Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.03.2022, RV/7103320/2021

Voraussichtliche Erwerbsunfähigkeit nicht bescheinigt

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Elisabeth Wanke über die Beschwerde der ***1*** ***2***, ***3***, ***4***, vertreten durch Dr. Christiane Bobek, Rechtsanwältin, 1150 Wien, Mariahilfer Straße 140, als Erwachsenenvertreterin vom , Postaufgabe , gegen den Bescheid des Finanzamts Wien 3/6/7/11/15 Schwechat Gerasdorf, nunmehr Finanzamt Österreich, 1030 Wien, Marxergasse 4, vom , womit der Antrag vom auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe für die im August 1975 geborene ***1*** ***2*** ab Juli 2015 abgewiesen wird, Sozialversicherungsnummer ***5***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der Spruch des angefochtenen Bescheides bleibt unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Antrag

Die Erwachsenenvertreterin stellte mit Telefax vom für die Beschwerdeführerin (Bf) ***1*** ***2*** Antrag auf Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag "rückwirkend auf maximale Dauer". Im Begleitschreiben zum Antrag vom wurde darauf hingewiesen, dass der Erwachsenenvertreterin auf Grund der kurzen Bestelldauer noch keine Unterlagen vorlägen. Die im Augst 1975 geborene Bf sei ledig, wohne an der im Spruch angegebenen Adresse, und sei österreichische Staatsbürgerin. Grund für die Antragstellung sei "schwere psychische Erkrankung". Eine Ausbildung sei der Erwachsenenvertreterin nicht bekannt (Formular Beih 100-PDf).

Beigefügt war ein Beschluss des Bezirksgerichts Fünfhaus vom , mit welchem die Erwachsenenvertreterin gemäß § 120 AußStrG zur einstweiligen Erwachsenenvertreterin unter anderem für die Vertretung vor Ämtern und Behörden bestellt wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Bf bisher von ihrer Großmutter im gemeinsamen Haushalt betreut worden, die Großmutter jedoch verstorben sei und seither keine Betreuung vorliege. Bei der Erstanhörung durch das Gericht habe die Bf in etlichen Bereichen wenig bis gar nicht orientiert gewirkt und durch eine schnelle und verwaschene Sprache imponiert.

Nach einem Ergänzungsersuchen des Finanzamts vom übermittelte die Erwachsenenvertreterin mit Telefax vom ein mit datiertes Formular Beih 3-PDF, in welchem als Behinderung "mittelschwere Intelligenzminderung, verwaschene Sprache" angegeben und die rückwirkende Zuerkennung im Höchstausmaß laut Feststellung des medizinischen Sachverständen beantragt wird.

Mitteilung des Sozialministeriumservice

In weiterer Folge wurde durch das Finanzamt ein Verfahren zur Erlangung einer Bescheinigung d es Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 eingeleitet.

Das Sozialministeriumservice teilte am mit, dass der "Kunde nicht erschienen" ist.

Bescheid

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag vom auf Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe für die im August 1975 geborene ***1*** ***2*** ab Juli 2015 mit folgender Begründung ab:

Sie sind trotz Aufforderung zur Untersuchung im Sozialministeriumservice nicht erschienen. Daher ist der Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und der erhöhten Familienbeihilfe abzuweisen.

Beschwerde

Gegen den Bescheid vom erhob die Bf durch ihre Erwachsenenvertreterin mit Schreiben vom Beschwerde (am zur Post gegeben) und führte darin aus:

In der Begründung des obgenannten Abweisungsbescheides wurde angeführt, dass die Beschwerdeführerin trotz Aufforderung zur Untersuchung im Sozialministeriumservice nicht erschienen ist.

Zur Sicherstellung des Untersuchungstermines konnte aufgrund der Ablehnung der Beschwerdeführerin kein Sozialarbeiter damit beauftrag werden, die Beschwerdeführerin zu begleiten. Die Vertrauensperson der Beschwerdeführerin, Herr ***6*** ***7***, hat die Beschwerdeführerin vom Termin verständigt und die Beschwerdeführerin dazu motiviert, den Termin verlässlich einzuhalten.

Dass der Untersuchungstermin am von der Beschwerdeführerin nicht wahrgenommen wurde, begründet sich sohin auf die schwere psychische Erkrankung und hätte der Beschwerdeführerin ein neuerlicher Termin angeboten werden sollen, um seitens der Erwachsenenvertreterin die Sicherstellung und Wahrnehmung des Termines durch einen speziell geschulten Sozialarbeiter gewährleisten zu können.

Nach dem erstellten Sachverständigengutachten von Dr. ***8*** ***9***-***10*** vom leidet die Beschwerdeführerin an einer schweren psychischen Erkrankung, Merkfähigkeit und Gedächtnis sind deutlich gestört, die Auffassungsgabe und Überblicksgewinnung sind stark beeinträchtigt.

Aus dem Sachverständigengutachten der Dr. ***8*** ***9***-***10*** geht eindeutig hervor, dass die Beschwerdeführerin seit Jahren an an einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung leidet. In diesem Gutachten wird die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, festgestellt. Eine Nachuntersuchung ist aufgrund des Dauerzustandes nicht erforderlich.

Es hätte daher aufgrund des bereits vorliegenden Sachverständigengutachten hätte die erhöhte Familienbeihilfe gewährt werden müssen.

Beweis: SV-Gutachten Dr. ***8*** ***9***-***10*** vom

Der Beschwerdeführerin ist die erhöhte Familienbeihilfe zu gewähren, da die gesetzlichen Voraussetzungen - entgegen der Ansicht des Finanzamtes im Abweisungsbescheid - sehr wohl vorliegen. Die Beschwerdeführerin stellt daher denAntrag auf Entscheidungüber die Beschwerde durch das Bundesfinanzgerichtes wolle der Abweisungsbescheid vom aufgehoben und der Beschwerdeführerin eine erhöhte Familienbeihilfe gewährt werden.

Beigefügt war:

Psychiatrisches Gutachten vom

Dr. ***8*** ***9*** - ***10***, Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie, Ärztin f. psychotherapeutische Medizin, Allgemein beeidete u, gerichtlich zertifizierte Sachverständige f. Neurologie u. Psychiatrie, erstattete am im Auftrag des BG Fünfhaus ein psychiatrisches Gutachten über die Bf. Auszüge daraus lauten:

Die Bestellung eines Erwachsenenvertreters für Fr. ***2*** wurde durch den FSW angeregt, da die BE bisher von ihrer Großmutter im gemeinsamen Haushalt betreut worden war, die Großmutter jedoch am ***11*** verstorben ist und seither keine Betreuung mehr vorliegt. Die BE sei aufgrund ihrer kognitiven Situation nach Einschätzung des FSW nicht in der Lage, ihre Angelegenheiten ohne Gefahr eines Nachteils für sich selbst zu besorgen. Es liege bei der BE vermutlich eine mittelschwere Intelligenzminderung vor. Die BE könne selbstständig keinerlei Anträge auf Beihilfen und Befreiungen für sich stellen, leider auch nicht mit Unterstützung, da sie die Notwendigkeit nichtbegreift. Außerdem hat die BE von ihrer Großmutter gelernt, dass sie niemals indie "Behindertenschiene" integriert werden solle, das wurde ihr als ganzschrecklich und bedrohlich dargestellt. Einzig die Beantragung einerTagesstruktur durfte nach wiederholten Beratungsgesprächen durchgeführtwerden, da die BE sehr gerne arbeiten gehen möchte. Die BE verzichtet aufihrAnrecht auf erhöhte Familienbeihilfe oder die Beantragung einesBehindertenpasses, da sie dafür entsprechende Befunde vorlegen müsste unduntersucht werden würde. Es sind aufgrund des Versterbens der Großmutterzahlreiche Ummeldungen notwendig. Die BE wäre in einer vollbetreutenWohnform wohl am Besten aufgehoben, sie möchte aber unbedingt in einekleinere Gemeindewohnung umziehen. Es ist dzt. noch ungeklärt, ob sieüberhaupt alleine noch wohnfähig ist. Die Wohnung ist in einem schlechtenhygienischen Zustand, die BE vernachlässigt ihre Körperpflege etwas. Siescheint zu einer selbstständigen Haushaltsführung selbst mit Unterstützung nichtin der Lage zu sein. Zu Lebzeiten teilte uns die 104 Jahre alte Großmutter mit,dass es absichtlich keine Befunde gebe, da die Enkelin niemals als behindertbeurteilt werden sollte. Sie hielt das für äußerst gefährlich. Die BE erscheint unsseit Geburt mittelgradig intelligenzgemindert.

...

Die Untersuchung erfolgt in der Wohnung der BE.

Ich stelle mich Fr, ***2*** vor und erkläre den Grund meines Gutachtens.

Exploration

ich habe mich im Vorfeld mit der Heimhilfeorganisation ***12*** in Verbindung gesetzt und einen gemeinsamen Termin vereinbart, um sicher zu gehen, dass mich Fr. ***2*** in die Wohnung lässt. Sie verhält sich freundlich. Fr. ***2*** spricht schwer verständlich. Die Wohnung ist in keinem unorganisierten Zustand. Sie sagt, dass sie die Hauptschule und das Polytechnikum abgeschlossen habe. Sie habe dann als Raumpflegerin und zuletzt bei ***13*** gearbeitet. Dort wäre sie von den Kollegen gemobbt worden. Sie habe keinen Kontakt zu ihrer Mutter und ihrer Schwester. Sie nehme keine Medikamente und gehe nicht zum Arzt, sie sei gesund. Sie brauche niemanden, sie koche und putze selber. Gefragt, was sie zum Frühstück gegessen habe, gibt.sie an kein Frühstück zu essen. Sie kann auch nicht sagen, was sie am Vortag gegessen hat. Sie könne 2 Tage ohne Essen aushalten. Gefragt, was sie den Tag über mache, gibt sie an, viel fortzugehen, allerdings sei sie nicht weggegangen, seit die Großmutter so krank gewesen sei. Es ist nicht möglich abzuklären ob und wann sie einkaufen geht, was sie isst und was sie den Tag über macht. Kognitiv zeigt sich eine deutliche Merkfähigkeits- und Gedächtnisstörung. Fr. ***2*** kann kaum rechnen, sagt selber, dass sie eine Schreibschwäche hat und kann auf meine Aufforderung hin keinen Satz aufschreiben. Auffassung und Aufmerksamkeit sind deutlich reduziert. Sie lehnt es ab, mit der anwesenden Heimhilfe einkaufen zu gehen, das könne sie alleine. Auf meine Anmerkung, dass sie durch den Tod der Großmutter nun 2 Wohnungen habe, sagt sie, dass sie bald umziehen werde. Auf meine Frage wohin meint sie vage "in den 5. wahrscheinlich"

Psychopathologischer Status

Verhalten: unreif, freundlich aber uneinsichtig und unkooperativ

Bewusstsein: klar

Orientierung

zeitlich: tlw. orientiert

örtlich: voll orientiert

persönlich: tlw. orientiert

Intelligenz: die höheren Hirnleistungen sind deutlich gestört, die Exekutivfunktionen sind eingeschränkt

Gedächtnis

Merkfähigkeit: schwer beeinträchtigt

Kurzzeitgedächtnis: schwer beeinträchtigt

Langzeitgedächtnis: schwer beeinträchtigt

Denken

Konzentration: reduziert

Auffassung: deutlich gestört

Tempo: verlangsamt

inhaltlich:eingeschränkter Realitätsbezug, fehlendeEinsichts- und Kritikfähigkeit

Wahrnehmung: unauffällig

Stimmung: unauffällig

Befindlichkeit: neutral

Suizidalität: keine suizidale Einengung

Affizierbarkeit: in beiden Skalenbereichen deutlich eingeschränkt

Affekt: labil

Antrieb normal

Psychomotorik

Mimik: adäquat

Gestik: adäquat

Biorhythmusstörungen

Tagesschwankungen: keine

Schlafstörungen: Einschlafstörungen

Vegetativum: ungestört

Kognitive Testung:

Die Durchführung des Digit span Tests ist nicht möglich, da die BE die Aufgabenstellung nicht versteht.

Im Mini Mental Test, der nur zur Orientierung durchgeführt wurde (da dieser als Demenztest validiert ist) erreicht die BE 11/30 Punkten. Die Defizite liegen bei der Gedächtnisleistung, beim Rechnen, Schreiben und Abzeichnen, aber auch bei der Ausführung des Drei-Punkte-Befehls und beim Nachsprechen.

Auffallend ist, dass sie die Aufgabenstellungen oft nicht versteht.

Psychiatrische Diagnose:

Leichtgradige Intelligenzminderung

IV Befund und Gutachten

1. Leidet die betroffene Person an einer psychischen Krankheit oder einer vergleichbaren Beeinträchtigung?

Die BE leidet an einer leichtgradigen Intelligenzminderung. Leicht Intelligenzgeminderte Personen erlangen meist eine völlige Unabhängigkeit beim Essen und der Körperpflege und in häuslichen Tätigkeiten, Viele BE haben besondere Probleme beim Lesen und Schreiben. Bei der Betroffenen sind die Merkfähigkeit und das Gedächtnis deutlich gestört. Rechnen und Schreiben sind ihr nur sehr begrenzt möglich. Die Auffassung und die Überblicksgewinnung sind stark beeinträchtigt. Planen und danach handeln sind ihr kaum möglich. Seit dem Tod der Großmutter fehlen ihr die sozialen Kontakte.

2. Welche Ihrer Angelegenheiten kann die betroffene Person aus diesem Grund nicht ohne die Gefahr eines Nachteils für sich besorgen? Ist sie insbesondere in der Lage selbständig Vollmachten oder Aufträge zu erteilen?

Die BE benötigt einen Sachwalter für finanzielle Angelegenheiten sowie zur Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden und privaten Vertragspartnern. Sie ist nicht in der Lage selbstständig Vollmachten oder Aufträge zu erteilen

3. Ist die betroffene Person ausreichend entscheidungsfähig, um über medizinische Behandlungen oder die Wahl ihres Wohnortes bestimmen zu können?

Die Betroffene benötigt Unterstützung in medizinischen Belangen, da sie nie zum Arzt gegangen ist und das auch unnötig findet. Da sie kaum soziale Kontakte hat wäre eine betreute Wohngemeinschaft für ihr Wohl am besten. Sie ist nicht ausreichend entscheidungsfähig über die Wahl ihres Wohnortes zu bestimmen.

4. Ist die betroffene Person fähig, der mündlichen Verhandlung bei Gericht zu folgen oder wäre die Anwesenheit in der Verhandlung ihrem Wohl abträglich?

Die BE kann der mündlichen Verhandlung nur eingeschränkt folgen. Die Teilnahme daran ist ihrem Wohle nicht abträglich.

Pension

Mit Telefax vom legte die Erwachsenenvertreterin eine Pensionsbestätigung des der Magistratsdirektion der Stadt Wien, Personalstelle ***26***, Referat Pensionen, für 11 / 20 vor, wonach der Bf ein Betrag von € 1.693,20 überwiesen werde. Diese Zahlung betreffen Bezüge für September, Oktober und November 2020, jeweils Versorgungsgenuss € 454,86 brutto, Versorgungsgenusszulage € 109,39 brutto und Kinderzulage € 14,53 brutto, abzüglich monatlicher Pensionsbeitrag von € 14,38.

Gutachten des Sozialministeriumservice vom 16./

Folgend angeführtes Gutachten des Sozialministeriumservice ist im elektronisch vorgelegten Finanzamtsakt enthalten:

Am 16./ erstattete das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, BASB Landesstelle Wien, folgendes Sachverständigengutachten:

Sachverständigengutachten
(mit Untersuchung)
nach der
Einschätzungsverordnung (BGBI. II Nr. 261/2010)


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Name des/der Untersuchten:
***1*** ***2***
Geschlecht:
Weiblich
Geburtsdatum:
***14***
Verfahrensordnungsbegriff:
***15***
Wohnhaft in
***4***, ***3***, Österreich
Identität nachgewiesen durch:
Personalausweis
Rechtsgebiet:
Verfahren:
Familienlastenausgleichsgesetz
Begutachtung durchgeführt am
In der Zeit
Von 09:20 bis 10:50 Uhr
Untersuchung:
In der Landesstelle des Sozialministeriumservice
Dolmetsch anwesend: NEIN
Name:
Begleitperson anwesend: JA
Name: ***16*** ***17*** im Auftrag der Erwachsenenvertretung
Begleitperson erforderlich
Nein
Name der / des Sachverständigen
Dr. ***18*** ***19*** ***20*** ***21*** ***22***
Fachgebiet der / des Sachverständigen
Allgemeinmedizin

Anamnese:

Erstbegutachtung, wegen eines nicht eingehaltenen Untersuchungstermin Beschwerde gegen Abweisung.

Augenoperation als Kind , Kieferoperation im 16. LJ

wegen einem Hohen Blutdruck nehme sie ein Medikament,

Die Leberwerte seien erhöht gewesen, sie vertrage aber das Legalon nicht

Derzeitige Beschwerden:

Sie habe überhaupt keine Beschwerden

Lt. Aussage des Begleiters bis auf die Intelligenzminderung keine Erkrankungen bekannt.

Diese sei nach dem Tod ihrer Großmutter bei der sie gelebt hatte, 2020 konstatiert worden, habe aber sicher schon länger bestanden

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Carvedilol,

Sozialanamnese:

in Österreich geboren, habe 4 Jahre in die Volksschule , Hauptschule gegangen und habe einen polytechnischen Lehrgang gemacht, sie habe als Raumpflegerin und zuletzt beim ***13*** bis vor ca. 10 Jahren gearbeitet, seither habe sie immer wieder Arbeit gesucht, wegen dem Corona gehe es nicht. Lt. Aussage des Betreuers habe sie eine Tagesstruktur immer wieder abgelehnt, weil sie "nicht behindert sei" Pension bekomme sie erst 2035, wenn sie 60 sei, kein PG, Erwachsenenvertretung seit 2020, sie wohne alleine in einer Gemeindewohnung, wo die Großmutter auch gewohnt habe, keine Freundinnen, keine Beziehung, schaue sich Filme an. Gehe viel aus, sie sei kein Stubenhocker. Sie könne alleine einkaufen, ihr Begleiter komme einmal in der Woche und besprechen ob etwas anstehe und ev. zu koordinieren sei. Ihre Mutter lebe sie noch, die besuche sie einmal wöchentlich, andere Verwandtschaft lebe in NÖ.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

2021-2 Dr. ***23***, PÄ: mentalse Retardierung, soziale Anpassungsstörung, arterielle Hypertonie, chron. Äthylismus, Äthyl. HEpatopathie

2020-8 Dr. ***8*** ***9*** - ***10***, Fachärztin für Neurologie: Leichtgradige Intelligenzminderung, Die BE benötigt einen Sachwalter für finanzielle Angelegenheiten sowie Vertretung gegenüber Ämtern und Behörden und privaten Vertragspartnern. Die Betroffene benötigt Unterstützung in medizinischen Belangen, da sie nie zum Arzt gegangen ist und das auch unötig findet. Da sie kaum soziale Kontakte hat, wäre eine betreute Wohngemeinschaft für ihr Wohl am besten.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

45 jährige Frau in gutem Allgemeinzustand

Ernährungszustand:

gut

Größe: 162,00 cm Gewicht: 6o,oo kg Blutdruck: 130/80

Status (Kopf / Fußschema) - Fachstatus:

Caput: HNAPfrei, Rachen bland, Lichtreaktion unauffällig

Collum: Halsorgane unauffällig

Thorax: symmetrisch, Cor HT rein, rhythmisch, n.f.

Pulmo: VA, sonorer KS

Abdomen: BD üb.TN, Hepar am RB, keine pathologischen Resistenzen tastbar

WS: im Lot, FBA: 5 cm, altersentsprechend frei beweglich

Extremitäten: keine Ödeme, altersentsprechend frei beweglich,

Haut: unauffällig

Gesamtmobilität- Gangbild

kommt mit Konfektionsschuhen frei gehend weitgehend unauffällig und sicher, Zehenballen- und Fersengang sowie Einbeinstand beidseits möglich. Die tiefe Hocke wird ohne Anhalten nahezu vollständig durchgeführt.

Psycho(patho)logischer Status:

einfach strukturiert, spricht schwer verständlich, aber nach Eingewöhnung doch mit unauffälligem Ductus, Denkziel wird erreicht, etwas oppositionell, Gedanken in Form und Inhalt geordnet, Rechen und Schreibschwäche, keine produktive oder psychotische Symptomatik, Antrieb unauffällig, Stimmung dysthym

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:


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Lfd. Nr
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Rahmensätze:
Pos.Nr.
GdB%
1
Leichtgradige IntelligenzminderungHeranziehung dieser Position mit dem oberen Rahmensatz, da kaumSozialkontaktejedoch überwiegend gegebene Alltagsselbstständigkeit
40
2
Hepatopathieoberer Rahmensatz, da eingeschränkte Syntheseleistung
20
3
arterielle Hypertoniefixer Rahmensatz
20

Gesamtgrad der Behinderung: 40 v.H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Leiden 2 erhöht nicht weiter, da keine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht.

Leiden 3 erhöht nicht, da von zu geringer funktioneller Relevanz

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Stellungnahme zu Vorgutachten:

keines vorliegend

Der festgestellte Grad der Behinderung wird voraussichtlich mehr als 3 Jahre andauern:
X ja O nein

GdB liegt vor seit: 08/2020

Begründung - GdB liegt rückwirkend vor:

Rückwirkung ab dem Gutachten von Dr. ***8*** ***9*** - ***10***

Frau ***1*** ***2*** ist voraussichtlich dauernd außerstande, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen: NEIN

Anmerkung bzw. Begründung betreffend die Fähigkeit bzw. voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen:

Es liegt kein Leiden vor, das eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit bedingt

X Dauerzustand

Gutachten erstellt am von Dr. ***18*** ***19*** ***20*** ***21*** ***22***
Gutachten vidiert am von Dr. ***24*** ***25***

Beschwerdevorentscheidung

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , zugestellt am , wies das Finanzamt Österreich die Beschwerde als unbegründet ab. Die Begründung dazu lautet:

Sie beantragen durch Ihren Erwachsenvertreter ... die Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe.

Gemäß § 2 Abs. 1 lit c Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) in der ab gültigen Fassung besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder währen einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit ist durch eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Im gegenständlichen Fall wurde vom Sozialministeriumservice im Sachverständigengutachten vom ein Grad der Behinderung von 40% ab ohne dauernde Erwerbsunfähigkeit bescheinigt. Zu diesem Zeitpunkt befanden Sie sich im 45.Lebensjahr.

Da die gemäß FLAG 1967 erforderliche dauernde Erwerbsunfähigkeit nicht festgestellt wurde, war daher laut oben genannter gesetzlicher Bestimmung spruchgemäß zu entscheiden.

Vorlageantrag

Mit Schreiben vom (Postaufgabe am ) stellte die Bf durch ihre Erwachsenenvertreterin Vorlageantrag ohne auf die Ausführungen in der Beschwerdevorentscheidung und im Gutachten des Sozialministeriums einzugehen.

Vorlage

Mit Bericht vom legte das Finanzamt Österreich die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und führte unter anderem aus:

Bezughabende Normen

§ 2 Abs. 1 lit c FLAG 1967

Sachverhalt und Anträge

Sachverhalt:

Die Erwachsenenvertreterin ... beantragt für Frau ***2*** ***1*** (geb. ***14***) die Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe rückwirkend auf die maximale Dauer.

Der erste Untersuchungstermin beim Sozialministerium wurde nicht wahrgenommen.

Im Zuge des Beschwerdeverfahrens stellte das SMS einen Grad der Behinderung von 40% ab ohne dauernde Erwerbsunfähigkeit fest. Weitere Unterlagen oder Erläuterungen wurden nicht vorgelegt.

Beweismittel:

Anträge Beih 100 und Bei 3

Gutachten des Sozialministeriumservice vom

Stellungnahme:

Das Gutachten des Sozialministeriumservice vom erscheint vollständig (das vorgelegte psychiatrische Gutachten von Frau Dr. ***9***-***10*** wurde berücksichtigt), nachvollziehbar, widerspruchsfrei und schlüssig. Da die Beschwerdeführerin gemäß FLAG nicht voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen (eine dauernde Erwerbsunfähigkeit wurde nicht festgestellt), wird um Abweisung der Beschwerde ersucht.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Die im August 1975 geborene Bf ***1*** ***2*** absolvierte die Volksschule, die Hauptschule und den Polytechnischen Lehrgang. Nach Beendigung der Schulpflicht arbeitete die Bf als Raumpflegerin etwa bis 2010, also bis etwa zu ihrem 35. Lebensjahr. Dann hat sie immer wieder Arbeit gesucht. Sie lebte bis zum Tod der Großmutter mit dieser im gemeinsamen Haushalt, jetzt wohnt sie allein in einer Gemeindewohnung. Im Jahr 2020 wurde ein Erwachsenenvertreter für sie bestellt.

Die Bf selbst sieht sich nicht als behindert an. Die Bf selbst und auch ihre Großmutter lehnten es ab, dass die intelligenzgeminderte Bf einen Arzt aufsuche, daher gibt auch keine ärztlichen Befunde vor dem Jahr 2020.

Die Bf leidet an einer leichtgradigen Intelligenzminderung mit überwiegend gegebener Alltagsselbständigkeit, aber kaum Sozialkontakten. Weiters sind eine Hepatopathie und eine arterielle Hypertonie diagnostiziert. Seit August 2020 (erste Untersuchung durch die vom Pflegschaftsgericht bestellte Gutachterin) ist ein Grad der Behinderung vom 40% durch das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen bescheinigt. Eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit ist nicht bescheinigt.

Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage, insbesondere die Gutachten Dr. ***8*** ***9***-***10*** und Dr. ***18*** ***19*** ***20*** ***21*** ***22***.

Rechtsgrundlagen

§ 6 FLAG 1967 lautet i. d. F. BGBl. I Nr. 111/2010 (anzuwenden ab , bzw. , § 55 Abs. 17 FLAG 1967):

§ 6. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben auch minderjährige Vollwaisen, wenn

a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und

c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

(2) Volljährige Vollwaisen haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie

a) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind anzuwenden; oder

b) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird, oder

c) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen Beendigung des Präsenz- oder Zivildienstes und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes begonnen oder fortgesetzt wird, oder

d) wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden, oder

e) (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 111/2010)

f) In dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; Vollwaisen die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,

g) erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5), das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind nicht anzuwenden,

h) sich in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, in Berufsausbildung befinden und die vor Vollendung des 24. Lebensjahres ein Kind geboren haben oder an dem Tag, an dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, schwanger sind, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres; Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,

i) das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, bis längstens zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums, wenn sie

aa) bis zu dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollendet haben, dieses Studium begonnen haben, und

bb) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums bis zum erstmöglichen Studienabschluss zehn oder mehr Semester beträgt, und

cc) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird,

j) das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, und sich in Berufsausbildung befinden, wenn sie vor Vollendung des 24. Lebensjahres einmalig in der Dauer von acht bis zwölf Monaten eine freiwillige praktische Hilfstätigkeit bei einer von einem gemeinnützigen Träger der freien Wohlfahrtspflege zugewiesenen Einsatzstelle im Inland ausgeübt haben; Vollwaisen, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer.

(3) Für ein Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem die Vollwaise das 18. Lebensjahr vollendet hat und in dem sie ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) bezogen hat, das den Betrag von 10.000 € übersteigt, besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe, wobei § 10 Abs. 2 nicht anzuwenden ist. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens der Vollwaise bleiben außer Betracht:

a) das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht,

b) Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis,

c) Waisenpensionen und Waisenversorgungsgenüsse.

(4) Als Vollwaisen gelten Personen, deren Vater verstorben, verschollen oder nicht festgestellt und deren Mutter verstorben, verschollen oder unbekannt ist.

(5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3).

Mit dem FreiwilligengesetzBGBl. I Nr. 17/2012 wurde in § 6 Abs. 2 FLAG 1967 (für den Beschwerdefall nicht von Bedeutung) am Ende der Punkt durch einen Beistrich ersetzt und folgende lit. k angefügt:

"k) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und teilnehmen am

aa) Freiwilligen Sozialjahr nach Abschnitt 2 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

bb) Freiwilligen Umweltschutzjahr nach Abschnitt 3 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

cc) Gedenkdienst, Friedens- und Sozialdienst im Ausland nach Abschnitt 4 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

dd) Europäischen Freiwilligendienst nach dem Beschluss Nr. 1719/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Einführung des Programms "Jugend in Aktion" im Zeitraum 2007 - 2013."

Das ARÄG 2013 BGBl. I Nr. 138/2013 änderte § 6 Abs. 3 FLAG 1967 wie folgt:

"(3) Ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) einer Vollwaise führt bis zu einem Betrag von 10.000 € in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) der Vollwaise in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem die Vollwaise das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von 10.000 €, so verringert sich die Familienbeihilfe, die der Vollwaise nach § 8 Abs. 2 einschließlich § 8 Abs. 4 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den 10.000 € übersteigenden Betrag. § 10 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) der Vollwaise bleiben außer Betracht:

a) das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht,

b) Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis,

c) Waisenpensionen und Waisenversorgungsgenüsse."

§ 6 Abs. 3 FLAG 1967 i. d. F. ARÄG 2013 ist mit in Kraft getreten und erstmals in Bezug auf das Kalenderjahr 2013 anzuwenden (§ 55 Abs. 24 FLAG 1967).

Mit dem Budgetbegleitgesetz 2016 BGBl. I Nr. 144/2015, ausgegeben am , wurde (für den gegenständlichen Beschwerdefall nicht von Bedeutung) am Ende von § 6 Abs. 2 lit. f FLAG 1967 der Beistrich durch einen Punkt ersetzt und folgende Wortfolge angefügt:

"Diese Regelung findet in Bezug auf jene Vollwaisen keine Anwendung, für die vor Vollendung des 24. Lebensjahres Familienbeihilfe nach lit. k gewährt wurde und die nach § 12c des Zivildienstgesetzes nicht zum Antritt des ordentlichen Zivildienstes herangezogen werden,"

Die Novelle BGBl. I Nr. 156/2017 fügte (für den Beschwerdefall nicht von Bedeutung) an das Ende von § 6 Abs. 2 lit. b FLAG 1967 folgenden Wortlaut an (Inkrafttreten jeweils ):

"das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem ehestmöglichen Beginn eines Freiwilligen Dienstes nach § 6 Abs. 2 lit. k sublit. aa bis dd für längstens drei Monate, oder"

und änderte § 6 Abs. 2 lit. c FLAG 1967 wie folgt (ebenfalls für den Beschwerdefall nicht von Bedeutung):

"das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder eines Freiwilligen Dienstes nach § 6 Abs. 2 lit. k sublit. aa bis dd und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder Freiwilligen Dienstes nach § 6 Abs. 2 lit. k sublit. aa bis dd begonnen oder fortgesetzt wird, oder"

Mit der Novelle BGBl. I Nr. 77/2018 wurde § 6 FLAG 1967 neuerlich geändert, und zwar rückwirkend ab (§ 55 Abs. 39 FLAG 1967). In dieser Fassung lautet § 6 FLAG 1967:

§ 6. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben auch minderjährige Vollwaisen, wenn

a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und

c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

(2) Volljährige Vollwaisen haben Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie

a) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind anzuwenden; oder

b) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem Beginn einer weiteren Berufsausbildung, wenn die weitere Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach Abschluss der Schulausbildung begonnen wird, oder das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen dem Abschluss der Schulausbildung und dem ehestmöglichen Beginn eines Freiwilligen Dienstes nach § 6 Abs. 2 lit. k sublit. aa bis dd für längstens drei Monate, oder

c) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder eines Freiwilligen Dienstes nach § 6 Abs. 2 lit. k sublit. aa bis dd und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes oder Freiwilligen Dienstes nach § 6 Abs. 2 lit. k sublit. aa bis dd begonnen oder fortgesetzt wird, oder

d) wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, sofern die Vollwaise nicht einen eigenständigen Haushalt führt; dies gilt nicht für Vollwaisen, die Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sind, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden, oder

(Anm.: lit. e aufgehoben durch BGBl. I Nr. 111/2010)

f) In dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; Vollwaisen die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer. Diese Regelung findet in Bezug auf jene Vollwaisen keine Anwendung, für die vor Vollendung des 24. Lebensjahres Familienbeihilfe nach lit. k gewährt wurde und die nach § 12c des Zivildienstgesetzes nicht zum Antritt des ordentlichen Zivildienstes herangezogen werden,

g) erheblich behindert sind (§ 8 Abs. 5), das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; § 2 Abs. 1 lit. b zweiter bis letzter Satz sind nicht anzuwenden,

h) sich in dem Monat, in dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, in Berufsausbildung befinden und die vor Vollendung des 24. Lebensjahres ein Kind geboren haben oder an dem Tag, an dem sie das 24. Lebensjahr vollenden, schwanger sind, bis längstens zur Vollendung des 25. Lebensjahres; Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,

i) das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, bis längstens zum erstmöglichen Abschluss eines Studiums, wenn sie

aa) bis zu dem Kalenderjahr, in dem sie das 19. Lebensjahr vollendet haben, dieses Studium begonnen haben, und

bb) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums bis zum erstmöglichen Studienabschluss zehn oder mehr Semester beträgt, und

cc) die gesetzliche Studiendauer dieses Studiums nicht überschritten wird,

j) das 24. Lebensjahr vollendet haben bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, und sich in Berufsausbildung befinden, wenn sie vor Vollendung des 24. Lebensjahres einmalig in der Dauer von acht bis zwölf Monaten eine freiwillige praktische Hilfstätigkeit bei einer von einem gemeinnützigen Träger der freien Wohlfahrtspflege zugewiesenen Einsatzstelle im Inland ausgeübt haben; Vollwaisen, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,

k) das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und teilnehmen am

aa) Freiwilligen Sozialjahr nach Abschnitt 2 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

bb) Freiwilligen Umweltschutzjahr nach Abschnitt 3 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

cc) Gedenkdienst, Friedens- und Sozialdienst im Ausland nach Abschnitt 4 des Freiwilligengesetzes, BGBl. I Nr. 17/2012,

dd) Europäischen Freiwilligendienst nach dem Beschluss Nr. 1719/2006/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Einführung des Programms "Jugend in Aktion" im Zeitraum 2007 - 2013.

(3) Ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) einer Vollwaise führt bis zu einem Betrag von 10.000 € in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) der Vollwaise in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem die Vollwaise das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von 10.000 €, so verringert sich die Familienbeihilfe, die der Vollwaise nach § 8 Abs. 2 einschließlich § 8 Abs. 4 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den 10.000 € übersteigenden Betrag. § 10 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 33 Abs. 1 EStG 1988) der Vollwaise bleiben außer Betracht:

a) das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht,

b) Entschädigungen aus einem anerkannten Lehrverhältnis,

c) Waisenpensionen und Waisenversorgungsgenüsse.

(4) Als Vollwaisen gelten Personen, deren Vater verstorben, verschollen oder nicht festgestellt und deren Mutter verstorben, verschollen oder unbekannt ist.

(5) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).

(6) § 6 Abs. 5 gilt nicht für Personen im Sinne des § 1 Z 3 und Z 4 des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, sofern die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes, BGBl. Nr. 144/1969, auf sie Anwendung finden.

Die Materialien (IA 386/A NR 26. GP) begründen diese Änderung unter anderem so:

Eltern, deren Kinder nicht zu ihnen haushaltszugehörig sind (ohne tatsächlicher oder fiktiver Haushaltszugehörigkeit im Sinne des § 2 Abs. 5) und die ihren Kindern nicht überwiegend Unterhalt leisten, haben keinen Anspruch auf Familienbeihilfe.

Für den Fall, dass keinem Elternteil ein Anspruch auf Familienbeihilfe zusteht, besteht durch eine Sonderregelung die subsidiäre Möglichkeit, dass das Kind für sich selbst die Familienbeihilfe beanspruchen kann (Eigenanspruch auf Familienbeihilfe). Ein solcher Eigenanspruch ist nach der derzeitigen Rechtslage ausgeschlossen, wenn sich die Kinder auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngeren Judikatur zum Ausdruck gebracht, dass in Konstellationen, bei denen typischer Unterhalt der Kinder (überwiegend) durch die öffentliche Hand gedeckt ist, ein Anspruch auf die Familienbeihilfe ausgeschlossen ist, wobei es nicht auf die Form der Unterbringung ankommt. Die in diesem Zusammenhang stehende Thematik, inwieweit ein Beitrag zu den Unterhaltskosten trotzdem einen Anspruch vermitteln kann, ist durch eine gesetzliche Präzisierung zu lösen.

Es soll nun sichergestellt werden, dass ein Eigenanspruch des Kindes auf Familienbeihilfe auch dann gegeben ist, wenn das Kind selbst aufgrund eines sozialversicherungsrechtlichen Anspruches (z.B. Pflegegeld) oder aufgrund einer eigenen Erwerbstätigkeit regelmäßig zur Deckung der Unterhaltskosten beiträgt. Gleiches soll gelten, sofern die Eltern zwar nicht überwiegend jedoch zumindest teilweise regelmäßig zum Unterhalt ihres Kindes beitragen.

Sofern der Unterhalt des Kindes zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe (bei Aufenthalt in einer sozialpädagogischen Einrichtung) oder zur Gänze aus Mitteln der öffentlichen Hand (zB durch eine Bedarfsorientierten Mindestsicherung oder die Grundversorgung) getragen wird, ohne dass ein oben angesprochener Beitrag geleistet wird, soll kein Anspruch auf die Familienbeihilfe bestehen, da in diesen Fällen der Mindestunterhalt des Kindes bereits vollständig durch Mittel der öffentlichen Hand sichergestellt ist.

Diese Regelungen sollen in Bezug auf alle Kinder gelten, grundsätzlich auch für Kinder, die erheblich behindert sind und demzufolge die erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, sowie in Bezug auf Vollwaisen.

In Bezug auf erheblich behinderte Kinder, die nicht fähig sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, soll durch eine Sonderregelung der Anspruch auf die erhöhte Familienbeihilfe jedenfalls gegeben sein, wenn sie einen eigenständigen Haushalt führen. Eine eigenständige Haushaltsführung wird in der Regel dann vorliegen, wenn das Kind über eine Wohnung verfügt, in welcher es sich um die allgemeinen Dinge der Lebensführung - wenn auch mit punktueller Unterstützung - selbständig kümmert, keiner regelmäßigen Aufsicht unterliegt und seinen Tagesablauf selbst strukturieren kann. In diesem Fall soll die Leistung der Bedarfsorientierten Mindestsicherung einem Anspruch auf die erhöhte Familienbeihilfe nicht entgegenstehen.

Im Falle von Maßnahmen, die nach dem Strafvollzugsgesetz angeordnet werden, bei welchen es sich insbesondere um den Vollzug einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme handelt, soll ein Eigenanspruch der betroffenen Personen ausgeschlossen werden.

Gemäß den Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes besteht eine Verpflichtung der öffentlichen Hand für den Unterhalt dieser betroffenen Personen umfassend zu sorgen. Jene Unterhaltsbedürfnisse, die im Zuge des Vollzuges einer Freiheitsstrafe bzw. des Vollzuges einer vorbeugenden Maßnahme, die mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist, typischerweise anfallen, werden von der öffentlichen Hand ausreichend gedeckt.

§ 8 FLAG 1967 lautet:

§ 8. (1) Der einer Person zustehende Betrag an Familienbeihilfe bestimmt sich nach der Anzahl und dem Alter der Kinder, für die ihr Familienbeihilfe gewährt wird.

(2) Die Familienbeihilfe beträgt monatlich

(Anm.: Z 1 mit Ablauf des außer Kraft getreten)

(Anm.: Z 2 mit Ablauf des außer Kraft getreten)

3. ab

a) 114 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats der Geburt,

b) 121,9 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 3. Lebensjahr vollendet,

c) 141,5 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 10. Lebensjahr vollendet,

d) 165,1 € für jedes Kind ab Beginn des Kalendermonats, in dem es das 19. Lebensjahr vollendet.

(3) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind

(Anm.: Z 1 mit Ablauf des außer Kraft getreten)

(Anm.: Z 2 mit Ablauf des außer Kraft getreten)

3. ab , wenn sie

a) für zwei Kinder gewährt wird, um 7,1 €,

b) für drei Kinder gewährt wird, um 17,4 €,

c) für vier Kinder gewährt wird, um 26,5 €,

d) für fünf Kinder gewährt wird, um 32 €,

e) für sechs Kinder gewährt wird, um 35,7 €,

f) für sieben und mehr Kinder gewährt wird, um 52 €.

(4) Die Familienbeihilfe erhöht sich monatlich für jedes Kind, das erheblich behindert ist,

(Anm.: Z 1 mit Ablauf des außer Kraft getreten)

(Anm.: Z 2 mit Ablauf des außer Kraft getreten)

3. ab um 155,9 €.

(5) Als erheblich behindert gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muß mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

(6) Der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.

(6a) Für eine Person, bei der eine dauernde Erwerbsunfähigkeit nach § 2 Abs. 1 lit. c festgestellt wurde, besteht kein Anspruch auf die erhöhte Familienbeihilfe, wenn sie in einem Kalenderjahr ein Einkommen bezieht, das die in § 5 Abs. 1 festgelegte Grenze übersteigt. Wenn das Einkommen in einem nachfolgenden Kalenderjahr unter der in § 5 Abs. 1 festgelegten Grenze liegt, lebt der Anspruch auf die erhöhte Familienbeihilfe wieder auf. Wenn die Erwerbsunfähigkeit nach § 2 Abs. 1 lit. c als Dauerzustand festgestellt wurde, ist kein weiteres Sachverständigengutachten erforderlich.

(7) Die Abs. 4 bis 6 gelten sinngemäß für Vollwaisen, die gemäß § 6 Anspruch auf Familienbeihilfe haben.

(8) Für jedes Kind, das in einem Kalenderjahr das 6. Lebensjahr bereits vollendet hat oder vollendet und das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erhöht sich die Familienbeihilfe für den September dieses Kalenderjahres um 100 €.

(9) Die Familienbeihilfe erhöht sich für den September 2020 um eine Einmalzahlung von 360 € für jedes Kind. Der Aufwand für die Auszahlung dieser Einmalzahlung im September 2020 ist aus Mitteln des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds zu tragen.

§ 10 FLAG 1967 lautet:

§ 10. (1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt; die Erhöhung der Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) ist besonders zu beantragen.

(2) Die Familienbeihilfe wird vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

(3) Die Familienbeihilfe und die erhöhte Familienbeihilfe für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4) werden höchstens für fünf Jahre rückwirkend vom Beginn des Monats der Antragstellung gewährt. In bezug auf geltend gemachte Ansprüche ist § 209 Abs. 3 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, anzuwenden.

(4) Für einen Monat gebührt Familienbeihilfe nur einmal.

(5) Minderjährige, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, bedürfen zur Geltendmachung des Anspruches auf die Familienbeihilfe und zur Empfangnahme der Familienbeihilfe nicht der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters.

§ 11 FLAG 1967 lautet:

§ 11. (1) Die Familienbeihilfe wird, abgesehen von den Fällen des § 4, monatlich durch das Finanzamt Österreich automationsunterstützt ausgezahlt.

(2) Die Auszahlung erfolgt durch Überweisung auf ein Girokonto bei einer inländischen oder ausländischen Kreditunternehmung. Bei berücksichtigungswürdigen Umständen erfolgt die Auszahlung mit Baranweisung.

(3) Die Gebühren für die Auszahlung der Familienbeihilfe im Inland sind aus allgemeinen Haushaltsmitteln zu tragen.

§ 12 FLAG 1967 lautet:

§ 12. (1) Das Finanzamt Österreich hat bei Entstehen oder Wegfall eines Anspruches auf Familienbeihilfe eine Mitteilung auszustellen. Eine Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe ist auch über begründetes Ersuchen der die Familienbeihilfe beziehenden Person auszustellen.

(2) Wird die Auszahlung der Familienbeihilfe eingestellt, ist die Person, die bislang die Familienbeihilfe bezogen hat, zu verständigen.

§ 13 FLAG 1967 lautet:

§ 13. Über Anträge auf Gewährung der Familienbeihilfe hat das Finanzamt Österreich zu entscheiden. Insoweit einem Antrag nicht oder nicht vollinhaltlich stattzugeben ist, ist ein Bescheid zu erlassen.

§ 15 FLAG 1967 lautet:

§ 15. (1) Für Personen, die im Zeitraum von einschließlich März 2020 bis einschließlich Februar 2021 für zumindest einen Monat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein Kind haben, finden die während dieses Zeitraumes vorliegenden Anspruchsvoraussetzungen im unmittelbaren Anschluss an den Anspruchszeitraum bis März 2021 in Bezug auf dieses Kind weiter Anwendung, solange während dieses Zeitraumes keine andere Person anspruchsberechtigt wird.

(2) Für die Maßnahme nach Abs. 1 ist ein Betrag von höchstens 102 Mio. Euro aus Mitteln des COVID 19-Krisenbewältigungsfonds bereitzustellen.

Die in § 8 Abs. 5 FLAG 1967 genannte Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung), BGBl. II Nr. 261/2010, lautet in der Fassung BGBl. II Nr. 251/2012:

Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Inkrafttreten

Die Verordnung tritt mit dem auf die Kundmachung folgenden Tag in Kraft.

In der Anlage zur Verordnung werden die Rahmensätze für die einzelnen Erkrankungen verbindlich angegeben.

Aus der Anlage zur Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010:

03.01 Kognitive Leistungseinschränkung

Die Beurteilung der kognitiven Leistungsbreite erfolgt unabhängig der Ursachen (angeborene, posttraumatische, genetische, entzündliche oder toxisch bedingte Leistungsminderung) abhängig vom Ausmaß der Einschränkungen.

Auf kognitive Funktionsbehinderungen zurückgeführte Sprach - und Artikulationsstörungen bis hin zur Aphasie sind zu berücksichtigen.

Familienbeihilfe für volljährige erheblich behinderte Kinder

Der Bezug von Familienbeihilfe für volljährige erheblich behinderte Kinder ist an folgende Voraussetzungen geknüpft:

Erhöhungsbetrag setzt Anspruch auf den Grundbetrag voraus

Anspruch auf den Erhöhungsbetrag wegen erheblicher Behinderung besteht nur, wenn auch Anspruch auf den Grundbetrag besteht ().

Wird die gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöhte Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung beantragt, handelt es sich um ein einziges Anbringen (§ 85 BAO), auch wenn für die Gewährung des Erhöhungsbetrages ein eigenes weiteres Formular (Beih 3) zusätzlich zum Formular Beih 1 und für die Feststellung der erheblichen Behinderung ein eigenes weiteres Verfahren im Rahmen des Familienbeihilfenverfahrens vorgesehen ist. Im Fall einer bescheidmäßigen Erledigung (§ 13 FLAG 1967) ist daher über das gesamte Anbringen zu entscheiden, also im Fall einer entsprechenden Antragstellung sowohl über den Grundbetrag nach § 8 Abs. 2 FLAG 1967 auch über allfällige Erhöhungsbeträge nach § 8 Abs. 3 FLAG 1967 bzw. nach § 8 Abs. 4 FLAG 1967 ().

Es ist aber auch zulässig, zunächst die Familienbeihilfe (Grundbetrag) gemäß § 10 Abs. 1 FLAG 1967 zu beantragen (Beih 1) und erst später, beispielsweise weil Beweismittel noch nicht vorliegen oder erst nachträglich das Vorliegen einer erheblichen Behinderung erkannt wurde, den Erhöhungsbetrag (Beih 3) zu beantragen. Ebenso kann zunächst mit dem Formular Beih 3 der Erhöhungsbetrag beantragt werden; dies gilt, wenn bisher keine Familienbeihilfe für den Antragszeitraum bezogen wurde, als Antragstellung auf Familienbeihilfe samt Erhöhungsbetrag.

§ 13 FLAG 1967 Satz 2 ist in Verbindung mit §§ 11, 12 FLAG 1967 grundsätzlich so zu verstehen, dass der Bescheidspruch im Familienbeihilfeverfahren bei erstmaliger Erlassung eines Bescheides nur auf (gänzliche oder teilweise) Abweisung eines Beihilfenantrags bezogen auf einen bestimmten Zeitraum lauten kann, während die (gänzliche oder teilweise) Stattgabe eines Beihilfenantrags bezogen auf einen bestimmten Zeitraum grundsätzlich im Wege der Auszahlung nach § 11 FLAG 1967, verbunden mit einer Mitteilung nach § 12 FLAG 1967, zu erfolgen hat. Ist für einen Kalendermonat ein Antrag nicht zur Gänze abzuweisen oder einem Antrag nicht zur Gänze Folge zu geben, sondern einem Antrag nur teilweise Folge zu geben, ist insoweit, als dem Antrag nicht Folge gegeben wird, ein Abweisungsbescheid zu erlassen, ansonsten mit Auszahlung vorzugehen ().

Erhöhte Familienbeihilfe

Besteht ein Anspruch auf Familienbeihilfe (Grundbetrag) gemäß § 2 Abs. 1 lit. a, b, d, e, g, i, j, k oder l FLAG 1967 oder gemäß § 6 Abs. 1 oder Abs. 2 lit. a, b, c, f, h, i, j oder k FLAG 1967, steht gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 dem Bezieher der Familienbeihilfe ein Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe zu, wenn das Kind erheblich behindert ist. In diesen Fällen besteht ein Anspruch auf Familienbeihilfe (Grundbetrag) aus anderen Gründen als zufolge einer Behinderung des Kindes, in der Regel wegen Minderjährigkeit oder wegen einer Berufsausbildung.

Anspruchsvoraussetzung für Familienbeihilfe (Grundbetrag und Erhöhungsbetrag) ist gemäß § 2 Abs. 1 lit. c oder h FLAG 1967 oder gemäß § 6 Abs. 2 lit. d oder g FLAG 1967 entweder eine behinderungsbedingte voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit (§ 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967, § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967) oder eine erhebliche Behinderung (§ 2 Abs. 1 lit. h FLAG 1967, § 6 Abs. 2 lit. g FLAG 1967).

Grundbetrag nur, wenn voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig

Der Bf steht nur dann der Grundbetrag an Familienbeihilfe zu, wenn die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 lit. d FLAG 1967 i.V.m. § 6 Abs. 5 FLAG 1967 vorliegen (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 8 Rz 19) :

Voraussichtliche dauernde Erwerbsunfähigkeit

Anspruch auf Familienbeihilfe besteht gemäß § 2 Abs. 1 lit. c FLAG 1967 und § 6 Abs. 1 lit. d FLAG 1967, und zwar auf erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967, für Kinder, wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden.

Selbsterhaltungsfähigkeit ist gegeben, wenn das Kind sämtliche Unterhaltsbedürfnisse im Rahmen der bestimmten konkreten Lebensverhältnisse aus eigenen Kräften zu finanzieren imstande ist, und zwar auch außerhalb des elterlichen Haushalts. Selbsterhaltungsfähig ist ein Kind nur dann, wenn es auf sich allein gestellt mit seinen Einkünften alle Lebensbedürfnisse, also auch den (allenfalls fiktiven) Geldaufwand zur Erlangung notwendiger Pflege- und Erziehungsleistungen, decken könnte (vgl. ). "Sich selbst den Unterhalt zu verschaffen" bedeutet, dass das Kind grundsätzlich auf dem "Ersten Arbeitsmarkt", also dem regulären Arbeitsmarkt, vermittelbar ist und so imstande ist, sich selbst ohne Zuwendungen anderer und ohne staatliche Zuschüsse zu erhalten (vgl. ).

Die alleinige Beschäftigungsmöglichkeit in einer "geschützten Behindertenwerkstätte" führt nicht zu einer Selbsterhaltungsfähigkeit, da sich in diesem Fall das Kind den Unterhalt nicht selbst verschafft, sondern durch staatlich oder karitativ finanzierte Einrichtungen alimentiert wird. Würde eine Person etwa nur bei Vorliegen von im Wesentlichen karitativen Motiven eines Arbeitsgebers oder zu therapeutischen Zwecken beschäftigt werden, ohne dass der Arbeitgeber realistischerweise eine Arbeitsleistung erwarten könnte und würde der Beschäftigte dabei lediglich eine Art Taschengeld erhalten, reicht dies noch nicht aus, um von der Selbsterhaltungsfähigkeit dieser Person auszugehen (vgl. ; ). Von behinderten Personen werden immer wieder, oft wiederholt, Versuche unternommen, sich in das Erwerbsleben einzugliedern, bei denen jedoch die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie aus medizinischen Gründen auf längere Sicht zum Scheitern verurteilt sein werden (vgl. ). Derartige Arbeitsversuche dokumentieren keine Erwerbsfähigkeit (vgl. ).

Nachweisführung

§ 8 Abs. 6 FLAG 1967 bestimmt zur Lösung der Frage, ob das Kind behindert oder voraussichtlich dauernd unfähig ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, die Nachweisführung ausschließlich durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (früher: Bundessozialamt, jetzt: Sozialministeriumservice).

Diese Bescheinigung hat gemäß § 8 Abs. 6 FLAG 1967 auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens zu erfolgen.

Dem um die Erstattung des Gutachtens ersuchten Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen kommt die Befugnis zur Entscheidung (Zuerkennung oder Abweisung) über den Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe nicht zu (vgl. ). Das von ihm zu erstattende Gutachten hat den Befund und die daraus abgeleiteten fachlichen Schlüsse (Gutachten im engeren Sinn) in nachvollziehbarer Weise darzustellen (vgl. etwa ).

Die Beweisregelung des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 geht als Spezialnorm den allgemeinen Bestimmungen des § 166 BAO betreffend Beweismittel und des § 177 BAO betreffend den Sachverständigenbeweis vor (vgl. Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 8 Rz 12 m w.N.), schließt deren ergänzende Anwendung aber nicht aus (vgl. ).

Bei der Antwort auf die Frage, ob das Kind erheblich behindert war bzw. ist oder dauernd außerstande war bzw. ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, ist die Behörde bzw. das Bundesfinanzgericht an die der Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen zugrunde liegenden Gutachten grundsätzlich gebunden und darf diese nur insoweit prüfen, ob sie schlüssig und vollständig und nicht einander widersprechend sind (vgl. ; , und die bei Lenneis in Lenneis/Wanke, FLAG 2.A. 2020 § 8 Rz 29 zitierte Rechtsprechung). Die Beihilfenbehörden haben bei ihrer Entscheidung grundsätzlich von dieser durch ärztliche Gutachten untermauerten Bescheinigung auszugehen (vgl. ).

Es besteht nach der Rechtsprechung beider Gerichtshöfe öffentlichen Rechts zu § 8 Abs. 6 FLAG 1967 jedoch keine unbedingte Bindung an die Bescheinigungen des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliegt die Entscheidung darüber, ob ein Gutachten im Sinne des § 8 Abs. 6 FLAG 1967 unschlüssig oder ergänzungsbedürftig ist, in jedem Fall der Beihilfenbehörde. Eine Gutachtensergänzung oder ein neues Gutachten stellen Beweismittel dar. Das Verwaltungsgericht ist nicht verpflichtet, solche Gutachten in jedem Fall seiner Entscheidung über den geltend gemachten Familienbeihilfenanspruch zugrunde zu legen (vgl. ). Nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes , kann von solchen Gutachten nach "entsprechend qualifizierter Auseinandersetzung" auch abgegangen werden. In ständiger Rechtsprechung wird diese Ansicht vom Verwaltungsgerichtshof geteilt (vgl. ; ; ; ).

Inhaltliche Anforderungen an Gutachten des Sozialministeriumservice

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa , m.w N.) muss ein Sachverständigengutachten, das von einer Behörde - oder einem Verwaltungsgericht (vgl. , m.w.N.) - der jeweiligen Entscheidung zu Grunde gelegt wird, einen Befund und das Gutachten im engeren Sinn enthalten sowie ausreichend begründet sein (vgl. ).

Der Befund besteht in der Angabe der tatsächlichen Grundlagen, auf denen das Gutachten (im engeren Sinn) aufbaut, und der Art, wie sie beschafft wurden. Während somit der Befund die vom Sachverständigen vorgenommenen Tatsachenfeststellungen enthält, bilden die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Fähigkeiten benötigt, das Gutachten im engeren Sinn (vgl. , m.w.N.). Ein Gutachten ist die begründete Darstellung von Erfahrungssätzen und die Ableitung von Schlussfolgerungen für die tatsächliche Beurteilung eines Geschehens oder Zustands auf der Basis des objektiv feststellbaren Sachverhalts durch einen oder mehrere Sachverständige. Sachverständige haben dabei fundierte und wissenschaftlich belegbare konkrete Aussagen zu treffen und dürfen ihre Beurteilungen und Feststellungen nicht auf Spekulationen, sondern ausschließlich auf die festgestellten Tatsachen verbunden mit ihrem fachspezifischen Wissen stützen (vgl. für viele ).

Die Behörde hat - im Rahmen ihrer Pflicht zur amtswegigen Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes (§ 115 BAO) - ein Gutachten eines Sachverständigen auf seine Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit hin zu prüfen und ist dabei auch gehalten, sich im Rahmen der Begründung des Bescheides mit dem Gutachten auseinander zu setzen und es entsprechend zu würdigen (vgl. etwa oder , m.w.N). Auch die Gutachten der Ärzte des Sozialministeriumservice haben den an ärztliche Sachverständigengutachten zu stellenden Anforderungen an ihre Nachvollziehbarkeit zu entsprechen. Sie dürfen sich daher insbesondere nicht widersprechen oder in bloßen Behauptungen erschöpfen (vgl. etwa ). Die Parteien haben die Möglichkeit, Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens im Rahmen des Verfahrens der Behörde aufzuzeigen oder einem Gutachten (etwa durch Beibringung eines eigenen Gutachtens) auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (vgl. , m.w.N.). Die Behörde hat sich dann mit dem Inhalt dieses Gegengutachtens auseinanderzusetzen (vgl. ).

Schlüssigkeit des Gutachtens

Im gegenständlichen Fall kommt es nur darauf an, ob die Bf wegen einer Behinderung vor Vollendung ihres 21. Lebensjahres voraussichtlich außerstande gewesen ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, also einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit, durch die sie ihren Lebensunterhalt bestreitet, nachzugehen. Ob eine Behinderung vor Vollendung des 21. Lebensjahres bestanden hat und bejahendenfalls welchen Grad die Behinderung vor Vollendung ihres 21. Lebensjahres betragen hat, ist nur von Bedeutung, als mittelbar Rückschlüsse auf eine voraussichtliche Erwerbsfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit gezogen werden können (vgl. ).

Das vorliegende Gutachten des Sozialministeriumservice vom 16./ bescheinigt einen Grad der Behinderung von 40% ab August 2020, allerdings keine dauernde Erwerbsunfähigkeit. Der Gutachter legt nachvollziehbar und schlüssig dar, dass kein Leiden vorliegt, das eine dauernde Erwerbsunfähigkeit bedingt. Offenbar besteht das Leiden bereits seit langem, jedoch war die Bf bis weit über das 21. Lebensjahr hinaus in der Lage, einem Beruf nachzugehen und damit ihren Lebensunterhalt zu sichern. Auch wenn heute (wofür eine Bescheinigung fehlt), eine dauernde Erwerbsunfähigkeit vorliegen sollte, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Zustand bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten wäre.

Die Parteien können Unvollständigkeiten und Unschlüssigkeiten eines Gutachtens aufzeigen oder einem Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene entgegnen. Die durch eine Rechtsanwältin als Erwachsenenbetreuer vertretene Bf hat sich zu dem ihr bekannten Gutachten des Sozialministeriumservice vom 16./ im Vorlageantrag nicht einmal geäußert. Es wurde auch nichts dazu vorgebracht, warum die Bf erwerbsunfähig sein sollte und dass bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres, obwohl die Bf bis etwa zu ihrem 35. Lebensjahr gearbeitet hat.

Das Gutachten vom 16./ ist Teil der Begründung der Beschwerdevorentscheidung vom . Der Begründung einer Beschwerdevorentscheidung kommt (wie einer Berufungsvorentscheidung, ) der Charakter eines Vorhalts zu (vgl. ). Auch wenn ein Vorlageantrag gemäß § 264 BAO keiner Begründung bedarf, ist es Sache der Bf, sich im Vorlageantrag mit Ergebnis der bekannt gegebenen Ermittlungen der Behörde auseinanderzusetzen und die daraus gewonnenen Feststellungen zu widerlegen (vgl. ; ; u.a.). Dies hat die Bf nicht getan.

Keine Bescheinigung des Sozialministeriumservice

Kann eine Bescheinigung des Sozialministeriumservice, dass eine voraussichtlich dauernde Erwerbsunfähigkeit bereits vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetreten ist, nicht vorgelegt werden und kann daher der Eintritt einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres nicht festgestellt werden, trifft die Beweislast denjenigen, zu dessen Gunsten die entsprechende Tatsache wirken würde: Das Finanzamt hat die Beweislast für Tatsachen zu tragen, die einem Anspruch auf Familienbeihilfe und/oder den Erhöhungsbetrag entgegenstehen oder einschränken, der Antragsteller für Tatsachen, die den Anspruch auf Familienbeihilfe und/oder den Erhöhungsbetrag begründen oder ausweiten bzw. eine (ihn treffende) gesetzliche Vermutung widerlegen. Bescheinigt das Sozialministeriumservice lege artis den Eintritt einer voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres (vor Abschluss einer Berufsausbildung, aber vor Vollendung des 25. Lebensjahres) nicht, geht dies zu Lasten des Antragstellers (vgl. u.v.a.).

Die Bf konnte den Nachweis einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres eingetretenen voraussichtlich dauernden Erwerbsunfähigkeit mit dem dazu gesetzlich vorgesehenen Beweismittel, einer Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen nicht erbringen. Die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages liegen daher im Beschwerdezeitraum nicht vor.

Keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher nicht als rechtswidrig (Art. 132 Abs. 1 Z 2 B-VG), die gegen ihn gerichtete Beschwerde ist gemäß § 279 BAO als unbegründet abzuweisen.

Nichtzulassung der Revision

Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da es sich um keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt. Das Bundesfinanzgericht folgt der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Wien, am

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Verweise
















ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7103320.2021

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