zurück zu Linde Digital
TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.03.2022, RV/7100841/2022

Aufhebung einer rechtswidrig ergangenen Beschwerdevorentscheidung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Rechberger-Consulting GmbH, Sebersdorf 180, 8272 Bad Waltersdorf, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2016, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerdevorentscheidung vom , mit der die Beschwerde vom als verspätet zurückgewiesen wurde, wird aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer wurde für das Jahr 2016 im Zuge der antragslosen Arbeitnehmerveranlagung mit Bescheid vom zur Einkommensteuer veranlagt. Am erhob er Beschwerde und beantragte die Berücksichtigung von zusätzlichen Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen. In der Begründung führte er wörtlich wie folgt aus:

"S.g. Damen und Herren, ich hatte bereits einen Antrag auf Ergänzung der Daten gestellt, weil die Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2016 automatisch erstellt wurde. Da ich diese jedoch stets selbst durchführe, wurde das zugesandte Schreiben meinerseits dbzgl. retourniert. Leider habe ich damals jedoch keine Informationen zur weiteren Vorgehensweise mehr erhalten und habe deshalb nun den Antrag auf Änderung/Ergänzung - vor Ablauf der 5 Jahresfrist - online gestellt. Vielen herzlichen Dank für ihr Verständnis & einen guten Rutsch ins Jahr 2022!"

Das Finanzamt wies diese Beschwerde gemäß § 260 Abs. 1 lit b BAO als verspätet zurück.

Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag brachte der Beschwerdeführer vor, er habe 2016 aus persönlichen Gründen noch keine Arbeitnehmerveranlagung durchgeführt und somit 2017 den Bescheid zur antragslosen Arbeitnehmerveranlagung erhalten. Am habe er darauf "Beschwerde" eingelegt, nicht wissend, dass sich diese Beschwerde auf diesen antragslosen Bescheid beziehe und mit der schon lange abgelaufenen Monatsfrist natürlich keine Chance auf Bearbeitung gehabt habe. Mit seiner Beschwerde habe er die Wiederaufnahme der Veranlagung (innerhalb der 5 Jahre) herbeiführen wollen. Ihm sei nicht bewusst gewesen, dass es am einfach gereicht hätte, das L1-Formular neu auszufüllen, um die antragslose Arbeitnehmerveranlagung aufzuheben. Dies sei ihm erst über die Hotline mitgeteilt worden. Am Ende der Beschwerde habe er auch die Daten ergänzt, aber über das falsche Formular. Er sei definitiv der Meinung gewesen, dass er die Datenergänzung über das Beschwerdeformular beantragen müsse, um eine weitere Bearbeitung zu ermöglichen. Einen schriftlichen Hinweis zur korrekten Abwicklung (Verwendung L1-Formular) habe er weder auf einem Bescheid noch auf der Homepage finden können, was ihn dazu veranlasst habe, das Beschwerdeformular zu verwenden. Er ersuche daher um Kulanz und Bearbeitung seiner Arbeitnehmerveranlagung 2016, da er rechtzeitig seine Daten für 2016 hinterlegt, jedoch in einem falschen Formular abgesandt habe.

Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt, die Zurückweisung beantragt und ausgeführt, dem Steuerpflichtigen wäre es unbenommen gewesen, eine Steuererklärung einzubringen. Gemäß § 41 Abs. 2 Z 2 lit. c EStG 1988 könne die antragslose Arbeitnehmerveranlagung durch Abgabe einer Steuererklärung für das betreffende Veranlagungsjahr beseitigt werden; dafür stehe - die für die Antragsveranlagung geltende - Frist von fünf Jahren offen. Werde eine Abgabenerklärung abgegeben, habe das Finanzamt darüber zu entscheiden und gleichzeitig damit den antragslos ergangenen Bescheid aufzuheben. Die Bescheidaufhebung erfolge in diesem Fall allerdings außerhalb der in der BAO vorgesehenen Möglichkeiten.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer wurde für das Jahr 2016 im Zuge der antragslosen Arbeitnehmerveranlagung mit Bescheid vom zur Einkommensteuer veranlagt. Am brachte er einen Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung 2016 ein. Er benützte dafür das in Finanzonline zur Verfügung stehende Beschwerdeformular und beantragte die Berücksichtigung von zusätzlichen Werbungskosten, Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen.

Beweiswürdigung

In der Begründung seines elektronisch eingebrachten Antrages führte der Beschwerdeführer aus, die Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2016 sei automatisch erstellt worden, er stelle nun vor Ablauf der 5-Jahresfrist einen Antrag auf Ergänzung. In diesem Anbringen beantragte er zusätzliche Sonderausgaben und Werbungskosten sowie die Berücksichtigung des Kinderfreibetrages für seine beiden haushaltszugehörigen Kinder. Daraus ist zweifelsfrei abzuleiten, dass der Beschwerdeführer erkennbar darauf abzielte, die im Einkommensteuerbescheid vom nicht erfolgte Berücksichtigung der Sonderausgaben, Werbungskosten und des Kinderfreibetrages zu erreichen. Mit der über Finanzonline gemachten Eingabe vom , zu deren Abfassung er sich der in Finanzonline zur Verfügung stehenden Antragsart "Beschwerde gem. § 243 BAO" bediente, hat er bei genauer Betrachtung und unter Einbeziehung der von ihm angeführten Begründung keine Beschwerde erhoben, sondern innerhalb der 5-Jahresfrist einen Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2016 eingebracht. Dabei ist auch in Betracht ziehen, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung kein Steuerpflichtiger von einer Rechtsmittelfrist ausgeht, die sich über mehrere Jahre erstreckt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Parteienerklärungen nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Es kommt somit darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Absicht der Partei zu erforschen. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (, mwN).

Die vom Beschwerdeführer am über Finanzonline gemachte Eingabe war daher als Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung zu werten.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 41 Abs. 2 Z 2 EStG ist bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen eine antragslose Arbeitnehmerveranlagung durchzuführen.

Gemäß § 41 Abs. 2 Z 2 lit c EStG hat das Finanzamt, wenn nach erfolgter antragsloser Veranlagung innerhalb der Frist der Z 1 (fünf Jahre ab dem Ende des Veranlagungszeitraums) eine Abgabenerklärung abgegeben wird, darüber zu entscheiden und gleichzeitig damit den antragslos ergangenen Bescheid aufzuheben.

Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.

Die Erlassung eines Bescheides aufgrund einer antragslosen Veranlagung soll einer rechtsrichtigen Erledigung nicht im Wege stehen (Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2021, § 41 Tz 35). Wird innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraumes eine Steuererklärung abgegeben, ist die Steuer neu zu berechnen, ein neuer Steuerbescheid zu erlassen und der antragslos ergangene Bescheid gleichzeitig aufzuheben. Damit kann der Steuerpflichtige die Rechtswirkung einer antragslosen Veranlagung durch Einreichung einer Steuererklärung beseitigen.

Der Beschwerdeführer machte im vorliegenden Fall nach erfolgter antragsloser Veranlagung am - somit innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraumes - eine Steuererklärung zu wertende Eingabe. Das Finanzamt hat aber dem Anbringen des Beschwerdeführers, das dieser zur Wahrung seiner Rechte stellte, einen solchen Inhalt beigemessen, der zur Zurückweisung des Anbringens führte. Damit hat es die Abgabenbehörde unterlassen, über das als Steuererklärung zu wertende Anbringen zu entscheiden und gleichzeitig den antragslos ergangenen Bescheid aufzuheben.

Mit der Zurückweisung des als Beschwerde gewerteten Anbringens des Beschwerdeführers wurde ihm im Widerspruch zur Judikatur des Höchstgerichtes jegliche Möglichkeit genommen, seine Rechte durchzusetzen, da eine Wiederaufnahme auf Antrag bezogen auf den Beschwerdeführer am Fehlen neu hervorgekommener Tatsachen und Beweismittel scheitern muss.

Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer gar keine Beschwerde einbringen wollte und dies aus seinem Antrag auch erkennbar ist, hätte die belangte Behörde diesen Antrag nicht als verspätet eingebrachte Beschwerde werten und darüber nicht mit Beschwerdevorentscheidung absprechen dürfen.

Die rechtswidrig ergangene Beschwerdevorentscheidung, mit der die "Beschwerde" als verspätet zurückgewiesen wurde, war daher aufzuheben.

Zu Spruchpunkt II.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann einer Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet (z.B. ). Gegenständlich war nur um die einzelfallbezogene Auslegung einer Parteierklärung strittig. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor, weshalb die Revision spruchgemäß nicht zuzulassen war.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 41 Abs. 2 Z 2 lit. c EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 243 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 262 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise

ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100841.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at