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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 07.03.2022, RV/7102077/2017

eine unteilbare Rechtssache ist einheitlich entweder mit Beschluss oder mit Erkenntnis zu erledigen.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Silvia Gebhart in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom , nunmehr Finanzamt Österreich, betreffend Abweisung des Antrages vom auf Familienbeihilfe ab März 2016 für das Kind ***K***, geboren ***2***, SVNr ***1***, gemäß § 279 Abs 1 BAO zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid und die Beschwerdevorentscheidung werden ersatzlos aufgehoben. Eine Mitteilung gemäß § 12 FLAG 1967 ergeht nicht.

II. Der zugrundeliegende Antrag vom , die Bescheidbeschwerde vom und der Vorlageantrag vom gelten als zurückgenommen.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom wurde die beschwerdeführende Partei gemäß § 85 Abs 2 iVm §§ 2a, 269 Abs 1 Bundesabgabenordnung (BAO) aufgetragen, den Mangel der fehlenden Unterschrift auf dem zugrundeliegenden Antrag vom , der Beschwerde vom und dem Vorlageantrag vom (laut Schriftsatz, tatsächlich laut Eingangsstempel ) innerhalb einer Frist von zehn Tagen ab Zustellung des Beschlusses zu beheben, andernfalls der zugrundeliegende Antrag, die Beschwerde und/oder der Vorlageantrag als zurückgenommen gelten würden.

Im Mängelbehebungsauftrag wurde ausdrücklich ausgeführt: "Zum Zwecke der Nachreichung der Unterschrift werden Ausdrucke des Antrages, der Beschwerde und des Vorlageantrages aus dem elektronischen Akt als Beilagen 1 bis 3 übermittelt. Diese sind dem BFG unterschrieben fristgerecht zurückzusenden (Post oder Fax) oder persönlich in der Kanzlei des BFG einzureichen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Einbringung von Schriftstücken per E-Mail nach der Bundesabgabenordnung rechtsunwirksam ist und die Beseitigung der Mängel nicht bewirkt."

Der vorgenannte Beschluss (Mängelbehebungsauftrag) wurde am durch Hinterlegung zugestellt, sodass an diesem Tag die Abholfrist begann. Damit wurde die Frist zur Mängelbehebung am in Gang gesetzt und endete am .

Mit persönlich an die Richterin adressierter E-Mail vom wurden die unterschriebenen und gescannten Anbringen als Anhang übermittelt. Innerhalb der gesetzten Frist wurden die zur Mängelbehebung zurückgestellten Anbringen beim BFG nicht per Post, Fax oder persönlich eingebracht (Stand des Tages der Entscheidung).

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I und II.

Gemäß § 86a Abs 1 BAO [können] Anbringen, für die Abgabenvorschriften Schriftlichkeit vorsehen oder gestatten, auch telegraphisch, fernschriftlich oder, soweit es durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen zugelassen wird, im Wege automationsunterstützter Datenübertragung oder in jeder anderen technisch möglichen Weise eingereicht werden.

Die Einbringung per E-Mail ist nicht durch Verordnung des Bundesministers für Finanzen zugelassen. Die nach Mängelbehebung unterschriebenen Anbringen wurden in einer nach § 86a Abs 1 BAO unzulässigen Weise beim BFG eingebracht, obwohl im Mängelbehebungsauftrag ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, nicht per E-Mail einzubringen. Die Jüngere Judikatur [des Verwaltungsgerichtshofs und des Bundesfinanzgerichts] hält solche Anbringen für rechtlich inexistent (vgl Ritz, BAO, 6. Auflage, Lindeverlag, § 86a Tz 3, 4 mwN; bspw ; ). Da die beschwerdeführende Partei dem Auftrag zur Mängelbehebung hinsichtlich der drei bezeichneten Anbringen innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgekommen ist, gelten der zugrundeliegende Antrag, die Bescheidbeschwerde und der Vorlageantrag mit Ablauf der gesetzten Frist als zurückgenommen. Der Ausspruch, dass ein Anbringen als zurückgenommen gilt, erfolgt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich gemäß § 278 Abs. 1 lit. b BAO mit Beschluss. Im konkreten Fall betrifft die Zurücknahmefiktion jedoch auch den zu Grunde liegenden Antrag selbst.

Gemäß § 10 Abs 1 FLAG 1967 (Familienlastenausgleichsgesetz 1967) [wird] die Familienbeihilfe, abgesehen von den Fällen des § 10a, nur auf Antrag gewährt. Die Ausnahme des § 10a FLAG 1967 betrifft die Familienbeihilfe anlässlich der Geburt des Kindes und liegt nicht vor. Das gegenständliche Familienbeihilfenverfahren ist somit ein antragsgebundenes Verfahren. Da der Antrag nunmehr als zurückgenommen gilt, ist dem angefochtenen Bescheid die Rechtsgrundlage erzogen, was den angefochtenen Bescheid materiell rechtswidrig (bzw rechtswidrig geworden) macht, denn ohne Antrag hätte der Bescheid nicht ergehen dürfen.

Gemäß § 279 Abs 1 BAO [hat] das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, […] den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen. Die Aufhebung eines materiell rechtswidrigen Bescheides erfolgt im verwaltungsgerichtlichen Verfahren als Sachentscheidung mit Erkenntnis nach § 279 Abs 1 BAO (argumento "das Verwaltungsgericht ist berechtigt, … "aufzuheben"… gemäß leg.cit.). Die Aufhebung des angefochtenen Bescheides ist nicht von § 278 BAO umfasst und daher im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht mit Beschluss möglich.

Nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Erledigung (Teilerledigungen sind unzulässig) hat das Verwaltungsgericht im Fall der Nichtteilbarkeit der Beschwerdesache über die Beschwerde mit einer einheitlichen Entscheidung abzusprechen. Eine Familienbeihilfensache kann ua hinsichtlich Zeiträume oder Kinder teilbar sein. Die Sachentscheidung ist das weiterreichende Recht und beinhaltet auch eine Formalentscheidung. Im konkreten Fall liegt Nichtteilbarkeit der Beschwerdesache vor, weshalb das BFG einheitlich mit Erkenntnis abzusprechen hat.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt III. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da sich die Rechtsfolge im Falle der Nichtbefolgung eines Mängelbehebungsauftrages unmittelbar aus § 85 Abs. 2 BAO ergibt, liegt hier keine Rechtsfrage vor, der gemäß Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Rechtslage ist eindeutig im Sinne des Zl. Ro 2014/07/0053. Die ordentliche Revision war daher im vorliegenden Fall nicht zuzulassen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
§ 86a Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 278 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 10 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise


ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102077.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at