Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.04.2022, RV/6100009/2021

Fehler in der Programmierung einer automationsgestützten Datenverarbeitungsanlage berechtigen zu einer Berichtigung gem. § 293 BAO

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2022/13/0080. Zurückweisung mit Beschluss vom .

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, (als Rechtsnachfolgerin der ***Bf1***) vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft, Kudlichstraße 41, 4020 Linz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom betreffend Berichtigung nach § 293 BAO hinsichtlich des Bescheides über die Festsetzung des Sonderbeitrages zur Stabilitätsabgabe 2014 vom , Steuernummer ***Bf1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die ***Bf1*** war ein Kreditinstitut iSd § 1 Abs. 1 BWG und als solches zur Berechnung und Entrichtung der Stabilitätsabgabe und des Sonderbeitrags zur Stabilitätsabgabe verpflichtet.

2. Von der ***Bf1*** wurde der Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe für das Jahr 2014 in Höhe von 1.151.337,90 Euro selbst berechnet und auf das Abgabenkonto eingezahlt.

3. Mit Bescheid vom wurde der Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe 2014 vom Finanzamt mit (nur) 1.093.943,60 Euro festgesetzt, wodurch eine Abgabengutschrift in Höhe von 57.394,30 Euro entstanden ist.

4. Im Rahmen einer Außenprüfung wurde festgestellt, dass der Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe 2014 im Bescheid vom mit einem (jährlichen) Durchschnittssatz von 48,75 % berechnet wurde, obwohl nach den gesetzlichen Bestimmungen der Sonderbeitrag mit 25 % der am , mit 55 % der am , mit 55 % der am und mit 60 % der am zu entrichtenden Stabilitätsabgabe zu berechnen gewesen wäre.

Mit Bescheid vom wurde der Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe 2014 mit 1.151.337,90 Euro festgesetzt und diese Berichtigung auf § 293 BAO gestützt.

5. Dagegen wurde von der Beschwerdeführerin - nach Fristverlängerung - am Beschwerde erhoben und dies im Wesentlichen damit begründet, dass eine Fehlerberichtigung nach § 293 BAO beim vorliegenden Sachverhalt nicht zulässig sei, weil Fehler und Irrtümer, die der Behörde bei der Willensbildung unterlaufen seien, nicht nach § 293 BAO berichtigt werden könnten.

Nach Ritz (BAO, § 293 Rz 4) sei § 293 BAO nicht anwendbar, wenn "die Programmierung von unrichtigen rechtlichen Beurteilungen (zB über die Berechnungsmethode bei begünstigten Einkommensteuersätzen) ausgegangen ist".

Dies werde auch von Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 293, E 20, so festgehalten: "Einer Berichtigung sind insbesondere solche Unrichtigkeiten zugänglich, die darin bestehen, dass der tatsächliche Inhalt des Spruches des Bescheides von dem in klar erkennbarer Weise gewollten Inhalt abweicht und den von der Behörde ihrem Bescheid offensichtlich zu Grunde gelegten Gedanken unrichtig wiedergibt. 94/17/0344, ÖStZB 1997, 744."

Im Bescheid vom sei der Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe 2014 mit 48,75 % (dem Durchschnittssatz der in § 7a Abs 1 lit. c StabAbgG angeführten Quartals-Prozentsätze) der Stabilitätsabgabe berechnet und damit der Bescheidwille zum Ausdruck gebracht worden. Ein Auseinanderklaffen von Bescheidwillen und Erklärungsinhalt des Bescheides liege nicht vor. Der Bescheid sei nicht gemäß § 293 BAO berichtigbar.

6. In der Beschwerdevorentscheidung vom wurde vom Finanzamt darauf hingewiesen, dass keine ungeeignete mathematische Methode angewendet worden sei, sondern ausschließlich der Einsatz der automatisierten Datenverarbeitungsanlage zu einem falschen Prozentsatz geführt habe. Die Programmierung der EDV sei unrichtig gewesen, weshalb der Bescheid vom nicht mit der Willensentscheidung der Behörde übereinstimme. Die gesetzlich determinierte Methode zur Berechnung des Sonderbeitrages zur Stabilitätsabgabe sei zu keinem Zeitpunkt in Zweifel gestanden.

7. Im Vorlageantrag vom wurde ergänzend vorgebracht, dass im Bescheid vom als einzig erkennbarer Wille die Anwendung eines Prozentsatzes von 48,75 erkennbar sei, eine darüberhinausgehende Begründung fehle.

Nach dem Erkenntnis des , zu § 62 Abs 4 AVG sei eine Berichtigung "überall dort ausgeschlossen, wo sie eine nachträgliche Änderung des Spruchinhalts des berichtigten Bescheides oder die Sanierung eines unterlaufenen Begründungsmangels bewirkt. Hingegen ist es geradezu Zweck des in Rede stehenden Instituts, den Wortlaut des Bescheides (in Spruch oder Begründung) von textlichen Unstimmigkeit zu reinigen, die den wahren Sinn des Bescheides nicht in Frage stellen können, weil sie aus dem inhaltlichen Zusammenhang heraus als ein bloßes Versehen bei der Textgestaltung in die Augen springen. Mithin sind insbesondere solche Unrichtigkeiten einer Berichtigung zugänglich, die darin bestehen, dass der tatsächliche Inhalt des Spruches des Bescheides von dem in klar erkennbarer Weise gewollten Inhalt abweicht und den von der Behörde ihrem Bescheid offensichtlich zugrundegelegten Gedanken unrichtig wiedergibt (Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, Band I, § 62, E 67)."Die Behörde habe "das EDV-System offenbar bewusst so programmiert, weil die Behörde diese Berechnungsweise zu diesem Zeitpunkt offensichtlich als die gesetzlich gebotene erachtet hat. Sohin liegt ein reiner EDV-Programmierfehler nicht iS eines Rechenfehlers oder Versehens, sondern aufgrund einer falschen Rechtsanwendung respektive Gesetzesinterpretation vor. Dass diese Gesetzesauslegung durch die Behörde nicht gewollt war, ist durch nichts belegbar bzw ableitbar. Bei gebotenem IKS bzw den anzunehmenden Qualitätssicherungs- und Freigabeprozessen der Behörde ist anderes wohl auch nicht (schwer) denkbar."

8. Mit ist die Zuständigkeit für die Bearbeitung der Beschwerde auf das (neu eingerichtete) Finanzamt für Großbetriebe übergegangen.

9. Die Beschwerde wurde mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht vorgelegt. In der Stellungnahme wurde auf die Rechtsprechung des VwGH zu § 293 BAO verwiesen, nach der Mängel bzw. Fehler, die ihre Wurzeln in der Unkenntnis über den Programmablauf haben, der durch Eintragungen im Eingabebogen in Gang gesetzt wird, berichtigt werden könnten.

"Geht der Programmablauf in eine andere Richtung als gewollt, führt er somit zu einem anderen Ergebnis als dies der erkennbaren Absicht der Behörde entspricht, handelt es sich um eine auf dem Einsatz einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeit, die gem § 293 BAO zu einer Fehlerberichtigung führen kann (, , 82/13/122, , 2008/15/0205 und , 2008/15/0280)."

Die ursprüngliche (falsche) Berechnung sei nicht gesetzlich vorgesehen, sodass eine diesbezügliche Willensentscheidung der Behörde auszuschließen sei und auch keines gesonderten Beweises bedürfe.

Auf die von der Beschwerdeführerin zitierte Entscheidung des VwGH zum AVG sei nicht näher einzugehen, weil für Abgaben und Beiträge die BAO anzuwenden sei und die Voraussetzungen für die Anwendung des § 293 BAO erfüllt seien.

10. Im Zeitraum des Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht wurde die ***Bf1*** auf die ***Bf1*** verschmolzen und dies am im Firmenbuch eingetragen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

1. Die ***Bf1***, ein Kreditinstitut iSd § 1 Abs. 1 BWG, hat für das Jahr 2014 den Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe selbst berechnet und einen Betrag in Höhe von 1.151.337,90 Euro an die Abgabenbehörde abgeführt.

2. Vom Finanzamt wurde - aufgrund der elektronisch übermittelten Erklärung - mit Bescheid vom der Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe mit 1.093.943,60 Euro festgesetzt. Dabei wurde für die Berechnung des Sonderbeitrages eine automationsunterstützte Datenverarbeitungsanlage eingesetzt, die einen Durchschnittssatz von 48,75 % anwendete, was zu einem falschen Ergebnis führte.

Diese Art der Berechnung entsprach weder der Absicht der Behörde noch den gesetzlichen Bestimmungen, sondern basierte auf einem Fehler in der Programmierung. Der Programmablauf, insbesondere die Anwendung eines Durchschnittssatzes, war der Behörde zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht bekannt.

3. Im Zuge einer Außenprüfung wurde die diesbezügliche Berechnung überprüft und deren Unrichtigkeit festgestellt. Mit Bescheid vom wurde der Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe gemäß § 293 BAO berichtigt und wieder mit 1.151.337,90 Euro festgesetzt.

2. Beweiswürdigung

1. Der Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Akt und ist zwischen den Parteien grundsätzlich unstrittig.

2. Dass der Willen der Abgabenbehörde - trotz eindeutiger gesetzlicher Bestimmung - auf die Anwendung eines Durchschnittssatzes gerichtet gewesen sein sollte, erscheint für das Bundesfinanzgericht ausgeschlossen. Die diesbezügliche Annahme der Beschwerdeführerin kann nicht nachvollzogen werden und ergeben sich dafür keinerlei Anhaltspunkte.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

1. Gemäß § 293 BAO kann die Abgabenbehörde von Amts wegen in einem Bescheid unterlaufene Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbar auf einem ähnlichen Versehen beruhende tatsächliche oder ausschließlich auf dem Einsatz einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten berichtigen.

2. § 293 BAO dient nach der Rechtsprechung des VwGH "der Beseitigung des infolge bestimmter Fehlerquellen gegen den Willen der Behörde entstandenen erkennbaren Auseinanderklaffens von Bescheidabsicht und formeller Erklärung des Bescheidwillens. Dabei trägt die Bestimmung unter anderem dem Umstand Rechnung, dass auch bei der Verwendung einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage Fehler unterlaufen können, durch die bewirkt wird, dass der Bescheid anders lautet, als es die Abgabenbehörde beabsichtigt hat. Alle Fehler, die bei händischen Ausfertigungen zu solchen führen, die als offenkundige Unrichtigkeit zu bezeichnen sind, sind auch dann Unrichtigkeiten im Sinne des § 293 BAO, wenn sich die Behörde beim technischen Vorgang der Erstellung und Ausfertigung der Bescheide einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage bedient hat. Darüber hinaus erfasst die Bestimmung auch solche Mängel, die ihre Wurzel in der Unkenntnis über den Programmablauf haben, der insbesondere durch Eintragungen im Eingabebogen in Gang gesetzt wird" (vgl mwN).

Nach Ritz (BAO7, § 293 Tz 7 f) können solche "ADV-Fehler" auch Programmfehler sein, allerdings nicht, wenn die Programmierung von unrichtigen rechtlichen Beurteilungen (zB über die Berechnungsmethode bei begünstigten Einkommensteuersätzen) ausgegangen ist (vgl u.a. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO3, § 293 Anm 14). Nicht nach § 293 BAO berichtigbar sind Fehler, die der Abgabenbehörde im Zuge ihrer Willensbildung unterlaufen (u.a. ). Daher sind unrichtige rechtliche Beurteilungen und Fehler der Beweiswürdigung keiner Berichtigung gem. § 293 BAO zugänglich.

3. Das Stabilitätsabgabegesetz idF BGBl I Nr. 13/2014 sieht gem. § 7a Abs. 1 lit. c einen Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe vor, wobei dieser (bezogen auf das Kalenderjahr 2014) 25 % des am , 55 % des jeweils am und am sowie 60 % des am zu entrichtenden Betrages der Stabilitätsabgabe betragen hat.

Bei der Implementierung der Regelung in die EDV wurde von der zuständigen Abteilung des BMF ein Durchschnittssatz aus den 4 Quartals-Prozentsätzen gebildet, was einen Wert von 48,75 % ergeben hat.

4. Dass diese Umsetzung - aufgrund der sich zum Stichtag von den anderen Stichtagen unterscheidenden Höhe der Stabilitätsabgabe - nicht zum gesetzlich vorgesehenen Ergebnis geführt hat, ist offensichtlich.

5. Von der Beschwerdeführerin wurde ins Treffen geführt, dass es sich dabei ihrer Ansicht nach um eine bewusste Programmierung des EDV-Systems gehandelt habe, weil die Behörde diese Berechnungsweise als gesetzlich geboten erachtet habe. Es liege eine falsche Gesetzesinterpretation vor, ein Auseinanderklaffen von Bescheidwillen und Erklärungsinhalt des Bescheides sei nicht gegeben.

6. Wie schon unter II.2. ausgeführt, kann sich das Bundesfinanzgericht dieser Ansicht der Beschwerdeführerin nicht anschließen. Die Gesetzesbestimmung des § 7a Abs. 1 lit. c Stabilitätsabgabegesetz bietet keinen Platz für Unklarheiten. Eine (plausible) Erklärung, weshalb die Abgabenbehörde die Berechnung eines Durchschnittssatzes für geboten erachtet haben sollte, wurde von der Beschwerdeführerin nicht angeboten.

Würde man der Meinung der Beschwerdeführerin folgen, dass "bei gebotenem IKS bzw den anzunehmenden Qualitätssicherungs- und Freigabeprozessen der Behörde" es schwer denkbar sei, dass die Gesetzesauslegung durch die Behörde nicht so gewollt gewesen wäre, würde man der Bestimmung des § 293 BAO in Zusammenhang mit einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage jede Anwendungsmöglichkeit nehmen.

7. Zusammengefasst kommt das Bundesfinanzgericht zum Ergebnis, dass im Beschwerdefall ein Auseinanderklaffen von Bescheidwillen und Erklärungsinhalt des Bescheides gegeben ist, weshalb eine amtswegige Berichtigung nach § 293 BAO zulässig war.

8. Der Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe 2014 wird in folgender Höhe (in Euro) festgesetzt:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
2014
Bemessungsgrundlage
Prozentsatz
Sonderbeitrag
1. Quartal
379.751,63
25 %
94.937,91
2. Quartal
621.411,76
  • 55 %
341.776,47
3. Quartal
621.411,76
  • 55 %
341.776,47
4. Quartal
621.411,76
60 %
372.847,05
Summe
1.151.337,90

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall war zu beurteilen, ob von der Abgabenbehörde aufgrund einer falschen Interpretation eines Gesetzes oder aufgrund einer falschen Programmierung der EDV-Anlage der Sonderbeitrag zur Stabilitätsabgabe nicht richtig berechnet wurde. Dabei waren Fragen des Sachverhalts und keine Rechtsfragen zu lösen, weshalb eine Revision nicht zuzulassen war.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 7a Abs. 1 lit. c StabAbgG, Stabilitätsabgabegesetz, BGBl. I Nr. 111/2010
§ 293 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100009.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at