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Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 15.03.2022, RV/7102231/2021

Verdienstentgangsentschädigung - Einkünfte aus NSA

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Senatsvorsitzenden MMag. Gerald Erwin Ehgartner, die Beisitzerin Mag. Judith Herdin-Winter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Franz Josef Gross und Mag. Gertraud Lunzer in der Beschwerdesache **BF**, vertreten durch BKS Steuerberatung GmbH & Co KG, Sterngasse 13, 3390 Melk, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibs (nunmehr zuständig: Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer 2015, 2016 und 2017 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Anwesenheit der Schriftführerin Mag. Larissa Kusternik zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

II. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer erhielt in den beschwerdegegenständlichen Jahren (sowie nach wie vor) auf Grund eines Kunstfehlers im Rahmen einer medizinischen Operation eine Invaliditätspension und eine jährliche Verdienstentgangsentschädigung. Letztere basiert auf einem zwischen dem Beschwerdeführer und dem Land Niederösterreich abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich vom .

In den Einkommensteuerbescheiden vom wurde die Einkommensteuer für das Jahr 2015 mit EUR 19.455,00, für das Jahr 2016 mit EUR 8.553,00 und für das Jahr 2017 mit EUR 11.687,00 festgesetzt und dazu von der belangten Behörde im Wesentlichen wie folgt ausgeführt:

Die Einkommensteuer der Jahre 2015 bis 2017 ergebe sich aus Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit (Invaliditätspension) sowie aus nichtselbstständigen Einkünften ohne inländischen Steuerabzug (Verdienstentgangsentschädigung). Diese beruhe auf einem gerichtlichen Vergleich. Für die Verdienstentgangsentschädigung sei in den Jahren 2015 bis 2017 ein Fünftel, höchstens ein Fünftel des Neunfachen der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage, steuerfrei belassen worden.

Mit Beschwerde vom beantragte der Beschwerdeführer die Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 2015, 2016 und 2017, da es sich bei den Zahlungen, die im Einkommensteuerbescheid als "nichtselbstständige Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug" tituliert wurden, um echten Schadenersatz handle, welcher nicht der Einkommensteuer unterliege.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Demnach würden Verdienstentgangsentschädigungen, die als Einkommensersatz geleistet und von einer Versicherung ausbezahlt werden, Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit gemäß § 25 iVm § 32 Abs 1 Z 1 lit a EStG darstellen, welche im Veranlagungswege zu erfassen seien. Auf die gegenständlichen Verdienstentgangsentschädigungen sei auf Grund des gerichtlichen Vergleichs die Steuerbegünstigung des § 67 Abs 8 lit a EStG anzuwenden.

Der Ansicht des Beschwerdeführers, wonach sonstige Bezüge im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen seien und die Lohnsteuer als Abzugssteuer vom "Auszahler" im Kalendermonat der Zahlung an die Abgabenbehörde abzuführen sei, sei nicht zu folgen, da nicht der "Auszahler", sondern grundsätzlich der Arbeitgeber die Lohnsteuer an die Abgabenbehörde abführe. Im hier gegenständlichen Fall sei der "Auszahler" der Verdienstentgangsentschädigung die Versicherung und nicht der Arbeitgeber des Beschwerdeführers, da weder eine organisatorische Eingliederung in den Betrieb noch eine Weisungsgebundenheit gegenüber der Versicherung vorliege. Vielmehr ergebe sich aus § 41 Abs 1 Z 1 EStG eine Veranlagungspflicht. Demnach sei der Steuerpflichtige zu veranlagen, wenn im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten sind und dieser andere Einkünfte bezogen hat, deren Gesamtbetrag EUR 730,00 übersteigt. Die Verdienstentgangsentschädigung stelle "andere Einkünfte" in diesem Sinne dar. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer nach § 42 Abs 1 Z 3 EStG auch verpflichtet gewesen eine Steuererklärung abzugeben.

Mit Vorlageantrag vom beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht, die ersatzlose Aufhebung der Einkommensteuerbescheide 2015, 2016 und 2017, sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Entscheidung durch den Senat.

Für die gegenständlichen Jahre würde weder eine Veranlagungs- noch eine Steuererklärungspflicht bestehen, darüber hinaus handle es sich um einen echten Schadenersatz, welcher nicht der Einkommensteuer unterliege.

Mit Vorlagebericht vom beantragte die belangte Behörde die Beschwerden als unbegründet abzuweisen.

Am fand am Bundesfinanzgericht der mündliche Verhandlungstermin statt. Mit den Vertretern des Beschwerdeführers und der belangten Behörde wurden Sach- und Rechtsfragen erörtert.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen

1. Entscheidungsrelevanter Sachverhalt

Der Beschwerdeführer erhielt in den beschwerdegegenständlichen Jahren (sowie nach wie vor) auf Grund eines Kunstfehlers im Rahmen einer medizinischen Operation eine Invaliditätspension und eine Verdienstentgangsentschädigung. Letztere basiert auf einem zwischen dem Beschwerdeführer und dem Land Niederösterreich abgeschlossenen gerichtlichen Vergleich vom . Die Verdienstentgangsentschädigung wird jährlich (bzw alle zwei Jahre) vom Rechtsanwalt des Beschwerdeführers neu berechnet und eingefordert.

Im gegenständlichen gerichtlichen Vergleich findet sich in verfahrensrelevanter Hinsicht Folgendes festgeschrieben:

"Die beklagte Partei verpflichtet sich, dem Kläger binnen 14 Tagen ab Rechtswirksamkeit dieses Vergleiches EUR 98.000,- Kapital (gewidmet: EUR 40.000,- restliches Schmerzengeld, EUR 5.000,- Verunstaltungsentschädigung und EUR 53.000,- Nettoverdienstentgang, einschließlich darauf entfallende Einkommenssteuer), zusätzlich eine Zinsenpauschale von EUR 11.000,- sowie 4 % Zinsen aus EUR 98.000,- seit jährlich zu zahlen."

Derart wurde von der UNIQA Versicherung für die beschwerdegegenständlichen Jahre folgende Überweisung auf das Treuhandkonto des Rechtsanwalts des Beschwerdeführers vorgenommen:

  • 2015: EUR 54.888,45

  • 2016: EUR 30.014,08

  • 2017: EUR 39.333,24.

Die Entschädigungszahlungen wurden vom Beschwerdeführer im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung am bekannt gegeben.

2. Beweiswürdigung

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere aus dem gerichtlichen Vergleich vom und den Vorbringen der Parteien.

Die Höhe der Verdienstentgangsentschädigungszahlungen für die Jahre 2015 bis 2017 ergibt sich aus der Beantwortung des Auskunftsersuchens der belangten Behörde durch die Versicherung (UNIQA) vom . Diese übermittelte eine genaue Aufstellung der getätigten Zahlungen an den Rechtsanwalt des Beschwerdeführers, aufgeteilt auf die verfahrensgegenständlichen Jahre. Die Höhe der von der belangten Behörde angenommenen Beträge wurde darüber hinaus vom Beschwerdeführer nicht beanstandet.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1 Zu Spruchpunkt I. (Beschwerdeabweisung)

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sind Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis. Dazu zählen auch Pensionszusagen, wenn sie ganz oder teilweise anstelle des bisher gezahlten Arbeitslohns gewährt werden (vgl § 25 Abs 1 Z 1 lit a EStG). Zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs 3 EStG gehören auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen einschließlich eines Krankengeldes und vergleichbarer Leistungen gewährt werden (vgl § 32 Abs 1 Z 1 lit a EStG).

Eine Versicherungsleistung, die aus Anlass eines ärztlichen Fehlers an den daraufhin erwerbsunfähigen Steuerpflichtigen in Höhe der Differenz zwischen der Invaliditätspension und dem ohne den Fehler im Erwerbsleben erzielbaren Einkommen gezahlt wird, stellt eine Entschädigung iSd § 32 Abs 1 Z 1 lit a EStG dar und ist damit, im Fall des Ersatzes nichtselbständiger Bezüge, gemäß § 25 iVm § 32 Abs 1 Z 1 lit a EStG steuerpflichtig (vgl Knechtl in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG [2021] § 32 Anm 16; Kanduth-Kristen in Jakom, EStG14 [2021] § 32 Rz 15; ).

Wie oben festgestellt, erhielt der Beschwerdeführer auf Grund eines Kunstfehlers im Rahmen einer medizinischen Operation eine Invaliditätspension und eine jährliche Verdienstentgangsentschädigung. Die Invaliditätspension wird anstelle des bisherigen Arbeitslohns gewährt und stellt Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit dar. Die jährliche Verdienstentgangsentschädigung wird als Ersatz für entgehende Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit geleistet. Die obigen Voraussetzungen liegen hier vor, womit die Steuerpflicht der jährlichen Verdienstentgangsentschädigungszahlungen zu bejahen ist. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers liegt somit kein nicht steuerbarer echter Schadenersatz vor.

Der Beschwerdeführer brachte vor, dass es sich bei der Lohnsteuer um eine Abzugssteuer handle, welche vom "Auszahler" abzuführen sei und somit nicht vom Beschwerdeführer selbst. Dazu ist auszuführen, dass bei Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit (nach § 25 EStG) die Einkommensteuer durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben wird (Lohnsteuer). Dies ist grundsätzlich vom Arbeitgeber (nicht vom "Auszahler"), wenn dieser im Inland eine Betriebsstätte hat, durchzuführen. Nach § 47 Abs 1 EStG ist Arbeitgeber, wer Arbeitslohn im Sinne des § 25 auszahlt. Darunter ist zu verstehen, dass der Arbeitgeber derjenige ist, zu dessen Lasten der Arbeitslohn gezahlt wird und in dessen Bereich der Arbeitnehmer organisatorisch und auf Grund von Weisungsgebundenheit eingegliedert ist. Werden die Lohnzahlungen von einem Dritten übernommen, ist dieser nur dann als Arbeitgeber anzusehen, wenn dem Dritten auch die Arbeitskraft geschuldet wird (vgl Kirchmayr/Denk in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG21a [2021] § 47 Rz 6).

Als Arbeitgeber sind auch die Träger der gesetzlichen Sozialversicherungen anzusehen, soweit sie Pensionen gemäß § 25 Abs 1 Z 3 EStG auszahlen, selbst dann, wenn die Pension nicht mit einem früheren Dienstverhältnis im Zusammenhang steht (Braunsteiger in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG [2021] § 47 Anm 9).

Gegenständlich wird die Verdienstentgangsentschädigung von der Versicherung (UNIQA) des Landes Niederösterreich ausbezahlt. Dieser schuldet der Beschwerdeführer weder seine Arbeitskraft, noch ist er in deren Betrieb organisatorisch eingebunden oder ihr gegenüber weisungsgebunden. Es handelt sich bei dieser auch um keine gesetzliche Sozialversicherung. Die Auszahlung der Verdienstentgangsentschädigungen erfolgte somit durch einen Dritten.

Von dritter Seite bezogene Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit unterliegen nicht dem Lohnsteuerabzug, sondern sind im Wege der Veranlagung zu erfassen (vgl Braunsteiner in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG [2021] § 47 Anm 9). Dies ergibt sich aus § 41 Abs 1 Z 1 EStG. Demnach ist der Steuerpflichtige zu veranlagen, wenn im Einkommen lohnsteuerpflichtige Einkünfte enthalten sind und er andere Einkünfte bezogen hat, deren Gesamtbetrag EUR 730,00 übersteigt. Zu den "anderen Einkünften" gehören Einkünfte aus den übrigen Einkunftsarten sowie Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, die dem Grunde nach nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegen (Peyerl in Jakom, EStG14 [2021] § 41 Rz 5).

Gemäß § 67 Abs 8 lit a EStG (in der gemäß § 124b Z 256 EStG für Auszahlungen, die nach dem erfolgt sind, somit die Jahre 2015 bis 2017 betreffend, anwendbaren Fassung BGBl I 13/2014) sind auf gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichen beruhende Vergleichssummen gemäß Abs 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Fünftel steuerfrei zu belassen, höchstens jedoch ein Fünftel des Neunfachen der monatlichen Höchstbeitragsgrundlage gemäß § 108 ASVG.

Da die Verdienstentgangsentschädigungen aufgrund eines gerichtlichen Vergleiches (siehe Feststellungen) ausbezahlt werden, ist die Steuerbegünstigung des § 67 Abs 8 lit a EStG in der obigen Fassung anzuwenden. Die Einkommensteuerbescheide 2015 bis 2017 wurden von der belangten Behörde im Sinne des obigen Gesetzes korrekt berechnet und waren daher nicht abzuändern.

3.2 Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

In der Beschwerde werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102231.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at