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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 17.02.2022, RV/7105686/2017

Schätzung bei Nichterklärung von Kapitaleinkünften aus Depots in der Schweiz

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, vertreten durch ***1***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23 vom betreffend Einkommensteuer 2003 und Festsetzung von Anspruchszinsen (§ 205 BAO) 2003, Steuernummer ***StrNr***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin erklärte in ihrer elektronisch beim Finanzamt eingereichten Einkommensteuererklärung für das Jahr 2003 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 5.256,62 Euro. Das Finanzamt setzte die Einkommensteuer für das Jahr 2003 mit Bescheid vom erklärungsgemäß mit Null fest.

Auf Grund des Artikel 9 des Steuerabkommens der Republik Österreich und der Schweiz erlangte das Finanzamt Informationen über von der Beschwerdeführerin in der Schweiz unterhaltene Konten und Depots. Mit Ersuchen um Ergänzung vom forderte das Finanzamt die Beschwerdeführerin auf, die Höhe der im Jahr 2003 daraus erzielten steuerpflichtigen Einkünfte bekannt zu geben und geeignete Unterlagen vorzulegen. Dieser Aufforderung kam die Beschwerdeführerin nicht nach.

Mit Bescheid vom nahm das Finanzamt das Einkommensteuerverfahren 2003 gemäß § 303 Abs. 4 BAO wieder auf und erließ den angefochtenen Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2003 (vorläufiger Bescheid gemäß § 200 Abs. 1 BAO; Nachforderung: 6.735,63 Euro). Begründend führte das Finanzamt aus, dass das Ersuchen um Ergänzung vom nicht beantwortet worden sei und somit nicht alle zur endgültigen Beurteilung des Sachverhalts notwendigen Unterlagen vorliegen würden.

Die Anspruchszinsen für das Jahr 2003 wurden mit Bescheid vom in Höhe von 989,31 Euro festgesetzt.

Mit Schreiben vom erhob die steuerliche Vertretung der Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde gegen diese Bescheide und begründete diese wie folgt:
"Unsere Mandantin ist hochbetagt (Geb.Datum ) und muss sich in ihren geschäftlichen Angelegenheiten von Ihrem Sohn ***2*** vertreten lassen. Die Beschwerdeführerin war in ihrer Berufszeit UNIDO-Angestellte und erhielt daher aufgrund des internationalen Abkommens ihre Bezüge in Österreich steuerfrei ausbezahlt. Aus Vermietungstätigkeit erzielt sie jedoch seit einigen Jahren Einkünfte in der Höhe von ca. € 5.000,00 p.a., womit sie die Einkommensteuergrenze nicht erreicht.
Die Beschwerdeführerin hat in der Vergangenheit ein Wertpapierdepot in der Schweiz bei der
***3*** unterhalten und wurde gegenüber der Bank im Jahr 2013 auch rechtzeitig die Mitteilung erstattet, dass sie in Österreich betreffend der Kapitalerträgnisse von 2003 bis 2012 Selbstanzeige bei der österreichischen Finanzverwaltung erstatten wird. Trotz vielfacher Urgenz durch ihren Sohn bei der ***3*** und sogar unter Androhung von möglichen Haftungsfolgen hat die ***3*** AG bis dato noch immer nicht die für eine Selbstanzeige erforderlichen Unterlagen, insbesondere die notwendige Erträgnisaufstellung zu dem Wertpapierdepot übermittelt.
Sie hat bisher nur eine Bescheinigung (s. Anhang) geschickt, woraus lediglich die Depotstände vom bis zum ersichtlich sind (Zwischenzeitlich sind zumindest Unterlagen für die Jahre 2010-2012 eingelangt). Wie Sie dieser Unterlage entnehmen können, haben sich die Bestände in den 10 Jahren nahezu nicht verändert und es liegt daher die Vermutung nahe, dass die auf die einzelnen Kalenderjahre entfallenden Kapitalerträge zu gering sein werden, dass selbst unter Berücksichtigung der Mieteinkünfte unserer Mandantin daraus keine oder nur äußerst geringe Einkommensteuerzahlungen resultieren werden.

Zur Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2003 bzw. den Aussetzungsantrag betreffend Abgabennachforderung für 2003 dürfen wir noch ergänzend ausführen:
Der Einkommensteuerbescheid für 2003 enthält lapidar den Hinweis "Steuer von Kapitalerträgen aus ausländischen Kapitalanlagen € 6.735,63". Dem Bescheid ist in keiner Weise zu entnehmen, wie die Finanzbehörde zu der Höhe dieses Abgabenbetrages gelangt ist. Der Bescheid enthält keinerlei Schätzungsgrundlagen, sodass auch dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit genommen ist, die Richtigkeit dieser Schätzungsmaßnahme nachzuvollziehen. Aufgrund des geringen bisher in Österreich nicht steuerpflichtigen Einkommens unserer Mandantin erscheint es völlig unrealistisch, dass bei einem Kapitalvermögen von durchschnittlich € 280.000,00 sich jährliche Kapitalerträge in einem derartigen Ausmaß ergeben, die eine Einkommensteuer im Ausmaß von nahezu € 7.000,00 für das Jahr 2003 rechtfertigen könnten. Zieht man insbesondere in Betracht, dass es aufgrund des geringfügigen Resteinkommens auch für das Jahr 2003 zu einer Antragsveranlagung kommt, erscheint eine Steuernachzahlung für dieses Jahr von max. € 2.000,00 als realistischer Ansatz."

Die Beschwerdeführerin ***Bf1*** verstarb am . Mit Einantwortungsbeschluss vom wurde die Verlassenschaft den erblichen Söhnen je zur Hälfte eingeantwortet.

Mit Beschwerdevorentscheidungen gemäß § 262 BAO vom wurde die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2003 und gegen den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchszinsen 2003 als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin bereits mit Vorhalt vom aufgefordert worden sei, Wertpapierdepotauszüge zum jeweiligen Monatsende, Kontoauszüge der Verrechnungskonten, Erträgsnisaufstellungen, Abrechnungsbelege betreffend sämtliche Wertpapiere und sonstige Finanzprodukte als belegmäßigen Nachweis für die Einkünfte aus Kapitalvermögen in der Schweiz vorzulegen. Da die Beantwortung des Vorhaltes bis Anfang Dezember 2013 nicht erfolgt sei, hätten die Einkünfte auf Basis der von der Schweizer Zahlstelle gemäß Artikel 9 des Steuerabkommens der Republik Österreich und der Schweiz übermittelten Informationen über die bei dieser Zahlstelle unterhaltenen Konten und Depots samt jährlichen Kontoständen im Wege der Schätzung gemäß § 184 BAO - ausgehend von einer 10 %igen Rendite - ermittelt werden müssen. Da auch im Zuge des Beschwerdeverfahrens keinerlei Belege für das Jahr 2003 vorgelegt worden seien, wäre eine Unrichtigkeit der bisher vorgenommenen Schätzung nicht erkennbar und daher eine Änderung der bisher ermittelten Besteuerungsgrundlagen nicht in Betracht gekommen.

Mit Schreiben vom stellte die steuerliche Vertretung der Erben der Beschwerdeführerin den Antrag auf Vorlage der Beschwerde zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht und führte unter Verweis auf die Ausführungen in der Beschwerde ergänzend folgendes aus:
"In unserer Beschwerde vom haben wir bereits ausführlich auf die Schwierigkeiten hingewiesen, geeignete Unterlagen von der ***3*** zu erhalten. Nochmals weisen wir darauf hin, dass Herr ***2*** seit Mai 2013, namens seiner in der Zwischenzeit verstorbenen Mutter vergeblich versucht hat, von der ***3*** die notwendigen Unterlagen zu erhalten. Sogar Anwaltsbüros wurden damit beauftragt, von der ***3*** auf dem Zivilrechtswege die Herausgabe der Unterlagen zu erzwingen.
Mit ist vom Finanzamt der Einkommensteuerbescheid 2003 für die Beschwerdeführerin erlassen worden. Im Bescheid findet sich lediglich der Hinweis "Steuer von Kapitalerträgen aus ausländischen Kapitalanlagen". Obwohl dem Bescheid in keiner Weise zu entnehmen ist, wie die Finanzbehörde zur Höhe des Abgabenbetrages gelangt ist, wurde allen Anschein nach als Schätzgrundlage für die Höhe der (fiktiven) Ausschüttung 10% des Depotstandes vom laut Bescheinigung angenommen.
"Die Steuer von Kapitalerträgen aus ausländischen Kapitalanlagen" ergibt sich danach aus der vom Finanzamt geschätzten (fiktiven) 10%-Ausschüttung multipliziert mit dem besonderen Steuersatz von 25%. Zusammenfassend ergibt sich folgende vom Finanzamt festgesetzte Abgabennachforderung für das Jahr 2003:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Jahr
Depotstand lt. Bescheinigung (EUR)
Geschätzte fiktive Ausschüttung 10% (EUR)
25% Sondersteuersatz bzw. Abgabennachforderung lt. Bescheid (EUR)
2003
269.425,36
26.942,53
6.735,63

Unter Berücksichtigung der Zusammensetzung des Depots der Beschwerdeführerin, erweist sich die vom Finanzamt geschätzte pauschale Ausschüttung in Höhe von 10 % als zu hohe Bemessungsgrundlage für die Steuerberechnung. Aus dem Vermögensverzeichnis (siehe Beilage) geht hervor, dass im Depot der Beschwerdeführerin per zwei Fonds enthalten waren. Dabei handelt es sich um 1.252 Anteile eines Fonds mit der ISIN ***4*** und um 79 Anteile eines Fonds mit der ISIN ***5***. Der erstgenannte Fond fällt unter die sogenannten "weißen Fonds", beim zweitgenannten Fond handelt es sich um einen "schwarzen Fond". Laut Rz 272 der Investmentfondrichtlinien 2008 erkennt man "schwarze" Fonds daran, dass sie für das betreffende Jahr weder auf der Internetseite des BMF noch auf jener der ÖKB aufscheinen.
Die Berechnung des ausschüttungsgleichen ordentlichen Ertrages und in weiterer Folge die Berechnung der fiktiven Ausschüttung erfolgt bei "schwarzen" und "weißen" Fonds nach unterschiedlichen Methoden.
Für unsere Berechnungen mussten wir mangels geeigneter Unterlagen der
***3*** die Annahme treffen, dass die Anzahl der gehaltenen Anteile von dem "weißen" sowie von dem "schwarzen" Fond auch in den Jahren vor 2010 unverändert bei 1.252 bzw. 79 liegt. Die in den 10 Jahren nahezu unveränderten Bestände laut Bescheinigung der ***3***, rechtfertigen unseres Erachtens diese Annahme. Eine detaillierte Darstellung, vor allem der Berechnung der fiktiven Ausschüttung, entnehmen Sie bitte dem beigelegten Dokument.
Die Berechnung der Steuer von Kapitalerträgen erfolgte durch das Finanzamt offensichtlich mit dem besonderen Steuersatz von 25%. Aufgrund der relativ geringen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ist es für die Beschwerdeführerin vorteilhaft ihr Einkommen im Jahr 2003 der Regelbesteuerung und somit nach dem geltenden Einkommensteuertarif zu veranlagen. Daher beantragen wir für das Jahre 2003 die Ausübung der Regelbesteuerungsoption und die Besteuerung ihrer Einkünfte aus Kapitalvermögen nach dem Tarif.
Es bleibt festzuhalten, dass die vom Finanzamt festgesetzte Einkommensteuer von EUR 6.735,63, unter Berücksichtigung der fiktiven Ausschüttung des "weißen" und "schwarzen" Fonds und unter Berücksichtigung der geringen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Wahl der Regelbesteuerungsoption, unangemessen hoch ist.
Zusammenfassend führte unsere Berechnung für das Jahr 2003 zu folgender Einkommensteuerbelastung für die Beschwerdeführerin:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
fiktive Ausschüttung weißer Fond (EUR)
fiktive Ausschüttung schwarzer Fond (EUR)
Summe fiktive Ausschüttungen (EUR)
EK aus VuV (EUR)
Gesamtbetrag der Einkünfte (EUR)
ESt lt. Tarif (EUR)
25% Sondersteuersatz auf fiktive Ausschüttung (EUR)
4.430,42
8.025,61
12.456,03
5.256,62
17.712,62
2.450,12
3.114,01

Die im Einkommensteuerbescheid 2003 festgesetzte Einkommensteuer in Höhe von EUR 6.735,63 fällt daher um EUR 4.285,51 zu hoch aus und sollte mit EUR 2.450,12 festgesetzt werden."

Das Finanzamt legte die Beschwerde am zur Entscheidung an das Bundesfinanzgericht vor und verwies auf die Beschwerdevorentscheidungen.

Am fand über Antrag der Beschwerdeführerin eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht statt. Die steuerliche Vertretung der Erben der Beschwerdeführerin teilte dem Bundesfinanzgericht mit E-Mail vom mit, dass an der Verhandlung nicht teilgenommen werde, der Standpunkt aber unverändert aufrecht bleibt. Die Vertreter der belangten Behörde erläuterten im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht die Berechnung der Kapitalerträge und wiesen darauf hin, dass bei der Schätzung dieser Erträge der Umstand berücksichtigt worden sei, dass es sich um hinterzogene Abgaben gehandelt habe und dem Finanzamt auch bis dato keinerlei Unterlagen vorgelegt worden seien.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Entsprechend der Bescheinigung über die Übermittlung von Informationen im Rahmen der freiwilligen Meldung gemäß Artikel 9 des Abkommens zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Österreich über die Zusammenarbeit in den Bereichen Steuern und Finanzmarkt, BGBl. III Nr. 192/2012, vom verfügte die verstorbene Beschwerdeführerin unstrittig über Vermögen bei der ***3*** AG in der Schweiz. Dieses Kapitalvermögen betrug zum 298.863,72 Euro und zum 269.425,36 Euro.

Trotz Aufforderung durch die belangte Behörde haben weder die Beschwerdeführerin noch ihre Erben die Höhe der aus diesem Kapitalvermögen im streitgegenständlichen Jahr 2003 erzielten steuerpflichtigen Einkünfte bekannt gegeben bzw. diesbezügliche Unterlagen vorgelegt.

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes.

Die im Beschwerdeverfahren von der steuerlichen Vertretung vorgelegten Unterlagen betrafen ein Vermögensverzeichnis per und können daher nicht für die Berechnung der steuerpflichtigen Einkünfte aus Kapitalvermögen des streitgegenständlichen Jahres 2003 herangezogen werden. Auch beruhen die daraus abgeleiteten Erträge bloß auf Annahmen der steuerlichen Vertretung. Dementsprechende Nachweise wurden auch im Beschwerdeverfahren nicht vorgelegt.

Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durfte das Bundesfinanzgericht daher in freier Beweiswürdigung von den obigen Sachverhaltsfeststellungen ausgehen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

3.1.1. Einkommensteuer 2003

In § 184 BAO, BGBl. Nr. 194/1961, ist zur Schätzung der Grundlagen für die Abgabenerhebung das Folgende angeordnet:
"(1) Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind.
(3) Zu schätzen ist ferner, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen."

Unstrittig ist, dass die belangte Behörde entsprechend der von der ***3*** AG übermittelten Bescheinigung über Kapitalanlagen der Beschwerdeführerin in der Schweiz und der Nichterklärung der daraus erzielten Kapitaleinkünfte zur Schätzung dieser berechtigt war.

Nach der Rechtsprechung ist die Schätzung dem Wesen nach ein Beweisverfahren, bei dem der Sachverhalt unter Zuhilfenahme mittelbarer Beweise (indirekte Beweisführung) ermittelt wird (vgl. ). Im Schätzungsverfahren besteht die Mitwirkungspflicht der Partei (vgl. zB ; ).

Ziel der Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen (den tatsächlichen Gegebenheiten) möglichst nahe zu kommen (vgl. zB ; bis 0122; ; ), somit diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, welche die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben (vgl. zB ; ).

Jeder Schätzung ist eine gewisse Ungenauigkeit immanent (vgl. ; ; ; ; ; ). Wer zur Schätzung Anlass gibt und bei der Ermittlung der materiellen Wahrheit nicht entsprechend mitwirkt, muss die mit jeder Schätzung verbundene Ungewissheit hinnehmen (vgl. zB ; ; ; bis 0122).

Die belangte Behörde schätzte die von der Beschwerdeführerin nicht erklärten Kapitaleinkünfte des Jahres 2003 ausgehend von einer 10%igen Rendite. Dem Einwand der steuerlichen Vertretung in der Beschwerde vom , wonach keine Möglichkeit zur Nachvollziehung der Schätzung bestanden habe, ist entgegenzuhalten, dass die Berechnung im Vorlageantrag vom auch von der steuerlichen Vertretung nachvollzogen werden konnte. Auch in der am vor dem Bundesfinanzgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung wurde die Berechnung der Besteuerungsgrundlagen des streitgegenständlichen Jahres 2003 nachvollziehbar dargelegt. Zur Höhe der herangezogenen Rendite wurde von der belangten Behörde ergänzend zu Recht darauf hingewiesen, dass die Nichterklärung von Kapitaleinkünften aus Depots in der Schweiz den Tatbestand der Abgabenhinterziehung erfülle und von der Beschwerdeführerin bzw. ihren Erben bis dato diesbezüglich keinerlei Unterlagen vorgelegt wurden.

Zu der von der steuerlichen Vertretung im Vorlageantrag vom vorgenommenen Berechnung der Einkommensteuerbelastung für das Jahr 2003 wurden keine den Besteuerungszeitraum 2003 betreffende Unterlagen vorgelegt. Das diesbezüglich vorgelegte Vermögensverzeichnis stammte vom und die dargestellten "fiktiven Ausschüttungen" beruhten auf bloßen Annahmen, welche mangels beigebrachter Unterlagen für das Jahr 2003 nicht auf eine vollständige Offenlegung der Kapitaleinkünfte der Beschwerdeführerin schließen lassen.

Zu den Ausführungen der steuerlichen Vertretung im Vorlageantrag vom , wonach es für die Beschwerdeführerin vorteilhaft wäre, ihr Einkommen nach dem geltenden Einkommensteuertarif zu veranlagen, ist darauf hinzuweisen, dass dies bei Berücksichtigung von Gesamteinkünften in Höhe von 32.139,15 Euro (Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 5.196,62 Euro und Einkünfte aus Kapitalvermögen 26.942,53 Euro) nicht zutrifft. Die von der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 8 EStG 1988 vorgenommene Besteuerung der (geschätzten) Kapitalerträge aus ausländischen Kapitalanlagen mit dem Sondersteuersatz von 25% führt zu keiner Benachteiligung der Beschwerdeführerin. Bei Durchführung des Günstigkeitsvergleiches ergibt sich nach dem allgemeinen Steuertarif eine höhere Einkommensteuer und das Bundesfinanzgericht geht daher davon aus, dass die Beschwerdeführerin lediglich im Falle der beantragten (teilweisen) Stattgabe der Beschwerde einen Antrag auf Regelbesteuerung stellen wollte.

Die unter Berücksichtigung der oben dargestellten Sach- und Rechtslage vorgenommene rechtliche Würdigung des vorliegenden Sachverhaltes führt zur Überzeugung, dass die von der belangten Behörde festgesetzte Einkommensteuer von Kapitalerträgen aus ausländischen Kapitalanlagen der Beschwerdeführerin in Höhe von 6.735,63 Euro im Jahr 2003 zu Recht erfolgt ist.

Der angefochtene Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2003 wurde gemäß
§ 200 Abs. 1 BAO vorläufig erlassen. Gemäß § 200 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde die Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens die Abgabepflicht zwar noch ungewiss, aber wahrscheinlich oder wenn der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist. Da diese Voraussetzungen im gegenständlichen Verfahren nicht mehr vorliegen, erfolgt die Festsetzung der Einkommensteuer für das Jahr 2003 nunmehr endgültig.

Zu der im Vorlagebericht der belangten Behörde vom angeführten Beschwerde gegen den Bescheid betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für das Jahr 2003 ist festzuhalten, dass gegen diesen Bescheid keine Beschwerde erhoben wurde.

3.1.2. Festsetzung von Anspruchszinsen (§ 205 BAO) 2003

Differenzbeträge an Einkommensteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen, nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, sind für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide nach Maßgabe des § 205 BAO zu verzinsen (Anspruchszinsen).

Anspruchszinsen im Sinne des § 205 BAO (BGBl. I Nr. 142/2000) sind eine objektive Rechtsfolge, um (mögliche) Zinsvorteile oder Zinsnachteile auszugleichen, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergeben (vgl. ).

Anspruchszinsenbescheide sind an die Stammabgabenbescheide gebunden. Wenn sich diese nachträglich als rechtswidrig erweisen und abgeändert oder aufgehoben werden, sind (von Amts wegen) neue, an die geänderten Stammabgabenbescheide gebundene Anspruchszinsenbescheide zu erlassen (vgl. ).

Da der Stammabgabenbescheid (Einkommensteuer 2003) unverändert bleibt (s. Punkt 3.1.1.) ist entsprechend der dargestellten gesetzlichen Regelung die Beschwerde gegen den Anspruchszinsenbescheid 2003 als unbegründet abzuweisen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Das Bundesfinanzgericht orientierte sich bei den zu lösenden Rechtsfragen an der einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur, darüber hinaus hing die Entscheidung im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalles sowie auf der Ebene der Beweiswürdigung zu beantwortenden Sachfragen (Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte aus ausländischen Kapitalerträgen) ab.

Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 205 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7105686.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at