Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.02.2022, RV/7103336/2021

Rückforderung von Familienbeihilfe beim Kindesvater, da das Kind unstrittig im Rückforderungszeitraum bei der Mutter haushaltszugehörig war

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK


Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik über die Beschwerde des Mag. Bf., Adresse, vertreten durch Dr. Stb, Adresse, als Beschwerdeführer, vom , gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für die Monate Juni bis Oktober 2020, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf) lebt seit Juni 2012 von der Kindesmutter getrennt (Schreiben der Kindesmutter vom ).

Die Eltern haben für die Kinder das gemeinsame Obsorgerecht.

Der Bf bezog für Tochter T., geb. xx.xx.2006, im Zeitraum Juni 2020 bis Oktober 2020 Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge.

Die Kindesmutter stellte am einen Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und legte diesem das untenstehende Schreiben des Bf an das BG Mödling vom (Betreff: 123) bei.

"Sie haben mir einen Antrag meiner Tochter T. zugestellt, den ich nicht nachvollziehen kann. Offensichtlich hat die Mutter von T. keinen entsprechenden Antrag gestellt, was an sich nahelegen würde, dass sie den Antrag unserer Tochter gar nicht unterstützt und am bisherigen Wechselmodell zum Wohle unserer Kinder festhalten möchte.

Es ist zwar richtig, dass T. seit nicht mehr zu mir gekommen ist und derzeit auch die Vaterwochen bei der Mutter verbringt, meine Ex-Frau hat mir aber mehrfach versichert, dass sie damit nichts zu tun habe und T. diese Entscheidung ganz alleine getroffen hätte."

Das Finanzamt (FA) forderte vom Bf mit Bescheid vom die für den Zeitraum Juni 2020 bis Oktober 2020 bezogenen Familienbeihilfen- und Kinderabsetzbeträge unter Hinweis auf § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) iVm § 33 Abs 3 Einkommensteuergesetz 1988 mit der Begründung zurück, dass das Kind nicht im Haushalt des Bf lebe. Obwohl der Bf die überwiegenden Unterhaltskosten leiste, erhalte er keine Familienbeihilfe, weil eine andere Person aufgrund eines gemeinsamen Haushalts mit dem Kind anspruchsberechtigt sei (§ 2 Abs 2 FLAG 1967).

Der steuerliche Vertreter des Bf, Dr. Stb, brachte am über Finanz Online Beschwerde ein.

Das FA wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom gemäß § 260 Bundesabgabenordnung (BAO) mit der Begründung zurück, dass der Rückforderungsbescheid am zu Handen des Vertreters Dr. Stb ergangen sei. Dieser habe am über FinanzOnline Beschwerde eingebracht.

Gemäß § 245 Abs 1 Bundesabgabenordnung (BAO) betrage die Beschwerdefrist einen Monat, gerechnet ab Zustellung des angefochtenen Bescheides.

Im gegenständlichen Fall sei die Beschwerdefrist am abgelaufen.

Die Beschwerde sei daher verspätet, weshalb laut oben genannter gesetzlicher Bestimmung spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei.

Der steuerliche Vertreter stellte am über FinanzOnline einen Vorlageantrag und brachte vor, dass die Zustellung des Rückforderungsbescheids trotz aufrechter Zustellvollmacht nicht an seine Adresse, sondern in die Databox seines Mandanten (Beweis Anlage Screenshot Databox) zugestellt worden sei. Die elektronische Signatur des Bescheides 04:33 Uhr, stimme mit der Zustellung in der Databox überein. Eine Zustellung an die Adresse der steuerlichen Vertretung sei nicht erfolgt. Anfang Juli habe er vom Rückforderungsbescheid Kenntnis erlangt und dagegen Beschwerde erhoben.

Zur Begründung der Beschwerde führe er aus, dass das Sorgerechtsverfahren noch nicht abgeschlossen sei. Die Kindesmutter habe, entgegen des bisher gültigen Sorgerechtsvergleichs, eigenmächtig und ohne Berechtigung die Ummeldung des Kindes veranlasst. Es sei daher die Familienbeihilfe dem Vater weiterhin auszuzahlen und die Rückforderung einzustellen. Die Kindsmutter habe daher zu Unrecht die Familienbeihilfe bezogen. Das Finanzamt möge sich dort schadlos halten. Die ursprüngliche Beschwerde sei nicht verspätet eingereicht worden. Das Bundesfinanzgericht möge daher die Berufungsvorentscheidung und den Rückforderungsbescheid ersatzlos aufheben.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen

Rechtzeitigkeit:

Nach der Stellungnahme des FA vom (Vorhalt des ), ist die Amtspartei auf Grund durchgeführter Recherchen zum Ergebnis gekommen, dass der Rückforderungsbescheid auf Grund eines EDV-Fehlers trotz Zustellvollmacht des steuerlichen Vertreters nur dem Bf zugegangen sein dürfte. Für den steuerlichen Vertreter gäbe es keine Möglichkeit, diesen Bescheid einzusehen. Eine Zustellung an den steuerlichen Vertreter sei daher nicht erfolgt.

Das BFG folgt daher dem Vorbringen des Vertreters, wonach er erst Anfang Juli 2021 vom Rückforderungsbescheid Kenntnis erlangt habe und wertet die Beschwerde als fristgerecht eingebracht.

Konsequenz:

Das BFG hat gemäß § 278 Abs 1 BAO zuerst zu überprüfen, ob die Beschwerde als unzulässig oder als zu spät eingereicht zurückzuweisen oder als zurückgenommen oder als gegenstandslos zu erklären ist.

Sollte dies nicht der Fall sein, hat das BFG (abgesehen von der Aufhebung und Zurückverweisung nach § 278 BAO) gemäß § 279 BAO immer (d.h. auch erstmals) in der Sache selbst zu entscheiden; dies gilt auch dann, wenn die Abgabenbehörde die Beschwerde mit einer formalen Beschwerdevorentscheidung (hier: Zurückweisung der Beschwerde als verspätet) erledigt hat (vgl. Ritz, BAO6, § 279,Rz. 4; Salzmann, BFG Journal 2015,118; ; ; ).

Es hat demzufolge ggstdl. keine Formalentscheidung zu erfolgen, das BFG entscheidet mit Erkenntnis inhaltlich in der Sache.

Unstrittiger Sachverhalt

Der Bf lebt von der Kindesmutter seit Juni 2012 getrennt (Schreiben der Kindesmutter vom ).

Die Eltern haben für die Kinder das gemeinsame Obsorgerecht.

Die mj. Tochter des Bf lebt unstrittig seit im Haushalt der Kindesmutter.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Familienbeihilfenakt, insbesondere aus dem Beschluss des BG Mödling vom , XYZ, und dem Schreiben des Bf an das BG Mödling vom .

Rechtliche Beurteilung

Anspruch auf Familienbeihilfe hat - bei Vorliegen weiterer, im gegenständlichen Fall unstrittig erfüllter Voraussetzungen - nach § 2 Abs 2 FLAG 1967 die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Zum Haushalt einer Person gehört nach § 2 Abs 5 FLAG 1967 ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt u.a. nicht als aufgehoben, wenn sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält oder das Kind zum Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt.

Nach § 7 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe nur einer Person gewährt und gebührt nach § 10 Abs 4 FLAG 1967 Familienbeihilfe für einen Monat nur einmal.

Gemäß § 10 Abs 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Gemäß § 33 Abs 4 Z 3 lit a EStG 1988 steht einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des FLAG 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag für jedes Kind zu.

§ 26 Abs 1 FLAG 1967 normiert die Rückerstattungspflicht von zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe.

Die Rückzahlungspflicht gem. § 26 Abs 1 FLAG 1967 trifft ausschließlich den Bezieher der Familienbeihilfe. Diese Bestimmung normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls, wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich (vgl zB ).

Aus § 2 Abs 2 FLAG 1967 ergibt sich, dass Anspruch auf Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbeträge) primär jene Person hat, bei der das Kind haushaltszugehörig ist.

Haushaltszugehörigkeit liegt vor, wenn eine Person mit dem Kind bei einheitlicher Wirtschaftsführung in einer Wohngemeinschaft lebt (vgl zB , , vgl. auch ).

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass die Tochter im Streitzeitraum Juni 2020 bis Oktober 2020 nicht mit dem Bf, sondern mit der Kindesmutter im gemeinsamen Haushalt lebte.

Zufolge der vorgenannten Bestimmungen stand somit der Kindesmutter im Rückforderungszeitraum die Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbeträge) zu.

Das Vorbringen des Bf, wonach das Sorgerechtsverfahren noch nicht abgeschlossen sei und die Kindesmutter, entgegen des bisher gültigen Sorgerechtsvergleichs, eigenmächtig und ohne Berechtigung die Ummeldung des Kindes veranlasst habe, kann der Beschwerde daher nicht zum Erfolg verhelfen.

Der Rückforderungsbescheid betreffend die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderab-setzbeträgen für den Zeitraum Juni 2020 bis Oktober 2020 wurde somit vom FA zu Recht erlassen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall lag keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, da sich aus den zitierten gesetzlichen Bestimmungen ergibt, wem die Familienbeihilfe bei Haushaltszugehörigkeit zusteht.

Wien, am

Unstrittiger Sachverhalt

Der Bf lebt von der Kindesmutter seit Juni 2012 getrennt (Schreiben der Kindesmutter vom ).

Die Eltern haben für die Kinder das gemeinsame Obsorgerecht.

Die mj. Tochter des Bf lebt unstrittig seit im Haushalt der Kindesmutter.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Familienbeihilfenakt, insbesondere aus dem Beschluss des BG Mödling vom , XYZ, und dem Schreiben des Bf an das BG Mödling vom .

Rechtliche Beurteilung

Anspruch auf Familienbeihilfe hat - bei Vorliegen weiterer, im gegenständlichen Fall unstrittig erfüllter Voraussetzungen - nach § 2 Abs 2 FLAG 1967 die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Zum Haushalt einer Person gehört nach § 2 Abs 5 FLAG 1967 ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt u.a. nicht als aufgehoben, wenn sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält oder das Kind zum Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt.

Nach § 7 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe nur einer Person gewährt und gebührt nach § 10 Abs 4 FLAG 1967 Familienbeihilfe für einen Monat nur einmal.

Gemäß § 10 Abs 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Gemäß § 33 Abs 4 Z 3 lit a EStG 1988 steht einem Steuerpflichtigen, dem auf Grund des FLAG 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag für jedes Kind zu.

§ 26 Abs 1 FLAG 1967 normiert die Rückerstattungspflicht von zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe.

Die Rückzahlungspflicht gem. § 26 Abs 1 FLAG 1967 trifft ausschließlich den Bezieher der Familienbeihilfe. Diese Bestimmung normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Die Verpflichtung zur Rückerstattung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls, wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich (vgl zB ).

Aus § 2 Abs 2 FLAG 1967 ergibt sich, dass Anspruch auf Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbeträge) primär jene Person hat, bei der das Kind haushaltszugehörig ist.

Haushaltszugehörigkeit liegt vor, wenn eine Person mit dem Kind bei einheitlicher Wirtschaftsführung in einer Wohngemeinschaft lebt (vgl zB , , vgl. auch ).

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass die Tochter im Streitzeitraum Juni 2020 bis Oktober 2020 nicht mit dem Bf, sondern mit der Kindesmutter im gemeinsamen Haushalt lebte.

Zufolge der vorgenannten Bestimmungen stand somit der Kindesmutter im Rückforderungszeitraum die Familienbeihilfe (und Kinderabsetzbeträge) zu.

Das Vorbringen des Bf, wonach das Sorgerechtsverfahren noch nicht abgeschlossen sei und die Kindesmutter, entgegen des bisher gültigen Sorgerechtsvergleichs, eigenmächtig und ohne Berechtigung die Ummeldung des Kindes veranlasst habe, kann der Beschwerde daher nicht zum Erfolg verhelfen.

Der Rückforderungsbescheid betreffend die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderab-setzbeträgen für den Zeitraum Juni 2020 bis Oktober 2020 wurde somit vom FA zu Recht erlassen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall lag keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, da sich aus den zitierten gesetzlichen Bestimmungen ergibt, wem die Familienbeihilfe bei Haushaltszugehörigkeit zusteht.

Wien, am

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