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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.03.2022, RV/7101234/2013

Sicherheitszuschlag auf Grund von festgestellten Schwarzeinnahmen der Vorjahre

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Dieter Fröhlich in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** wohnhaft, StNr.: X1, vertreten durch Dr. Hans Bodendorfer Steuerberatungsges.m.b.H., Hegelgasse 8/22, 1010 Wien, betreffend die Berufung vom gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2008 und 2009, vom , zugestellt am , des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart

zu Recht erkannt

  • Der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 wird gemäß § 279 BAO teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid abgeändert.

  • Der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 wird gemäß § 279 BAO vollumfänglich Folge gegeben und der angefochtene Bescheid abgeändert.

  • Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) erhob durch seinen steuerlichen Vertreter gegen die Einkommensteuerbescheide für 2008 und 2009, in denen die Einkünfte aus Gewerbebetrieb wegen Nichtabgabe der Steuererklärungen gemäß § 184 BAO mit € 40.000 und € 31.000 geschätzt wurden, mit Schreiben vom form- und fristgerecht Berufung. Auf Grund der Ende 2010 abgeschlossenen Außenprüfung der Jahre 2000 bis 2006 hätten die Jahresabschlüsse für die Folgejahre nicht rechtzeitig erstellt werden können und seien die Abgabenerklärung nicht eingebracht worden. Der Berufung werdej die Saldenlisten für 2008 und 2009 sowie ein vorläufiger Jahresabschluss für die Jahre 2008 angeschlossen. Der Bf. beantragte - an Stelle der griffweisen Schätzung die Einkünfte aus Gewerbebetrieb entsprechend der bekanntgegebenen tatsächlichen Gewinnermittlung (2008: -€ 1.944 u. 2009: € 2.274) festzusetzen.

In einer Stellungnahme des Finanzamtes zur Berufung wurde ausgeführt, dass bei der Schätzung für das Jahr 2008 von der Saldenliste, die der Betriebsprüfung vorgelegen ist, ausgegangen worden sei. Zudem sei die AfA der Anlagegüter entsprechend den Vorjahren in Abzug gebracht worden. Dieser Betrag wurde dann um einen Sicherheitszuschlag von € 32.000, wie in Tz. 5 des BP-Berichtes vom dargestellt, hinzugerechnet. Für das Jahr 2009 sind der Abgabenbehörde keine betrieblichen Unterlagen vorgelegen, weshalb die Gewinnschätzung mit dem Mittelwert der Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Jahre 2007 und 2008 erfolgt sei.

Aus den der Berufung angeschlossenen Unterlagen zur Gewinnermittlung ließe sich das ausgewiesene Betriebsergebnis nicht nachvollziehen, weil der abgegebene Jahresabschluss 2008 als Entwurf bezeichnet worden sei und ein Anlagenverzeichnis fehle. Die Saldenliste mit der Aufstellung aller Kontenstände zum sei kein Jahresabschluss, den der Bf. gemäß § 4 Abs. 1 EStG für seine Gewinnermittlung gewählt habe.

Mit Schreiben vom wurde vom steuerlichen Vertreter (StV) ein Anlagenverzeichnis für das Jahr 2008 nachgereicht.

Mit Vorlagebericht vom wurde die Berufung mitsamt den bezugshabenden Verwaltungsakten dem Unabhängigen Finanzsenat zu Entscheidung vorgelegt. Gemäß § 323 Abs. 38 BAO ist dieses Rechtsmittel vom Bundesfinanzgericht als Bescheidbeschwerde zu erledigen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Im BP-Bericht vom ist für die Jahre 2001 bis 2008 wegen nichterklärter Mieteinahmen des Bf. die Anwendung eines Sicherheitszuschlages vorgesehen. Unter der Annahme einer steigenden Anzahl fertiggestellter, vermietbarer Ausbauhäuser erhöht sich der Sicherheitszuschlag von € 5.000 im Jahr 2001 bis € 44.000 im Jahr 2006 und beträgt lt. Berechnung der BP in den Jahren 2007 € 24.000 und 2008 € 32.000 (vgl. Kalkulationstabelle, BP-Bericht, Beilage Seite 45).

Als Grund für diesen Sicherheitszuschlag bei den Erlösen aus Vermietung und Verpachtung wurden die niederschriftlichen Aussagen ehemaliger Mieter (M1, M6, M2) anlässlich einer polizeilichen Einvernahme im Jänner 2008 angeführt. Die Befragten gaben an, keinen schriftlichen Mietvertrag vom Bf. erhalten zu haben und ihm die Miete in bar bezahlt zu haben. Sie hätten auch von anderen Mietern gehört, dass der Bf. mündliche Mietvereinbarungen mit ihnen abgeschlossen habe und die Mieten in bar als Schwarzeinnahme kassiert worden seien.

Feststeht, dass keines der Mietverhältnisse der befragten Mieter die Veranlagungsjahre 2008 und 2009 betroffen hat. In dem Buchhaltungskonto Mieterträge (4840) des Jahres 2007 der Ehegattin des Bf. (Gattin.) sind bis August 2007 Mietzahlungen von M2 und M6 (monatlich € 700) nachweislich erfasst. Es handelte sich bei diesem Mietobjekt auch um ein im Eigentum der Gattin. stehendes Superädifikat. Sie war die Vermieterin und der Bf. hat offensichtlich als Vertreter für sie die Vermietung betrieben. Auch die anderen aktenkundigen Aussagen von ehemaligen Mietern (M7, M4 sowie M1) betrafen frühere Veranlagungsjahre und im Falle M4 eine ausdrücklich bestätigte Vermietung durch Gattin.

Beweiswürdigung

Das Bundesfinanzgericht hat Beweis erhoben durch Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsakt (Veranlagungsakten Bf. und Gattin. sowie BP-Arbeitsbogen) und Würdigung der Parteienvorbringen. Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind allesamt aktenkundig und liegen der Entscheidung zu Grunde.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

  • 1. Schätzung der Einnahmen

Die Bestimmung des § 184 BAO lautet:

"(1) Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Abgabepflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft über Umstände verweigert, die für die Ermittlung der Grundlagen (Abs. 1) wesentlich sind.

(3) Zu schätzen ist ferner, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen."

Können die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermittelt werden, so sind sie zu schätzen. Gegenstand der Schätzung sind die Besteuerungsgrundlagen oder ein Teil hiervon, nicht jedoch die Abgabenhöhe. Die Schätzungsbefugnis erstreckt sich auf den Sachverhalt der Schätzung dem Grunde und der Höhe nach. Die Schätzung ist ein Beweisverfahren, bei dem der Sachverhalt unter Zuhilfenahme mittelbarer Beweise (indirekte Beweisführung) ermittelt wird. Ziel der Schätzung ist, den wahren Besteuerungsgrundlagen (den tatsächlichen Gegebenheiten) möglichst nahe zu kommen, somit diejenigen Besteuerungsgrundlagen zu ermitteln, welche die größte Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit für sich haben. Die Schätzung darf nicht den Charakter einer Strafbesteuerung haben (vgl. Ritz, BAO7, § 184, Rz 1ff).

Eine Schätzungsberechtigung kann unter anderem dann bestehen, wenn der Abgabepflichtige seiner Verpflichtung zur Einreichung von Abgabenerklärungen nicht nachkommt. Formelle Mängel von Büchern oder Aufzeichnungen berechtigen nur dann zu einer Schätzung, wenn sie derart schwerwiegend sind, dass das Ergebnis der Bücher, bzw. Aufzeichnungen nicht mehr glaubwürdig erscheint. Der Umstand, dass eine Buchhaltung formell nicht abgeschlossen ist, begründet allein noch keine Schätzungsberechtigung.

Die Schätzungsbefugnis bezieht sich grundsätzlich auf den Bereich, in dem die Aufschreibungen mangelhaft sind. Daher berechtigen beispielsweise Aufzeichnungsmängel betreffend Umsätze März 2008 nicht auch zur Schätzung der Umsätze des April 2008. Ebenso ergibt sich aus einer Schätzungsbefugnis (wegen mangelhafter Aufzeichnungen) für das Veranlagungsjahr 2005 keine Schätzungsbefugnis für die Jahre 2003 und 2004 oder die Folgejahre ().

Mit der Vorlage der Saldenlisten für die Wirtschaftsjahre 2008 und 2009 sowie des Jahresabschlusses 2008 einschließlich Anlagenverzeichnis im Rechtsmittelverfahrens, kann die Nichtabgabe der Abgabenerklärung nicht mehr als Grund für die Aufrechterhaltung der Schätzung herangezogen werden. In den nachgereichten Unterlagen zur Gewinnermittlung sind nämlich die angeführten Bemessungsgrundlagen nachvollziehbar und offenbar vollständig dargelegt worden.

Der Vermerk "Entwurf" auf dem Jahresabschluss 2008 ist kein hinreichender Grund für eine Schätzung, weil sich allein daraus keine Verletzung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung bei der vorgenommenen Gewinnermittlung ableiten lässt. Vielmehr wollte der StV mit dem Vermerk zum Ausdruck bringen, dass dieser Jahresabschluss auf Basis der vom Bf. nicht akzeptierten Wertansätze durch die Außenprüfung der Vorjahre erfolgt ist.

Aus der Höhe der erklärten Einnahmen des Bf. in den Jahren 2008 und 2009 (vor allem aus der Vermietung und Abwasserentsorgung) unter Mitberücksichtigung dieser bei der Ehegattin erklärten Erlöse, kann kein Widerspruch oder eine Kalkulationsdifferenz festgestellt werden. Bei langjähriger Betrachtung der vom Bf. und seiner Ehegattin erklärten Erlöse aus Vermietung und Abwasserentsorgung indizieren die im Jahresabschluss 2008 und der Saldenliste 2009 ausgewiesenen Erlöse keine unvollständige Erfassung.

Die aktenkundigen niederschriftlichen Aussagen von ehemaligen Mietern (insb. M1, M3, M2, M4) bilden zwar eine Verdachtslage, dass vom Bf. Schwarzeinnahmen erzielt werden, jedoch betrifft keine dieser Aussage ein im Jahr 2008 oder 2009 aufrecht gewesenes Mietverhältnis. Zum Teil offenbaren die Aussagen auch Unkenntnis über ein nach außen erkennbares und wirksamen Handeln des Bf. als Vertreter der Vermieterin, Gattin. Aussagen über das Wissen von anderen Mietern über angelbliche Schwarzeinnahmen des Bf. sind bloße Vermutungen, die nicht geeignet sind, bereits die sachliche Richtigkeit von Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen.

Die Abgabenbehörde hätte auf Grund der bestehenden Verdachtslage, die Möglichkeit gehabt, durch Ermittlungen der Geschäftstätigkeit des Bf. in den Veranlagungsjahren 2008 und 2009 die bloße Verdachtslage durch konkrete Feststellungen zu bestätigen und damit allenfalls eine Schätzungsgrundlage zu schaffen.

Eine bloße Saldenliste für das Jahr 2009 bildet zwar einen formellen Mangel der Bücher, weil die Buchführung nicht ordnungsgemäß abgeschlossen wurde, bzw. der Jahresabschluss nicht vorgelegt wurde. Jedoch lässt sich bei dem geringen Geschäftsumfang des Bf. aus der Saldenliste das erklärte Betriebsergebnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zutreffend ermitteln. Bloße Zweifel an einer vollständigen Erfassung der Geschäftsfälle oder der Richtigkeit der auf den BH-Konten ausgewiesenen Salden, berechtigen nicht zu einem Sicherheitszuschlag, sondern hätten allenfalls durch weitere Ermittlungen abgeklärt werden müssen. Eine materielle Unrichtigkeit im Rechnungswesen des Bf., die eine unvollständige Erfassung der Mieterlöse indizieren würde, ist nach Auffassung des BFG in den Veranlagungsjahren 2008 und 2009 nicht festzustellen. Eine Schätzungsberechtigung für eine griffweise Schätzung der Mieterlöse (Sicherheitszuschlag) in den Jahren 2008 und 2009 ist daher nicht vorgelegen.

Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind insoweit entsprechend dem Jahresabschluss 2008 und der Saldenliste 2009 - ohne Erhöhung um einen Sicherheitszuschlag - anzusetzen.

2. Korrektur der Abschreibung für Abnutzung

Im Erkenntnis des betreffend die Einkommensteuer 2006 und 2007 wurde betreffend "Faktum 4. - Anschaffung und Abschreibung des aktivierten Wirtschaftsgutes "Trink- und Nutzwasserleitung und Kanalanlage, Kt. 661" erkannt, dass diesbezüglich keine Anschaffung des Bf. von seiner Ehegattin (Rechnung vom mit AK € 141.200) vorgelegen ist. Es handelte sich um ein nicht den steuerlichen Kriterien entsprechendes Rechtsgeschäft unter nahen Angehörigen. Die Rechnung über die Herstellung einer Trink- und Nutzwasserleitung sowie Kanalanlage samt Pumpstation und die Übertragung solcher selbständigen Wirtschaftsgüter in die Verfügungsmacht des Bf. wurden vom BFG zudem als Scheingeschäft beurteilt. Auf die Ausführungen im oben zitierten Erkenntnis, dass den Parteien auch zugestellt worden ist, wird verwiesen.

Um die im Jahresabschluss 2008 enthaltene AfA von € 3.194,53 für dieses nicht im Betriebsvermögen des Bf. vorhandene Wirtschaftsgut "Kt. 661 Wasserleitung, Kanal" war daher der Gewinn zu erhöhen. In der Saldenliste 2009 war eine Abschreibung betreffend dieses Wirtschaftsgut (Kt. 661) nicht enthalten, sodass diesbezüglich 2009 auch keine Aufwandskorrektur zu erfolgen hatte.

Zusammenfassende Darstellung der Bemessungsgrundlage ESt 2008 und ESt 2009

Auf Grund der vorstehenden Ausführungen ergibt sich folgende Änderung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb:


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Berechnung - Est-Vlg 2008
Euro
EaGw lt. angefochtener Bescheid FA
40.000,00
EaGW lt. "Entwurf"-Jahresabschluss 2008
-1.944,40
Korr. AfA WG Kt. 661 Wasserleitung, Kanal
3.194,53
Einkünfte aus Gewerbebetrieb lt. BFG
1.250,14


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Berechnung - Est-Vlg 2009
Euro
EaGw lt. angefochtener Bescheid FA
31.000,00
EaGW lt. Saldenliste 2009
2.274,36
Einkünfte aus Gewerbebetrieb lt. BFG
2.274,36

Es war daher spruchgemäß der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 teilweise stattzugeben und der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 in vollem Umfang stattzugeben.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Es war keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu klären. Die behandelten Tatfragen betreffend die Schätzung können nicht zum Gegenstand einer ordentlichen Revision erhoben werden, hinsichtlich der behandelten Rechtsfragen (AfA-Korrektur) folgt die Entscheidung der einhelligen Rechtsprechung des VwGH, weshalb die Revision für nicht zulässig zu erklären war.

Beilage: Berechnungsblatt Est 2008 u. 2009

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 184 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7101234.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at