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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.03.2022, RV/3100257/2019

Doppelte Haushaltsführung einer alleinstehenden Steuerpflichtigen mit Kindern mit eigenen Haushalten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016 und 2017 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt und Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin erwarb im Jahr 1989 zusammen mit ihrem Ehemann eine Eigentumswohnung in ***1*** und ist seit 1999 verwitwet. Seit dem Erwerb der Eigentumswohnung ist die Beschwerdeführerin mit Hauptwohnsitz in ***1*** gemeldet. Vom bis war sie bei einem Arbeitgeber in ***2*** nichtselbständig beschäftigt und dort mit Nebenwohnsitz wohnhaft. Für die Wochenenden (Freitag bis Montag) und die freien Tage fuhr sie jeweils mit dem eigenen PKW über 400 Kilometer vom Nebenwohnsitz (Arbeitswohnsitz) zu ihrem Hauptwohnsitz nach ***1***.

In den Anträgen zur Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2016 und 2017 beantragte die Beschwerdeführerin Werbungskosten für Familienheimfahrten in Höhe von jeweils 1.836 € und doppelter Haushaltsführung in Höhe von jeweils 3.000 Euro.

Nach einem Vorhalteverfahren versagte die Abgabenbehörde diesen Kosten die Anerkennung als Werbungskosten und gewährte anstatt dessen 1/3tel des großen Pendlerpauschales für eine Wegstrecke über 60 Kilometer sowie den Pendlereuro.

Gegen diese Bescheide erhob die Abgabepflichtige Beschwerde und führte darin begründend aus, dass sie seit Juli 2008 bis Februar 2018 in ***2*** nichtselbständig beschäftigt gewesen sei und nach ihrer Ausbildung zur diplomierten Lebens- und Sozialberaterin versucht habe, wieder in ***1*** zu arbeiten und sich dazu im Jahre 2011 auch bei einem Arbeitgeber in ***1*** beworben habe, aber aufgrund einer fehlenden freien Stelle keine Anstellung erfolgt sei. In all den Jahren ihrer Beschäftigung in ***2*** sei der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in ***1*** gelegen gewesen, da dort auch ihre zwei Kinder (Sohn mit zwei Enkelkinder und alleinerziehende Tochter mit einem Enkelkind) leben würden. Sie habe jedes Wochenende und jeden freien Tag in ***1*** bei ihren Kindern verbracht. Weiters habe sie sich regelmäßig mit ihren drei Geschwistern, welche in unmittelbarer Umgebung ihres Hauptwohnsitzes wohnen würden, getroffen. Zudem pflege sie seit 30 Jahren eine enge Freundschaft zu ihrer besten Freundin, welche ebenfalls in ***1*** wohnhaft sei. Die Verlegung des Hauptwohnsitzes nach ***2*** hätte für sie bedeutet, dass sie ihre regelmäßigen wöchentlichen Kontakte zu ihrer Familie bzw. Freundin massiv einschränken bzw. nahezu abbrechen hätte müssen.

Die Abgabenbehörde gab dem Beschwerdebegehren mit abweisenden Beschwerdevorentscheidungen keine Folge. In weiterer Folge wurde fristgerecht ein Vorlageantrag eingebracht. Darin wurde ausgeführt, dass in der Beschwerdevorentscheidung nicht berücksichtigt werde, dass die Aufrechterhaltung einer engen familiäre Verbindung zu den Kindern und Enkelkindern ohne Familienwohnsitz in ***1*** nicht möglich gewesen wäre bzw. der Kontakt zu den Kindern und Enkeln deutlich reduziert werden hätte müssen. Ebensowenig seien die Versuche, den Arbeitsplatz nach Osttirol zu verlegen, gewürdigt worden.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Im gegenständlichen Verfahren ist strittig, ob die Kosten der Unterkunft am Arbeitsort sowie die Fahrten vom Arbeitsort zum Hauptwohnsitz wegen doppelter Haushaltsführung als Werbungskosten abzugsfähig sind.

Von einer doppelten Haushaltsführung wird gesprochen, wenn aus beruflichen Gründen zwei Wohnsitze geführt werden und zwar einer am Familienwohnort und einer am Beschäftigungsort (Berufswohnsitz).

Gemäß § 16 Abs 1 erster Satz EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Nach § 20 Abs 1 Z 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden, was nach § 20 Abs 1 Z 2 lit a leg cit auch für Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung gilt, selbst wenn sie die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt und sie zur Förderung des Berufes oder der Tätigkeit des Steuerpflichtigen erfolgen.

Gemäß § 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG dürfen bei den Einkünften Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeitsort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen Berufstätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs 1 Z 6 lit d EStG angeführten Betrag übersteigen, nicht abgezogen werden.

Diese Bestimmung begrenzt die Abzugsfähigkeit von Familienheimfahrten bei betrieblichen und außerbetrieblichen Einkünften nach dem höchsten Pendlerpauschale in Höhe von 3.672 € im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 6 lit d EStG 1988.

Die Beibehaltung des Familienwohnsitzes ist aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, grundsätzlich nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Unterhält die/der Steuerpflichtige neben Ihrem/seinem primären Wohnsitz (Familienwohnsitz) einen zweiten Wohnsitz am Ort der Erwerbstätigkeit, dann sind die Aufwendungen für den zweiten Wohnsitz aber dann als Werbungskosten abzugsfähig, wenn der zweite Wohnsitz beruflich bedingt ist (vgl. grundsätzlich ). Die Begründung eines eigenen Haushaltes im Bereich des Beschäftigungsortes bei gleichzeitiger Beibehaltung des primären Wohnsitzes (Familienwohnsitzes) ist als beruflich veranlasst anzusehen, wenn einerseits der Beschäftigungsort so weit vom Familienwohnsitz entfernt ist, dass der/dem Steuerpflichtigen eine tägliche Rückkehr nicht zumutbar ist und wenn andererseits der/dem Steuerpflichtigen zudem auch die Verlegung des Wohnsitzes an den Beschäftigungsort nicht zugemutet werden kann.

Die Begründung eines eigenen Haushaltes am Beschäftigungsort bei gleichzeitiger Beibehaltung des primären Wohnsitzes/Familienwohnsitzes (doppelte Haushaltsführung) ist somit beruflich veranlasst, wenn der primäre Wohnsitz/Familienwohnsitz

• vom Beschäftigungsort des Steuerpflichtigen so weit entfernt ist, dass ihm eine tägliche Rückkehr nicht zugemutet werden kann, und entweder

• die Beibehaltung des primären Wohnsitzes/Familienwohnsitzes außerhalb des Beschäftigungsortes nicht privat veranlasst ist oder

• die Verlegung des primären Wohnsitzes/Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort nicht zugemutet werden kann.

Eine solche Unzumutbarkeit der Verlegung des Wohnsitzes und somit eine berufliche, nach Maßgabe des § 20 Abs 1 Z 2 lit e EStG zu Werbungskosten der betroffenen Aufwendungen führende Veranlassung einer doppelten Haushaltsführung kann nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die unterschiedlichsten Ursachen haben (, mwN). Dabei ist die Unzumutbarkeit aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (, mwN; ) und muss sich aus Umständen von erheblichem objektivem Gewicht ergeben (). Bei Vorliegen der Voraussetzungen kann auch eine auf Dauer angelegte Haushaltsführung gerechtfertigt sein. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen dabei aber nicht aus ().

Bei einem/einer alleinstehenden Arbeitnehmer/in mit bereits volljährigen Kindern mit eigenen Familien können für eine gewisse Übergangszeit Aufwendungen für eine Unterkunft am Beschäftigungsort als Werbungskosten anerkannt werden (die Lohnsteuerrichtlinien sehen hierfür in der RZ 346 bei einer/einem Alleinstehenden einen Zeitraum von sechs Monaten vor). Für diese Übergangszeit können bei einem/einer Alleinstehenden mit einer Wohnung im Heimatort auch Aufwendungen für Heimfahrten Berücksichtigung finden, weil zuzubilligen ist, in gewissen Zeitabständen, etwa monatlich in der eigenen Wohnung nach dem Rechten zu sehen ( mwN).

Die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Gründe (Kontaktpflege mit ihren Kindern und Enkeln sowie den Geschwistern und ihrer besten Freundin an den arbeitsfreien Tagen) den Wohnsitz nach einer Übergangszeit nicht an den Ort der Beschäftigung zu verlegen, vermögen im konkreten Fall aber eine solche Unzumutbarkeit der Verlegung des Wohnsitzes an den Ort der Beschäftigung für die Streitjahre nicht mehr darzulegen, zumal die Beschwerdeführerin in den Streitjahren bereits seit mehr als 8 Jahren in ***2*** berufstätig war.

Die geltend gemachten Aufwendungen für die doppelte Haushaltsführung und die Familienheimfahrten wurden daher von der Abgabenbehörde zu Recht nicht als Werbungskosten berücksichtigt.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit f EStG 1988 ist bei Vorliegen mehrerer Wohnsitze für die Berechnung des Pendlerpauschales entweder der zur Arbeitsstätte nächstgelegene Wohnsitz oder der Familienwohnsitz (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. e) maßgeblich.

Aufgrund des Umstandes, dass im gegenständlichen Verfahren die Beschwerdeführerin ihren Familienwohnsitz im Streitzeitraum unstrittig in ***1*** hatte, hat die Abgabenbehörde im angefochtenen Bescheid zu Recht das Pendlerpauschale für die Wegstrecke zwischen Arbeitsort und ***1*** im gesetzlich vorgesehenen Ausmaß berücksichtigt.

Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall ist eine Revision nicht zulässig, da das Bundesfinanzgericht die Voraussetzungen einer beruflich bedingten doppelten Haushaltsführung im Sinne der im Erkenntnis dargelegten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verneint hat und demnach keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorlag.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100257.2019

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at