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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.03.2022, RV/7104203/2016

Keine Anrechnung der Kapitalertragsteuer im Hinblick auf § 124b Z 85 EStG iVm § 27 Abs. 2 Z. 2 EStG

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Maria Grohe in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des (vormaligen) ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer 2003, Steuernummer ***xx*** zu Recht erkannt:

  • Der angefochtene Bescheid vom wird im Sinne der "Berufungsvorentscheidung" vom abgeändert.

  • Die Einkommensteuer 2003 wird endgültig festgesetzt.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe (Einkommensteuer 2003) sind der als Beilage angeschlossenen BVE zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.), ein Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, erzielte im Streitjahr 2003 u.a. Einkünfte iHv 8.400,00 US-Dollar aus der Tilgung eines im Jahr 1997 gezeichneten Wertpapiers (einer im Privatvermögen gehaltenen Index-Anleihe), von denen die Bank Kapitalertragsteuer von 2.100,00 US-Dollar (das sind € 1.840,86) abzog.

In seiner Einkommensteuererklärung machte der Bf. geltend, dieser Abzug sei im Hinblick auf
den im gegenständlichen Fall anzuwendenden § 124b Z 85 EStG 1988 zu Unrecht erfolgt, denn es sei "keine höhere Kapitalrückzahlung als die geleisteten Anschaffungskosten garantiert " gewesen und das Wertpapier sei bekanntermaßen schon 1997 begeben worden.

Das Finanzamt folgte dieser Ansicht nicht und vertrat dazu in einer teilweise stattgebenden Berufungsvorentscheidung vom über die vom Bf. erhobene Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid die Auffassung, nach den vom Bf. vorgelegten Bedingungen sei ein "garantierter Mindestrückzahlungsbetrag von 118 % des Nominales" vereinbart gewesen. Die vom Bf. in Anspruch genommene Bestimmung des § 124b Z. 85 EStG setze allerdings voraus, dass rechtlich oder faktisch eine Kapitalrückzahlung von nicht mehr als 20 % des bei der Begebung eingesetzten Kapitals garantiert werde.

In seinem Vorlageantrag hielt der Bf. dem entgegen, die Voraussetzungen der erwähnten Bestimmung seien erfüllt, "da lediglich ein Mindestrückzahlungsbetrag von 118 % garantiert wird (somit weniger als 20 % Wertsteigerung)". Der Bf. stellte daher neuerlich den Antrag, den angefochtenen Einkommensteuerbescheid durch Ansatz der in der Berufung beantragten Anrechnung der Kapitalertragsteuer von € 1.840,86 (US-Dollar 2.100,00) abzuändern.

Mit Berufungsentscheidung vom (GZ.RV/3392-W/07) schloss sich die damals zuständige Rechtsmittelbehörde (UFS) unter Verweis auf die nachgewiesenen Emissionsbedingungen dieser Rechtsmeinung an und gab der Berufung in diesem Punkt statt. Hinsichtlich der übrigen im Berufungsverfahren nicht weiter strittigen Punkte schloss sich der UFS den Rechtsausführungen des Finanzamtes in der BVE vom an.

Dagegen wurde durch das damals zuständige ***FA*** Amtsbeschwerde erhoben, über die der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis zur Zl. ***VwGH*** folgendermaßen entschieden hat:
Die Berufungsentscheidung vom (GZ.RV/***UFS***) betreffend Einkommensteuer 2003 wurde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf. hat im Jahr 1997 von der ***1***-Bank AG Wertpapiere mit der Bezeichnung ***1***-garantierte- Bull-Notes mit einer Laufzeit von sechs Jahren im Nominale von US-Dollar 35.000,00 erworben. Laut den Emissionsbedingungen wird ein Mindestrückzahlungsbetrag von 118 % des Nominales in US-Dollar oder 100 % des Nominales in US-Dollar plus ein 77,5 %iger Anteil der zukünftigen Kurssteigerung des Weltaktienindex garantiert, sofern dieser Wert höher ist als 118 %.

Der Tilgungserlös im Jahr 2003 belief sich auf US-Dollar 8.400,00 (das sind umgerechnet € 7.363,44). Die seitens der ***1***-Bank AG in Abzug gebrachte Kapitalertragsteuer beträgt € 1.840,86.

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakten und sind unstrittig.

Strittig ist im Beschwerdefall lediglich die Frage, ob die seitens des Bf. beantragte Anrechnung der seitens der ***1***-Bank AG in Abzug gebrachten Kapitalertragsteuer gemäß § 124b Z 85 EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung im Veranlagungsweg zulässig ist.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom , Zahl ***VwGH*** die im Beschwerdefall ergangene Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenates vom , Zl. RV/***UFS*** wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Damit ist die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (BFG) unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des VwGH zu erledigen.

Bemerkt wird, dass das Verfahren des Berufungswerbers (nunmehr: Beschwerdeführer Bf.) im fortgesetzten Verfahren vom Unabhängigen Finanzsenat auf das Bundesfinanzgericht übergegangen ist. Die entsprechende Gesetzesstelle lautet:

"§ 323 Abs. 38 BAO: Die am bei dem unabhängigen Finanzsenat als Abgabenbehörde zweiter Instanz anhängigen Berufungen und Devolutionsanträge sind vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinn des Art. 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen. Solche Verfahren betreffende Anbringen wirken mit auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht…

"§ 323 Abs. 39 BAO: Soweit zum eine Befugnis zur geschäftsmäßigen Vertretung im Abgabenverfahren vor den Abgabenbehörden zweiter Instanz besteht, ist diese auch im Beschwerdeverfahren vor den Verwaltungsgerichten gegeben."

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu der im Beschwerdeverfahren strittigen Frage der Anrechnung der seitens der Bank in Abzug gebrachten Kapitalertragsteuer im Wege der Einkommensteuerveranlagung die folgende Rechtsauffassung vertreten:

" Strittig ist im vorliegenden Fall nur die Auslegung der in Reaktion auf das Erkenntnis vom , 99/15/0159, VwSlg 7767/F, eingefügten Übergangsbestimmung des § 124b Z 85 EStG 1988, deren für das Streitjahr maßgebliche (ursprüngliche) Fassung wie folgt lautet: "85. § 27 Abs. 2 Z 2 ist nicht auf Kapitalanlagen anzuwenden, deren Verzinsung nur von der Entwicklung eines (bestehenden oder künstlich geschaffenen) Wertpapierindex oder eines vergleichbaren Index abhängig ist, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
a) Die Kapitalanlagen wurden vor dem begeben und
b) es ist rechtlich oder faktisch eine Kapitalrückzahlung von nicht mehr als 20% des bei der Begebung eingesetzten Kapitals garantiert."

Schon der Wortlaut der Bestimmung steht der Rechtsmeinung des Mitbeteiligten und der belangten Behörde entgegen. Die strittige Voraussetzung bezieht sich auf die "Kapitalrückzahlung" des "eingesetzten Kapitals" (die "Kapitalgarantie") und nicht auf dessen "Wertsteigerung" (die Rendite).

Bestünden daran - unter dem Gesichtspunkt der in den Gegenschriften erhobenen, aber der Lebenserfahrung widersprechenden Behauptung, kein Anleger riskiere den Verlust von bis zu 80 % des Kapitals - noch Zweifel, so wäre auf die Entstehungsgeschichte zu verweisen. § 124b Z 85 EStG 1988 geht auf das Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl.I Nr. 71, zurück und wurde in der Regierungsvorlage, 59 BlgNR 22. GP 273, wie folgt erläutert:

"In seinem Erkenntnis vom , 99/15/0159 hat der Verwaltungsgerichtshof die bisher von der Verwaltungspraxis vertretene Rechtsmeinung (EStR 2000, Rz 6192 ff), wonach Wertveränderungen bei sogenannten Indexprodukten nur dann Kapitaleinkünfte sind, wenn das eingesetzte Kapital mindestens zu 20 % garantiert ist, nicht gestützt. Es bestünde damit die Gefahr, dass sich am Markt befindliche Wertpapiere dieser Art gleichsam rückwirkend einem neuen Besteuerungsregime (Kapitaleinkünfte auch bei geringerer Kapitalgarantie) unterworfen werden. Die gegenständliche Regelung schließt dies aus."

Das Erkenntnis betraf einen Fall einer "garantierten Kapitalrückzahlung mit 95 % des Nominalbetrages" und somit eines Verlustrisikos von nur 5 %, der Verwaltungsgerichtshof bejahte das Vorliegen von Kapitalerträgen aber ohne Bezugnahme auf einen bestimmten Mindestprozentsatz an garantierter Kapitalrückzahlung. Er verwies auch auf einen Artikel von Heinrich, ÖStZ 2000, 469 ff, der sich kritisch mit dem von der Finanzverwaltung - als Geringfügigkeitsgrenze gegenüber dem völligen Fehlen einer gesicherten Kapitalrückzahlung - angenommenen Erfordernis eines Mindestrückzahlungsbetrages ("Floor") von 20 % des eingesetzten Kapitals auseinandergesetzt hatte.

Dieser auch in einem Erlass und im Schrifttum erörterte Hintergrund der Regelung (vgl. nur etwa die Erläuterung zur Anpassung der EStR 2000, AÖF 2004, 951, mit Hinweis auf die gesetzliche Verankerung der "alten Rechtslage" für Altemissionen; Plott in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer - Kommentar, 56. Lfg, § 27 Abs. 4 EStG 1988 neu, Tz 17; Kirchmayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG", Anhang I zu § 27, Tz 89 f) lässt keinen Zweifel daran, dass der Wortlaut des § 124b Z 85 EStG 1988 mit den Absichten des Gesetzgebers übereinstimmt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben."

Aus diesen Erwägungen des Höchstgerichtes war das diesbezügliche Beschwerdebegehren abzuweisen.

Hinsichtlich der übrigen hier nicht weiter strittigen Beschwerdepunkte wird auf die Rechtsausführungen in der Begründung zur BVE vom (Punkte 2a, 2c und 2d) verwiesen, denen sich das Bundesfinanzgericht vollinhaltlich anschließt.

Mangels Vorliegens eines Vorläufigkeitsgrundes im Sinne des § 200 Abs. 1 BAO wird die Einkommensteuer 2003 gemäß § 200 Abs. 2 BAO endgültig festgesetzt.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die im Beschwerdefall zu klärende Rechtsfrage wurde durch die höchstgerichtliche Rechtsprechung im o.a. VwGH-Erkenntnis geklärt, worin der VwGH seine Rechtsansicht im gegenständlichen Beschwerdefall eindeutig dargelegt hat. Damit liegt gegenständlich kein Grund vor, eine Revision zuzulassen.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Schlagworte
Anrechnung Kapitalertragsteuer
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7104203.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
ZAAAC-30129