Auslandsstudium als Verlängerung der Studienzeit ?
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Kitzbühel Lienz (nunmehr: FA Österreich) vom , SV-Nr, betreffend die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung der Familienbeihilfe (für die Tochter B) für den Zeitraum Oktober 2018 bis September 2019 zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133
Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang:
1. Frau A (= Beschwerdeführerin, Bf) hat mit am eingelangten Formular für die Tochter B, geb. 05/1996, ab die Zuerkennung der Familienbeihilfe (FB) beantragt, weil "keine Unterbrechung des Studiums" vorliege.
Aus den beigebrachten Unterlagen, Studienzeitbestätigung und Zeugnis über die zweite Diplomprüfung, geht hervor:
Die Tochter betreibt seit dem Wintersemester (WS) 2014/15 das Diplomstudium der Rechtswissenschaften, Kz UC101, und ist seither durchgehend (bis inkl. WS 20219/20) an der Universität Ort1 inskribiert. Die 1. Diplomprüfung wurde am und die 2. Diplomprüfung am abgeschlossen. Bescheinigt ist ein Studienaufenthalt der Tochter in X-Land im Rahmen des Erasmus-Programmes in der Zeit vom bis .
2. Mit Bescheid vom , SV-Nr, hat das Finanzamt den Antrag der Bf für den Zeitraum Oktober 2018 bis September 2019 abgewiesen und begründend ausgeführt:
Die FB stehe nur für die reguläre Studiendauer pro Studienabschnitt zuzüglich einem Toleranzsemester zu. Laut Studienplan betrage diese im 2. Studienabschnitt des Diplomstudiums Rechtswissenschaften 4 Semester; der FB Anspruch bestehe sohin für insgesamt 5 Semester. Ausgehend vom Beginn im März 2016 (Sommersemester/SS 2016) hätte die Tochter den 2. Studienabschnitt im September 2018 (Ende SS 2018) abschließen müssen, was tatsächlich aber erst am erfolgt sei. Für den dazwischenliegenden Zeitraum stehe die FB nicht zu. Ein in dieser Zeit absolviertes Auslandsstudium - als möglicher Verlängerungsgrund - könne sich auf die bereits abgelaufene Studiendauer nicht auswirken.
3. In der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde begehrt die Bf, ihrem FB-Antrag stattzugeben, und wendet im Wesentlichen ein:
Die Studiendauer sei nur wegen des Auslandsstudiums der Tochter an der Universität Ort2 überschritten worden. Sie habe in dieser Zeit bereits drei, in der Folge angerechnete Prüfungen aus dem 3. Studienabschnitt, der sich dadurch verkürze, absolviert, da fehlende Prüfungen aus dem 2. Studienabschnitt im Erasmus-Programm nicht angeboten worden wären. Diese seien nach dem Auslandsstudium im SS 2019 erfolgreich an der Uni Ort1 nachgeholt worden. Zum Nachweis wurden (zusätzlich) vorgelegt:
- eine Aufenthaltsbestätigung zum Auslandsstudium an der Universität Ort2 vom
bis ;
- Unterlagen betr. die insgesamt 4 im Rahmen des Auslandsaufenthaltes erfolgreich
abgelegten Prüfungen (gesamt 23 ECTS-Punkte);
- Bescheid der Universität Ort1 v. über die Anerkennung dieser Prüfungen
im Diplomstudium Rechtwissenschaften;
- eine "Bestätigung des Studienerfolges":
Demnach hat die Tochter beginnend mit WS 2014/15 den 1. Studienabschnitt am
, dh. nach 3 Semestern im WS 2015/16, abgeschlossen.
Der 2. Studienabschnitt wurde begonnen mit SS 2016 und am , dh. im
WS 2019/20, beendet.
Im 3. Studienabschnitt scheinen die drei im Zuge des Auslandsstudiums abgelegten
Prüfungen als anerkannte und angerechnete Prüfungen auf.
4. Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom hat das Finanzamt die Beschwerde mit der im Ergebnis folgenden Begründung abgewiesen:
Die für den 2. Studienabschnitt vorgesehene Studienzeit (= gesetzliche Studiendauer) sei bei der Tochter am abgelaufen. Das Auslandsstudium sei erst am begonnen worden, sodass eine Studienbehinderung iSd § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967 lediglich im Ausmaß von einem Monat - anstelle von zumindest drei Monaten - vorliege. Diese könne zu keiner Verlängerung der Studienzeit führen
(Begründung im Einzelnen: siehe die BVE v. ).
5. Im Vorlageantrag argumentiert die Bf ergänzend dahin, dass die Tochter zu Beginn ihres Auslandsaufenthaltes am FB-berechtigt gewesen und daher zum Zeitpunkt des Eintrittes des Verlängerungsgrundes nach § 2 Abs. 1 lit b FLAG die höchstzulässige Studiendauer noch nicht überschritten gewesen sei. Das nachweisliche Auslandsstudium habe insgesamt mehr als 3 Monate gedauert und bewirke daher die Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Das Studium sei von der Tochter stets ernsthaft und zielstrebig betrieben worden.
II. Sachverhalt:
Die Tochter der Bf, B geb. Mai 1996, hat im Mai 2014 die Volljährigkeit erreicht; im Mai 2020 wird das 24. Lebensjahr vollendet.
Sie hat im WS 2014/15 mit dem Diplomstudium Rechtswissenschaften, Kz UC101, an der Universität Ort1 begonnen und den 1. Studienabschnitt am , dh. nach 3 Semestern, im WS 2015/16 abgeschlossen. Der im SS 2016 begonnene 2. Studienabschnitt wurde am , dh. im WS 2019/20, beendet.
Im Rahmen des Erasmus-Programmes hat die Tochter nachweislich vom bis (rund 4 Monate) ein Auslandsstudium an der Universität Ort2 betrieben.
III. Beweiswürdigung:
Obiger Sachverhalt ergibt sich unstrittig aus dem Akteninhalt, insbesondere aus den von der Bf beigebrachten Unterlagen.
IV. Rechtslage:
A) Gesetzliche Bestimmungen:
§ 2 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG), BGBl 376/1967 idgF., lautet auszugsweise:
"§ 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
a) für minderjährige Kinder,
b) für volljährige Kinder, die das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. Wird ein Studienabschnitt in der vorgesehenen Studienzeit absolviert, kann einem weiteren Studienabschnitt einSemester zugerechnet werden. Die Studienzeit wird durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis (zB Krankheit) oder nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert.Dabei bewirkt eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester. Zeiten als Studentenvertreterin oder Studentenvertreter …."
Gemäß § 52 Abs. 1 Universitätsgesetz (UG) 2002, BGBl I Nr. 120/2002 idgF., beginnt das Studienjahr am 1. Oktober und endet am 30. September des Folgejahres. Es besteht aus dem Wintersemester, das am 1. Oktober beginnt und am 28. bzw. 29. Februar endet, und dem Sommersemester, das am 1. März beginnt und am 30. September endet, jeweils einschließlich der lehrveranstaltungsfreien Zeiten.
B) Rechtsprechung:
Zunächst gilt festzuhalten, dass die in § 2 Abs. 1 lit b FLAG 1967, 4. und 5. Satz, bestimmte "Verlängerung durch ein nachgewiesenes Auslandsstudium/Auslandssemester" bedeutet, dass dann, wenn ein Teil des (Inlands)Studiums im Ausland absolviert wird, eine Verlängerung der Studienzeit um ein Semester erfolgt, wenn das Studium im Ausland - bezogen auf ein Semester - mindestens drei Monate lang absolviert wurde. Es soll mit diesem Verlängerungssemester dem Umstand Rechnung getragen werden, dass ein Studium im Ausland wohl nur unter erschwerten Umständen betrieben werden kann.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 2011/16/0175, in Zusammenhalt mit einem (inländischen) Studium der Rechtswissenschaften, bei welchem am Ende bzw. im letzten Monat des zweiten Studienabschnittes (September 2008) ein Erasmus-Auslandsstudium in den Niederlanden begonnen wurde, wie folgt abgesprochen:
Es sei unstrittig, dass unter Hinzurechnung von Toleranzsemestern die vorgeschriebene Studienzeit für den 2. Studienabschnitt mit Ablauf des SS 2008 (im September 2008) geendigt habe, sowie, dass der Sohn der Bf das Auslandsstudium in diesem Monat September 2008 begonnen habe. Damit sei aber der Tatbestand des § 2 Abs. 1 lit b fünfter Satz FLAG, wonach eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit bewirkt, nicht erfüllt, weil innerhalb der im Gesetz festgelegten Studienzeit (durch das Auslandsstudium) eine Studienbehinderung von lediglich einem Monat vorgelegen ist. Abschließend führt der VwGH aus:
"Soweit die Beschwerdeführerin ins Treffen führt, der "Verlängerungsgrund (= das nachgewiesene Auslandsstudium)" sei schon vor Ablauf der höchstzulässigen Studiendauer eingetreten, übersieht sie, dass der Verlängerungsgrund nicht allein durch das Auslandsstudium (§ 2 Abs. 1 lit b vierter Satz FLAG), sondern durch eine Studienbehinderung etwa infolge eines solchen Auslandsstudiums im Umfang von jeweils drei Monaten (§ 2 Abs. 1 lit b fünfter Satz FLAG) gegeben ist, der dann die entsprechende im Gesetz vorgesehene Verlängerung der Studienzeit jeweils um ein Semester herbeiführt."
V. Erwägungen:
Nach dem Gesetz ist jeweils die vorgesehene Studienzeit "pro Studienabschnitt" und daher jeder Studienabschnitt isoliert für sich zu betrachten.
Im Gegenstandsfalle steht unbestritten fest, dass laut Studienplan und unter Hinzurechnung eines Toleranzsemesters die vorgesehene Studienzeit im 2. Studienabschnitt des Diplomstudiums der Tochter maximal 5 Semester beträgt. Aufgrund des Beginns im Sommersemester 2016 hätte daher dieser Studienabschnitt - unstrittig - mit Ablauf des Sommersemesters 2018, dh. mit Ablauf September 2018, geendigt. Im September 2018 hat die Tochter ein rund 4 Monate dauerndes Auslandsstudium begonnen.
Entgegen der Argumentation der Bf, zu Beginn des Auslandsstudiums sei der FB-Anspruch aufrecht bzw. die höchstzulässige Studiendauer noch nicht überschritten gewesen, weshalb das mehr als dreimonatige Auslandsstudium einen Verlängerungsgrund nach § 2 Abs. 1 lit b FLAG darstelle, hat aber der VwGH mit oben dargelegtem Erkenntnis vom , 2011/16/0175, zu einem nahezu gleichgelagerten Sachverhalt die dortige Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Laut VwGH ist diesfalls der Tatbestand des § 2 Abs. 1 lit b fünfter Satz FLAG, wonach eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten eine Verlängerung der Studienzeit bewirkt, nicht erfüllt, weil innerhalb der im Gesetz festgelegten Studienzeit (durch das Auslandsstudium) eine Studienbehinderung von lediglich einem Monat vorgelegen ist.
Analog dazu war im Gegenstandsfall innerhalb der vorgesehenen Studienzeit (bis längstens September 2018) ebenso eine Studienbehinderung von nur einem Monat vorgelegen, da das Auslandsstudium erst im September 2018 begonnen wurde.
Abgesehen davon, dass das BFG zufolge der beigebrachten Nachweise die Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit, mit der die Tochter der Bf ihr Studium betreibt, in keinster Weise anzweifelt, übersieht die Bf, dass es nicht lediglich auf das - wie hier - nachgewiesene Auslandsstudium im Umfang von zumindest drei Monaten, sondern vielmehr darauf ankommt, dass die daraus resultierende "Studienbehinderung" innerhalb der festgelegten Studienzeit bzw. innerhalb eines Semesters gelegen sein muss.
In Anbetracht der gegebenen Sach- und Rechtslage konnte daher der Beschwerde kein Erfolg beschieden sein und war spruchgemäß zu entscheiden.
Unzulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zur gegenständliche Frage, ob bei Beginn eines Auslandsstudiums (erst) am Ende der vorgesehenen Studienzeit im betreffenden Studienabschnitt eine "Studienbehinderung" und damit ein Verlängerungsgrund iSd § 2 Abs. 1 lit b, 4. und 5. Satz, FLAG 1967 vorgelegen ist, liegt die oben dargelegte VwGH-Judikatur () vor, in deren Anwendung das BFG entschieden hat. Eine Revision ist daher nicht zulässig.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 52 Abs. 1 UG, Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100502.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at