1) Mittelpunkt der Lebensinteressen 2) Steuerpflicht einer schweizerischen Mutterschaftsentschädigung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Peter Steurer in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch die ***A Steuerberatungsgesellschaft***, gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer 2014 zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Im Einkommensteuerbescheid 2014 unterzog das Finanzamt die von der Beschwerdeführerin in der Schweiz erzielten nichtselbständigen Einkünfte der inländischen Besteuerung.
2. Dagegen erhob die steuerliche Vertretung unter Anschluss einer Sachverhaltsdarstellung sowie weiteren Nachweisen (Erklärung Übersiedlungsgut, Aufstellung des Übersiedlungsgutes, Anmeldebestätigung Gemeindeverwaltung ***N***, Mietvertrag vom , Unterrichtsvertrag vom ) mit der Begründung, die Beschwerdeführerin sei nicht in Österreich, sondern in der Schweiz unbeschränkt steuerpflichtig, Beschwerde.
In der ergänzenden Sachverhaltsdarstellung wurde dazu ausgeführt, dass die alleinerziehende Beschwerdeführerin mit ihren beiden Söhnen und dem gesamten Hausrat in die Schweiz übersiedelt sei. Sie habe einen Mietvertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und sei in ***N*** (Schweiz) gemeldet gewesen. Dort seien ab dem Schuljahr 2013/2014 auch ihre beiden Söhne zur Schule gegangen. Per habe die Beschwerdeführerin, der ein unbeschränkter Aufenthaltstitel zuerkannt worden sei, ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossenes Dienstverhältnis beim Stadtkrankenhaus ***T*** begonnen. Per habe sie eine nichtselbständige Tätigkeit im Kinderspital ***S*** aufgenommen, wo sie auch die Chance auf eine dreijährige Facharztausbildung bekommen habe. Aufgrund des langen Weges zum Arbeitsplatz und einer ungeplanten Schwangerschaft habe sie die Schweiz wieder verlassen und sei nach Österreich zurückgekehrt.
3. In der teilweise stattgebenden Beschwerdevorentscheidung schied das Finanzamt die vom Stadtspital ***T*** bezogenen Einkünfte ausgehend von einer Ansässigkeit in der Schweiz bis zur Wohnsitzanmeldung in Vorarlberg () aus der inländischen Bemessungsgrundlage aus, erfasste die Einkünfte vom Kinderspital ***S*** aus verwaltungsökonomischen Gründen aber bereits ab dem .
4. Mit Vorlageantrag vom beantragte die steuerliche Vertretung die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht. Die Beschwerdeführerin sei im Juni 2014, wie sich aus dem Monatslohnausweis ergebe, in der Schweiz steuerpflichtig gewesen. Zudem habe sie im Dezember 2014 den angeschlossenen Beilagen zufolge ein Mutterschaftsgeld bezogen, welches dem österreichischen Kinderbetreuungsgeld gleichzusetzen und in Österreich daher nicht steuerpflichtig sei.
5. Im Vorlagebericht wies das Finanzamt darauf hin, dass die Beschwerdeführerin im Jahr 2014 in Österreich mit Nebenwohnsitz und ab mit Hauptwohnsitz in Wien bzw. seit mit Hauptwohnsitz in Vorarlberg gemeldet gewesen sei und an denselben Adressen in Wien und in Vorarlberg im Jahr 2014 auch ihr Partner mit Hauptwohnsitz gemeldet gewesen sei. Bezüglich der Mutterschaftsentschädigung wurde unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2005/15/0166, betreffend das liechtensteinische Wochengeld, angemerkt, dass es sich bei dieser um eine Bruttoleistung handle, die mit dem österreichischen Wochengeld nicht vergleichbar sei und daher nicht unter die Steuerbefreiung des § 3 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988 falle.
II. Sachverhalt
Die seit dem Jahr 2010 geschiedene Beschwerdeführerin ist als Ärztin nichtselbständig tätig. Bis Juli 2013 war sie in Niederösterreich mit Hauptwohnsitz und in der Folge mit Nebenwohnsitz gemeldet. Ende April 2013 übersiedelte sie mit ihren beiden 2006 bzw. 2008 geborenen Söhnen sowie dem gesamten Hausrat in die Schweiz, wo sie in ***N*** eine 5,5-Zimmer-Wohnung angemietet hat (siehe Zollerklärung vom und Mietvertrag vom betreffend das ab bestehende, nicht befristete Mietverhältnis). In ***N*** haben die beiden Söhne ab dem Schuljahr 2013/2014 eine Privatschule besucht (siehe Unterrichtsvertrag vom ). Per trat die Beschwerdeführerin, der ein unbeschränkter Aufenthaltstitel zuerkannt wurde, ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossenes Dienstverhältnis beim Stadtkrankenhaus ***T*** an, per nahm sie eine nichtselbständige Tätigkeit im Kinderspital ***S*** auf, wo sie die Möglichkeit einer dreijährigen Facharztausbildung erhielt. Aufgrund des langen Weges zum Arbeitsplatz und einer ungeplanten Schwangerschaft verließ sie die Schweiz wieder und kehrte nach Österreich zurück. Mit Kaufvertrag vom erwarb sie gemeinsam mit dem Vater der im Oktober 2014 geborenen Tochter eine Wohnung in ***H***, wo sie ab 1. bzw. mit Hauptwohnsitz gemeldet waren (vom bis 1. bzw. waren der Kindesvater und die Beschwerdeführerin in Wien an derselben Adresse mit Hauptwohnsitz gemeldet).
III. Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung
1. Ansässigkeit
Gemäß § 1 Abs. 2 EStG 1988 sind jene natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Die unbeschränkte Steuerpflicht erstreckt sich auf alle in- und ausländischen Einkünfte.
Nach § 26 Abs. 1 BAO hat jemand einen Wohnsitz im Sinn der Abgabenvorschriften dort, wo er eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird.
Das Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-Schweiz) gilt nach Art. 1 für Personen, die in einem Vertragstaat oder in beiden Vertragstaaten ansässig sind.
Nach Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz ist "eine in einem Vertragstaat ansässige Person" eine Person, die nach dem in diesem Staat geltenden Recht dort unbeschränkt steuerpflichtig ist.
Ist eine natürliche Person nach Art. 4 Abs. 1 DBA-Schweiz in beiden Vertragstaaten ansässig, so gilt die Person gemäß Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA-Schweiz als in dem Vertragstaat ansässig, in dem sie über eine ständige Wohnstätte verfügt. Verfügt sie in beiden Vertragstaaten über eine ständige Wohnstätte, so gilt sie als in dem Vertragstaat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat (Mittelpunkt der Lebensinteressen).
Nach Art. 23 Abs. 2 DBA-Schweiz darf Österreich Einkünfte aus unselbständiger Arbeit im Sinne des Artikels 15 Absatz 1 sowie Einkünfte im Sinne des Artikels 19 (ausgenommen Ruhegehälter), die eine in Österreich ansässige Person aus ihrer in der Schweiz ausgeübten Arbeit aus öffentlichen Kassen der Schweiz bezieht, besteuern. Bezieht eine in Österreich ansässige Person unter Artikel 10, 15 und 19 fallende Einkünfte, die nach diesem Abkommen in der Schweiz und in Österreich besteuert werden dürfen, so rechnet Österreich auf die vom Einkommen dieser Person zu erhebende Steuer den Betrag an, der der in der Schweiz gezahlten Steuer entspricht; der anzurechnende Betrag darf jedoch den Teil der vor der Anrechnung ermittelten Steuer nicht übersteigen, der auf die aus der Schweiz bezogenen Einkünfte entfällt.
Im Beschwerdefall steht außer Streit, dass die Beschwerdeführerin sowohl in Österreich als auch in der Schweiz einen Wohnsitz hatte bzw. über eine "ständige Wohnstätte" im Sinne des Abkommens verfügte. Für die Zuordnung des Besteuerungsrechtes hinsichtlich der aus der in der Schweiz ausgeübten nichtselbständigen Tätigkeit resultierenden Einkünfte ist nach Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA-Schweiz somit ausschlaggebend, in welchem Staat die Beschwerdeführerin den Mittelpunkt der Lebensinteressen hatte.
Die Frage, in welchem Staat ein Steuerpflichtiger den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat, ist im Rahmen einer einzelfallbezogenen Gesamtabwägung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen zu beurteilen und hängt damit entscheidend von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl. , mwN). Wirtschaftlichen Beziehungen kommt dabei in der Regel eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Unter letzteren sind all jene zu verstehen, die einen Menschen aus in seiner Person liegenden Gründen mit jenem Ort verbinden, an dem er einen Wohnsitz innehat. Von Bedeutung sind dabei familiäre Bindungen sowie Betätigungen gesellschaftlicher, religiöser und kultureller Art und andere Betätigungen zur Entfaltung persönlicher Interessen und Neigungen, aber auch die Mitgliedschaft in Vereinen und andere soziale Engagements. Wirtschaftliche Bindungen gehen vor allem von örtlich gebundenen Tätigkeiten und von Vermögensgegenständen in Form von Einnahmequellen aus. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist durch eine zusammenfassende Wertung aller Umstände zu ermitteln. Entscheidend ist letztlich, welcher Vertragsstaat für die Person der bedeutungsvollere ist (vgl. , mwN, und , mwN).
Die stärkste persönliche Beziehung besteht im Regelfall zu dem Ort, an dem jemand regelmäßig mit seiner Familie lebt (vgl. , mwN). Diese Annahme setzt die Führung eines gemeinsamen Haushaltes sowie das Fehlen ausschlaggebender und stärkerer Bindungen zu einem anderen Ort, etwa aus beruflichen oder gesellschaftlichen Gründen voraus (vgl. , mwN).
Bei der Ermittlung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist regelmäßig nicht nur auf die Verhältnisse eines Jahres, sondern auf einen längeren Beobachtungszeitraum abzustellen (vgl. ua. , mwN, und , mwN). Begründet eine Person in einem Staat eine Wohnstätte, ohne ihre im anderen Staat schon bestehende Wohnstätte aufzugeben, so kann die Tatsache, dass sie die erste Wohnstätte beibehält, wo sie bisher gelebt und gearbeitet hat und wo sie ihre Familie und ihren Besitz hat, zusammen mit anderen Gesichtspunkten dafür sprechen, dass sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im ersten Staat beibehalten hat. Eine zeitlich begrenzte Auslandstätigkeit lässt den Mittelpunkt der Lebensinteressen auch dann im Inland bestehen, wenn die Familie an den Arbeitsort im Ausland mitzieht, die Wohnung im Inland aber beibehalten wird (vgl. , mwN).
In der Beschwerdevorentscheidung ist das Finanzamt aufgrund der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen zwar von einem bis zur Rückübersiedlung nach Österreich in der Schweiz liegenden Mittelpunkt der Lebensinteressen ausgegangen, hat aus "verwaltungsökonomischen" Gründen aber auch den vom Kinderspital ***S*** im Juni 2014 ausbezahlten Lohn der inländischen Besteuerung unterzogen. Strittig ist insoweit alleine, ob das Besteuerungsrecht Österreich bereits ab Juni des Jahres 2014 oder erst aber Juli zukam. Gegen die Beurteilung des in der Schweiz liegenden Mittelpunktes der Lebensinteressen hegt das Bundesfinanzgericht im Hinblick auf die gegebene Sachlage (Übersiedlung mit den minderjährigen Kindern samt gesamtem Hausrat, 5,5-Zimmerwohnung in der Nähe des Arbeitsortes, Schulbesuch der Kinder der Schweiz) keine Bedenken, zumal die Rückübersiedlung nach Österreich aufgrund einer ungeplanten Schwangerschaft erfolgte und sich aus der Aktenlage keine Hinweise für eine von vornherein für einen bloß begrenzten Zeitraum geplante Auslandstätigkeit ergaben noch andere Gesichtspunkte erkennbar waren, die dafür gesprochen hätten, dass die Beschwerdeführerin mit dem Vater ihrer im Oktober 2014 geborenen Tochter im hier interessierenden Zeitraum im Inland gelebt hätte oder nach wie vor ins Gewicht fallende sonstige persönliche Beziehungen zu Österreich bestanden hätten und sie damit den inländischen Mittelpunkt der Lebensinteressen trotz der Übersiedelung in die Schweiz aufrecht erhalten hätte. Auch das Finanzamt hat keine für einen inländischen Mittelpunkt der Lebensinteressen sprechenden Umstände festgestellt; der polizeilichen Meldung alleine kommt in diesem Zusammenhang keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Inwieweit "verfahrensökonomische" Aspekte im gegebenen Zusammenhang eine Rolle spielen sollten, ist nicht nachvollziehbar.
Der Beschwerde war daher insoweit Folge zu geben, als der inländische Besteuerungsanspruch erst mit Juli 2014 anzunehmen war. Folglich war die Bemessungsgrundlage um den vom Kinderspital ***S*** laut Lohnabrechnung im Juni 2014 ausbezahlten Lohn zu vermindern. Die abzugsfähigen Sozialversicherungsbeiträge sowie die anrechenbare ausländische Steuer waren entsprechend anzupassen.
2. Mutterschaftsentschädigung
Nach § 3 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988 sind von der Einkommensteuer befreit "das Wochengeld und vergleichbare Bezüge aus der gesetzlichen Sozialversicherung sowie dem Grunde und der Höhe nach gleichartige Zuwendungen aus Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen".
§ 162 ASVG lautet auszugsweise:
"(1) Weiblichen Versicherten gebührt für die letzten acht Wochen vor der voraussichtlichen Entbindung, für den Tag der Entbindung und für die ersten acht Wochen nach der Entbindung ein tägliches Wochengeld. …
(2) …
(3) Das Wochengeld gebührt in der Höhe des auf den Kalendertag entfallenden Teiles des durchschnittlichen in den letzten 13 Wochen (bei Versicherten, deren Arbeitsverdienst nach Kalendermonaten bemessen oder abgerechnet wird, in den letzten drei Kalendermonaten) vor dem Eintritt des Versicherungsfalles der Mutterschaft gebührenden Arbeitsverdienstes, vermindert um die gesetzlichen Abzüge; die auf diesen Zeitraum entfallenden Sonderzahlungen sind nach Maßgabe des Abs. 4 zu berücksichtigen. …"
Im Erkenntnis vom , G 198/98, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass - ungeachtet des einkommensteuerrechtlichen Grundsatzes, Einkommensersatz wie Erwerbseinkommen zu besteuern - die Ausnahme der Steuerpflicht für das Wochengeld (§ 3 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988) im Hinblick darauf gerechtfertigt sei, dass es sich nach dem Nettoarbeitsverdienst bemesse (§ 162 Abs. 3 ASVG: "vermindert um die gesetzlichen Abzüge").
Darauf Bezug nehmend hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem ein in Liechtenstein infolge einer Mutterschaft ausbezahlten Taggeldes betreffenden Erkenntnis vom , 2005/15/0166, ausgesprochen, dass zwischen dem in Liechtenstein bezahlten Bezug einerseits und dem Wochengeld andererseits Übereinstimmung im Anlass der Geldleistungen (Mutterschutz) bestehe. Der Unterschied im Zeitraum, für welchen die Zahlungen geleistet würden, falle dabei nicht ins Gewicht und komme, wenn ein sozialversicherungsrechtlicher Anspruch bestehe, auch nicht dem Umstand Bedeutung zu, dass die Zahlung unter Einschaltung des liechtensteinischen Arbeitgebers erfolge. Bedeutsam sei für das Wochengeld nach § 162 ASVG allerdings, dass es das Einkommensteuergesetz von der grundsätzlichen Einkommensteuerpflicht von Einkommensersätzen nur deshalb ausnehme, weil es schon als "Nettobezug" bemessen sei. Würden sich die vom liechtensteinischen Arbeitgeber geleisteten Bezüge nach dem bisherigen Bruttoarbeitslohn bemessen, liege eine Vergleichbarkeit mit den Lohnfortzahlungen durch österreichische Arbeitgeber, wie etwa im Bereich des öffentlichen Dienstes, vor, die nach dem Einkommensteuergesetz auch für den Zeitraum der Beschäftigungsverbote wegen einer Schwangerschaft nicht steuerbefreit seien.
Nachdem der Verwaltungsgerichtshof die die Steuerfreiheit verneinende Entscheidung des unabhängigen Finanzsenates aufgrund der nicht erfolgten Prüfung der Frage, ob sich die liechtensteinischen Bezüge nach ihrem früheren Nettoarbeitsverdienst bemessen hätten, aufgehoben hatte, kam der unabhängige Finanzsenat im fortgesetzten Verfahren zum Ergebnis, dass die liechtensteinische Transferleistung aus Anlass einer Mutterschaft auf Basis des sozialversicherungspflichtigen Lohnes und somit eines Bruttolohnes bemessen werde und diese Leistung daher nicht mit dem inländischen Wochengeld, sondern vielmehr mit jener (steuerpflichtigen) Lohnfortzahlung zu vergleichen sei, die eine Beamtin in Österreich für den Zeitraum des Beschäftigungsverbotes wegen einer Schwangerschaft erhalte (-F/07; ebenso ).
Die Schweizer Mutterschaftsentschädigung ist im Bundesgesetz über den Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft (Erwerbsersatzgesetz, EOG) und der Verordnung zum Erwerbsersatzgesetz (EOV) geregelt.
Der Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung setzt gemäß Art. 16b Abs. 1 EOG ua. voraus, dass die Frau während der neun Monate unmittelbar vor der Niederkunft im Sinne des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) obligatorisch versichert war (lit. a) und in dieser Zeit mindestens fünf Monate lang eine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat (lit. b). Der Entschädigungsanspruch entsteht am Tag der Niederkunft (Art. 16c Abs. 1 EOG) und endet am 98. Tag nach seinem Beginn (Art. 16d erster Satz EOG). Die Mutterschaftsentschädigung wird als Taggeld ausgerichtet (Art. 16e Abs. 1 EOG). Das Taggeld beträgt 80% des durchschnittlichen Erwerbseinkommens, welches vor Beginn des Entschädigungsanspruchs erzielt wurde; für die Ermittlung dieses Einkommens ist Art. 11 Abs. 1 EOG sinngemäß anwendbar (Art. 16e Abs. 2 EOG). Nach Art. 11 Abs. 1 erster Satz EOG bildet das Einkommen, von dem die Beiträge nach dem Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG) erhoben werden, die Grundlage für die Ermittlung des durchschnittlichen vordienstlichen Erwerbseinkommens.
Aus den gesetzlichen schweizerischen Bestimmungen ergibt sich somit in unzweifelhafter Weise, dass die schweizerische Mutterschaftsentschädigung nach dem Erwerbseinkommen vor Abzug der AHV-Beiträge und somit nach dem bisherigen Bruttoarbeitslohn bemessen wird. Eine Vergleichbarkeit im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit dem Wochengeld gemäß § 162 Abs. 2 ASVG ist folglich nicht gegeben und fällt die bezogene Mutterschaftsentschädigung sohin nicht unter die Steuerbefreiung gemäß § 3 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988. Der Beschwerde konnte insoweit daher kein Erfolg beschieden sein.
Gleichzeitig war der angefochtene Bescheid insoweit zu Gunsten der Beschwerdeführerin abzuändern, als der in der vorgelegten Lohnabrechnung für den Dezember 2014 ausgewiesene 13. Monatsbezug in Höhe von 3.864,90 CHF nach anteiliger Berücksichtigung der darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge als sonstiger Bezug der begünstigten Besteuerung gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1988 zu unterziehen war.
Gesamthaft gesehen war somit spruchgemäß zu entscheiden.
IV. Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Frage des Mittelpunktes der Lebensinteressen der Beschwerdeführerin wurde auf Grundlage der im Erkenntnis angeführten höchstgerichtlichen Rechtsprechung sowie von nicht über den Einzelfall hinaus bedeutsamen Sachverhaltsfeststellungen beurteilt. Die Steuerpflicht der Mutterschaftsentschädigung ergibt sich aus dem ein nach liechtensteinischem Recht infolge einer Mutterschaft ausbezahlten Taggeldes betreffenden Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2005/15/0166. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG wird durch das vorliegende Erkenntnis somit nicht berührt. Eine (ordentliche) Revision ist daher nicht zulässig.
Feldkirch, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 1 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 Art. 4 Abs. 2 lit. a DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975 § 3 Abs. 1 Z 4 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.1100162.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at