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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 13.04.2022, RV/3100262/2019

Sohn in der Türkei zwecks Schulbesuch: Es liegt ständiger Auslandsaufenthalt gem. § 5 Abs. 3 FLAG vor; österr. Staatsbürgerschaft oder Ferien im Inland sind irrelevant

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck (nunmehr: FA Österreich) vom , SV-Nr, betreffend Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag für den Zeitraum August 2015 bis Mai 2018
zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach
Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang:

1. Herr ***Bf1*** (= Beschwerdeführer, Bf) hat für den Sohn A, geb. 05/2000, laufend die Familienbeihilfe (FB) und den Kinderabsetzbetrag (KG) bezogen.

2. In Beantwortung einer Überprüfung des Anspruches im Mai 2018 wurde eine Schulbesuchsbestätigung eines Gymnasiums in der Türkei vorgelegt, wonach der Sohn seit dort Studierender der Schule (im Fernunterricht) ist.

3. Mit Ergänzungsersuchen vom Juli 2018 hat das Finanzamt beim Bf ua. angefragt, seit wann und wie lange sich der Sohn in der Türkei aufhalte, wo er dort untergebracht sei, wie hoch die dortigen Kosten seien etc.

4. Im Oktober 2018 wurde vom Sohn handschriftlich und unterfertigt dazu angegeben, dass er nach Beendigung der Universität nach Österreich zurückkehren, dh. ca. noch 8 Jahre in der Türkei bleiben werde. Die Schule sei kostenfrei; daneben würden die jährlichen Ausgaben (für Kleidung etc.) € 3.200 betragen.

5. In der Folge wurden ua. ein österreichischer Staatsbürgerschaftsnachweis des Sohnes, das Zeugnis der Neuen Mittelschule Ort1 v. Feber 2015 (Schuljahr 2014/15) und verschiedene Unterlagen zum Schulbesuch in der Türkei in türkischer Sprache vorgelegt.

6. Das Finanzamt hat daraufhin mit Bescheid vom , SV-Nr, vom Bf zu Unrecht für den Sohn bezogene Beträge an Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum August 2015 bis Mai 2018 im Betrag von gesamt € 6.899,90 zurückgefordert. Begründend wurde nach Darlegung der bezughabenden gesetzlichen Bestimmungen ausgeführt, laut Angaben der inländischen Schule (NMS Ort1) habe der Sohn des Bf bis Juli 2015 diese Schule besucht. Anschließend gebe es keine Nachweise für einen Aufenthalt in Österreich, vielmehr für den Schulbesuch in der Türkei ab September 2016. Bei ständigem Aufenthalt des Kindes im Ausland bestehe kein FB-Anspruch.

7. In der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde bringt der Bf vor, der Sohn sei österreichischer Staatsbürger, besuche eine Schule in der Türkei, sei jedoch nicht ständig im Ausland sondern in Abständen in Österreich.

8. In Beantwortung eines weiteren Ergänzungsersuchens hat der Bf dem Finanzamt im Schreiben vom mitgeteilt:

- Der Sohn sei nach Schulende (Juli 2015) im September 2015 in die Türkei geflogen;
- er habe seit September 2015 eine Schule in der Türkei besucht;
- er werde anschließend eine türkische Universität besuchen und bis zum Uni-Abschluss
noch ca. 5 Jahre in der Türkei verbringen;
- er sei hin und wieder nach Österreich gekommen und habe die Zeit meist Zuhause mit
der Familie verbracht;
- der Sohn sei seit August 2015 in einem (Schüler)Wohnheim in der Türkei untergebracht
mit der Adresse: Ort2-XStraße.

9. In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung (BVE) v. wurde zunächst an Sachverhalt ua. festgestellt, dass der Sohn bis die Klasse 4a der NMS Ort1 besucht habe und seit September 2015 in der Türkei die Schule in Form eines Fernunterrichtes besuche; seit August 2015 sei er dafür in dem Schülerwohnheim für Buben in Ort2 untergebracht. Das Finanzamt führt in der Begründung weiters aus, dass der Aufenthalt des Sohnes seit August 2015 bis laufend in der Türkei zur schulischen Fortbildung als ständiger Auslandsaufenthalt zu beurteilen sei. In diesem Fall bestehe kein FB-Anspruch; die österreichische Staatsbürgerschaft des Sohnes sei nicht relevant.

10. Im Vorlageantrag v. wendet der Bf ein, er sei mit der BVE nicht einverstanden. Der Sohn lebe nicht in der Türkei, sondern besuche dort die Schule/Schulausbildung.

Festzuhalten ist, dass der vom Finanzamt in der BVE festgestellte Sachverhalt zur Gänze unwidersprochen geblieben ist.

II. Sachverhalt:

Der Sohn des Bf, A geb. 05/2000, österr. Staatsbürger, hat im Mai 2018 die Volljährigkeit erreicht.
Er hat bis die 4a Klasse der Neuen Mittelschule/NMS in Ort1 besucht (lt. Auskunft der NMS).
Ab September 2015 erfolgt die Schulausbildung an einer türkischen Schule in Ort2 in Form des Fernunterrichtes (siehe die vorgelegte Schulbestätigung; eigene Angaben ua. im Antwortschreiben v. ).
Zu diesem Zweck ist der Sohn seit August 2015 in einem Schülerwohnheim in Ort2-XStraße, untergebracht (lt. Antwortschreiben v. ). Anschließend beabsichtigt der Sohn ein Studium an einer türkischen Universität und wird sich hiefür, bis zum Studienabschluss, noch weitere ca. 5 bis 8 Jahre in der Türkei aufhalten (siehe die eigenen Angaben des Sohnes vom Oktober 2018 sowie des Bf im Antwortschreiben v. ).

III. Beweiswürdigung:

Obiger Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus den eigenen Angaben des Bf und des Sohnes samt den vorgelegten Unterlagen, und ist insoweit - wie er auch in der BVE v. festgestellt wurde - völlig unbestritten.

IV. Rechtslage:

A) Gesetzliche Bestimmungen:

Gemäß § 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG), BGBl 1967/376 idgF, haben Anspruch auf Familienbeihilfe Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben,

lit a) für minderjährige Kinder,

lit b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. ..…

Nach § 5 Abs. 3 FLAG 1967 besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.

Nach § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschliessungsgrund hinzukommt.

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.
Gleiches gilt für zu Unrecht bezogene und gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausbezahlte Kinderabsetzbeträge (§ 33 Abs. 3 EStG 1988 iVm § 26 FLAG 1967).

B) Rechtsprechung:

Bei der Frage des "ständigen Aufenthaltes" iSd § 5 Abs. 3 FLAG geht es um objektive Kriterien, die nach den Gesichtspunkten des Vorliegens eines gewöhnlichen Aufenthaltes nach § 26 Abs. 2 BAO zu beurteilen sind (vgl. ; ; ; ).
Diese Beurteilung hat nicht auf den subjektiven Gesichtspunkt des "Mittelpunktes der Lebensinteressen" abzustellen, sondern auf das objektive Kriterium der grundsätzlichen körperlichen Anwesenheit (vgl. ).

Gemäß § 26 Abs. 2 BAO hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Land nicht nur vorübergehend verweilt. Ein Aufenthalt in dem genannten Sinne verlangt grundsätzlich körperliche Anwesenheit (). Daraus folgt auch, dass eine Person zwar mehrere Wohnsitze, jedoch nur einen (1) gewöhnlichen Aufenthalt haben kann (vgl. ).

Ein nicht nur vorübergehendes Verweilen liegt jedenfalls vor, wenn sich der Aufenthalt über einen längeren Zeitraum erstreckt (vgl. ; ). Eine Aufenthaltsdauer von fünfeinhalb Monaten im Ausland lasse sich laut VwGH gerade noch als vorübergehender Aufenthalt ansehen (). Ein einjähriger Schulbesuch im Ausland (im Drittstaat USA) führt zu einem ständigen Auslandsaufenthalt, der auch durch das etwaige Verbringen der Schulferien in Österreich im Haushalt der Eltern nicht unterbrochen wird. Für diesen Zeitraum liegt ein Ausschlussgrund für die FB-Gewährung iSd § 5 Abs. 3 FLAG vor ().

Um einen gewöhnlichen Aufenthalt aufrecht zu erhalten, ist keine ununterbrochene Anwesenheit erforderlich. Abwesenheiten, die nach den Umständen des Falles nur als vorübergehend gewollt anzusehen sind, unterbrechen nicht den Zustand des Verweilens und daher auch nicht den gewöhnlichen Aufenthalt (vgl. ; ; vgl. zu vor: Ritz, BAO-Kommentar, 5. Auflage, Rzn 13 und 17 zu § 26 mit weiteren Verweisen zu Judikatur und Lehre).
Demzufolge ist das (teilweise) Verbringen der Ferien in Österreich jeweils als vorübergehende Abwesenheit zu beurteilen, wodurch der ständige Aufenthalt der Kinder im Ausland nicht unterbrochen wurde (; ; ; ). Diesfalls ist der Anspruch auf Familienbeihilfe auch nicht etwa für jene Ferienzeiten gegeben, die im Inland (zB monatsweise in den Sommerferien) verbracht werden ().

Daneben hat der VfGH im Erkenntnis vom , B 2366/00, zum Ausdruck gebracht, dass gegen eine Vorschrift (wie eben § 5 Abs. 3 FLAG), die bewirkt, dass Personen, die im Ausland (Drittland) lebenden Kindern gegenüber zu Unterhaltsleistungen verpflichtet sind, keine Familienbeihilfe gewährt wird, keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Der Gesetzgeber wird der verfassungsrechtlichen Pflicht zur steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltslasten auch dann gerecht, wenn er hiefür nicht den Weg der Gewährung von Transferzahlungen wählt, sondern die Berücksichtigung im Wege des Steuerrechts (als außergewöhnliche Belastung gem. § 34 EStG 1988) ermöglicht.
Dem hat sich der VwGH im Erkenntnis vom , 2002/14/0050, angeschlossen (siehe auch ).

(siehe zu Obigem auch: Lenneis/Wanke, FLAG-Kommentar, 2. Aufl., Rz 9 zu § 5 mit weiterer Judikatur).

V. Erwägungen:

An Sachverhalt ist gegenständlich anhand eigener Angaben des Bf sowie seines Sohnes A und der vorgelegten Unterlagen davon auszugehen, dass der - im Streitzeitraum - minder-jährige Sohn, nach Beendigung der inländischen Schule im Juli 2015, seit August 2015 in der Türkei aufhältig, dort in einem Schülerwohnheim in Ort2 untergebracht ist und ab September 2015 (bis laufend in 2018) in Ort2 die Schule als ordentlich gemeldeter "Studierender" besucht hat. Es kann insofern ohne Zweifel davon ausgegangen werden, dass sich der Sohn ab August 2015 regelmäßig in der Türkei, untergebracht in dem Schülerwohn-heim, zwecks Schulbesuch körperlich aufgehalten hat.
Nach eigenen Angaben wird der Sohn im Anschluss ein Universitätsstudium in der Türkei absolvieren und sich hiefür weiterhin ca. 5 bis 8 Jahre in der Türkei aufhalten.

Nach oben dargelegten gesetzlichen Bestimmungen samt Judikatur liegt diesfalls iSd § 26 BAO der "gewöhnliche Aufenthalt" des Sohnes in der Türkei vor, der weit länger als rund 5 bis 6 Monate angedauert hat und daher auch nicht als bloß "vorübergehend" qualifiziert werden könnte.

Entgegen dem Dafürhalten des Bf ist in Zusammenhalt mit § 5 Abs. 3 FLAG auch nicht auf die österreichische Staatsbürgerschaft des Sohnes, sondern vielmehr auf den "gewöhnlichen Aufenthalt" iSd § 26 Abs. 2 BAO abzustellen, wonach es aufgrund der objektiv geforderten körperlichen Anwesenheit eben nur einen Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes geben kann. Daran ändert auch nichts der eingewendete Umstand, dass der Sohn "in Abständen" in Österreich bei der Familie sei. Nach der einhelligen höchstgerichtlichen Rechtsprechung ist nämlich zB das Verbringen der Ferien in Österreich jeweils nur als vorübergehende Abwesenheit (vom Auslandsaufenthalt) zu beurteilen; das Gleiche muss wohl auch für gelegentliche Familienbesuche im Inland gelten. Dadurch wird der ständige Aufenthalt des Kindes im Ausland keinesfalls unterbrochen.

Zu etwaigen Unterhaltslasten des Bf für den im Ausland befindlichen Sohn wäre anzumerken, dass nach Ansicht beider Höchstgerichte (VfGH und VwGH) solche Unterhaltslasten im Wege des Steuerrechtes (als außergewöhnliche Belastung gem. § 34 EStG) zu berücksichtigen seien, nicht aber im Wege der Familienbeihilfe als Transferzahlung.

In Anbetracht obiger Sach- und Rechtslage konnte der Beschwerde daher kein Erfolg beschieden sein und war spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der Frage, ob ein beihilfenschädlicher Auslandsaufenthalt des Sohnes vorliegt, ergibt sich anhand der bezughabenden Gesetzesbestimmungen in Zusammenhalt mit der langjährigen und einhelligen, obangeführten VwGH-Judikatur, in deren Anwendung das BFG gegenständlichen Sachverhalt beurteilt und entschieden hat. Mangels Rechtsfrage von "grundsätzlicher Bedeutung" ist daher eine Revision nicht zulässig.

Innsbruck, am

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Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at