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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 06.04.2022, RV/2100018/2022

Bemessungsgrundlage für den besonderen Progressionsvorbehalt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterR in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Dr. Peter Rumpf Steuerberatungs- gesellschaft mbH, Seitengasse 1, 8580 Köflach, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2020, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe betragen:

Einkommensteuer für 2020:


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Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
44.619,63 Euro
Sonderausgaben
-671,85 Euro
Einkommen
43.947,78 Euro
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge
14.706,62 Euro
Verkehrsabsetzbetrag
-400,00 Euro
Pendlereuro
-5,60 Euro
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge
14.301,02 Euro
Steuer für den Durchschnittssteuersatz
14.301,02 Euro
Durchschnittssteuersatz
27,59%
Einkommensteuer
12.518,15 Euro
Anrechenbare Lohnsteuer
-8.451,68 Euro
Rundung gemäß § 39 Abs. 3 EStG 1988
-0,47 Euro
Festgesetzte Einkommensteuer
4.066,00 Euro

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) erzielte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Die steuerpflichtigen Bezüge (245) betragen (vgl. "Lohnzettel und Meldungen"):


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"***2***"
vom bis

9.122,92 Euro
"***2***"
vom bis

25.127,90 Euro
"Pensionsversicherungsanstalt"
vom bis

10.478,04 Euro
"Österreichische Gesundheitskasse"
vom bis

22,77 Euro

Darüber hinaus bezog die Bf. im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Arbeitslosengeld für 74 Tage ( bis ) in Höhe von 4.260,92 Euro.

Im angefochtenen Bescheid wurde bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage für den besonderen Progressionsvorbehalt nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 ein Betrag von 22,77 Euro ("Österreichische Gesundheitskasse") ausgeschieden. Die Einkommensteuer wurde in Höhe von 12.913,67 Euro berechnet und in Höhe von 4.462,00 Euro festgesetzt.

In der Beschwerde vom wurde dagegen ua. Folgendes vorgebracht:

Auf Grund der Pandemie ergab sich im Jahr 2020 eine kurzfristige Unterbrechung des bestehenden Dienstverhältnisses. Im Steuerbescheid wurde daher aus diesem Grund der Jahresbezug unter Berücksichtigung des Progressionsvorbehaltes für die Zeit des Arbeitslosenbezuges besteuert. Offensichtlich wurde dabei auch die ganzjährige Witwenrente in die Bezugsumrechnung mit einbezogen. Ich darf daher beiliegend die Umrechnung auf Grund des BMD-Bilanzprogrammes beilegen, wobei nur der laufende Bezug aus dem bestehenden Dienstverhältnis in einen Jahresbezug umgerechnet wurde. Entsprechend ersuche [ich,] den Einkommensteuerbescheid 2020 im Zuge der Erledigung der Beschwerde zu korrigieren.

Aus der der Beschwerde beigefügten "Steuerberechnung für 2020" (demnach: nicht hochzurechnende Einkünfte: 13.680,26 Euro; Durchschnittssteuersatz bei Hochrechnung: 27,58%) ergibt sich eine "Steuer bei Hochrechnung" (= Durchschnittssteuersatz x Einkommen) in Höhe von 12.120,80 Euro.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde der angefochtene Bescheid abgeändert. Die Einkommensteuer wurde in Höhe von 12.751,07 Euro berechnet und in Höhe von 4.299,00 Euro festgesetzt. Aus der Abgabenberechnung der belangten Behörde geht hervor, dass die nicht umzurechnenden Beträge in einer Höhe von 5.801,72 Euro (= 5.778,95 Euro + 22,77 Euro) angesetzt wurden. Laut Entscheidungsbegründung wurde der Beschwerde allerdings "vollinhaltlich stattgegeben"(!).

Dagegen richtet sich der Vorlageantrag vom mit folgender Begründung:

Mit Beschwerdevorentscheidung gem. § 262 BAO betreffend den Einkommensteuerbescheid 2020 vom wurde laut Begründung der Beschwerde vom vollinhaltlich stattgegeben. Tatsächlich weicht der Bescheid jedoch gegenüber dem Beschwerdeantrag in der Ermittlung der Umrechnungsbasis hinsichtlich der im Gesamtbetrag der Einkünfte enthaltenen Beträge, die nicht umzurechnen sind, erheblich ab. Dadurch ist die Bemessungsgrundlage für den Durchschnittssteuersatz zu hoch. Allein der Jahresbetrag der Pensionsversicherungsanstalt beträgt € 10.478,04, während die in der Beschwerdevorentscheidung ausgewiesenen nicht umzurechnenden Bezüge nur mit € 5.801,72 angesetzt wurden. Es wird daher gebeten, im Zuge der Bearbeitung des Vorlageantrages tatsächlich beschwerdekonform zu entscheiden.

Mit Vorlagebericht vom legte die belangte Behörde die Beschwerde zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vor und führte unter "Sachverhalt und Anträge" aus wie folgt:

Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin erzielte im Jahr 2020 nichtselbständige Einkünfte von 01.01.-18.03. und von 01.05.-31.12. und bezog Arbeitslosengeld von 19.03.-31.05 und ganzjährige Pensionseinkünfte.
Im Erstbescheid wurde bei Berechnung der Bemessungsgrundlage für den besonderen Progressionsvorbehalt nach § 3 Abs. 2 EStG ein Betrag von 22,77 Euro ausgeschieden. Nachdem in der Beschwerde die Berechnung moniert wurde, wurde in der Beschwerdevorentscheidung ein Betrag von 5.801,72 Euro ausgeschieden.

Stellungnahme:
Gemäß § 3 Abs. 2 EStG sind die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes auf einen Jahresbetrag umzurechnen, wenn der Steuerpflichtige nur für einen Teil des Kalenderjahres Arbeitslosengeld erhält.
Die Hochrechnung betrifft aber nur jene Einkünfte, die außerhalb des Zeitraumes des Bezuges der Transferleistungen bezogen wurden ("für das restliche Kalenderjahr"). Gleichzeitig während der Zeit der Transferleistungen bezogene Einkünfte sind daher nicht auf einen Jahresbetrag hochzurechnen. Ebenso sind ganzjährig bezogene Pensionen sowie ganzjährig bezogene geringfügige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht bei der Hochrechnung zu berücksichtigen (
94/13/0024, RV/6100112/2014).
Demgemäß sind nicht hochzurechnen:
31 Tage der nichtselbständigen Einkünfte von 01.-31.05.:
25.127,90 / 245 Tage x 31 Tage = 3.179,45
74 Tage der ganzjährigen Pensionsbezüge:
10.478,04 / 366 Tage (Schaltjahr) x 74 Tage = 2.118,52
Es wird daher beantragt, bei Berechnung der Bemessungsgrundlage für den Progressionsvorbehalt nach § 3 Abs. 2 EStG den Betrag von 5.297,97 nicht auf einen Jahresbetrag umzurechnen.

Mit BFG-Schreiben vom wurde die Bf. um die Übermittlung einer Stellungnahme zu den Ausführungen der belangten Behörde im Vorlagebericht ("Sachverhalt und Anträge") ersucht.

In der Vorhaltsbeantwortung vom brachte die Bf. Folgendes vor:

… Der im Vorlagebericht des Finanzamtes dargestellte Sachverhalt des Finanzamtes entspricht vollinhaltlich den vorliegenden Fakten.
In der Stellungnahme kommt es jedoch zu einer Fehlinterpretation des Gesetzes. Sinn der Gesetzgebung hinsichtlich des Progressionsvorbehaltes ist die Umrechnung der außerhalb des Transferleistungszeiteitraumes bezogenen und durch die Transferleistungen unterbrochenen Bezüge auf einen Jahresbezug, um eine Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu gewährleisten.
Darauf beziehen sich auch die in der Stellungnahme des Finanzamtes
zitierten LST-Richtlinien, RZ 114, welche offenbar missverstanden in der Beschwerdevorentscheidung berücksichtigt wurden: "Ebenso sind
ganzjährig bezogene Pensionen, sowie ganzjährig bezogene geringfügige
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht bei der Hochrechnung zu berücksichtigen".
Die ganzjährige Witwenpension ist daher zur Gänze bei der Hochrechnung
für den Umrechnungszuschlag außer Acht zu lassen, da sie sonst bei der
Berechnung des Durchschnittssteuersatzes überdimensional Berücksichtigung
fände. Das bestätigen sowohl die Richtlinien, als auch die dazu ergangene Rechtsprechung.
Ich ersuche daher in der Beschwerdeerledigung den in der Hochrechnung auszuscheidenden Betrag von € 5.801,72 (lt. Bescheid) insoweit zu korrigieren, dass an Stelle des berücksichtigen Pensionsteiles von € 2.118,52 die gesamte Pension in Höhe von € 10.478,04 angesetzt wird und daher ein Betrag von insgesamt € 13.657,49 (€ 10.478,04 + € 3.179,45) bei der Berechnung der Umrechnungsbasis für den Umrechnungszuschlag vom Gesamtbetrag der Einkünfte in Abzug gebracht wird.

Mit BFG-Schreiben vom und wurde die belangte Behörde um eine Stellungnahme zur o.a. Vorhaltsbeantwortung ersucht.

Die Stellungnahme der belangten Behörde vom lautet wie folgt:

… Wie den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (277 BlgNR XVII. GP) zu entnehmen ist, hat § 3 Abs. 2 EStG 1988 den Zweck, eine über die Steuerfreistellung des Arbeitslosengeldes hinausgehende Progressionsmilderung bei jenen Einkünften zu vermeiden, die der Empfänger eines Arbeitslosengeldes allenfalls in Zeiträumen eines solchen Jahres erzielt, in denen er kein Arbeitslosengeld erhält. Solche Einkünfte sollen nicht deswegen geringer besteuert werden, weil der Steuerpflichtige während eines Teiles des Jahres statt der Arbeitseinkünfte steuerfreies Arbeitslosengeld bezogen hat.
Dementsprechend widerspräche es dem Zweck der genannten Bestimmung, wenn die gesamten Pensionsbezüge aus der Umrechnung ausgeschieden würden. Richtigerweise sind daher nur die während der 74 Tage von 19.03.-31.05. bezogenen Pensionseinkünfte von der Umrechnung auszuscheiden. Andernfalls käme es zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Progressionsmilderung. Es wird daher weiterhin beantragt, bei Berechnung der Bemessungsgrundlage für den Progressionsvorbehalt nach § 3 Abs. 2 EStG den Betrag von 5.297,97 nicht auf einen Jahresbetrag umzurechnen.

Über die Beschwerde wurde Folgendes erwogen:

1. Rechtliche Grundlagen

§ 3 Abs. 2 EStG 1988 lautet (auszugsweise):

… Erhält der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des Abs. 1 Z 5 lit. a oder c, Z 22 lit. a (5. Hauptstück des Heeresgebührengesetzes 2001), lit. b oder Z 23 (Bezüge gemäß § 25 Abs. 1 Z 4 und 5 des Zivildienstgesetzes 1986) nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde ...

2. Sachverhalt

Der Sachverhalt (Aktivbezüge, Pensionsbezüge, Arbeitslosengeld / Zeiträume und Höhe) ist unstrittig (vgl. Lohnzetteldaten und Meldungen; Vorlagebericht; Vorhaltsbeantwortung der Bf. vom ).

Demnach erzielte die Bf. im verfahrensgegenständlichen Zeitraum vom bis steuerpflichtige Bezüge (245) / "***2***" in Höhe von 9.122,92 Euro, vom bis steuerpflichtige Bezüge (245) / "***2***" in Höhe von 25.127,90 Euro, vom bis steuerpflichtige Bezüge (245) / Pensionsversicherungsanstalt in Höhe von 10.478,04 Euro, vom bis steuerpflichtige Bezüge (245) / Österreichische Gesundheitskasse in Höhe von 22,77 Euro und vom bis (74 Tage) Arbeitslosengeld / Arbeitsmarktservice Österreich in Höhe von 4.260,92 Euro.

3. Rechtliche Würdigung

Strittig ist im vorliegenden Fall die Höhe der Bemessungsgrundlage für den besonderen Progressionsvorbehalt gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988.

Während die Bf. davon ausgeht, dass die - ganzjährig erzielten - Einkünfte / Pensionsversicherungsanstalt in voller Höhe von 10.478,04 Euro nicht umzurechnen sind, geht die belangte Behörde dbzgl. nur von einem nicht umzurechnenden (Teil-)Betrag von 2.118,52 Euro aus.

Nach herrschender Rechtsauffassung (Judikatur, Literatur, Verwaltungspraxis) sind ganzjährig bezogene Pensionen bei der Hochrechnung aber zur Gänze - nicht bloß aliqot - nicht zu berücksichtigen. Ein Hochrechnen von Einkünften ist in diesem Zusammenhang nicht geboten, weil das steuerfreie Arbeitslosengeld dbzgl. keine progressionsmindernde Wirkung entfaltet. Ganzjährig bezogene Einkünfte fiktiv um die in der Zeit der Arbeitslosigkeit bezogenen Teile zu kürzen und dann die restlichen, außerhalb des Zeitraumes der Arbeitslosigkeit gelegenen Bezugsteile in die Hochrechnung einzubeziehen, führt zu einer dem Gesetzeszweck des § 3 Abs. 2 EStG 1988 nicht entsprechenden Progressionserhöhung der tatsächlich außerhalb der Zeit der Arbeitslosigkeit erzielten anderen Einkünfte (vgl. zB , mwN; weiters: Jakom/Laudacher EStG, 2021, § 3 Rz 122, mwN; Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 3 (Stand , rdb.at) Tz 163, mwN; Hofstätter/Reichel, Einkommensteuer: Kommentar, § 3 Tz 36; Doralt/Krichmayr/Mayr/Zorn, EStG: Kommentar, § 3 Tz 28/2, mwN; LStR 2002 RZ 114).

Das Bundesfinanzgericht sieht sich nicht veranlasst, von der herrschenden Rechtsauffassung abzugehen.

Die im Gesamtbetrag der Einkünfte enthaltenen Beträge, die nicht umzurechnen sind, betragen daher 13.680,26 Euro, die (um den Pauschbetrag für Werbungskosten erhöhte) Umrechnungsbasis beträgt 31.071,37 Euro, die Bemessungsgrundlage für den Durchschnittssteuersatz 51.849,09 Euro und der Durchschnittssteuersatz 27,59%.

4. Zulässigkeit einer Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung (insbes. Abweichen der Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, Fehlen einer solchen Rechtsprechung, uneinheitliche Beantwortung der zu lösenden Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) zukommt.

Somit war wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.2100018.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at