und Rechtsprechung bei mehreren Unterhaltspflichtigen im Verhältnis der tatsächlichen Kostentragung aufzuteilen, ansonsten stehe er jenem Steuerpflichtigen zu, der ihn beantrage. In Summe müssen, wolle man im Gesetz keinen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellen, die Abgeltungsbeträge gleich sein, da es ansonsten zu einer Bevorzugung von in einer aufrechten Partnerschaft Lebenden gegenüber Alleinerziehenden käme (vgl. , -11/07).

Im Vorlagebericht hielt der BF der Vorgangsweise des Finanzamtes nochmals bereits in der Beschwerde vorgebrachten verfassungsrechtlichen Erwägungen entgegen.

Nach Ansicht des BF komme der streitgegenständliche Pauschbetrag jedem Elternteil zur Gänze zu. § 6 der zu § 34 Abs. 8 EStG ergangenen Verordnung des Bundesministers für Finanzen vom über außergewöhnliche Belastungen, BGBl 675/1988, habe festgelegt, dass der Pauschbetrag bei mehreren Unterhaltspflichtigen im Verhältnis der Kostentragung für die Berufsausbildung aufzuteilen sei. Diese Verordnung habe die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen vom BGBl 303/1996 per (rückwirkend) außer Kraft gesetzt. Diese für Zeiträume nach dem gültige Verordnung regle mit § 6 die Aufteilungsverpflichtung von Pauschbeträgen auf mehrere Kostentragende nur mehr bei bestimmten Krankheitskosten, Behindertenfahrzeugen und Personen mit erhöhter Familienbeihilfen. Durch die bewusste Nichtnominierung einer Aufteilung des Studienpauschbetrages in diese (neuen) Verordnung - anders als in der außer Kraft getretenen Vorgängerverordnung noch bestimmt - sei der Wille des Verordnungsgebers klar ersichtlich: Es sei gewollt, von der Aufteilungsverpflichtung abzugehen und das Gesetz allein nach seinem Wortlaut gelten zu lassen.

Die Verwaltungspraxis (Lohnsteuerrichtlinien 2020, RZ 878) schreiben die Aufteilungsverpflichtung zwar nach wie vor fort. Richtlinien seien jedoch keine verbindliche Rechtsquelle.

Die Vorgangsweis des Finanzamtes laufe zudem dem Prinzip der in § 2 Abs. 1 EStG 1988 verankerten Individualbesteuerung zuwider, nach dem - im Gegensatz zur "Haushaltsbesteuerung" - nur das Einkommen einer (natürlichen) Person besteuert werde.

Eine Aufteilung des Pauschbetrages laufe zudem dem Grundsatz der Individualbesteuerung zuwider und verstoße gegen das Grundrecht auf Datenschutz. Der Steuerpflichtige habe selbst keine rechtliche Möglichkeit, steuerrechtlich relevante Daten einer anderen Person einzufordern. Daten einer anderen Person unterlägen dem verfassungsrechtlich gewährten Datenschutz; eine Durchbrechung des Datenschutzes sei nur mit gesetzlicher Anordnung zulässig. Eine solche Anordnung fehle im Einkommensteuergesetz.

Im Vorlageantrag selbst verwies der BF ergänzend auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/7102793/2014, in dem das Bundesfinanzgericht selbst erkannt habe: "Bei Auslegung von Verwaltungsgesetzen hat die Wortinterpretation i.V.m. der grammatikalischen Auslegung wegen des Legalitätsprinzips Vorrang vor allen anderen Auslegungsmethoden. Äußerste Zurückhaltung ist daher bei sogenannten korrigierenden Auslegungsmethoden zu üben, sondern ist zunächst nach dem Wortsinn zu fragen".

Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht präzisierte der BF seine verfassungsrechtlichen Bedenken (Ausführungen zu Auslegungsmethoden, zur Lückenfüllung und zum verfassungsrechtlich gebotenen Sachlichkeitsgebot).

In weiterer Folge ersuchte das Bundesfinanzgericht das Finanzamt, zweckdienliche Erhebungen betreffend die Unterhaltsverpflichtungen der Ehegattin des Beschwerdeführers im Streitjahr 2015 anzustellen und sodann dem Bundesfinanzgericht die Erhebungsergebnisse und den nach Ansicht des Finanzamtes zutreffenden Aufteilungsschlüssel mitzuteilen.

Das Finanzamt teilte dem Bundesfinanzgericht daraufhin mit Schreiben vom mit, dass die Ehegattin des BF dieser Aufforderung nachgekommen sei. Der entsprechenden Stellungnahme der Ehegattin sowie dieser beigelegten Kontoauszügen lasse sich entnehmen, dass die Ehegattin des BF ihrem Sohn von Jänner bis Dezember 2015 Unterhalt von monatlich jeweils Euro 500,--, die Familienbeihilfen inklusive Kinderabsetzbetrag (217,30), eine einmalige Zahlung für Möbel in Höhe von Euro 400,72 sowie Euro 1.000,-- für Zahnarztkosten geleistet habe.

Der BF habe lediglich eine Kontoübersicht vorgelegt, aus welcher ersichtlich sei, dass der BF an die F GmbH von Oktober bis Dezember 2015 Euro 526,76 sowie T-Mobile Rechnungen von Oktober bis Dezember 2015 in Höhe von ca. Euro 39,00 monatlich bezahlt habe.

Wenn die Zahlungen des BF tatsächlich für die Wohnung seines Sohnes L in O gewesen sein - so das Finanzamt weiter - dann wäre aus der Sicht des Finanzamts eine Aufteilung des Pauschbetrages für die auswärtige Berufsausbildung zu gleichen Teilen auf die beiden Elternteile gerechtfertigt, für den Fall, dass der Beschwerdeführer die Zahlung nur 3 Monate geleistet habe, würde der Pauschbetrag zu 80 % der Ehefrau des BF und zu 20 % dem BF zustehen.

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Sachverhalt

Der BF und seine Ehegattin waren während des Streitjahres in X, Y, wohnhaft (ZMR - Abfrage). Der Sohn L, geb. am 1, des BF und seiner Ehegattin studierte im Streitjahr an der Universität O G (Bachelorstudium G UG2002 vom ; siehe Sammelzeugnis der Universität O vom ).

Die Ehe zwischen dem BF und seiner Ehegattin wurde mittlerweile geschieden. Während des Streitjahres war diese Ehe - anders als dem Finanzamt bei Erlassung der oben dargestellten Beschwerdevorentscheidung vorschwebend - noch aufrecht (siehe u.a. Ausführungen des BF in der E-Mail an das Bundesfinanzgericht vom ).

Die Ehegattin des BF überwies dem Sohn monatlich die Familienbeihilfe (Euro 217,13) sowie Euro 500,-- zur Bestreitung seiner Ausgaben am Ausbildungsort (Kontoauszüge der Ehegattin) sowie eine Einmalzahlung in Höhe von Euro 400,72 für Möbel und Euro 1.000,-- zur Bezahlung von Zahnarztkosten (Angabe der Ehegattin im Schreiben vom ).

Der BF selbst trug die Kosten für die Wohnung seines Sohnes für das gesamte Jahr sowie Telefonkosten (Kontoübersicht betreffend Überweisungen an die F GmbH für die Monate Oktober bis Dezember mit jeweils Euro 526,76 sowie Telefonkosten in Höhe von jeweils Euro 39,-- monatlich).

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt stützt sich auf die Angaben des BF und seiner Ehegattin, die zueinander nicht im Widerspruch stehen und die auch von den oben im Klammer angeführten Beweismitteln gestützt werden. Es ist zudem davon auszugehen, dass es sich bei den vom BF an die F GmbH geleisteten Zahlungen um Zahlungen von Mieten für eine Wohnung des Sohnes in O gehandelt hat, sowie davon, dass entsprechende Mietzahlungen vom BF während des gesamten Streitjahres (angesichts der Wohnungsmieten in O zusätzlich zu den von der Ehegattin des BF geleisteten Zahlungen) geleistet hat.

Rechtliche Würdigung

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei Ermittlung des Einkommens u. a. außergewöhnliche Belastungen abzuziehen.

Nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 gelten Aufwendungen für eine Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von 110 Euro pro Monat berücksichtigt.

Im gegenständlichen Fall ist unstrittig, dass das Studium des Sohne L des BF den Anspruch auf Abzug des Pauschbetrages grundsätzlich rechtfertigt. Der BF meint jedoch, dass sowohl er selbst als auch seine Ehegattin den Pauschbetrag zur Gänze beanspruchen können.

Dem ist Folgendes zu entgegnen:

Bereits die - vom BF selbst ins Treffen geführte - Wortinterpretation des § 34 Abs. 8 EStG 1988 lässt für die Ansicht des BF keinen Raum: Ist doch in der zitierten Gesetzesstelle von einer Berufsausbildung die durch Abzug eines Pauschbetrages berücksichtigt wird, die Rede.

Zudem sind nach der Grundsatzbestimmung des § 34 Abs. 1 außergewöhnlich Belastungen nur dann zu berücksichtigen, wenn sie dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwachsen. Zwangsläufig erwachsen einem Steuerpflichtigen Kosten der Berufsausbildung eines Kindes nach Maßgabe des § 231 Abs. 1 ABGB idF KindNamRÄG, BGBl. Nr 15, (vormals § 140 ABGB). Demnach haben Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes unter Berücksichtigung seiner Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten nach ihren Kräften zu diesen Kosten anteilig beizutragen. (VwGH, , 1011/15/0008, unter Hinweis auf Stabentheiner in Rummel, ABGB3, §140 Rz 12a).

Somit besteht für Elternteile betreffend die Berufsausbildung ihrer Kinder nur eine anteilige Kostendeckungspflicht und erwachsen demnach diese Kosten nur anteilig zwangsläufig und können dementsprechend auch nur anteilig (im Wege der Aufteilung eines Pauschbetrages) berücksichtigt werden.

Daher trägt auch der Hinweis des BF, wonach die Verordnung des Bundeministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen vom BGBl 303/1996 per - anders als ihre Vorgängerin - keinerlei Aufteilungsverpflichtung des Pauschbetrages mehr vorsehe, das Beschwerdebegehren nicht. Es ergibt sich nämlich - wie ausgeführt - bereits aus dem Gesetz, dass der Pauschbetrag nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 insgesamt nur einmal berücksichtigt werden kann. Einer besonderen (zusätzlichen) Festschreibung eines Aufteilungsgebotes in einer Verordnung bedarf es daher nicht.

Demnach schreibt auch die Verwaltungspraxis (Lohnsteuerrichtlinien) keinerlei (dem Bf vorschwebende gesetzwidrige) Aufteilungsverpflichtung fest, sondern berücksichtig lediglich das Gesetz.

Der BF meint noch, eine Aufteilung des Pauschbetrages verstoße gegen das Grundrecht auf Datenschutz. Dem ist vorweg entgegen zu halten, dass zufolge des § 48a Abs. 4 lit.a BAO die Offenbarung und Verwertung von (abgabenrechtlich relevanten) Verhältnissen und Umständen eines anderen befugt ist, wenn sie der Durchführung eines Abgabenverfahrens dient. Zudem kann der BF die seine Unterhaltspflicht betreffenden Daten sehr wohl von seiner (geschiedenen) Ehegattin einfordern.

Somit steht der Pauschbetrag von € 110,00 nur einmal je Kind zu ist bei mehreren Unterhaltspflichtigen (siehe auch Fuchs in Hofstätter/Reichel/Fellner/Fuchs/Zorn/Büsser, Die Einkommensteuer, EStG 1988, Kommentar, § 34 EStG 1988 Einzelfälle "Auswärtige Berufsausbildung (Kinder)" im Verhältnis der tatsächlichen Kostentragung für die Berufsausbildung, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () entsprechend den jeweiligen Unterhaltspflichten aufzuteilen(vgl. Doralt, EStG, 11. Auflage, § 34 Tz. 67; Wiesner/Atzmüller/Grabner/Leitner/Wanke, MSA EStG [], § 34 Anm. 76; idS auch UFS [O], Senat 1 [Referent], , RV/0336-W/08).

Letztlich beleibt anzumerken, dass eine Aufteilung des Pauschbetrages auch dem Grundsatz der Individualbesteuerung zuwiderläuft: Im Gegenteil, wird dadurch doch eine anteilige Unterhaltsverpflichtung auch entsprechend anteilig berücksichtigt.

Da im gegenständlichen Fall der BF die Kosten für die Wohnung seines Sohnes für das gesamte Jahr getragen hat, stehen dem BF - wovon letztlich auch das Finanzamt ausgeht - 50% des Pauschbetrages nach § 34 Abs. 8 EStG 1988 wie folgt zu:

Pauschbetrag Euro 110,-- pro Monat; davon 50% = Euro 55,-- x 12 = Euro 660,--.

Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die gegenständliche Entscheidung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz bzw. waren Sachverhaltsfrage zu beantworten. Die Revision ist daher nicht zuzulassen.

Klagenfurt am Wörthersee, am

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