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Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 16.03.2022, RV/6100269/2021

Beschwerdelegitimation gegen Abgabenbescheide bei Haftung gemäß § 11 BAO

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Maria-Luise Wohlmayr über die Beschwerde des ***Bf1***, Adr.Bf., vom gegen die Bescheide des Finanzamtes A - Stadt (nunmehr FA Österreich) vom betreffend Umsatzsteuer 2000 und vom betreffend Umsatzsteuer 2001 beschlossen:

Die Beschwerde wird gemäß § 260 Abs 1 der Bundesabgabenordnung (BAO) als unzulässig zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) eine Revision nicht zulässig.

Begründung

A. Sachverhalt

A/1. Mit Urteil des Landesgerichts A vom , xyHvzzz wurde der Beschwerdeführer (kurz: Bf.) schuldig gesprochen, als Geschäftsführer bzw. faktischer Machthaber der I-GmbH) Abgaben gemäß § 33 FinStrG hinterzogen zu haben. Indem er es unterließ, den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechende Abgabenerklärungen einzureichen, verkürzte er unter anderem Umsatzsteuer für 2000 in Höhe von EUR 92.513,23 und Umsatzsteuer für 2001 in Höhe von EUR 1.404,45.

Die dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wies der aaOszzz zurück. Dadurch wurde der Schuldspruch rechtskräftig (siehe Urteil des OLG vom , *Bs***).

A/2. Das Finanzamt erließ daher am gegenüber dem Bf. einen Haftungsbescheid gemäß § 11 BAO und forderte den Bf. auf, die genannten Umsatzsteuerbeträge zu entrichten. Diesem Bescheid legte das Finanzamt folgende Dokumente bei:
1. Umsatzsteuerbescheide 2000 und 2001
2. Rückstandsausweis vom
3. tabellarische Übersicht betreffend Rückstand und Urteil.

Mit Schriftsatz vom erhob der Bf. Beschwerde gegen den Haftungsbescheid, aber auch gegen die Umsatzsteuerbescheide für 2000 und 2001. Darin führte er aus, dass die Umsatzsteuerbescheide 2000 und 2001 zu einer Zeit erstellt worden seien, in der die Gesellschaft nicht mehr tätig gewesen sei. Die ausgewiesenen Summen (Bemessungsgrundlagen) seien fiktiv gerundet. Jedenfalls seien die grob geschätzten Umsätze nicht erzielt und auch die vorsteuerberechtigten Ausgaben mit 14,2 % und 12,2% der Umsätze nicht entsprechend den tatsächlichen Aufwänden angesetzt worden.

Außerdem stünden die Abgabenbescheide in keinem Zusammenhang mit dem Fehlurteil. Beide Umsatzsteuerbescheide bilden keine Deckung zum Rückstandsausweis und keine zu Anklage / Urteil / fiktiven Haftungsforderung. Die Umsatzsteuer 2000 sei im Bescheid mit EUR 87.207,40 festgesetzt worden, laut Rückstandsausweis seien angeblich EUR 97.105,22 offen, und der Haftungsbescheid weise EUR 92.513,23 aus. Die Umsatzsteuer 2001 sei mit EUR 21.671,04 festgesetzt worden, der Haftungsbescheid spreche von EUR 1.404,45. Zum Beweis dafür, dass die gegenständlichen Haftsummen nicht Gegenstand des Fehlurteils waren, werde die Einvernahme des Strafrichters beantragt.

A/3. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde des Bf. gegen die Umsatzsteuerbescheide 2000 und 2001 zurück. Dagegen richtet sich der Antrag des Bf. auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht sowie auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Senat.

Das Bundesfinanzgericht hat hierüber erwogen:

Der vorstehend geschilderte Sachverhalt ist in dem vom Finanzamt vorgelegten Akt abgebildet und unbestritten. Vom Bf. wird jedoch bestritten, dass die rechtskräftige Verurteilung des Bf. die Umsatzsteuerbeträge umfasst, für die er zur Haftung herangezogen wurde.

B. Rechtliche Würdigung

B/1. Gemäß § 11 BAO haften rechtskräftig verurteilte Täter und andere an der Tat Beteiligte bei vorsätzlichen Finanzvergehen und bei vorsätzlicher Verletzung von Abgabenvorschriften der Länder und Gemeinden für den Betrag, um den die Abgaben verkürzt wurden. Die rechtskräftige Verurteilung in einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren ist als Tatbestandselement Voraussetzung für eine Haftung gemäß § 11 BAO (Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 11, E 2e).

Der Haftungspflichtige selbst muss wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens rechtskräftig verurteilt worden sein. Die Haftungsinanspruchnahme darf keinen höheren Verkürzungsbetrag umfassen als der im Spruch des Strafurteils festgestellte (; , 2010/16/0169).

Ein Urteil des Strafgerichts entfaltet eine Bindungswirkung, welche sich darauf erstreckt, dass der Gesamtbetrag an hinterzogenen Abgaben, für den gemäß § 11 eine Haftung ausgesprochen werden kann, mit dem im Urteil genannten Betrag begrenzt ist und lediglich die im Urteil angeführten Abgabenarten und Jahre betreffen kann (Fischerlehner in Fischerlehner/Brennsteiner, Abgabenverfahren I BAO3, § 11 Rz. 7).

Die Bindungswirkung des Strafurteils erstreckt sich auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen, wobei die Bindung selbst dann besteht, wenn die maßgebliche Entscheidung rechtswidrig ist. Ein vom bindenden Strafurteil abweichendes Abgabenverfahren würde zu Lasten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einer Durchbrechung der materiellen Rechtskraft gleichkommen ().

B/2. Nach § 248 BAO kann der nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige unbeschadet der Einbringung einer Bescheidbeschwerde gegen seine Heranziehung zur Haftung (Haftungsbescheid, § 224 Abs. 1) innerhalb der für die Einbringung der Bescheidbeschwerde offenstehenden Frist auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch Bescheidbeschwerde einbringen.

Geht einem Haftungsbescheid ein Abgabenbescheid voran, so ist die Behörde daran gebunden und hat sich in der Entscheidung über die Heranziehung zur Haftung grundsätzlich an diesen Abgabenbescheid zu halten. Diese in § 248 BAO ausgedrückte Bindungswirkung fordert lediglich wirksame, nicht jedoch rechtskräftige Abgabenbescheide. Somit eröffnet diese Bestimmung dem Haftungsverpflichteten einen eigenständigen Rechtszug gegen den seiner Haftungsinanspruchnahme zugrundeliegenden Abgabenbescheid (). Damit ist der Rechtsschutz des zur Haftung Herangezogenen gewahrt.

B/3. Die Haftung gemäß § 11 BAO basiert nicht auf einem Bindungswirkung auslösenden Abgabenbescheid, sondern vielmehr auf der rechtskräftigen Verurteilung wegen eines vorsätzlichen Finanzvergehens wie etwa Abgabenhinterziehung. Die Bindungswirkung besteht in diesem Fall - wie bereits ausgeführt - gegenüber dem Strafurteil.

Im vorliegenden Fall steht außer Streit, dass der Bf. mit Urteil des Landesgerichts A vom zu xyHvzzz der Hinterziehung gemäß § 33 FinStrG hinsichtlich der Umsatzsteuer für das Jahr 2000 in Höhe von EUR 92.513,23 sowie Umsatzsteuer für das Jahr 2001 von EUR 1.404,45 für schuldig erkannt wurde.

Diese Verurteilung und nicht die beschwerdegegenständlichen Bescheide bildet die Grundlage für die Haftungsinanspruchnahme nach § 11 BAO. Die Abgabenbehörde ist im Haftungsverfahren daher nicht an die beschwerdegegenständlichen Umsatzsteuerbescheide, sondern an den Urteilsspruch des Landesgerichts gebunden. Dies hat zur Folge, dass dem Bf. kein Beschwerderecht gegen die verfahrensgegenständlichen Bescheide gemäß § 248 BAO zukommt, weil diese keine Bindungswirkung in Bezug auf das Haftungsverfahren nach § 11 BAO entfalten (siehe dazu auch die ausführliche Begründung in der Beschwerdevorentscheidung vom ).

Somit ist die gegenständliche Beschwerde mangels Beschwerdelegitimation des Bf. gemäß § 260 Abs 1 Z a BAO zurückzuweisen. Aus diesem Grund ist die Entscheidung über die Haftungsfrage keine Voraussetzung für die Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde gegen die Abgabenbescheide. Es war nicht geboten, dass das Bundesfinanzgericht zuerst über die Beschwerde gegen die Geltendmachung der Haftung entscheidet, weil die Beschwerdelegitimation des Bf. unabhängig von der Haftungspflicht nicht besteht (vgl. Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 248, E 23).

Das Bundesfinanzgericht konnte von der beantragten mündlichen Verhandlung vor dem gesamten Senat gemäß § 274 Abs 3 Z 1 BAO absehen. Die Erlassung des Zurückweisungsbeschlusses nach § 260 BAO obliegt gemäß § 272 Abs 4 BAO der Berichterstatterin als Einzelrichterin.

C. Zulässigkeit einer Revision

Gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art 133 Abs 4 B-VG).

Im vorliegenden Beschwerdefall wurden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Lösung der gegenständlichen Rechtsfrage ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Aus diesem Grund ist die Revision nicht zuzulassen.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 11 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 248 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.6100269.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at