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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 05.04.2022, RV/1100069/2022

Versicherungsprämie keine außergewöhnliche Belastung

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Armin Treichl in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Bregenz vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß teilweise Folge gegeben.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Hinsichtlich des Verfahrensgangs wird auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/1100414/2020 verwiesen.

Dieses Erkenntnis wurde vom VwGH mit Erkenntnis vom , Ra 2021/15/0069 aufgehoben. Die Tz 22 bis 31 dieses Erkenntnisses lauten:

"Das Bundesfinanzgericht ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass die mitbeteiligte Partei auf Schiebetüren und auf die Fernbedienung für die Plissees angewiesen sei. Die Schiebetüren und die Plissees in der Wohnung der mitbeteiligten Partei seien Hilfsmittel iSd § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen und die damit im Zusammenhang stehenden Anschaffungs- bzw. Reparaturkosten stellten außergewöhnliche Belastung dar.

Gegen die Feststellung, die mitbeteiligte Partei sei auf Schiebetüren angewiesen, wendet sich die Revision nicht. In der Revision wird nur gerügt, die an der Schiebetür durchgeührten Arbeiten stellten einen haushaltsüblichen Reparaturaufwand dar, der bei einer im Jahr 2010 gekauften Wohnung nicht außergewöhnlich sei. Mit diesem Vorbringen wird schon deswegen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufgezeigt, weil die mitbeteiligte Partei in der Beschwerde vorgebracht hat, dass Schiebetüren aufgrund der fehlenden Führung anfällig gegen Stöße seien und durch das Drehen bzw. Wenden mit dem Rollstuhl immer wieder angeschlagen würden. Letzteres weist auf einen durch die Behinderung bedingten Mehraufwand hin. Auch mit der nicht näher präzisierten Behauptung, die Fernbedienung für die elektrischen Plissees stelle kein Hilfsmittel iSd § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen dar, weil derartige Plissees auch von kleinen Menschen oder Menschen im Rollstuhl bedient werden könnten, wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufgezeigt.

Soweit sich die Revision gegen die Anerkennung der Kosten für die Fahrten zum "Therapieschwimmen" als außergewöhnliche Belastung wendet, kommt ihr indessen Berechtigung zu.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, führt nicht jede auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte Gesundheitsmaßnahme zu einer außergewöhnlichen Belastung. Die Aufwendungen müssen vielmehr zwangsläufig erwachsen, womit es erforderlich ist, dass die Maßnahme zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig ist (vgl. VWGH , 2012/15/0136).

Die mitbeteiligte Partei hat mit der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung 2019 u. a "Fahrtkilometer Therapieschwimmen in Höhe von 184,80 € und "Fahrtkilometer Therapie (Dipl. Physiotherapeut [...]" in Höhe von 120,96 € als außergewöhnliche Belastung geltend gemacht.

Das Finanzamt hat im Einkommensteuerbescheid 2019 die "Fahrtkilometer Therapieschwimmen" nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt, wogegen sich die gegen den Einkommensteuerbescheid gerichtete Beschwerde nicht wendet. Auch im Vorlageantrag finden sich keine Ausführungen zu dieser Aufwandsposition. Dort wird - ohne nähere Begründung - nur die Anerkennung aller geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung beantragt.

Das Bundesfinanzgericht hat die unter der Position "Fahrtkilometer Therapieschwimmen" geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt und führt zur Begründung aus, Fahrtkosten zu Ärzten - bzw. Therapeuten stellten außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt dar.

Dass das "Therapieschwimmen" zur Heilung oder Linderung einer Krankheit - nachweislich notwendig war, stellte das Bundesfinanzgericht hingegen nicht fest. Diese Feststellung wäre aber erforderlich gewesen, weil nach der oben dargelegten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht jede auf ärztliches Anraten und aus medizinischen Gründen durchgeführte Gesundheitsmaßnahme zu einer außergewöhnlichen Belastung führt und die hier in Rede stehenden Fahrtkosten nur dann als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen wären, wenn es sich beim "Therapieschwimmen" um eine Gesundheitsmaßnahme handelt die zur Heilung oder Linderung einer Krankheit nachweislich notwendig war.

Soweit das Finanzamt in der Revision den Standpunkt vertritt, die Kosten für die aus freier Willensentscheidung und ohne Zwang abgeschlossene Kaskoversicherung stellten keine außergewöhnliche Belastung dar, ist es ebenfalls im Recht.

Dazu ist auf das Erkenntnis vom , 96/13/0052, zu verweisen, in dem der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, dass Beiträge für eine, PKW- Katastrophenschadenversicherung und eine Haushaltskatastrophenschadenversicherung keine außergewöhnliche Belastung darstellen, weil diesen Kosten das Element der Zwangsläufigkeit (§ 34 Abs. 1 Z 2 EStG 1988) fehlt. Nichts Anderes kann für die Kaskoversicherung eines Kraftfahrzeuges gelten, die beim Neukauf eines Kraftfahrzeuges zwar üblich aber nicht zwingend vorgeschrieben ist. An der Zwangsläufigkeit der Versicherung fehlt es selbst dann, wenn im Schadensfall eine außergewöhnliche Belastung vorliegen würde (vgl. Fuchs in Doralt et al,EStG20, § 34 Tz 22 f, 35/4 und 78, ABC der außergewöhnlichen Belastungen, Stichwort: Versicherung; ebenso Peyerl in Jakom EStG13 2020, § 34 Rz 90, ABC der außergewöhnlichen Belastungen, Stichwort: Versicherung)."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Hinsichtlich des Sachverhalts wird auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/1100414/2020 verwiesen.

2. Beweiswürdigung

Dieser Sachverhalt steht außer Streit.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung/Stattgabe)

Hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung wird auf das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , RV/1100414/2020 verwiesen. Auf Grund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ra 2021/15/0069 werden aber die Fahrtkosten Therapieschwimmen sowie die Kaskoprämie für die Rollstuhlverladevorrichtung am PKW nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Die behinderungsbedingten außergewöhnlichen Belastungen errechnen sich folgendermaßen:


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Kaskoprämie Rollstuhlverladevorrichtung des eigenen PKW
0,00
Rollstuhlkissenbezug
95,00
Reparatur Schiebetüren
100,20
Fernbedienung für elektrische Plissees
1.036,97
Reparaturen Rollstuhl
67,20
Kostenbeträge für Hilfsmittel
61,71
Fahrtkosten zum Vertrauensarzt
20,16
Watte (Dekubitus)
11,85
Apothekenrechnungen
122,27
Venen Kniestrümpfe
44,79
Fahrtkilometer Therapieschwimmen
0,00
Fahrtkilometer Therapie
120,96
Summe
1.681,11

Die Einkommensteuer für das Jahr 2019 errechnet sich daher folgendermaßen:


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Lohnzettel
31.479,92
Pendlerpauschale
-372,00
Werbungskostenpauschbetrag
-132,00
Gesamtbetrag der Einkünfte
30.975,92
Topfsonderausgaben
-730,00
Kirchenbeitrag
-43,28
Aufwendungen vor Abzug des Selbstbehaltes (§ 34 Abs 4 EStG)
-5.179,12
Selbstbehalt
3.047,21
Pauschbeträge nach der V über ag Belastungen
-2.280,00
Nachgewiesene Kosten aus der eigenen Behinderung
-1.681,11
Einkommen
24.109,62
Die Einkommensteuer gem § 33 EstG beträgt
0% für die ersten 11.000,00
0,00
25% für die weiteren 7.000,00
1.750,00
35% für die restlichen 4.952,86
2.138,37
Steuer vor Abzug der Absetzbeträge
3.888,37
Verkehrsabsetzbetrag
-400,00
Pendlereuro
-4,00
Steuer nach Abzug der Absetzbeträge
3.484,37
Die Steuer für die sonstigen Bezüge beträgt
0% für die ersten 620,00
0,00
6% für die restlichen 3.610,58
216,63
Einkommensteuer
3.701,00
Anrechenbare Lohnsteuer
-6.237,59
Rundung gemäß § 39 Abs 3 EStG
-0,41
Festgesetzte Einkommensteuer
-2.537,00

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im konkreten Fall sind alle Rechtsfragen durch den Verwaltungsgerichtshof geklärt. Eine ordentliche Revision ist daher nicht zulässig.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.1100069.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at

Fundstelle(n):
OAAAC-30056