Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 24.03.2022, RV/7100852/2022

Keine Aussetzung gemäß § 212a BAO nach Ergehen eines Erkenntnisses des BFG.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Vorsitzende ***R1***, den Richter ***R2*** und die fachkundigen Laienrichter ***L1*** und ***L2*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch CENTURION Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH, Hegelgasse 8 Tür 14, 1010 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Zurückweisung eines Aussetzungsantrages (§ 212a BAO), Steuernummer ***BF1StNr1*** in der nicht öffentlichen Sitzung am zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Aussetzungsantrag:

Mit Eingabe vom beantragte der nunmehrige Beschwerdeführer (in der Folge Bf. genannt) den Betrag von € 521.819,98 gemäß § 212a BAO aussetzen.

Der Betrag setze sich aus den Einkommensteuernachzahlungen 2010 und 2011 samt Zinsen zusammen.

Es werde in diesem Zusammenhang auf die Beschwerde gem. Art 144 Abs. 1 BV-G an das Höchstgericht gegen die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts der Republik Österreichs vom zu GZ RV/7100856/2019 verwiesen (Anm. BFG: Die Beschwerde an den VfGH wurde diesem Schreiben beilgelegt). Der vorzeitige Vollzug der angefochtenen Entscheidungen würde für den Bf. einen unverhältnismäßigen Nachteil bewirken.

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Zurückweisungsbescheid:

Mit Bescheid vom wies das Finanzamt den Antrag mit der Begründung zurück, dass gem. § 212a Abs. 1 BAO die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhänge, auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen sei, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweiche, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liege, zurückzuführen sei, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld.

Nach ständiger Rechtsprechung bestehe keine gesetzliche Grundlage, die Aussetzung der Einhebung von Abgabenschulden wegen einer bei Höchstgerichten anhängigen Beschwerde (bzw. Revision) über den Zeitpunkt der abschließenden Erledigung des Rechtsmittels hinaus auszudehnen (Ritz/Koran, BAO7, § 212a Tz 28).

Die unter den besonderen Tatbestandsvoraussetzungen des § 212a BAO (vgl. insbesondere Abs. 2) vom Gesetz ermöglichte Aussetzung der Einhebung erstrecke sich nach dem keine andere Deutung zulassenden Wortlaut des § 212a Abs. 5 BAO ausschließlich auf das Verwaltungsverfahren. Dieses ende spätestens mit dem Ergehen der Berufungsentscheidung (Anm. BFG: nunmehr Erkenntnisses) auch dann, wenn diese Berufungsentscheidung (dieses Erkenntnis) in der Folge vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes angefochten werde. Eine solche Anfechtung habe nämlich auf die Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung keinen Einfluss, die Voraussetzungen der Erwirkung eines Vollzugsaufschubes auf Grund einer an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes gerichteten Beschwerde richteten sich ausschließlich nach den Gesetzen, die das Verfahren vor diesen Gerichtshöfen regeln würden (, mwN).

Das Verwaltungsverfahren betreffend Einkommensteuer 2010 und 2011 sei mit Zustellung des BFG-Erkenntnisses vom , RV/7100856/2019, beendet. Eine Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO sei daher nicht mehr zulässig.

Der Antrag auf Aussetzung der Einhebung gem. § 212a vom betreffend 521.819,98 Euro sei daher als unzulässig zurückzuweisen.

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Beschwerde:

In der dagegen am über Finanzonline eingebrachten Bescheidbeschwerde wurde zur Begründung ausgeführt, dass der Bf. in der Sache eine Erkenntnisbeschwerde beim Verfassungsgerichtshof erhoben habe, da das Bundesfinanzgericht in einem ganz entscheidungswesentlichen Punkt die notwendigen Ermittlungen unterlassen habe. Der Sachverhalt im Zusammenhang mit den Schadenersatzzahlungen sei seitens der Abgabenbehörde nicht vollständig erhoben worden. Im Rahmen eines Vorhalteverfahrens wäre es der Abgabenbehörde möglich gewesen, Nachweise zur Glaubhaftmachung des Schadenersatzcharakters der geleisteten Zahlungen zu verlangen, sofern dies zu einer anderen rechtlichen Würdigung geführt hätte. Anstatt diese Ermittlungshandlungen zu tätigen, sei das Bundesfinanzgericht untätig geblieben und habe letztlich die angefochtene willkürliche Entscheidung erlassen.

In Bezug auf die seitens des Bundesfinanzgerichts in der angefochtenen Entscheidung angenommene Spekulationsfrist im Zusammenhang mit dem Verkauf der Kommanditanteile an der ***XY*** GmbH & Co KG, habe sich das Bundesfinanzgericht in seiner Entscheidung auf eine neuere Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bezogen, die zu einer Änderung der Zurechenbarkeitsbeurteilung führe. Es sei also offensichtlich ein vergangener Sachverhalt an einer sich zeitlich weit danach realisierenden Judikaturänderung gemessen und daran steuerliche Folgen geknüpft worden, die die Rechtsposition des Bf. verschlechtere.

Wäre die Abgabenbehörde im ordentlichen Verfahren der ihr von Amts wegen auferlegten Ermittlungspflicht ordnungsgemäß nachgekommen und hätte sie nicht gegen den Vertrauensgrundsatz verstoßen, hätte bereits im ordentlichen Verfahren ein anderslautender Bescheid ergehen müssen. Demzufolge dürfe die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof daher nicht zu einer Schlechterstellung des Bf. führen, als wenn die Abgabenbehörde ihrer Ermittlungspflicht bereits im ordentlichen Verfahren vollumfänglich nachgekommen wäre, die Aussetzung der Einhebung nicht mit dem Argument der höchstgerichtlichen Beschwerde abgewiesen werden.

Die sofortige Zahlung und Vollstreckbarkeit des seitens der Abgabenbehörde zu Unrecht vorgeschriebenen Rückstandes in Höhe von EUR 521.819,98 stelle eine erhebliche finanzielle Härte dar und sei geeignet, die wirtschaftliche Existenz unserer Mandantschaft nachhaltig zu gefährden bzw. zu vernichten. Eine sofortige Entrichtung des gesamten Rückstandes würde zu einer Versilberung der Vermögenswerte im Privatvermögen des Bf. führen und andererseits fremdfinanziert werden müssen. Wenngleich der Fremdfinanzierungsanteil im Falle der beantragten Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und der damit verbundenen Rückzahlung der dann nicht bestehenden Abgabenschuld durch die Finanzverwaltung zurückgeführt werden könnte, wäre es dem Bf. faktisch wohl nicht möglich, seine versilberten Vermögensgegenstände im Falle des Obsiegens wieder zurückkaufen zu können.

Genau dieser irreversible Nachteil kann durch die Bewilligung des Aussetzungsantrages jedenfalls vermieden werden.

Im Zusammenhang mit der Erkenntnisbeschwerde an den Verfassungsgerichthof der Republik Österreich habe der Bf. auch eine Zuerkennung auf aufschiebende Wirkung beantragt. Während der Verfassungsgerichthof einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen habe, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses für den Beschwerdeführers ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre, gebe es in der Bundesabgabenordnung keine gesetzliche Grundlage die Aussetzung der Einhebung von Abgabenschulden wegen einer bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts anhängigen Beschwerde über den Zeitpunkt der Erlassung der jeweiligen, das Berufungsverfahren abschließenden Erledigung hinaus auszudehnen.

Zweck der Aussetzung gemäß § 212a BAO sei jedoch, dass Beschwerdeführer nicht generell einseitig mit allen Folgen einer potentiell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung bis zur endgültigen Erledigung des Rechtsmittels belastet werden. Erst mit Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung habe die Entscheidung der Abgabenbehörde vorerst keine Wirkung.

Ganz offenkundig liege demzufolge bei Nichtgewährung der Aussetzung eine erhebliche Rechtsschutzlücke und damit als direkte Folge verbunden ein massiver Eingriff in die Grundrechte vor. Da die Möglichkeit bestehe gegen ein Erkenntnis (Entscheidung) eines Verwaltungsgerichtes eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof zu erheben und eine aufschiebende Wirkung zu beantragen, sollte auch die Aussetzung der Einhebung bis zum Zeitpunkt der abschließenden Erledigung bzw. bis zur Entscheidung, ob eine aufschiebende Wirkung zuerkannt werde, ausgedehnt werden, um diese Rechtsschutzlücke zu schließen.

Aufgrund der oben darlegten Mängel im ordentlichen Verfahren und der daraus resultierenden ungerechtfertigten Schlechterstellung des Bf. sei es auch im Hinblick auf die relativ restriktive Handhabung der aufschiebenden Wirkung unerlässlich, die Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO zumindest bis zum Vorliegen einer Entscheidung über die Gewährung oder Nichtgewährung der aufschiebenden Wirkung durch den Verfassungsgerichtshof der Republik Österreich zu gewähren.

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Beschwerdevorentscheidung:

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

Wie im angefochtenen Bescheid vom ausgeführt, habe das Verwaltungsverfahren betreffend Einkommensteuer 2010 und 2011 mit Zustellung des BFG-Erkenntnisses vom , RV/7100856/2019 geendet.

Der VwGH habe bereits ausgeführt, dass keine gesetzliche Grundlage dafür bestehe, die Aussetzung der Einhebung nach § 212a BAO wegen der Erhebung einer Bescheidbeschwerde an den VfGH bzw. VwGH (nunmehr: Revision) über den Zeitpunkt der Erlassung der jeweiligen, das Berufungsverfahren (nunmehr: Beschwerdeverfahren) abschließenden Erledigung hinaus auszudehnen (, mwN). Einer "sinngemäßen" Anwendung stehe nach Ansicht des VwGH der zwingende Gesetzeswortlaut des § 212a BAO entgegen.

Darüber hinaus sei eine (echte) Gesetzeslücke nicht erkennbar und werde vom Beschwerdeführer auch nicht näher begründet.

Über eine allfällige Verfassungswidrigkeit sei nicht im Verwaltungsverfahren abzusprechen.

Nochmals sei auf die oben zitierte Rechtsprechung des VwGH verwiesen, in der der Gerichtshof keine verfassungsrechtlichen Bedenken geäußert hat.

Die Zurückweisung des Antrages auf Aussetzung der Einhebung gem. § 212a BAO vom mit Bescheid vom sei somit zu Recht erfolgt; die Beschwerde sei daher abzuweisen gewesen.

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Vorlageantrag:

Mit Eingabe vom beantragt der Bf. durch seinen steuerlichen Vertreter die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht sowie die Durchführung einer mündlichen Senatsverhandlung. Als Begründung wurde auf die bisherigen Ausführungen verwiesen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Ein Anbringen ist zurückzuweisen, wenn es unzulässig ist.

Unzulässig sind u.a. Anbringen, die in den Abgabenvorschriften nicht vorgesehen sind.

Gemäß § 212a BAO ist die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerde die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird."

Gemäß § 212a Abs. 3 BAO können Anträge auf Aussetzung der Einhebung bis zur Entscheidung über die Bescheidbeschwerde gestellt werden. (...)

Gemäß § 212a Abs. 5 BAO besteht die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung in einem Zahlungsaufschub. Dieser endet mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf (§ 294). Der Ablauf der Aussetzung ist anlässlich einer (eines) über die Beschwerde (Abs. 1) ergehenden a) Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder b) Erkenntnisses (§ 279) oder c) anderen das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigung zu verfügen.

Dem Wortlaut des § 212a Abs. 3 zufolge sind Aussetzungsanträge von der Einbringung der maßgeblichen Berufung (nunmehr Beschwerde) bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über diese zulässig (). Daraus folgt, dass Aussetzungsanträge, die nach der Bekanntgabe der Entscheidung über die Beschwerde eingebracht werden unzulässig sind.

Unzulässige Anbringen sind zurückzuweisen.

Bereits aus der Begründung des Aussetzungsantrages vom , dass der Bf. gegen das Erkenntnis des GZ RV/7100856/2019, eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof einzubringen beabsichtige, ergibt sich inhaltlich, dass der Antrag auf Aussetzung der Einhebung erst nach Bekanntgabe der Entscheidung über die maßgebliche Beschwerde eingebracht wurde und somit unzulässig ist. Die belangte Behörde war daher nicht befugt, die Aussetzung der Einhebung zu verfügen.

Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan, dass keine gesetzliche Grundlage dafür besteht, die Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO wegen der Erhebung einer Bescheidbeschwerde vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts über den Zeitpunkt der Erlassung der jeweiligen, das Berufungsverfahren (nunmehr Beschwerdeverfahren) abschließenden Erledigung hinaus auszudehnen (vgl. ).

Es trifft zwar zu, dass § 212a Abs. 5 BAO keine Möglichkeit einer Aussetzung der Einhebung für den Fall der Einbringung einer Beschwerde bzw. Revision an den VfGH/VwGH vorsieht, jedoch scheint der Bf. bei seiner Argumentation zu übersehen, dass die Bundesabgabenordnung nur den Verfahrensablauf bis zum Ergehen des Erkenntnisses des Bundesfinanzgerichtes und nicht darüber hinaus auch das höchstgerichtliche Verfahren regelt, weshalb bereits aus diesem Grunde § 212a BAO nicht auf Verfahren vor dem VfGH bzw. VwGH ausgedehnt werden kann.

Dass eine Aussetzung der Einhebung für solche Verfahren aber nicht in Betracht kommt, führt noch zu keinem Rechtsschutzdefizit, hat doch eine solche Anfechtung auf die Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung keinen Einfluss; die Voraussetzungen der Erwirkung eines Vollzugsaufschubes auf Grund einer an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechte gerichteten Beschwerde bzw. Revision richten sich ausschließlich nach den Gesetzen, die das Verfahren vor diesen Gerichtshöfen regeln, die einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als Äquivalent zur Aussetzung der Einhebung im Bereich der BAO vorsehen (§ 85 Abs. 2 VfGG und § 30 Abs. 2 VwGG; ; ; , Ro 2015/03/0028).

Mit Beschlüssen E 3604/2019 und E 568/2020, beide vom hat der VfGH die Behandlung zweier Beschwerden zur Verfassungsmäßigkeit des § 212a Abs. 5 (Ausdehnung der Aussetzung über den Zeitpunkt der Erlassung der jeweiligen, das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigung hinaus wegen der Erhebung einer Bescheidbeschwerde bzw. Revision vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts), abgelehnt.

Angesichts dieser Sach- und Rechtslage erfolgte die Zurückweisung des Aussetzungsantrages durch die belangte Behörde zu Recht.

Zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung

Abschließend darf zum Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung festgehalten werden, dass das Unterbleiben einer (gemäß § 274 Abs. 1 Z 1 BAO beantragten) mündlichen Verhandlung zwar eine Verletzung von Verfahrensvorschriften darstellen mag, dieser Verfahrensfehler ist jedoch - außerhalb des von Art. 51 GRC erfassten Bereichs des Unionrechts - kein absoluter (; ).

Art. 6 Abs. 1 EMRK garantiert das Recht auf ein faires Verfahren als Grundrecht. Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. die Entscheidung vom , Fall SPEIL v. Austria, Appl. 42057/98) kann das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zwar dann ausnahmsweise als mit der EMRK vereinbar angesehen werden, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen (vgl. hiezu etwa ). Solche besonderen Umstände nimmt der EGMR an, wenn das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet ist, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machen könnte (vgl. ). Es ist vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 EMRK maßgeblich, welcher Natur die Fragen sind, die für die Beurteilung der gegen den angefochtenen Bescheid relevierten Bedenken zu beantworten sind. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK kann dabei im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten im Verwaltungsverfahren regelmäßig unterbleiben, wenn das Vorbringen erkennen lässt, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lässt (vgl. ua). Nach der Rechtsprechung des EGMR und - ihm folgend - des VfGH kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn die Tatfrage unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. VfSlg 18.994/2010, VfSlg 19.632/2012, ). Das Gericht kann unter Berücksichtigung der Anforderungen an Verfahrensökonomie und Effektivität von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR , Fall Döry, Appl. 28.394/95, Z37 ff.; EGMR , Fall Miller, Appl. 55.853/00, Z29; ).

Da es im gegenständlichen Fall ausschließlich um die Lösung von Rechtsfragen ging und kein Sachverhaltselement strittig war, konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da kein ergänzendes Vorbringen vorstellbar ist, das zu einem anderen Ergebnis in der Sache geführt hätte.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die zitierte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 212a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100852.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at