Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.04.2022, RV/7101450/2020

Pflegegeldergänzungsleistungen des Fonds Soziales Wien führen bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen zu steuerpflichtigen Einkünften.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch RSM Austria Steuerberatung GmbH, Tegetthoffstraße 7, 1010 Wien, über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer 2013 - 2017 Steuernummer ***BF1StNr1*** nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Schriftführers DM zu Recht erkannt:

Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben.

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Einkommensteuer wird für Jahr 2013 festgesetzt mit € 519,--.

Die Einkommensteuer wird für Jahr 2014 festgesetzt mit € 1.801,--.

Die Einkommensteuer wird für Jahr 2015 festgesetzt mit € 3.383,--

Die Einkommensteuer wird für Jahr 2016 festgesetzt mit € 1.873,--

Die Einkommensteuer wird für Jahr 2017 festgesetzt mit € 1.928,--.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheiden vom wurden dem Beschwerdeführer (Bf.) gegenüber die Einkommensteuer für 2013 mit € 1.033,--, für 2014 mit € 2.436,--, für 2015 mit € 4.511,--, für 2016 mit € 2.831,-- und für 2017 mit € 2.905,-- festgesetzt.

Als Begründung für das Abweichen von den eingereichten Steuererklärungen führte das Finanzamt an, dass in EStR Rz 1616 ausgeführt werde: "Erfolgt die Betreuung (Pflegetätigkeit) im Familienverband durch nahe Angehörige (zB Eltern, Kinder, Enkelkinder, Schwiegerkinder, Lebensgefährte/gefährtin), ist davon auszugehen, dass die persönliche Nahebeziehung sowie sittliche Verpflichtung die Betreuung (Pflegetätigkeit) veranlasst. Eine Betreuung (Pflegetätigkeit) durch nahestehende Personen ist daher als Betätigung iSd§ 1 Abs. 2 Z 2 Liebhabereiverordnung, BGBl. Nr. 33/1993, anzusehen. Auf Grund der Erfahrungen des täglichen Lebens entstehen den Angehörigen bei einer Betreuung (Pflegetätigkeit) im Familienverband regelmäßig erhebliche Aufwendungen, wie etwa Fremdleistungskosten für Aufsicht, Pflege und Betreuung für besondere Zeiten und Anlässe (zB während der Arbeitszeit, Urlaubszeit). Es ist angesichts dieser Umstände davon auszugehen, dass ein Gesamtgewinn oder ein Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten nicht zu erwarten ist (vgl. § 2 Abs. 4 Liebhabereiverordnung). Die Weitergabe von Pflegegeld an nahe Angehörige führt daher bei diesen zu keinen Einkünften."
Nach Ansicht des Finanzamts sei diese Bestimmung in diesem Fall jedoch nicht einschlägig: Bei den Zahlungen der pflegebedürftigen Mutter an den Abgabepflichtigen handle es sich nicht um weitergegebenes Pflegegeld, sondern um eine Pflegegeldergänzungsleistung (PGE) des Fonds Soziales Wien. Sie solle zusätzlich zum Pflegegeld ein maximal selbstbestimmtes und bedürfnisorientiertes Leben durch die Förderung von persönlicher Assistenz im Alltag sicherstellen. Die PGE werde nur an Menschen mit schwerer körperlicher Behinderung (Pflegestufen 3-7) erbracht.
Dem Abgabepflichtigen entstünden im vorliegenden Fall gerade nicht regelmäßig erhebliche Aufwendungen, wie etwa Fremdleistungskosten für Aufsicht, Pflege und Betreuung für besondere Zeiten und Anlässe, da nach den Detailinformationen zur PGE 70% dieser Geldleistung für die Beschäftigung von Nichtfamilienmitgliedern verwendet werden müssten, und eine vertragliche Regelung zwischen dem pflegenden und dem zu pflegenden Angehörigen vorliegen müsse. Nach § 2 Abs 4 LVO liege dann keine Liebhaberei vor, wenn die Tätigkeit einen Gesamtgewinn erwarten lasse. Das sei bei Einnahmen von 18.000 Euro (2017) zumindest wahrscheinlich. Außerdem werde im letzten Satz der zitierten Rz. nur festgestellt, dass die Weitergabe von Pflegegeld an nahe Angehörige bei diesen nicht zu Einkünften führe und nicht auf sonstige mögliche Geldleistungen der öffentlichen Hand Bezug genommen, die an Angehörige für bestimmte Leistungen weitergegeben würden.
Zum Einwand, es läge kein nach der Angehörigenjudikatur anzuerkennender Vertrag vor: Damit Verträge unter Angehörigen steuerlich anerkannt würden, müssten diese nach außen ausreichend zum Ausdruck kommen (Publizität), einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt haben und sie müssten auch zwischen Familienfremden unter denselben Bedingungen abgeschlossen worden. Voraussetzung zur Gewährung der PGE sei nach deren Bestimmungen, dass ein solcher Vertrag vorliege, weshalb das Finanzamt davon ausgehe, dass ein Vertrag zwischen dem Abgabepflichtigen und seiner Mutter existiere. Laut Ansicht des Finanzamtes lägen daher steuerlich relevante Einkünfte vor. Diese Einkünfte seien in die Veranlagung miteinzubeziehen.

In der Beschwerde vom wurde ausgeführt, dass die Mutter der Bf. schwerst körperlich behindert (Rollstuhlfahrerin, Kinderlähmung, beide Beine amputiert, Schlaganfall, 90% Behinderung) und auf eine umfassende Pflege angewiesen sei. Auf Grund ihrer Behinderung beziehe sie Pflegegeld der Stufe 5 und darüber hinaus zusätzlich Pflegegeldergänzungsleistungen für persönliche Assistenz. Die Pflegegeldergänzungsleistung sei eine freiwillige Leistung des Fonds Soziales Wien (FSW) in Ergänzung zum Pflegegeld und solle die persönliche Assistenz für Menschen mit schwerer Körperbehinderung fördern um ihr ein maximales Ausmaß an Selbstbestimmung und individueller Lebensgestaltung zu ermöglichen. Die Betreuung seiner Mutter werde in den betreffenden Jahren 2013 - 2017 und werde auch noch bis zum heutigen Tage im überwiegenden Maße durch ihn sowie von externen Pflegekräften vorgenommen. Tag für Tag habe er seine Mutter in allen Belangen ihres täglichen Lebens unterstützt - die Tätigkeiten umfassten etwa die hygienische Pflege, Mobilität, Begleitung zu Terminen, Freizeitgestaltung, Verköstigung etc - im Bedarfsfall auch rund um die Uhr. Die Betreuung rund um die Uhr sei ihm insofern möglich gewesen, als dass er mit seiner Mutter in den beschwerdegegenständlichen Jahren 2013-2017 in einem gemeinsamen Haushalt gelebt habe. Zudem sei er während dieses Zeitraums im Rahmen seines Dienstverhältnisses hinsichtlich seiner Arbeitsgestaltung sehr flexibel gewesen und seine Arbeitgeber seien im Hinblick auf die Hilfsbedürftigkeit seiner Mutter sehr verständnisvoll gewesen, weshalb er seiner Mutter im Notfall auch während der Arbeitszeit bei Seite stehen habe können. Bei der Betreuung seiner Mutter habe er rein aus Liebe und Fürsorge zu ihr gehandelt. Er sehe die Unterstützung seiner hilfsbedürftigen Mutter als seine sittliche Verpflichtung an, der er im Rahmen des Möglichen und nach besten Kräften nachgekommen sei. Seine Mutter habe für seine persönliche Assistenz Pflegegeldergänzungsleistungen des FSW erhalten, die sie an ihn als freiwillige Zuwendung weitergegeben habe. Die Weitergabe dieser Pflegegeldergänzungsleistungen für die Pflege seiner Mutter begründe jedoch keinesfalls eine steuerlich relevante Einkunftsquelle. Das Finanzamt habe im Rahmen der beschwerdegegenständlichen Einkommensteuerbescheide 2013-2017 für die an ihn weitergegebenen Pflegegeldergänzungsleistungen steuerpflichtige Einkünfte aus Gewerbebetrieb unterstellt. Diese Rechtsauffassung sei aus folgenden in der weiteren Folge näher erläuternden Gründen, von denen jeder für sich allein betrachtet bereits das Vorliegen von Gewerbeeinkünften ausschließe, rechtswidrig:
• Fehlende Gewinnerzielungsabsicht
• Fehlende Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr
• Keine steuerliche Anerkennung nach Angehörigenjudikatur
Einkünfte aus Gewerbebetrieb lägen gem § 23 EStG nur dann vor, wenn die selbständige, nachhaltige Tätigkeit mit Gewinnabsicht unternommen werde und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstelle. Gewinnabsicht liege vor, wenn Überschüsse über die mit einer Tätigkeit verbundenen Ausgaben angestrebt würden (vgl EStR Rz 5414; Peyerl in Jakom EStG, 12. Auflage, § 23 Rz 31). Er habe seine Mutter rein aus Liebe und Fürsorge betreut und nicht aufgrund der Absicht einen Gewinn zu erzielen. Die familiäre Beziehung und seine sittliche Verpflichtung haben die Pflegetätigkeit veranlasst und nicht die erhaltenen Zuwendungen. Dass eine Pflegetätigkeit im Familienverband nicht durch eine Gewinnerzielungsabsicht gekennzeichnet sei und folglich keine steuerlichen Einkünfte zu begründen vermöge, gehe zweifelsfrei aus den einschlägigen Richtlinienbestimmungen und der Literatur hervor. Die entsprechende Bestimmung in den Einkommenssteuerrichtlinien zu § 23 EStG und der "Pflegetätigkeit gegen Entgelt" sei unmissverständlich: "Pflegetätigkeiten im Familienverband sind jedoch steuerlich nicht durch eine Einkünfteerzielungsabsicht gekennzeichnet und daher nicht zu erfassen" (vgl EStR Rz 5417; Peyerl in Jakom EStG, 12. Auflage, § 23 Rz 117). Die Lohnsteuerrichtlinien führen in analoger Weise dazu aus: "Entgelte für eine Pflegetätigkeit pflegebedürftiger (behinderter) Personen durch nahe Angehörige (zB Eltern. Kinder. Enkelkinder. Schwiegerkinder, Lebensgefährtin) führen bei diesen zu keinen Einkünften" (vgl LStR Rz 662a). Die zitierten Ausführungen erlaubten keinen Spielraum für eine andere Beurteilung. Die Annahme, er habe seine behinderte Mutter aufgrund einer Gewinnerzielungsabsicht betreut, sei nicht nur rechtswidrig, sondern zugleich seiner Person und seiner Mutter gegenüber überaus beleidigend. Die Weitergabe der Pflegegeldergänzungsleistung sei aus steuerlicher Sicht als Zuwendung zu beurteilen.

Er teile die Ansicht des Finanzamts, dass im vorliegenden Fall keine Liebhaberei vorliege. Liebhaberei könne dem Grunde nach nur dann vorliegen, wenn aus einer Betätigung gem § 1 Abs 2 LVO - wie etwa der Pflegetätigkeit durch nahe Angehörige - Verluste entstünden. Von Bedeutung sei nicht die Frage, ob Liebhaberei vorliege, sondern ob steuerlich relevante Einkünfte vorliegen. Wenngleich, wie das Finanzamt richtigerweise ausführe, die EStR Rz 1616 im letzten Satz feststellten, dass die Weitergabe von Pflegegeld an nahe Angehörige bei diesen zu keinen Einkünften führen und nicht etwa die Weitergabe von Pflegegeldergänzungsleistungen, so werde in den vorstehend zitierten Richtlinienbestimmungen, EStR Rz 5417 u LStR 662a, explizit auf Entgelte für eine Pflegetätigkeit pflegebedürftiger Personen durch nahe Angehörige abgestellt und für diesen Fall das Vorliegen einer steuerlich zu erfassenden Einkunftsquelle verneint. Darüber hinaus fehle es auch an der für das Vorliegen von Gewerbeeinkünften erforderlichen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr. Das Merkmal liege vor, wenn jemand nach außen hin erkennbar am Wirtschaftsleben in Form des Güter- und Leistungsaustausch teilnehme und die nach obj Kriterien zu beurteilende Bereitschaft habe, die jeweilige Leistung jedermann anzubieten, der nach ihr Bedarf habe. Bei Leistungen, die ihren Ursprung in der privaten Lebensführung hätten und zudem nicht durch die Absicht der Einkünfteerzielung geprägt seien, sei zu prüfen, ob sie auch Dritten gegenüber erbracht würden (vgl Peyerl in Jakom EStG, 12. Auflage, § 23 Rz 36). Dass er eine fremde Person betreuen würde, geschweige denn in der Art und Weise wie es bei seiner Mutter der Fall gewesen sei, sei für ihn unvorstellbar und auch bei einer objektiven Betrachtungsweise nicht zu vertreten. Steuerlich zu erfassende Einkünfte lägen auch deswegen nicht vor, weil eine steuerliche Anerkennung nach den im Steuerrecht geltenden Grundsätze der Angehörigenjudikatur nicht möglich sei. Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen fänden - selbst wenn sie den Gültigkeitserfordernissen des Zivilrechts entsprächen - im Steuerrecht nur dann Anerkennung, wenn sie nach außen ausreichend zum Ausdruck kämen (Publizität), einen eindeutigen, klaren und jeden Zweifel ausschließenden Inhalt hätten und auch zwischen Familienfremden unter denselben Bedingungen abgeschlossen worden wären (vgl EStR Rz 1130ff).
Weder eine schriftliche noch sonst eine Vereinbarung zwischen seiner Mutter und ihm hinsichtlich der Pflegetätigkeit existiere. Die Betreuung seiner Mutter sei auf seine familiäre Beziehung und sittliche Verpflichtung zu ihr zurückzuführen und nicht auf eine etwaige Vereinbarung. In der Tat sei das Vorliegen eines Vertrages theoretische Voraussetzung für die Gewährung der Pflegegeldergänzungsleistung, dennoch liege ein solcher nicht vor. Die Vorlage einer etwaigen schriftlichen Vereinbarung sei seitens des FSW auch in der Vergangenheit, weder bei Antragsstellung noch in weiterer Folge, niemals verlangt worden. Zu deren steuerlicher Anerkennung müssten Vereinbarungen zwischen nahen Angehörigen zumindest wesentliche Bestandteile der Beziehung regeln und das zu Bedingungen, wie sie zwischen Familienfremden abgeschlossen würden. Die Betreuung seiner Mutter durch ihn erfolgte ohne essentielle Aspekte wie "Arbeitszeiten", "Tätigkeiten" oder "Entlohnung" zu regeln. Er habe seine Mutter Tag für Tag gepflegt, auch an Wochenenden, auch nachts. Die Zuwendung durch seine Mutter sei dabei völlig unabhängig von Art und Umfang der von ihm geleisteten Pflege und Unterstützung erfolgt. Ein fremder Dritter würde die Betreuung seiner Mutter unter den geschilderten Bedingungen in keinem Fall akzeptieren. Im konkreten Fall hätten die fremden Dritten in Gestalt der beauftragten persönlichen Assistenten, derartige Bedingungen auch nicht akzeptiert. Die anderen Assistenten würden im Rahmen der Pflegetätigkeit entsprechend ihrem Vertragsverhältnis klar definierte Aufgabenbereiche übernehmen, übten diese Tätigkeiten an vereinbarten Tagen, zu den vereinbarten Arbeitszeiten unter Einhaltung der vereinbarten Ruhezeit sowie unter Bezahlung des vereinbarten Honorars aus.

In einschlägigen Entscheidungen des BFG aus dem Jahr 2016 sowie des UFS aus 2013 sei die steuerliche Anerkennung eines Beschäftigungsverhältnisses zur Pflege eines nahen Angehörigen eindeutig abgelehnt worden, weil die Vereinbarung nicht dem erforderlichen Fremdvergleich entsprochen habe (vgl BFG RV/7102909/2012 v ; UFS v , RV/0796-G/10). Weiters werde ins Treffen geführt, dass eine Anmeldung bei der Sozialversicherung nach ständiger Rechtsprechung nicht ohne weiteres zur steuerlichen Anerkennung eines Beschäftigungsverhältnisses führe. Unter demselben Gesichtspunkt könne weder der Umstand, dass eine vertragliche Vereinbarung grds Voraussetzung für die Gewährung der Pflegegeldergänzungsleistung sei, noch die durch den steuerlichen Vertreter seiner Mutter fälschlicherweise vorgenommenen Meldungen gem § 109a EStG zu einer steuerlichen Anerkennung führen. Allein der wirtschaftliche Gehalt der zugrundeliegenden Pflegetätigkeit sei für dessen steuerliche Beurteilung ausschlaggebend!

In Anbetracht all der dargelegten Gründe könne keine Rede von steuerlich zu erfassenden Einkünften sein. Daher beantrage er die Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 2013-2017 und neuerliche Veranlagung der Einkommensteuer für den betreffenden Zeitraum ohne Berücksichtigung der von Amts wegen angesetzten Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Das Finanzamt gab in der teilweise stattgebenden BVE als Begründung an, dass grundsätzlich Verträge zwischen nahen Angehörigen ungeachtet ihrer zivilrechtlichen Wirksamkeit für den Bereich des Abgabenrechts nur Anerkennung fänden, wenn sie nach außen ausreichend in Erscheinung treten, einen eindeutigen und klaren Inhalt hätten und auch unter Fremden so abgeschlossen worden wären. Schriftform des Vertrags sei nicht unbedingt erforderlich (vgl. EStR 2000 Rz 1132). Die von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die steuerliche Anerkennung von Verträgen zwischen nahen Angehörigen aufgestellten Kriterien hätten ihre Bedeutung im Rahmen der Beweiswürdigung (vgl. EStG Kommentar, D/K/M/Z, § 2, Rz 160/1). Sie kämen daher in jenen Fällen zum Tragen, in denen berechtigte Zweifel am wahren wirtschaftlichen Gehalt einer behaupteten Gestaltung bestünden (). Die Bedingungen des Fonds Soziales Wien nach den Richtlinien und Informationsmaterialien sähen eine genaue Abrechnung der Pflegegeldergänzungsleistung vor. So sei nach Punkt 13.1 der Förderrichtlinien eine genaue Abrechnung und Bekanntgabe des widmungsgemäßen Verwendungszweckes (siehe auch Formular "Verwendungsnachweis" Punkt 1 b) Angehörige) von Nöten, um die Fördergelder zu erhalten. Neben dem Namen der assistenzleistenden Person bedürfe es der Bekanntgabe der Art des Beschäftigungsverhältnisses, der Anzahl der tatsächlich geleisteten Stunden/Monat und des Auszahlungsbetrages. Des Weiteren werde die Unterscheidung zwischen assistenzleistenden Angehörigen und anderen Persönlichen Assistenten verlangt. Begrenzt sei der Angehörigenanteil mit max. 30% der eingereichten Gesamtsumme. Der überwiegende Teil der persönlichen Assistenz müsse somit von Fremden erbracht werden und sei im gegenständlichen Fall auch von Fremden erbracht worden.
Selbst in der Beschwerde sei angegeben worden, dass die Voraussetzung für die Gewährung solch einer Förderung sehr wohl das Vorliegen einer Vereinbarung (Vertrag) sei. Nach außen setzten sie ein auf ein Vertragsverhältnis deutendes konkludentes Verhalten. Wäre ein solches, zumindest konkludentes Beschäftigungsverhältnis nicht gegeben gewesen, wäre auch keine Förderungszahlung vom Fonds Soziales Wien geleistet worden. Eine Vergleichbarkeit mit der EStR Rz 1616 sei gegenständlich somit nicht gegeben.
Aus der Konzeption der Persönlichen Assistenz sei die Rolle des zu Betreuenden eine andere als bei der in EStR Rz 5417 beschriebenen. Der Bezieher der PA bekomme vom Fonds Soziales Wien Gelder zur Verfügung gestellt, die er nicht "weitergibt", sondern er bezahle für die an ihn erbrachten Leistungen. Verdeutlicht werde dies, aufgrund des Punktes 6.6. der Förderrichtlinien zur Pflegegeldergänzungsleitung für PA. Die Teilbeträge gingen nicht in das Eigentum des Kunden über.
Die "Spezifische Förderrichtlinie zur Pflegegeldergänzungsleistung für Persönliche Assistenz (PGE für PA) für Menschen mit Behinderung" führt unter Punkt 6.6 an: "Die Fördermittel werden auf ein von der Kundin/vom Kunden gesondert anzulegendes Treuhandkonto ausbezahlt (PGE-Konto). Die monatlich ausbezahlten Teilbeträge gehen nicht in das Eigentum der Kundin/des Kunden über."
Die Tätigkeiten im Ausmaß der persönlichen Assistenz seien grundsätzlich im Rahmen des PA-Beschäftigungsverhältnisses zu leisten, verrichteten sie dagegen Tätigkeiten, die über das Maß des Beschäftigungsverhältnisses der Persönliche Assistenz hinausreichen, sei dies dem Naheverhältnis geschuldet und nicht Teil der für Ihre im Rahmen der Persönlichen Assistenz getätigten Leistungen, für die sie wie jeder Dritte auch bezahlt würden.
Der Gesetzgeber halte zwar in § 137 ABGB die gegenseitige Beistandspflicht zwischen Eltern und Kindern fest. Daraus ergebe sich aber keine allumfassende Beistandspflicht des Kindes gegenüber dem Elternteil (). In der Natur der Sache liege es, dass Leistungsbeziehungen zwischen nahen Angehörigen sowohl durch eine auf Einkunftserzielung ausgerichtete Tätigkeit als auch durch das private Naheverhältnis veranlasst werden könnten. Diese Sachverhaltsfrage sei unter dem Gesichtspunkt des Fremdvergleiches zu klären. Gebe es eine gleichartige Leistungsbeziehung auch gegenüber fremden Dritten (hier: fremde Persönliche Assistenten), bei denen die privaten Beweggründe nicht beachtet würden, sei auch die zu beurteilende Leistungsbeziehung gegenüber dem Angehörigen nicht nur durch das Naheverhältnis begründet (vgl. ESt-Rechtsprechung, H/R § 4 (4), Tz 14, ZI. 94/14/0067, siehe auch RDW 8/16, 432, Weigand). Dem Vorbringen, dass in konkretem Sachverhalt keine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr vorliege, sei Folgendes entgegen zu halten: Die Beurteilung der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ziele auf die Beschaffenheit der Tätigkeit nach ihrer Art ab (). Auf den Umstand, dass der Abgabenpflichtige nicht bereit sei, mit anderen Personen in Kontakt zu treten, komme es nicht an (E , 94/13/0160, D/K/M/Z, EStG-Kommentar, § 23, Tz 74). Dass aber die konkrete Tätigkeit so gehalten gewesen sei, dass sie ihrer Art nach nicht am Markt angeboten werden könnte, könne nicht vertreten werden, sei doch die Persönliche Assistenz überwiegend von fremden Dritten gegen Entgelt erbracht worden. In den Streitjahren seien die dem Bf. zukommenden Zahlungen des Fonds Soziales Wien für Persönliche Assistenz insgesamt höher als die sonstigen Einkünfte (nichtselbständige Arbeit). Daher könne gegenständlich nicht davon ausgegangen werden, dass keine Einkommenserzielungsabsicht gegeben sei, insbesondere da das Streben nach Gewinn nicht Hauptzweck der Tätigkeit sein müsse (vgl. EStR Rz 5414). Dem Einwand der mangelnden Einkünfteerzielungsabsicht sei somit Folgendes entgegen zu halten: Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände spiegle sich der Fall, wie er in den EStR Rz 5417 iVm Rz 1616 dargelegt werde, nicht wider.
Aus dem Gesagten ergebe sich, dass die Zahlungen für die Tätigkeit im Rahmen der PA steuerliche relevante Einkünfte darstellten. Dem Begehren, die von Amts wegen angesetzten Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus dem Bescheid auszuscheiden, könne daher nicht entsprochen werden. Zusätzlich zu den im Schätzungswege ermittelten Betriebsausgaben sowie dem Gewinnfreibetrag seien jedoch die Sozialversicherungsbeiträge und Beiträge zur Vorsorgekasse It. § 109a-Mitteilung als Betriebsausgaben anzuerkennen.

Im Vorlageantrag vom wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt und ergänzend ausgeführt, dass es richtig sei, dass die Bedingungen des Fonds Soziales Wien (FSW) zur Pflegegeldergänzungsleistung vorsehen, dass eine klare Unterscheidung zwischen assistenzleistenden Angehörigen und anderen persönlichen Assistenten erfolge. Der Angehörigenteil sei mit max 30 % der eingereichten Gesamtsumme begrenzt und müsse der überwiegende Teil der persönlichen Assistenz von Fremden erbracht werden. Dass der FSW demnach bei seiner Vergütung für Pflegetätigkeit zwischen "Fremden" und "Angehörigen" differenziere, habe wohl den Hintergrund, dass auch der FSW nicht davon ausgehe, dass ein "Angehöriger" im selben Ausmaß Pflegetätigkeiten erbringe als ein "Fremder". Wäre dem nicht so, würde die vom FSW bestimmte 30%-Limitierung für Angehörige keinen Sinn ergeben. Der von der Behörde angestellte "Fremdvergleich" und die Argumentation, der Bf. hätte einen Teil der Pflegetätigkeit entgeltlich im Rahmen des Persönlichen-Assistenz-Beschäftigungsverhältnisses erbracht und einen Teil der Tätigkeiten aufgrund meines Naheverhältnisses, sei demnach nicht haltbar. Die Betreuung seiner Mutter durch den Bf. sei ohne essentielle Aspekte wie "Arbeitszeiten", "Tätigkeiten" oder "Entlohnung" zu regeln erfolgt. Er habe seine Mutter Tag für Tag gepflegt, auch an Wochenenden, auch nachts. Die Zuwendung durch seine Mutter erfolgten dabei völlig unabhängig von Art und Umfang der von ihm geleisteten Pflege und Unterstützung. Ein fremder Dritter würde die Betreuung seiner Mutter unter den geschilderten Bedingungen in keinem Fall akzeptieren.

Im Zuge eines Vorhalteverfahrens wurde exemplarisch zwei Monatsabrechnungen vorgelegt.

Für den Monat Juli 2016 wurden folgende Stunden abgerechnet:


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Name
Stundenanzahl
Betrag in €
Stundensatz in €
MG (fremd)
160
1.150,-
7,18
MC (fremd)
50
407,-
6,78
UA (fremd)
60
418,36
6,96
Bf.
160
1.200,-
7,50

Mit den Abgaben an die WGKK (€ 1.276,28), der Dienstgeberabgabe (€110,97), der Zahlungen an das Finanzamt (€ 181,26) und den Steuerberater (€ 135,60) kamen in Summe € 4.879,47 zur Verrechnung.
In der Spalte Beschäftigungsverhältnis ist jeweils "FDV", für "Freier Dienstvertrag", vermerkt.

Die Abrechnung für März 2016 ist gleich aufgebaut und zeigt ähnliche Beträge, in Summe wurden € 4.804,37 verrechnet.

Erläuternd wurde dazu angegeben, dass Arbeitszeitaufzeichnungen über geleistete Pflege- und Betreuungsstunden weder vom Bf. noch von seiner zu betreuenden Mutter geführt worden seien, da kein Dienstverhältnis vorliege. Die in den an den FSW vorgelegten Abrechnungen angegebene Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden des Bf. seien von der anspruchsberechtigten Mutter in der Regel mit einem gleichbleibenden Betrag angegeben worden und würden nicht den tatsächlich geleisteten Stunden entsprechen. Die tatsächlich geleisteten Betreuungsstunden seien grundsätzlich immer höher gewesen. Aus Sicht des FSW und in Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf PGE sei nur relevant, dass der Prozentsatz des Angehörigenanteiles max. 30% der eingereichten Gesamtsumme erreiche und der Angehörige auch entsprechende Betreuungsleistungen erbringe. Dazu sei auch anzumerken, dass der FSW es nie beanstandet habe, dass der Bf. als pflegender Angehöriger auf Basis der vorgelegten Abrechnungen einen wesentlich geringeren Stundenlohn gehabt hätte als die beschäftigten Pflegekräfte.

In der mündlichen Verhandlung wurde vom steuerlichen Vertreter des Bf. die Frage aufgeworfen, ob die Bezüge des FSW als Pflegegeld anzusehen seien und somit keine Einkünfte iSd EStG darstellen. Weiters sei zu klären, ob die Ansicht des Finanzamtes im Zusammenhang mit dem Leistungsfähigkeitsprinzipes vereinbar sei. Über Befragen wurde angegeben, dass die Mitteilungen nach § 109a EStG - den Bf. betreffend - vom damaligen Steuerberater der Mutter des Bf. eingereicht wurden.

Einvernehmen besteht darüber, dass die vorgelegten Verwendungsnachweise für die Monate März und Juli 2016 repräsentativ für den gesamten Streitzeitraum sind.

Vom Vertreter des Finanzamtes wurde festgehalten, dass das Pflegegeld ins Eigentum übergehe, die PGE aber nicht. Auch wurde dargelegt, dass man auf den Bezug des Pflegegeldes einen Rechtsanspruch habe, auf die Ergänzungsleistung dagegen nicht.

Auf die Frage, ob der vom Bf. geleisteten Pflege, sollte diese von "fremden" Pflegefachkräften geleistet werden, diese den gleichen Betrag verrechnet und ausbezahlt bekommen hätten, gibt der steuerliche Vertreter an, dass mit diesen Beträgen diese Fremdleistungen keinesfalls beglichen werden hätten können. Eine 24-Stunden-Betreuung koste mindestens 1.500 - 1.700 € für 14 Tage.

Der Bf. gab über Befragen an, dass er im Streitzeitraum als Securtity gearbeitet habe, nunmehr sei er in der IT-Branche tätig.

Die belangte Behörde führt aus, dass der Fremdvergleich deswegen zutreffe, da die geleisteten Pflegedienste durch Angehörige mit dem selben Stundensatz entlohnt wurden wie fremde Pflegekräfte. Die Bezüge der Fremdleister unterlägen bei Überschreiten der entsprechenden Grenzen der ESt, da es sich um freie Dienstverhältnisse handle.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Der oben wiedergegebene Sachverhalt ist unstrittig und findet im Akteninhalt Deckung.

Die Mutter des Bf. bezieht Pflegegeld der Stufe 5. Darüber hinaus wird ihr vom Fonds Soziales Wien eine "Pflegegeldergänzungsleistung (PGE) für Persönliche Assistenz" gewährt. Diese persönlichen Assistenzleistungen werden zum Teil von Fremden, aber auch vom Bf., erbracht.

Aus den vorgelegten Verwendungsnachweisen (für März und Juli 2016) ergeben sich 430 Stunden persönliche Assistenzen pro Monat, von denen der Bf. 160 Stunden leistete, 270 Stunden wurden durch fremde Dritte erbracht. Die dafür bezahlten Stundensätze liegen zwischen 6,78 € und 7,50 €. In Summe kamen inklusiver aller Abgaben für den Monat Juli 2016 4.879,47 € zur Verrechnung. Auf den Bf. entfielen dabei 1.200,00 €.

Strittig ist im vorliegenden Fall alleine die steuerrechtliche Qualifizierung der PGE.

Das BFG geht in Übereinstimmung mit dem Finanzamt davon aus, dass es sich bei den Zahlungen an die die Assistenz leistenden Personen, bei Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen, um der Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte handelt. Ein Beleg für diese Rechtsansicht ergibt sich unmittelbar aus den Verwendungsnachweisen, wo in der Rubrik "Beschäftigungsverhältnis" sowohl für den Bf. als auch für sog. Fremdleister jeweils "Freier Dienstvertrag" vermerkt ist. Darüber hinaus wurden für diese Zahlungen an die persönlichen Assistenten Sozialversicherungsbeiträge (WGKK) und Finanzabgaben (DB) entrichtet. Auch wurden sog. "§109a - EStG" Mitteilungen durch den damaligen steuerlichen Vertreter der Mutter des Bf. der Abgabenbehörde übermittelt.

Wenn der steuerliche Vertreter des Bf. angibt, eine durchgehend anwesende Pflegekraft würde mindestens 1.500,00 € - 1.700,00 € für 14 Tage kosten, so deckt sich diese Aussage mit der tatsächlich vom FSW ausbezahlten PGE - unabhängig vom Pflegegeld - von rd. 4.850,00 € pro Monat, wobei diese Ergänzungsleistungen an persönliche Assistenzen geknüpft sind, die nicht zwingen von ausgebildeten Pflegekräften erbracht werden müssen.

Zuzustimmen ist auch, dass auf die Zuerkennung von Pflegegeld bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Rechtsanspruch besteht, die Auszahlung einer PGE erfolgt jedoch auf freiwilliger Basis, wiewohl auch dabei gewisse Voraussetzungen, wie Vorliegen eines, wenn auch konkludenten, Vertragsverhältnisses und Einreichen eines Verwendungsnachweises, erfüllt sein müssen.

Einem Fremdvergleich halten die erfolgten Vereinbarungen und Auszahlungen Stand, wie die ausbezahlten Stundensätze zeigen. Auch dem Leistungsfähigkeitsprinzip wird entsprochen, denn eine ESt-Pflicht tritt erst bei Überschreiten von gewissen Einkommensgrenzen ein. Aus welchen Motiven bei den Einzelnen Einkunftsarten Gewinne bzw. Überschüsse erzielt werden, ist für das Entstehen der Steuerpflicht nicht Ausschlag gebend. Das Argument des Bf., dass bei ihm keine Gewinnerzielungsabsicht vorliege, geht daher ins Leere.

Festzuhalten ist auch, dass die Ergänzungsleistungen bei der Mutter des Bf. zu keinen Einnahmen bzw. Einkünften führen, diese damit auch nicht als der Mutter zugeflossen sind.

Auf die Ausführungen im Zusammenhang mit Liebhaberei war nicht mehr einzugehen.

Zur konkreten Ermittlung der Einkommensteuer für die Jahre 2013 - 2017 wird auf die einzelnen Berechnungen in den Beschwerdevorentscheidungen vom bzw. auf deren Begründung vom verwiesen.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da keiner der vom Gesetz geforderten Gründe vorliegt, vor allem handelt es sich im vorliegenden Fall um keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung, war auszusprechen, dass die Revision nicht zulässig ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101450.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at