Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 07.04.2022, RV/6100159/2022

Verständigung gem. § 281a BAO aufgrund fehlender BVE.

Entscheidungstext

BESCHLUSS und Verständigung

Das Bundesfinanzgericht teilt durch den Richter Mag. Erich Schwaiger im Beschwerdeverfahren über die Beschwerde des ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Martin Straub Steuerberatungs GmbH, Reichenhaller Straße 4A, 5020 Salzburg, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer 2018 und 2019 mit:

I.
Das Bundesfinanzgericht ist der Auffassung, dass über diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung abzusprechen ist.
Die Parteien werden hierüber gemäß § 281a BAO formlos in Kenntnis gesetzt.

II.
Das Bundesfinanzgericht hat deshalb beschlossen, dass das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht mangels Zuständigkeit eingestellt wird.

Begründung

Das Finanzamt (kurz FA) legte die Beschwerde des Beschwerdeführers ***Bf.*** (kurz Bf.) mit an das Bundesfinanzgericht vor, ohne darüber mit Beschwerdevorentscheidung abzusprechen, und beantragte deren Abweisung.

Die letzten beiden Absätze der Beschwerde lauten:

"Wir beantragen daher, die Einkommensteuerbescheide für 2018 und 2019 aufzuheben und durch Bescheide zu ersetzen, die den oben angeführten Beschwerdegründen Rechnung tragen sowie die Gutschrift des vorgeschriebenen Säumniszuschlages von € 145,60 gemäß Bescheid vom .

Sollte der Beschwerde vom Finanzamt nicht stattgegeben werden, stellen wir den Antrag auf Vorlage und Entscheidung durch die nächste Instanz, den BFG, sowie den Antrag auf Senat und mündliche Verhandlung sowie auch Erörterungstermin."

Über Bescheidbeschwerden ist gem. § 262 Abs. 1 BAO nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen. Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung darf gem. Abs. 2 leg.cit. außer in hier nicht relevanten anderen Ausnahmefällen (nur dann) unterbleiben, wenn dies in der Bescheidbeschwerde beantragt wird.

Wenn das Bundesfinanzgericht nach einer Vorlage (§ 265 BAO) zur Auffassung gelangt, dass noch eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen ist, hat es die Parteien darüber unverzüglich formlos in Kenntnis zu setzen (§ 281a BAO).

§ 262 Abs. 2 BAO ist nur anwendbar, wenn das Unterbleiben der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung (bereits) in der Bescheidbeschwerde beantragt wird. Ein solcher Antrag muss gesondert und ausdrücklich gestellt werden (Ritz/Koran, BAO7, § 262 Tz 6 unter Hinweis auf ; Ellinger/Sutter/Urtz, BAO³, § 262 Anm.7).

Im Fall einer rechtswidrig unterlassenen Beschwerdevorentscheidung wird trotz Vorlage der Beschwerde das Verwaltungsgericht nicht zuständig. Daher ist das Verfahren vom Gericht mit Beschluss einzustellen (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 262 Tz 10a unter Hinweis auf ; , RV/7105399/2015; , RV/3101060/2015; , RV/7100892/2014; , RV/3100298/2014; , RV/7101164/2017).

Wie vom Bundesfinanzgericht schon 2019 ausgesprochen ist im Anbringen, einer Beschwerde vollinhaltlich stattzugeben und sonst dem Bundesfinanzgericht vorzulegen, kein ausdrücklicher Verzicht auf eine Beschwerdevorentscheidung zu sehen (vgl. ). Das Abgabeverfahren ist grundsätzlich bedingungsfeindlich (vgl. ; , 93/05/0117), was jedenfalls für ein (verfahrenseinleitendes) Begehren gelten muss, das eine Gerichtszuständigkeit begründen soll (vgl. auch Baldauf in SWK 7/2012, 395 mit weiteren Nachweisen).

Das gilt umso mehr, wenn eine Formulierung (hier "Sollte der Beschwerde vom Finanzamt nicht stattgegeben werden") mehrere Möglichkeiten des Bedingungseintrittes offenlässt und deshalb alles andere als klar ist. Sie kann sich hier sowohl auf den Inhalt einer Beschwerdevorentscheidung beziehen wie auch auf den zeitlichen Horizont ihrer Erlassung. Der Eintritt der Bedingung würde deshalb entweder

  • die tatsächliche Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung

  • oder aber die Säumnis der Abgabenbehörde voraussetzen.

Das eine spricht gegen einen Verzicht auf die Erlassung der Beschwerdevorentscheidung, da die Bedingung ja erst mit ihr Eintritt. Dem anderen wäre nicht mit einem Vorlageantrag, sondern mit einer Säumnisbeschwerde zu begegnen.

Damit kann die hier gewählte Wortwahl nicht als ausdrücklicher Verzicht auf eine Beschwerdevorentscheidung gewertet werden. Deren Erlassung unterblieb zu Unrecht, weshalb das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht mangels Zuständigkeit einzustellen war.

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens werden hiervon gemäß § 281a BAO formlos in Kenntnis gesetzt.

Hinweis für das Finanzamt Österreich

Die Abweichungen des Einkommensteuerbescheides 2018 von der Abgabenerklärung wurden wie folgt begründet:

Im Einkommensteuerbescheid 2019 findet sich die folgende Begründung:

Das FA darf darauf hingewiesen werden, dass den elektronisch vorgelegten Aktenteilen - entgegen § 266 Abs. 1 BAO - keine Beweismittel zu entnehmen sind, die eine objektiv nachvollziehbare Entscheidung über die Beschwerden 2018 und 2019 gewährleisten könnten.

  • Ihnen fehlen insbesondere alle Grundlagen zum Badumbau.
    Dazu zählen nicht nur die Rechnungen, aus denen die strittigen bzw. gewährten Beträge hervorgehen, sondern auch entsprechende Pläne und Erklärungen. Den Akten ist nicht zu entnehmen, dass solche Pläne bzw. Erklärungen angefordert worden wären, obwohl der Vorlagebericht rügt, es sei in der Beschwerde völlig offengelassen worden, welche Umbauten bzw. sanitären Einrichtungsgegenstände tatsächlich durch die Behinderung veranlasst waren und welche Einbauten nur erneuert bzw. ergänzt wurden.

  • Der als durchaus kompakt zu bezeichnende Vorlagebericht nimmt ausschließlich zum Badumbau Stellung, der offenbar nur das Jahr 2019 tangiert, und geht nicht auf die vom Bf. in der Beschwerde begehrten Reisekosten 2018 und 2019 ein.
    Die Beschwerde bringt vor, es seien - entgegen der Behauptung des FA - Fahrtenbücher vorgelegt worden. Auch dazu fehlen Unterlagen bzw. eine Stellungnahme des FA.

Dazu kommt, dass den Akten die Abgabenerklärungen (samt möglicher Beilagen) fehlen und ihnen nicht zu entnehmen ist, ob und wie die anderen Abzugsposten untersucht wurden, die zwar gewährt wurden, deren Richtigkeit aber im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung bzw. des verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens neu zu würdigen sein könnte.

Information für die Parteien (Belehrung gemäß § 280 Abs. 4 BAO)

Gegen diese Einstellung bzw. Verständigung ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht zulässig.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 281a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100159.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at