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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 12.04.2022, RV/7100645/2020

Aussetzung der Einhebung im Insolvenzverfahren

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***4***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid über die Abweisung eines Aussetzungsantrages gem. § 212a BAO (Glücksspielabgabe 02/2016 - 04/2018 und Aussetzungszinsen) des ***FA*** vom , ***1***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt und Verfahrensgang

Mit Glücksspielabgabenbescheiden vom setzte das Finanzamt gemäß § 201 BAO Glücksspielabgabe für den Zeitraum Februar 2016 bis April 2018 fest.

Die umfangreiche Bescheidbegründung erging gesondert am .

Am wurde gegen die Bescheide Beschwerde eingebracht sowie der Antrag auf Aussetzung der Einhebung gestellt. Am erging der Bescheid über die Abweisung des Aussetzungsantrages.

Am wurde hinsichtlich der Glücksspielabgabenbescheide Vorlageantrag eingebracht und gleichzeitig der Antrag auf Aussetzung der Einhebung gestellt, welcher mit dem spruchgegenständlichen Bescheid vom abgewiesen wurde. Am wurde gegen diese Abweisung Beschwerde eingebracht, welche am mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet abgewiesen wurde. Das Finanzamt hat u.a. ausgeführt:

"Ad. 2 der Beschwerde: Die Beschwerdeführerin (Bf) veranstaltete an mehrere Standorte im Zeitraum Februar 2016 bis April 2018 Ausspielungen gemäß § 2 Glücksspielgesetz in Form von Pokerturnieren und Poker-Cashgames. Die Bf veranstaltete diese Ausspielungen indem sie durch Bereitstellen von Spielort, Spieltischen und Spielpersonal, Mischen und Teilen der Karten, Festlegung von Spielregeln, Entscheidung von Zweifelsfällen und Bewerbung der Möglichkeit zum Spiel, einem bestimmten oder unbestimmten Interessentenkreis eine (in Anspruch genommene) Spielgelegenheit verschaffte. Die Bf selbst beteiligt sich weder an diesen Spielen, noch tritt sie als Bankhalter auf.

Die Bf legte monatliche Abrechnungen über die Glücksspielabgabe und gleichzeitig Anträge auf Festsetzung gemäß § 201 BAO. In den Anmeldungen werden nur Bemessungsgrundlagen für die Pokerspiele bekanntgegeben. Die Glücksspielabgabe wird jedoch mit € 0,- angemeldet. Die bekanntgegebene Bemessungsgrundlage für die Turniere ergibt sich aus der Summe der in Aussicht gestellten Gewinne. Die Bemessungsgrundlage für die Cash-Games wird mangels vorhandener Aufzeichnungen ausgehend vom vereinnahmten Tischgeld geschätzt bekanntgegeben.

Ausgehend von den eingereichten Anmeldungen und den darin bekanntgegebenen Bemessungsgrundlagen erfolgte die Festsetzung der Glücksspielabgabe mittels Bescheiden gem. § 201 BAO. Gegen sämtliche Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Mit Beschwerdevorentscheidungen wurden diese als unbegründet abgewiesen.

Fristgerecht wurde ein Antrag auf Entscheidung über die Beschwerden durch das Bundesfinanzgericht eingebracht. Die Beschwerdeführerin stellt ihre Rolle im Pokerspielbetrieb dergestalt dar, dass sie lediglich die Tische zur Verfügung stellt und unselbständige Hilfstätigkeiten erbringt. Dies entspricht nicht den Tatsachen bzw. dem festgestellten Sachverhalt.

Es mag richtig sein, dass die Beschwerdeführerin sich nicht selbst an den Pokerspielen beteiligt, also nicht Vertragspartner der Spielteilnehmer ist, und nicht als Bankhalter auftritt, jedoch ist ihre Rolle definitiv nicht so untergeordnet wie dargestellt.

Vielmehr ist die Beschwerdeführerin als Veranstalterin für den gesamten Spielbetrieb verantwortlich und würde dieser ohne die Bf. nicht stattfinden. Die Bf legt u.a. sämtliche Spielregeln fest, bestimmt welche Spiele gespielt werden, stellt sämtliches Personal zur Verfügung, das für den Spielbetrieb notwendig ist, stellt sämtliche Spielutensilien, den Spielort zur Verfügung und bewirbt die Gelegenheit zum Spiel.

Ad 3. der Beschwerde: Gemäß § 212a Abs. 1 BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Berufung abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Berufungserledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld.

Gemäß § 212a Abs. 2 lit. a BAO ist die Aussetzung nicht zu bewilligen, insoweit die Beschwerde nach der Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint. Anlässlich der Entscheidung über einen Aussetzungsantrag ist somit von der Abgabenbehörde auf die Erfolgsaussichten der Beschwerde Bedacht zu nehmen, und zwar anhand des Beschwerdevorbringens ( 2000/13/0100; 2011/17/0175). Für eine auslegungsweise Einschränkung des Tatbestandes nach § 212a Abs. 2 lit. a BAO auf Fälle offenkundiger Erfolglosigkeit einer Bescheidbeschwerde bietet der Text der zitierten Bestimmung keinerlei Raum ( 95/16/0018). Die Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels muss für jede mit der Sache vertraut gemachte, urteilsfähige und objektiv urteilende Person erkennbar sein ( 2000/16/0383).

Dass die Beschwerde im konkreten Fall beim BFG anhängig ist, hat auf die Beurteilung der Erfolgsaussichten keine Auswirkung. Auch keine Auswirkung auf die Erfolgsaussichten hat es wenn die ständige Rechtsprechung von der Beschwerdeführerin nicht anerkannt wird. Aufgrund der ständigen Rechtsprechung ist die Beschwerde wenig erfolgversprechend. So bestätigte der Ro 2018/17/0007 u.0008-5 und Ra 2018/17/0150 auch die bisherige Rechtsprechung erneut..."

Am wurde diesbezüglich Vorlageantrag eingebracht.

Beweiserhebung

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die auf elektronischem Wege vorgelegten Aktenteile des Finanzamtes.

III. Rechtslage und Erwägungen

§ 212a Abs. 1 BAO lautet: Die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, ist auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerde die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom ***2*** wurde zu ***3*** über das Vermögen der Bf. das Konkursverfahren eröffnet. Die Gesellschaft ist infolge Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst.

Im gegenständlichen Fall wurden die dem Aussetzungsverfahren zu Grunde liegenden Abgaben mit Bescheiden vom festgesetzt. Es handelt sich dabei um eine Insolvenzforderung.

Nach § 2 Absatz 2 Insolvenzordnung (IO) wird durch die Eröffnung des Konkurses das gesamte der Exekution unterworfene Vermögen, das dem Gemeinschuldner zu dieser Zeit gehört oder das er während des Konkurses erlangt (Konkursmasse), dessen freier Verfügung entzogen.

Nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Abgabenschuldners kommen Abgabenentrichtungen nur nach Maßgabe der gegenüber der Bundesabgabenordnung spezielleren insolvenzrechtlichen Regelungen in Betracht, weshalb Aussetzungszinsen für Konkursforderung für die Zeit ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht anfallen (vgl. Ellinger/Bibus/Ottinger, Abgabeneinhebung durch die Finanzämter 98, 109).

Weiters gelten gemäß § 14 Abs. 2 IO betagte Forderungen als fällig.

Die Einhebung der gegenständlichen Abgabenschuld ist daher nur im Rahmen der Bestimmung des § 128 IO quotenmäßig im Wege der Verteilung der Masse durch den Masseverwalter möglich.

Ein Zahlungsaufschub gemäß § 212a BAO stellt einen Einhebungsschritt dar, dieser kann nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht mehr vorgenommen werden, da den insolvenzrechtlichen Bestimmungen - die eine gleichmäßige Befriedigung der Insolvenzgläubiger im Rahmen der durch das Insolvenzrechtselbst aufgestellten Rangordnung zum Ziel haben - der Vorrang gegenüber den einschlägigen abgabenrechtlichen Bestimmungen einzuräumen ist (siehe , -G/04, und , RV/0339-G/04, sowie , RV/0136-W/09 in ).

Die Bewilligung der Aussetzung der Einhebung führt in der Praxis zu einer Gutschrift am Abgabenkonto, da im automationsunterstützten Verfahren Abgabenbeträge, deren Einhebung ausgesetzt wurde, aus der laufenden Verbuchung der Gebarung ausgeschieden werden, sofern die Aussetzung nicht nur einzelne von mehreren Gesamtschuldnern betrifft (vgl.Ellinger, Änderungen der BAO durch das 2. AbgÄG 1987, ÖStZ 1988, 169). Diese sonstige Gutschrift führt entweder gemäß § 214 Abs. 1 BAO zu einer Verrechnung auf allfällige am Abgabenkonto verbuchte Masseforderungen, welche (mit Ausnahme der Masseunzulänglichkeit gemäß § 124a KO) grundsätzlich keiner insolvenzrechtlichen Verrechnungsbeschränkung unterliegen, oder zu einem (rückzuzahlenden) Guthaben am Abgabenkonto, zumal neben ausgesetzten Beträgen ein Guthaben möglich ist (vgl. Ellinger - Iro - Kramer - Sutter -Urtz, BAO-Kommentar, Anm 96 zu § 212a) und eine Verrechnung mit Konkursforderungen gemäß § 20 Abs. 1 KO nicht zulässig ist (vgl. ).

Laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () kann die Einhebung einer Abgabe nur dann ausgesetzt werden, wenn Einhebungsschritte in Betracht kommen. Nachdem derzeit die Abgaben am Abgabenkonto der Bf. von der Einbringung ausgesetzt sind, somit nicht von Einhebungsschritten bedroht sein können, fehlt es an Abgaben, für die die Wirkung der Aussetzung der Einhebung eintreten könnte. Es kann nicht neben der derzeit bestehenden Aussetzung der Einbringung noch zusätzlich für dieselben Abgabenbeträge eine Aussetzung der Einhebung bewilligt werden.

Da infolge der Eröffnung des Konkurses keine Einhebungsmaßnahmen durch die Abgabenbehörde möglich bzw. zulässig sind, geht der Beschwerdepunkt "verfassungsrechtliche Problematik" mit dem Hinweis auf § 254 BAO und die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ins Leere.

Die Beschwerde war somit spruchgemäß - ohne eine Beurteilung der Erfolgsaussichten der gegen die Abgabenfestsetzung eingebrachten Beschwerde - abzuweisen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 128 IO, Insolvenzordnung, RGBl. Nr. 337/1914
§ 212a Abs. 2 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100645.2020

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at