Gebrauchsabgabe für Dachfallabwasserrohre, wobei Baugenehmigung bereits vorlag
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den RichterRi in der Verwaltungsstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, wegen der Verwaltungsübertretungen gemäß § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und Tarifpost B 8 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der Fassung der Kundmachung ABl. der Stadt Wien Nr. 52/2016, über die Beschwerde des Beschuldigten vom gegen das Erkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6 Abgabenstrafen vom , GZ: ***MA6***, zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) und § 5 Gesetz über das Wiener Abgabenorganisationsrecht (WAOR) wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren nach § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 1 und 8 VwGVG iVm § 24 Abs. 1 BFGG und § 5 WAOR hat die beschwerdeführende Partei keine Kosten des verwaltungsgerichtlichen Strafverfahrens zu tragen.
III. Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs. 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6 Abgabenstrafen vom , GZ: ***MA6***,wurde Herr ***Bf1*** (=Bf.) als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma "***X-GmbH***, ***Adresse-X-GmbH***, für schuldig befunden,
1. - 3. er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma "***X-GmbH*** im Jahr 2017 vor der Liegenschaft in ***Wien***, den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch drei Dachfallabwasserrohre genutzt, wobei er hiefür bis zum weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt noch die Gebrauchsabgabe entrichtet habe. Er habe dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2017 bis zum mit dem Betrag von € 7,80 verkürzt und drei Verwaltungsübertretungen begangen.
4. - 6. er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma "***X-GmbH*** im Jahr 2018 vor der Liegenschaft in ***Wien***, den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch drei Dachfallabwasserrohre genutzt, wobei er hiefür bis zum weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt noch die Gebrauchsabgabe entrichtet habe. Er habe dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2018 bis zum mit dem Betrag von € 7,80 verkürzt und drei Verwaltungsübertretungen begangen.
7. - 9. er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma "***X-GmbH*** im Jahr 2019 vor der Liegenschaft in ***Wien***, den öffentlichen Gemeindegrund, der dem öffentlichen Verkehr dient, durch drei Dachfallabwasserrohre genutzt, wobei er hiefür bis zum weder eine Gebrauchserlaubnis erwirkt noch die Gebrauchsabgabe entrichtet habe. Er habe dadurch die Gebrauchsabgabe für das Jahr 2019 bis zum mit dem Betrag von € 8,10 verkürzt und drei Verwaltungsübertretungen begangen.
Er habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
1. - 6. § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und Tarifpost B 8 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der Fassung LGBl. Nr. 52/2016, in Zusammenhalt mit § 9 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG.
7. - 9. § 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 und Tarifpost B 8 des Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) vom , LGBl. für Wien Nr. 20, in der Fassung LGBl. Nr. 71/2018, in Zusammenhalt mit § 9 Abs. 1 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG.
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über ihn folgende Strafe verhängt:
9 Geldstrafen von je € 40,00, falls diese uneinbringlich sind, neun Ersatzfreiheitsstrafen von je 12 Stunden, gemäß § 16 Abs. 1 GAG LGBl. für Wien Nr. 20, in der Fassung LGBl. Nr. 45/2013.
Ferner habe er gemäß § 64 VStG zu zahlen: € 90,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafen, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt. Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher € 450,00.
Die "***X-GmbH*** hafte gemäß § 9 Abs. 7 VStG über die verhängten Geldstrafen, sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen und die Verfahrenskosten zur ungeteilten Hand.
Als Begründung wurde wie folgt ausgeführt:
"Gemäß § 1 Abs. 1 GAG ist für den Gebrauch von öffentlichem Grund in der Gemeinde, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn die Art des Gebrauches im angeschlossenen Tarif (Sondernutzung) angegeben ist.
Nach § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen, Personengesellschaften des Handelsrechts oder eingetragene Erwerbsgesellschaften, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs. 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
Das Ermittlungsverfahren hat ergeben, dass Sie die zur Vertretung nach außen berufene Person der Gesellschaft und somit für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften strafrechtlich verantwortlich sind.
Im vorliegenden Fall geht aus einer Anzeige der Magistratsabteilung 46 hervor, dass Sie den öffentlichen Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, durch die oben angeführten Taten ohne Erlaubnis widmungswidrig in Anspruch genommen haben.
In Ihrem Einspruch wendeten Sie im Wesentlichen ein, dass alleine durch das Ansuchen um die baupolizeiliche Bewilligung im März 1969 bereits nach § 2 des Gebrauchsabgabegesetzes die Erteilung der Gebrauchsabgabe erfolgt sei. Weiters sei der § 18 (6) Post 8 des Tarifes B in der Fassung des Landesgesetzes LGBl. für Wien Nr. 42/2003 erst mit in Kraft getreten, und sei daher nur auf Sachverhalte anwendbar, die sich nach dem ereignet hätten, das Gebäude und die Dachfallabwasserrohre seien bereits 1969 - also vor 2003 - errichtet worden. Zudem bestehe laut § 18 unter B 8 des Gebrauchsabgabegesetzes für Zu- oder Ableitung von Kanal und Wasser keine Abgabepflicht, sofern durch Gesetz oder Verordnung die Errichtung von Kanalleitungen zwingend vorgeschrieben werden. Es wurde diesbezüglich auf die Vorschriften der ONORM 2501 (Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke) verwiesen, welche von Wiener Kanal für das gegenständliche Gebäude vorgeschrieben wurden.
Hiezu wird Folgendes festgestellt:
Aufgrund Ihres Vorbringens wurde die anzeigelegende Dienststelle um Stellungnahme ersucht, welche die vorgehaltenen Tatbestände bestätigte. Zudem wurden dieser Stellungnahme das Ansuchen der von Ihnen vertretenen Gesellschaft um Bewilligung der Dachabfallrohre vom und der Bewilligungsbescheid vom zu den Zahlen ***MA46-1*** und ***MA46-2*** übermittelt. Demnach besteht erst seit Rechtskraft dieses Bescheides eine Gebrauchserlaubnis.
Dieses Ermittlungsergebnis wurde Ihnen vorgehalten, eine Stellungnahme dazu haben Sie jedoch nicht abgegeben.
Aufgrund der Aktenlage ist es als erwiesen anzusehen, dass Sie den öffentlichen Gemeindegrund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, in Anspruch genommen haben, ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken und die darauf entfallende Gebrauchsabgabe zu entrichten. Sie haben somit die Gebrauchsabgabe zumindest fahrlässig verkürzt.
Zum Tatbestand der Verwaltungsübertretung der fahrlässigen Abgabenverkürzung gehört der Eintritt eines Schadens, wobei ein solcher nicht dadurch ausgeschlossen ist, dass es später tatsächlich aber eben verspätet - zur Bemessung und Entrichtung der Abgabe kommt ( Zl.: 87/17/0349).
Gemäß § 16 Abs. 1 GAG in der Fassung des LGBI. Nr. 45/2013 sind Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Gebrauchsabgabe verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis EUR 21.000 zu bestrafen. Die Verkürzung der Gebrauchsabgabe dauert so lange an, bis der Abgabepflichtige die Selbstbemessung nachholt oder die Gebrauchsabgabe bescheidmäßig festgesetzt wird. Im Falle der Uneinbringlichkeit ist gemäß § 16 VStG eine Ersatzfreiheitsstrafe von bis zu zwei Wochen festzusetzen.
Als erschwerend war kein Umstand, als mildernd Ihre verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit zu werten.
Die Verschuldensfrage war aufgrund der Aktenlage zu bejahen und spruchgemäß zu entscheiden.
Der Ausspruch über die Kosten ist im § 64 Abs. 2 VStG begründet."
In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde des Beschuldigten vom wird eingewendet, dass ein mangelhaftes Verfahren vorliege und wie folgt ausgeführt:
"(1) Im Straferkenntnis wird in der Begründung behauptet, dass das Ermittlungsergebnis vom mir vorgehalten wurde. Da dieses Ergebnis mir nicht übermittelt wurde, konnte ich keine Stellungnahme abgeben.
(2) In der Begründung auf Seite 3 wird nicht auf die Einwendungen in meinem Einspruch eingegangen:
AA: aufrechte Baugenehmigung im März 1969, daher erfolgte Bekanntgabe an das Magistrat
BB.a. Nur auf Sachverhalte anzuwenden, die sich nach dem ereignet haben
BB.b. keine Abgabenpflicht laut Tarif B.8. weil "durch Gesetz und Verordnung die Errichtung von Kanalleitungen zwingend vorgeschrieben sind."
(3) Aus der Aktenlage ist ersichtlich, daß seit März 1969 eine rechtsgültige Baugenehmigung für die 3 Dachfallabwasserrohre des ***B*** Hauses vorliegt, die für das Ableiten des Dachwassers und die Entlüftung des öffentlichen Straßenkanals notwendig sind.
(4) Die Behauptung im Bescheid vom , dass die Bewilligung nach § 4 des Gebrauchsabgabengesetzes erloschen sei, ist im GAG nicht vorgesehen und daher rechtlich nicht gedeckt. Die Erlöschung durch Eigentümerwechsel ist in der taxativen Aufzählung im § 4 nicht enthalten.
Da diese Bewilligung vom Magistrat nie widerrufen wurde, kann daher die Verwaltungsübertretung einer Nichtanmeldung nicht begangen worden sein.
(5) Ferner ist im § 4 (6) GAG festgelegt, daß für das Erlöschen einer Gebrauchserlaubnis die Fälle nach Tarif B Post 1 bis 8 ausgenommen sind, weil die Beseitigung von Dachwasserabfallrohren baurechtlich nicht zulässig ist. Sie sind vorgeschrieben.
(6) Die Behauptung, ich hätte die Gebrauchsabgabe nach § 16 Abs 1. verkürzt, ist unrichtig. Wie schon in meinem Einspruch vom angeführt, gilt im Tarif B. 8. die Bestimmung, daß hiefür keine Abgabepflicht besteht, sofern durch Gesetz oder Verordnung die Errichtung von Kanalleitungen zwingend vorgeschrieben ist. Das ist hier im Bauwerk des Jahres 1969 der Fall.
Diese Tatsache habe ich im Einspruch vom ausführlich an Hand der ÖNORM 2501 und der TGA02 Technische Gebäudeausrüstung beschrieben. Um die Geruchsbelästigung durch Gärgase des Strassenkanals zu verhindern, bedient sich die Öffentlichkeit der Wasserdachabfallrohre, sodaß die Gärgase in hoher Höhe entweichen und die Verkehrsteilnehmer am Gehsteig und auf der Straße von Geruchsbelästigungerı verschont sind. Die öffentliche Hand erspart sich dadurch die Errichtung von Entlüftungsrohren für ihr Kanalnetz.
Ich beantrage
- die ersatzlose Aufhebung des Straferkenntnis vom
- die Einstellung des Verfahrens sowie
- Reduzierung der Gebrauchsabgabe nach ***MA46-1*** und ***MA46-2*** auf null Euro gemäß Tarif B Post
- die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung."
Im als "Korrektur" bezeichneten Schreiben des Beschuldigten vom wurde mitgeteilt, dass die Aussage im Vorlagebericht der MA6 auf Seite 3, "Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird nicht beantragt." nicht richtig sei.
Die mündliche Verhandlung habe er in seiner Beschwerde vom auf Seite 2 letzte Seite beantragt.
"Anfechtungspunkte
Im Straferkenntnis wird mir vorgeworfen, keine Gebrauchserlaubnis im Jahr 2017 erwirkt zu haben. Im Brief ***MA46-3*** vom bestätigt die Stadt Wien MA46, dass sehr wohl für Haus ***Wien/Ecke*** eine Bewilligung für drei Dachwasserabfallrohre vorliegt. Der Abgabepflichtige war die ***B-GmbH***, Vorbesitzerin des Hauses.
Die Vermutung der Stadt Wien MA46, dass diese Gebrauchsabgabe als erloschen anzusehen ist, ist durch den § 4 des GAG (Gebrauchsagabengesetz) rechtlich nicht gedeckt. Auch wurde dieses Erlöschen mir niemals mitgeteilt. Im GAG § 4 ist das Erlöschen der Wirksamkeit der Gebrauchserlaubnis taxativ aufgezählt. Tarif B Post 8 ist darin nicht enthalten.
Auf die am erfolgte Verständigung einer angeblich nicht vorliegenden Gebrauchserlaubnis wurde sofort reagiert und die Behörde MA46 erteilte mit Bescheid vom nochmals in derselben Sache eine Gebrauchserlaubnis.
Im Bescheid ***MA46-3*** vom wird die Fiktion des Erlöschens rückwirkend (1) ausgesprochen, also ab 2017 sodass eine Abgabenschuld der Am Klimtpark ab 2017 rückwirkend konstruiert wurde.
Gemäß § 3 steht die Gebrauchserlaubnis nach Tarif B Post 8 dem Erlaubnisträger zu.
Der Erlaubnisträger ist der Abgabepflichtige, solange bis mit Bescheid die Behörde einen anderen Erlaubnisträger festsetzt. Dass der Abgabepflichtige unabhängig von Grundstückseigentümer sein kann ist z.B. aus den Vorschreibungen der Grundsteuer ersichtlich. So trifft bei Grundeigentümerwechsel den alten Grundeigentümer die Zahllast, wenn kein neuer Bescheid für den neuen Grundeigentümer vorliegt. Diese Rechtslage wurde ausführlich im ORF am von der Volksanwaltschaft dargestellt. So stellen Gemeinden nach wie vor Grundsteuervorschreibungen an ehemalige Grundeigentümer als Bescheidempfänger aus, weil eine Änderung des Abgabepflichtigen nicht durchgeführt wurde.
Zur Schuldhaftigkeit
Ich hatte keine Kenntnis vom Bestehen einer Gebrauchsabgabeverpflichtung, und zwar aus 2 Gründen
(1) Entsprechend den Vorschriften der ÖNORM 2501 (Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke) wurden die Abwasserrohre bei der Baueinreichung angepaßt für das Mischsystem, das von Wiener Kanal für die Witzelsbergergasse vorgeschrieben war. Entwässerungsanlagen müssen bekanntlich unter anderem neben dem Abfluss der Niederschlagsgewässer einen einwandfreien Luftaustausch gewährleisten.
Die beim Bau in 1969 gewählte Anordnung der Abfallrohre ermöglicht einen Luftaustausch und das Entweichen der Gärgase aus dem Kanal, die im Kanal unter der Erde naturgemäß entstehen. Diese übel riechenden Gase können somit oben in der Dachrinne entweichen, ohne bei Passanten auf der Straße eine Geruchsbelästigung hervorzurufen. Das ist insbesondere in der Witzelsbergergasse wichtig, will in dieser Gasse der Kanal im Mischsystem (d.h. gemeinsame Abfuhr von Fäkalien und Regenwasser) liegt und Geruchsbelästigungen der Verkehrsteilnehmer verhindert werden sollen. Daher hat die Behörde bei der Errichtung des Gebäudes die außenliegenden Abfallrohre möglichst nahe zum Kanal in der Witzelsbergergasse durch den Baubescheid vorgeschrieben.
Beweise: TGA02 Technische Gebäudeausrüstung Seite 9 und Seite 10 Abbildung A02.02.
Baugenehmigung MA37
(2) Die baupolizeiliche Bewilligung wurde im März 1969 erteilt und das Gebäude konsenskonform von der ***B-GmbH*** kurz "***B***" errichtet.
Es war für mich nicht erkennbar, daß eine von der MA21 Baubehörde geforderte bauliche Maßnahme, die Entlüftung des Mischwasserkanals der Gemeinde Wien zu ermöglichen, zu einer Abgabepflicht des Grundeigentümers wegen dieser Dienstleistung führen soll.
Ferner bin ich davon ausgegangen, daß daher folgende Bestimmung des GAG zutrifft:
GAG § 18 Jahres-Tarifpost B 8.
für die Zu- oder Ableitung von Kanal und Wasser für eine Anlage 8,10 Euro, ...sofern durch Gesetz oder Verordnung die Errichtung von Kanalleitungen zwingend vorgeschrieben ist, besteht hiefür keine Abgabepflicht;
Abänderungsantrag
Ich ersuche daher höflich,
• die Strafverfügung ***MA6*** vom zurückzuziehen
• um die Einstellung des Verfahrens
• die Reduzierung der Gebrauchsabgabe nach ***MA46-1*** und ***MA46-2*** vom Abschnitt Ill auf null Euro gemäß § 8 Tarif B Post 8 zu setzten.
• um die Vornahme einer mündlichen Verhandlung."
Dieses als "Korrektur" bezeichnete Schreiben von ***Bf1*** vom wurde der Magistratsabteilung 6 zur Wahrung des Parteiengehörs und allfälligen Stellungnahme weitergeleitet. Die Magistratsabteilung 6 hat am mitgeteilt, dass auf eine Stellungnahme - unter Hinweis auf den Akteninhalt - verzichtet wird.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Rechtslage:
§ 50 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.
Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG entfällt die (öffentliche mündliche) Verhandlung, wenn der Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Gemäß § 1 Abs. 1 des Wiener Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) ist für den Gebrauch von öffentlichem Grund in der Gemeinde, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen einschließlich seines Untergrundes und des darüber befindlichen Luftraumes vorher eine Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn die Art des Gebrauches im angeschlossenen Tarif (Sondernutzung) angegeben ist. Dies gilt nicht, soweit es sich um Bundesstraßengrund handelt.
Gemäß § 2 Abs. 1 des Wiener Gebrauchsabgabegesetzes (GAG) ist die Erteilung einer Gebrauchserlaubnis nur auf Antrag zulässig. Wenn für die Durchführung eines Vorhabens eine Gebrauchserlaubnis erforderlich ist, gilt als Antrag auf Erteilung der Gebrauchserlaubnis
1. das Ansuchen um Erteilung der baupolizeilichen oder straßenpolizeilichen Bewilligung,
2. die Einreichung nach § 70a der Bauordnung für Wien.
§ 2 Abs. 3 GAG: Die Gebrauchserlaubnis kann einer physischen Person, einer juristischen Person, einer Mehrheit solcher Personen, einer Erwerbsgesellschaft des bürgerlichen Rechtes oder einer Personengesellschaft nach Unternehmensrecht erteilt werden. In den Fällen des § 3 Abs. 1 darf die Gebrauchserlaubnis nur dem Eigentümer der Baulichkeit erteilt werden.
§ 3 GAG über die Wirkung der Gebrauchserlaubnis normiert, dass dann, wenn die Gebrauchserlaubnis für Arten des Gebrauches gemäß Tarif A, Post 1 bis 4, sowie Tarif B, Post 3 erteilt wurde, die Gebrauchserlaubnis dem jeweiligen Eigentümer der Baulichkeit zusteht, von der aus der Gebrauch erfolgt oder erfolgen soll.
Gemäß § 3 Abs. 2 GAG ist in allen übrigen Fällen die Wirksamkeit der Gebrauchserlaubnis auf denjenigen Erlaubnisträger beschränkt, dem die Gebrauchserlaubnis erteilt worden ist.
§ 4 Abs. 4 GAG: Die Gebrauchserlaubnis erlischt überdies im Zeitpunkt des Einlangens einer Verzichtserklärung beim Magistrat. Ein Verzicht liegt auch dann vor, wenn die Gebrauchsabgabe binnen zwei Monaten nach Fälligkeit ohne Angabe von Gründen nicht entrichtet wird und außerdem für die annähernd gleiche Stelle, auf die sich die Gebrauchserlaubnis bezieht, eine neue Gebrauchserlaubnis beantragt worden ist. In derartigen Fällen wird der Verzicht im Zeitpunkt der Erteilung der neuen Gebrauchserlaubnis wirksam. Als Verzicht gilt auch die Endigung der Gewerbeberechtigung für die Verabreichung von Speisen und den Ausschank von Getränken durch den Träger einer Gebrauchserlaubnis nach Tarif D Post 2 oder einer sonstigen Regelung, aus der sich das Recht zu einem im Tarif D Post 2 umschriebenen Gebrauch ergibt, und für jeden damit zusammenhängenden in der angeschlossenen Anlage I und im angeschlossenen Tarif angegebenen Gebrauch (zB Sonnenschutzvorrichtungen, Leitungen), es sei denn es liegt ein Fall des § 3 Abs. 4 vor.
Gemäß § 9 Abs. 1a GAG ist derjenige, der öffentlichen Grund in der Gemeinde (§ 1) gemäß angeschlossenem Tarif benutzt, ohne vorher eine Gebrauchserlaubnis erwirkt zu haben, sowie derjenige, der nach § 5 zur Beseitigung der Einrichtungen verpflichtet ist und diese nicht nachweislich beseitigt, haben - unbeschadet der §§ 6 und 16 - die Gebrauchsabgabe entsprechend dem angeschlossenen Tarif zu entrichten. Die Abgabe ist durch Bescheid festzusetzen. Die Bestimmungen dieses Gesetzes gelten sinngemäß. Wird die Gebrauchserlaubnis nachträglich erteilt, so ist die vom Abgabepflichtigen nach diesem Absatz bereits entrichtete Abgabe anzurechnen.
Gemäß § 12 Abs. 1 GAG ist die Selbstbemessungsabgabe im Sinne des § 10 Abs. 1 lit. b vom Abgabepflichtigen für jeden Kalendermonat nach dem sich aus dem Tarif ergebenden Hundertsatz bis zum 15. des darauffolgenden Monats zu entrichten.
Gemäß § 16 Abs. 1 Wiener Gebrauchsabgabegesetz sind Handlungen oder Unterlassungen, durch welche die Gebrauchsabgabe verkürzt wird, als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis 21.000 Euro zu bestrafen. Die Verkürzung der Gebrauchsabgabe dauert so lange an, bis der Abgabepflichtige die Selbstbemessung nachholt oder die Gebrauchsabgabe bescheidmäßig festgesetzt wird.
Gemäß § 5 Abs. 1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.
Gemäß § 5 Abs. 2 VStG entschuldigt die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.
Gemäß § 45 Abs. 1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn
1. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet;
2. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen;
3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen;
4. die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind;
5. die Strafverfolgung nicht möglich ist;
6. die Strafverfolgung einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.
Unbestritten steht fest und geht dies aus den bereits im Einspruch gegen die Strafverfügung der Magistratsabteilung 6 vorgelegten Unterlagen hervor, dass der ***B-GmbH*** im Jahr 1969 aufgrund eines Ansuchens eine baupolizeiliche Bewilligung erteilt und das gegenständliche Gebäude konsenskonform errichtet wurde. Laut der technischen Gebäudeausrüstung lag auch eine Baugenehmigung für drei Dachfallabwasserrohre des Gebäudes vor, die für die Ableitung des Dachwassers und die Entlüftung des öffentlichen Straßenkanals erforderlich sind. Nach den seinerzeitigen Vorschriften der ÖNORM 2501 (Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke) wurden die Abwasserrohre im Mischsystem errichtet, welches von Wiener Kanal für die Alliogasse und Witzelsbergergasse angeordnet wurde.
Mit Bescheid vom wurde der "***X-GmbH*** für die Benutzung des öffentlichen Grundes bzw. des darüber befindlichen Luftraumes vor der Liegenschaft in Wien 15., Alliogasse 11, ohne Gebrauchserlaubnis durch die Nutzung für drei Dachfallabwasserrohre für die Abgabenjahre 2017 bis 2019 insgesamt € 71,10 vorgeschrieben.
Aktenkundig ist auch, dass die vom Bf. vertretenen Gesellschaft am ein Ansuchen um Bewilligung der Dachabfallrohre eingebracht und am einen Bewilligungsbescheid ab 2019 erhalten hat. Folglich besteht seit Rechtskraft dieses Bescheides auch eine Gebrauchserlaubnis.
Das Bundesfinanzgericht ist bei diesem Sachverhalt zum Schluss gekommen, dass dem Bf. verfahrensgegenständlich zu den ihm vorgehaltenen Verwaltungsübertretungen keine Sorgfaltspflichtverletzung hinsichtlich der Wahrnehmung von abgabenrechtlichen Verpflichtungen anzulasten ist. Der Bf. hat während des gesamten Verfahrens, insbesondere auch in seinem ergänzenden Korrekturschreiben vom dargetan, dass er nicht erkennen konnte, dass bei dem von der ***B*** mit baupolizeilicher Bewilligung und den ÖNORM-Vorschriften entsprechend errichteten Gebäude eine von der MA21 Baubehörde geforderte bauliche Maßnahme, die Entlüftung des Mischwasserkanals der Gemeinde Wien zu ermöglichen, zu einer Abgabepflicht des Grundeigentümers wegen dieser Dienstleistung führt. Vor allem, da er in gutem Glauben davon ausgegangen ist, dass die Bestimmung des § 18 Jahres-Tarifpost B 8 GAG zutrifft: ".. für die Zu- oder Ableitung von Kanal und Wasser für eine Anlage 8,10 Euro, ...sofern durch Gesetz oder Verordnung die Errichtung von Kanalleitungen zwingend vorgeschrieben ist, besteht hiefür keine Abgabepflicht".
Der Bf. ist sohin in seinem Handeln einer vertretbaren und im Wortsinn des Gesetzes jedenfalls Deckung findenden Rechtsansicht in Bezug auf das Nichtbestehen einer Abgabepflicht gefolgt, so dass ihm kein Verschulden (auch keine fahrlässige Handlungsweise) angelastet werden kann.
Da sich schon aufgrund der Aktenlage nach den vorgelegten Unterlagen ergeben hat, dass die Voraussetzungen für einen Schuldspruch nicht gegeben sind, das angefochtenen Straferkenntnis aufzuheben und das gegen den Bf. geführte Verwaltungsstrafverfahren gemäß nach § 45 Abs. 1 Z. 2 VStG einzustellen war, wurde von der Abhaltung der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen.
Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind dem Beschwerdeführer die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht aufzuerlegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist. Kosten waren somit wegen Stattgabe der Beschwerde nicht festzusetzen.
Zur Unzulässigkeit der Revision
Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Wien, am
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie | Verwaltungsstrafsachen Wien |
betroffene Normen | § 1 Abs. 1 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966 § 16 Wiener Gebrauchsabgabegesetz 1966, LGBl. Nr. 20/1966 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.7500072.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at