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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 22.03.2022, RV/7102067/2018

Gemäß § 295 Abs. 1 BAO geänderter Bescheid

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Maria Grohe in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des (vormaligen) Finanzamtes Wien 8/16/17 vom betreffend Einkommensteuer 2009 - 2013, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

  • Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
    Die Einkommensteuer für das Jahr 2009 wird endgültig festgesetzt.
    Die Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2013 bleiben unverändert.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Am erließ das Finanzamt ***E*** (Rechtsvorgänger des Finanzamtes Österreich - Dienststelle ***E***; belangte Behörde) für die Jahre 2009 bis 2013 geänderte Einkommensteuerbescheide gem. § 295 Abs. 1 BAO, die an den Beschwerdeführer gerichtet sind. In diesen Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2009 - 2013 wurden Verlustzuweisungen aus einer atypisch stillen Beteiligung (***xy*** GmbH&Atypisch Stille Ges. - Steuer Nr. ***XY***) und zwar für die Jahre 2009 bis 2013 auf Grund von Mitteilungen jenes Finanzamtes, das die Einkünftefeststellungsbescheide erlassen hatte, nicht berücksichtigt bzw. mit 0 angesetzt. Dies führte in sämtlichen Streitjahren zu Nachforderungen, zumal die zunächst erklärten und berücksichtigten Verluste in den entsprechenden Jahren nicht mehr anerkannt wurden.

2009:

Der Einkommensteuerbescheid 2009 vom , mit dem die Einkommensteuer 2009 mit -€ 7.866,74 festgesetzt worden war, wurde am gemäß § 295 Abs.1 BAO abgeändert; die Einkommensteuer wurde vorläufig für das Jahr 2009 mit € 19.928,91 neu festgesetzt.

2010:

Der Einkommensteuerbescheid 2010 vom , mit dem die Einkommensteuer 2010 mit € 4.118,54 festgesetzt worden war, wurde am gemäß § 295 Abs.1 BAO abgeändert; die Einkommensteuer wurde für das Jahr 2010 mit € 10.977,36 neu festgesetzt.

2011:

Der Einkommensteuerbescheid 2011 vom , mit dem die Einkommensteuer 2011 mit € 36.550,00 festgesetzt worden war, wurde am gemäß § 295 Abs.1 BAO abgeändert; die Einkommensteuer wurde für das Jahr 2011 mit € 36.550,00 neu festgesetzt.

2012:

Der Einkommensteuerbescheid 2012 vom , mit dem die Einkommensteuer 2012 mit € 25.152,00 festgesetzt worden war, wurde am gemäß § 295 Abs.1 BAO abgeändert; die Einkommensteuer wurde für das Jahr 2012 mit € 34.364,00 neu festgesetzt.

2013:

Der Einkommensteuerbescheid 2013 vom , mit dem die Einkommensteuer 2013 mit € 10.990,00 festgesetzt worden war, wurde am gemäß § 295 Abs.1 BAO abgeändert; die Einkommensteuer wurde für das Jahr 2013 mit € 12.495,00 neu festgesetzt.

In sämtlichen fünf Einkommensteuerbescheiden wurde als Begründung für die Änderungen gem. §295 BAO auf die bescheidmäßigen Feststellungen des Finanzamtes ***F*** zu St.Nr.:***XY*** vom verwiesen.

Gegen die gem. § 295 Abs. 1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheide 2009 - 2013 wendet sich die vorliegende Beschwerde mit folgender Begründung:

"a) Die bekämpften Bescheide beruhen auf Feststellungsbescheiden des Finanzamtes ***F***, Steuer Nr. ***XY*** im Sinne des § 188 BAO. Diese Feststellungsbescheide sind jedoch rechtswidrig, da Bescheide an eine nicht mehr bestehende Gesellschaft nicht gerichtet werden können und daher nichtig sind. Die Erlassung von Bescheiden auf Basis nicht gültiger bzw. nichtiger Bescheide ist zweifellos unwirksam. Rechtswirksam können daher Bescheide nur an mich persönlich zugestellt werden, auch nicht an einen Vertreter, da niemand zu meiner steuerlichen Vertretung berechtigt ist.

b) In sachlicher Hinsicht ist die ohne nachvollziehbare Begründung vorgenommene Unterstellung, dass kein Unternehmen im Sinne des § 2 Abs. 2a EStG vorläge, 12 Jahre nachdem das Unternehmen die Tätigkeit aufgenommen hat, absurd und völlig unverständlich.

Zu 2): Da ich für 2012 gar keine Verluste betreffend die Beteiligung an der ***xy*** GmbH & atypische stille Gesellschaft geltend gemacht habe, stelle ich diesbezüglich Antrag auf Aussetzung gemäß § 212 a BAO bis zur Erledigung der Beschwerde gemäß Punkt ***F*** folgt: Einkommensteuer 2012 - € 9.212,00 Anspruchszinsen für 2012 - € 627.11, somit insgesamt € 9,839,11

Die übrigen vorgeschriebenen Abgaben werde ich bezahlen, behalte mir jedoch die Verrechnung von Beschwerdezinsen gemäß § 205 a BAO vor."

Ihre abweisende Beschwerdevorentscheidung vom begründete die belangte Behörde folgendermaßen:

"Liegen gemäß § 252 Abs. 1 BAO einem Bescheid Entscheidungen zugrunde, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, so kann der Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind. Sie haben Einkünfte aus Gewerbebetrieb über die ein Feststellungsbescheid vorliegt. Ihr Anteil wurde mit dem im Feststellungsverfahren ermittelten Betrag angesetzt. Ein eventueller Einspruch wäre gegen den Feststellungsbescheid zur Steuernummer ***XY*** einzubringen. Ihr Beschwerdebegehren ist daher als unbegründet abzuweisen.

Hinsichtlich Einkommensteuer 2012 enthielt die BVE noch den folgenden Hinweis: Der Vollständigkeit halber werden Sie darauf hingewiesen, dass einem etwaigen Antrag auf Aussetzung der Einhebung lediglich in Verbindung mit einem gegen den Feststellungsbescheid einzubringenden Rechtsmittel entsprochen werden kann."

Im dagegen erhobenen Vorlageantrag führt der Bf. folgendes aus:

"Ich kann die Abweisung der angeführten Bescheide nicht akzeptieren. Die bekämpften Einkommensteuerbescheide beruhen nämlich auf einem Feststellungsbescheid des Finanzamtes ***F*** betreffend Steuer Nr. ***XY***, der nach meiner Überzeugung nichtig und daher nicht rechtswirksam ist. Die Steuer Nr. ***XY*** betrifft nämlich eine Personengesellschaft, die nicht mehr besteht und an die daher auch kein Bescheid rechtswirksam gerichtet werden kann. Das Finanzamt ***F*** hätte einen Bescheid nur an mich persönlich oder an einen steuerlichen Vertreter von mir richten können. Zu meiner steuerlichen Vertretung ist aber niemand berechtigt und an mich persönlich wurde auch kein Bescheid gerichtet.

Ich habe diese Argumente bereits in meiner Beschwerde vom dargelegt, Sie sind aber in den abweisenden Bescheiden hierauf nicht eingegangen. Ich stelle daher den Antrag, meine Beschwerde an das Bundesfinanzgericht weiterzuleiten."

Die belangte Behörde legte in der Folge die Beschwerden gegen die Einkommensteuerbescheide 2009 bis 2013 mit Schriftsatz vom dem BFG zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf. war in den Beschwerdejahren an mehreren Mitunternehmerschaften beteiligt, so auch u.a. an der ***xy*** GmbH&Atypisch Stille Ges. Das Finanzamt ***F*** erließ als für die Einkünftefeststellung dieser Mitunternehmerschaft zuständige Abgabenbehörde mit Datum für die Jahre 2009 bis 2013 entsprechende Feststellungs- bzw. Nichtfeststellungsbescheide gemäß § 188 BAO, die an die "im Spruch genannten ehemaligen Gesellschafter der ***xy*** GmbH&Atypisch Stille Gesellschafter" gerichtet waren. Auf Grundlage dieser ergingen im Einkommensteuerverfahren des Bf. entsprechend angepasste Bescheide nach § 295 Abs. 1 BAO.

Gegen diese abgeleiteten Bescheide richtet sich die gegenständliche Beschwerde.

Bemerkt wird, dass gegen die Grundlagenbescheide (Feststellungsbescheide) betreffend die obgenannten atypisch stillen Gesellschaften durch den Bf. ebenfalls Beschwerde beim Bundesfinanzgericht erhoben wurde, deren Erledigungshorizont jedoch noch nicht abgeschätzt werden kann und daher diese Verfahren noch nicht rechtskräftig erledigt sind.

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen zu den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden und den diesen zugrundgelegten Feststellungsbescheiden ergeben sich einerseits aus den vorgelegten Verwaltungsakten und gründen sich andererseits auf die Angaben des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde.

Die Feststellung, dass aus derzeitiger Sicht nicht abschätzbar ist, wann vom Bundesfinanzgericht über die Beschwerden gegen die den Einkommensteuerbescheiden zugrunde gelegten Feststellungsbescheide zu St.Nr. ***XY*** entschieden werden kann, gründet sich auf dem Verfahrensstand dieses Rechtsmittelverfahrens, der von der Leiterin der hiefür zuständigen Gerichtsabteilung bekannt gegeben wurde.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I.

Gemäß § 252 Abs. 1 BAO kann ein Bescheid, der von einem Feststellungsbescheid abgeleitet ist, nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind. Die genannte Bestimmung schränkt somit das Beschwerderecht gegen abgeleitete Bescheide ein. Einwendungen gegen im Grundlagenbescheid getroffene Entscheidungen sollen nur im Verfahren betreffend den Grundlagenbescheid vorgebracht werden können. Werden sie im Rechtsmittel gegen den abgeleiteten Bescheid vorgebracht, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Berufung (Bescheidbeschwerde) diesbezüglich als unbegründet abzuweisen (Ritz, BAO 5. Auflage, § 252 BAO Rz 3; ).

Aus § 185ff BAO ergibt sich ein System von Grundlagenbescheiden und hiervon abgeleiteten Abgabenbescheiden.

Gemäß § 192 BAO werden in einem Feststellungsbescheid enthaltene Feststellungen, die für andere nachgelagerte Abgabenbescheide von Bedeutung sind, diesen Bescheiden zu Grunde gelegt, auch wenn der Feststellungsbescheid noch nicht rechtskräftig geworden ist.

Ist nach § 295 Abs. 1 BAO ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist.

§ 295 Abs.4 BAO in der aktuell anzuwendenden Fassung bestimmt: Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt eines

-Feststellungsbescheides (§188) oder eines

-Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat, gerichtet ist, als unzulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, so sind auf das Dokument gestützte Änderungsbescheide (Abs.1) auf Antrag der Partei (§78) aufzuheben. Der Antrag ist innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung zu stellen. Der an die Stelle des aufgehobenen Bescheides tretenden Abgabenfestsetzung steht, soweit sie im das Dokument ersetzenden Bescheid enthaltene Feststellungen übernimmt, der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Festsetzung innerhalb eines Jahres ab Aufhebung erfolgt. § 209a Abs.2 erster Satz gilt, sinngemäß, wenn gegen den das Dokument ersetzenden Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben wird. (BGBl I 2021/3).

Gemäß § 295 Abs. 5 BAO steht die Entscheidung über Aufhebungen und Änderungen nach den Abs. 1 bis 4 der Abgabenbehörde zu, die für die Erlassung des aufzuhebenden bzw. zu ändernden Bescheides zuständig war oder vor Übergang der Zuständigkeit als Folge einer Bescheidbeschwerde oder einer Säumnisbeschwerde (§ 284 Abs.3 ) zuständig gewesen wäre. Ist die diesbezügliche Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen, so steht die Entscheidung der zuletzt zuständig gewordenen Abgabenbehörde zu.

§ 295 Abs. 4 wurde durch das AbgÄG 2011 (BGBl I 2011/76) in die BAO eingefügt. Diese Bestimmung ist mit in Kraft getreten (§ 323 Abs. 31). Sie ist eine Verfahrensvorschrift; sie gilt (bzw galt) somit auch für vor ihrem Inkrafttreten erlassene Änderungsbescheide (§ 295 Abs. 1), wenn die Antragsfrist des § 304 noch nicht abgelaufen ist.

Der letzte Satz des § 295 Abs. 4, wonach der Antrag vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 maßgeblichen Frist zu stellen ist, wurde vom VfGH (, G 159/2019, G 226/2019, G 248/2019) als verfassungswidrig aufgehoben; die Aufhebung ist mit Ablauf des in Kraft getreten.

Aufhebungen nach § 295 Abs. 4 setzen demnach voraus

die Zurückweisung einer Bescheidbeschwerde (als unzulässig) gegen einen "Nichtbescheid" (somit gegen eine Erledigung, die als Feststellungsbescheid iSd § 188 oder als "Nichtfeststellungsbescheid" beabsichtigt war),

einen Abgabenbescheid (oder Feststellungsbescheid), der den vermeintlichen Bescheid (den Nichtbescheid) zu Unrecht als Grundlagenbescheid qualifiziert hat,

einen Antrag der Partei im "abgeleiteten" Verfahren, der innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung gestellt wird.

Im Unterschied zur bisherigen Fassung des § 295 Abs. 4 ist die Norm nicht mehr nur zur Aufhebung auf § 295 Abs. 1 gestützter Bescheide anwendbar. Als solche zu Unrecht von der rechtlichen Existenz eines Feststellungsbescheides (§ 188) bzw Nichtfeststellungsbescheides ausgehende Bescheide kommen (abgesehen von Änderungsbescheiden nach § 295 Abs. 1) vor allem Erstbescheide, Beschwerdevorentscheidungen (§ 263), gem § 299 Abs. 2 erlassene Bescheide und Sachentscheidungen iSd § 307 Abs. 1 in Betracht.

Derartige Bescheide sind vor allem Abgabenbescheide (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer); in Betracht kommen auch von Nichtbescheiden abgeleitete Feststellungsbescheide (vgl Ellinger/Sutter/Urtz, BAO 3, § 295 Anm 28; ; Knechtl, ).

Auch Erkenntnisse (§ 279) des BFG und in der Sache selbst ergangene Entscheidungen des VwGH sind nach § 295 Abs. 4 aufhebbar; dies ergibt sich aus § 93a.

Nichtbescheide (vermeintliche Bescheide, somit absolut nichtige Verwaltungsakte) iSd § 295 Abs. 4 sind Dokumente (Schriftstücke), die nach Form und Inhalt den (unzutreffenden) Eindruck erwecken, sie seien Bescheide über die Feststellung von Einkünften (§ 188) oder Bescheide des Inhaltes, dass eine Feststellung der Einkünfte zu unterbleiben hat ("Nichtfeststellungsbescheide").

Derartige Nichtbescheide liegen vor allem vor,

wenn Feststellungsbescheide (Nichtfeststellungsbescheide) nicht zugestellt wurden, etwa weil die Hinterlegung (§ 17 ZustG) rechtswidrig und unwirksam war oder weil die Zustellung nicht an den nach § 81 BAO Vertretungsbefugten erfolgte,

wenn die Adressierung des vermeintlichen Bescheides an eine bereits beendete Personengesellschaft (zB an eine bereits aufgelöste GesBR) erfolgte; siehe § 191 Rz 14,

wenn die Adressierung an die zuletzt Beteiligten (iSd § 19 Abs 2) erfolgte, obwohl die Personengesellschaft noch nicht beendet war; siehe hierzu § 19 Rz 14 und § 79 Rz 10 ff,

wenn der Hinweis auf die Zustellfiktion des § 101 Abs 3 fehlte (vgl zB ; 30.2013, 2009/13/0027; , Ra 2018/15/0059; , Ra 2019/15/0131).

Die Aufhebung liegt nicht im Ermessen der Abgabenbehörde (zB ; ).

Die Aufhebung hat auch dann zu erfolgen, wenn in der Zwischenzeit (nach Erlassung des antragsgegenständlichen Bescheides) ein den Nichtbescheid ersetzender Feststellungsbescheid (oder Nichtfeststellungsbescheid) erlassen wurde (vgl Knechtl, SWK 2019, 1435; ).

Der Antrag ist ein Anbringen zur Geltendmachung von Rechten iSd § 85 Abs. 1. Er unterliegt der Entscheidungspflicht (zB ). Er ist zurücknehmbar ( Ritz, AFS 2021, 4).

Das Antragsrecht besteht unabhängig davon, ob der antragsgegenständliche Bescheid bereits formell rechtskräftig ist.

Die Antragsfrist ist eine gesetzliche, somit zufolge § 110 Abs. 1 nicht verlängerbare Frist. Rechtskraft iSd § 295 Abs. 4 ist die formelle Rechtskraft (Ritz, AFS 2021, 4).

Der Antrag kann auch zu einem Zeitpunkt gestellt werden, in dem die diesbezüglichen Voraussetzungen noch nicht vorliegen (vgl ; , RV/7103149/2018).

Die Zuständigkeit für Aufhebungen gem. § 295 Abs. 4 ergibt sich aus § 295 Abs. 5 (idF BGBl I 2021/3).

Aufhebungen iSd § 295 Abs 4 sind Maßnahmen gem § 295. Daher obliegen sie nach § 93a zweiter Satz auch dann dem Finanzamt, wenn sie Erkenntnisse des BFG oder in der Sache selbst ergangene Entscheidungen des VwGH betreffen.

Wird ein den vermeintlichen Bescheid ersetzender Feststellungbescheid (§ 188) bzw Nichtfeststellungbescheid erlassen, so steht die Bemessungsverjährung der Abgabenfestsetzung insoweit nicht entgegen, als der Abgabenbescheid die im den Nichtbescheid ersetzenden Bescheid enthaltenen Feststellungen übernimmt. Dies setzt allerdings voraus, dass die Abgabenfestsetzung innerhalb eines Jahres ab der auf § 295 Abs 4 gestützten Aufhebung erfolgt.

Diese Regelung (Ausnahme von der Verjährung, Teilrechtskraft, Befristung der Abgabenfestsetzung) vermeidet die fiskalischen Risiken der bisherigen Bestimmung (vgl Ritz, AFS 2017, 166).

Aus "insoweit …als" ergibt sich für die Abgabenbehörde eine eingeschränkte Abänderungsbefugnis und für den Abgabepflichtigen eine eingeschränkte Anfechtungsbefugnis. Ebenso wie beispielsweise für Berichtigungen nach § 293b BAO (vgl zB Stoll, BAO, 2837) gilt diese Beschränkung nicht für zwingende Konsequenzen, die sich aus der Übernahme des Ergebnisses der Feststellung (bzw Nichtfeststellung) ergeben, wie beispielsweise die Anpassung der Selbstbehaltes (iSd § 34 Abs 4 EStG 1988) an eine Erhöhung oder Minderung des Einkommens.

Nach § 295 Abs. 4 letzter Satz (idF BGBl I 2021/3) gilt § 209a Abs. 2 erster Satz sinngemäß, wenn gegen den den Nichtbescheid ersetzenden Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben wird. Dies stellt die Anpassung abgeleiteter Abgabenbescheide auch dann sicher, wenn die gegen den Feststellungsbescheid bzw Nichtfeststellungsbescheid gerichtete Beschwerde erst nach Eintritt der Bemessungsverjährung (Festsetzungsverjährung) eingebracht wird.

Dass eine solche Bescheidbeschwerde fristgerecht sein muss, wird im letzten Satz des § 295 Abs. 4 ausdrücklich vorausgesetzt. Darüber hinaus muss sie beispielsweise auch von einem hierzu Befugten eingebracht sein. Entscheidend für die Ausnahme von der Verjährung ist, dass eine meritorische Entscheidung (Sachentscheidung) über die Beschwerde erfolgt ( Ritz, AFS 2021, 5).

Die Neufassung des § 295 Abs 4 ist mangels ausdrücklicher Inkrafttretensbestimmung (nach § 11 Abs 1 BGBlG mit Ablauf des Tages der Freigabe zur Abfrage des COVID-19-StMG im RIS), somit mit in Kraft getreten.
§ 295 Abs 4 ist eine verfahrensrechtliche Bestimmung. Verfahrensrechtliche Bestimmungen sind grundsätzlich für ab ihrem Inkrafttreten erfolgende Amtshandlungen- und somit auch auf den gegenständlichen Fall- anzuwenden (vgl zB Stoll, BAO, 2166; Ritz, taxlex 2014, 434; ; , 2012/15/0111; Unger, taxlex 2017, 162; ).

Wie bereits ausgeführt, schränkt § 252 Abs. 1 BAO das Beschwerderecht gegen abgeleitete Abgabenbescheide ein, Einwendungen gegen die im Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO als Grundlagenbescheid getroffenen Feststellungen sollen daher nur im Verfahren betreffend den Grundlagen- bzw. Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO vorgebracht werden können. Werden sie - so wie im gegenständlichen Fall - im Rechtsmittel gegen die abgeleiteten Einkommensteuerbescheide vorgebracht, so ist die Beschwerde diesbezüglich als unbegründet abzuweisen (vgl. Zl. 94/13/0273; , Zl. 2000/15/0001; , Zl. 2002/14/0005; , Zl. 2004/13/0069).

Allerdings setzt eine auf § 252 Abs. 1 BAO gestützte Abweisung der Beschwerde gegen den abgeleiteten Abgabenbescheid voraus, dass der Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO als Grundlagenbescheid gegenüber dem Bescheidadressaten des abgeleiteten Bescheides wirksam geworden ist (vgl. Zl. 82/14/0210). Dies bestreitet der Bf. und wendet ein, dass die bekämpften Einkommensteuerbescheide auf Feststellungsbescheiden beruhen, die nach seiner Überzeugung nichtig und daher nicht rechtswirksam seien. Die Steuernummer ***XY*** beträfe nämlich eine Personengesellschaft, die nicht mehr bestünde und an die daher auch kein Bescheid rechtswirksam gerichtet werden könne.

Hiezu ist folgendes zu erwägen:

Gemäß § 188 Abs. 1 lit. b BAO werden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb festgestellt, wenn an den Einkünften derselben Einkunftsart mehrere Personen beteiligt sind. Gegenstand der Feststellung gemäß Abs. 1 ist auch die Verteilung des festgestellten Betrages auf die Teilhaber (§ 188 Abs. 3 BAO idgF).

Der Feststellungsbescheid enthält daher in seinem Spruch die Art der Einkünfte, die Höhe der gemeinschaftlichen Einkünfte, den Feststellungszeitraum, die Namen aller Beteiligten und die Höhe ihrer Anteile.

Feststellungsbescheide wirken gegen alle, denen im Spruch des Feststellungsbescheides Einkünfte zugerechnet worden sind. Dem Bf. sind in den Feststellungsbescheiden Einkünfte zugerechnet worden, weshalb diese Bescheide gegen den Bf. wirken.

Gemäß § 191 Abs. 1 lit.c BAO ergeht der Feststellungsbescheid in den Fällen des § 188: an die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschaftern (Mitgliedern) gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind.

Abs. 2 leg.cit. normiert: Ist eine Personenvereinigung ohne eigene Rechtspersönlichkeit in dem Zeitpunkt, in dem der Feststellungsbescheid ergehen soll, bereits beendigt, so hat der Bescheid an diejenigen zu ergehen, denen………. in den Fällen des Abs. 1 lit. c gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind.

Abs. 3 leg.cit. normiert: Einheitliche Feststellungsbescheide (§ 186) wirken gegen alle, die am Gegenstand der Feststellung beteiligt sind. Feststellungsbescheide (§ 188) wirken gegen alle, denen im Spruch des Bescheides Einkünfte zugerechnet bzw. nicht zugerechnet werden.

Abs. 5 leg.cit. normiert: Werden in einem Dokument, das Form und Inhalt eines Feststellungsbescheides (§ 188) hat, gemeinschaftliche Einkünfte auch Personen oder Personenvereinigungen (Personengemeinschaften) ohne eigene Rechtspersönlichkeit zugerechnet, die nicht oder nicht mehr rechtlich existent sind (insbesondere infolge Todes, Beendigung der Gesellschaft, Gesamtrechtsnachfolge) oder die nicht oder nicht mehr handlungsfähig sind (zB infolge Sachwalterbestellung), so steht dies der Wirksamkeit als Feststellungsbescheid nicht entgegen. Ein solcher Bescheid wirkt lediglich gegenüber den Übrigen, denen im Spruch des Bescheides Einkünfte zugerechnet bzw. nicht zugerechnet werden.

Es ist unzulässig, einen Feststellungsbescheid an eine Gemeinschaft zu richten, die nicht mehr besteht (vgl ). Abgabenrechtliche Feststellungsbescheide, die nach Beendigung einer GesbR oder atypisch stillen Gesellschaft an diese ergehen, können keine Rechtswirkungen entfalten (vgl mwN ; sowie ). Wird über den Unternehmensinhaber oder über den stillen Gesellschafter der Konkurs eröffnet, so hat dies nach § 185 Abs 2 UGB zwingend die Auflösung der (auch atypisch) stillen Gesellschaft zur Folge. Bei Vorliegen eines Auflösungsgrundes endet die stille Gesellschaft ohne Abwicklung (; , mwN). Die Vollbeendigung der stillen Gesellschaft tritt damit bereits mit dem Wirksamwerden der Auflösung ein ().

Die Änderung des § 191 Abs 3 mit BGBl I 2013/14 erfolgte ua als Reaktion auf . Gegenüber wem die Feststellung nach § 188 zu wirken hat, ergibt sich nunmehr aus dem Spruch des Einkünftefeststellungsbescheids. Erledigungen werden gem § 97 Abs 1 dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekannt gegeben werden, für den sie nach ihrem Inhalt bestimmt sind. Damit ein (Nicht-)Feststellungsbescheid die ihm nach § 191 Abs 3 zweiter Satz zukommende Wirkung entfalten kann, muss er den betreffenden Personen nach § 97 Abs 1 zugestellt sein oder als zugestellt gelten (; ).

§ 191 Abs 5 verhindert die gänzliche Nichtigkeit eines als Einkünftefeststellungsbescheid beabsichtigten Dokuments und normiert die Wirksamkeit als Feststellungsbescheid gegenüber den dort genannten Einkünftebeziehern, es sei denn, die genannten Beteiligten waren im Zeitpunkt der Zustellung nicht rechtsfähig oder handlungsfähig. Wird ein Feststellungsbescheid an eine nicht mehr bestehende Gemeinschaft gerichtet, so entfaltet er keine Rechtswirkungen. Daran hat sich auch durch die Einführung des § 191 Abs 5 nichts geändert (; Ra 2018/13/01039). ( vgl. Fischerlehner/Brennsteiner, Kurzkommentar Abgabenverfahren, 3. Auflage zu § 191 BAO).

Nach der festgestellten Aktenlage zu den betreffenden Grundlagenbescheiden (St.Nr. ***XY***) sind diese an die ehemaligen Gesellschafter der ***xy*** GmbH&Atypisch Stille Ges. und somit auch an den Bf. rechtswirksam ergangen, sodass dem Beschwerdeeinwand der unrichtigen Adressierung der Feststellungsbescheide an eine bereits beendete Personengesellschaft nicht gefolgt werden kann und demzufolge die abgeleiteten Einkommensteuerbescheide durch die belangte Behörde nicht rechtswidrig erlassen wurden.

Es ist Aufgabe des Bundesfinanzgerichtes in der Sache zu entscheiden. Dabei sind jene Feststellungbescheide zu Grunde zu legen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes dem Rechtsbestand angehören (vgl. ). Gegenwärtig gehören nach der festgestellten Aktenlage u.a. auch die Bescheide vom zu St.Nr. ***XY*** dem Rechtsbestand an und sind demnach diese Bescheide der gegenständlichen Entscheidung des Bundesfinanzgerichts zu Grunde zu legen (vgl. ).

Wie bereits erwähnt, schränkt § 252 Abs. 1 bis 3 BAO idgF das Beschwerderecht gegen abgeleitete Bescheide ein, da Einwendungen gegen Feststellungen im Grundlagenbescheid nur in der Beschwerde gegen den Grundlagenbescheid erhoben werden sollen. Der Bf. hat in der Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2009 bis 2013 ausschließlich Einwendungen gegen die inhaltliche Rechtsmäßigkeit der Grundlagenbescheide erhoben, die im Beschwerdeverfahren gegen die Feststellungsbescheide zu erheben sind (vgl. ; , 2000/15/0001;, 2002/14/0005; , 2004/13/0069). Den Einwendungen betreffend die Nichtigkeit der Grundlagenbescheide konnte ebenfalls nicht gefolgt werden, weshalb das Beschwerdebegehren abzuweisen war.

Angemerkt wird, dass der Bf. ohnehin auch die Grundlagenbescheide angefochten hat. Auf Grund der Systematik der Bundesabgabenordnung ist sichergestellt, dass im Rechtsmittelverfahren erfolgte Änderungen der Grundlagenbescheide in der Folge in den abgeleiteten Bescheiden Berücksichtigung finden. Diesbezüglich wird nochmals auf die bereits zitierte und ausführlich kommentierte Bestimmung des § 295 Abs.1, Abs.4 und Abs.5 BAO verwiesen.

Was die anhängigen Beschwerden gegen die Feststellungsbescheide anlangt, besteht kein Rechtsanspruch des Steuerpflichtigen und keine rechtliche Verpflichtung, mit der Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde bis zur Rechtskraft des betreffenden Feststellungsbescheides(Grundlagenbescheides) zuzuwarten (vgl. ; ; ; ; vgl. Ritz, BAO5, § 295, Tz 13 u. v. a.)

Im Beschwerdeverfahren bringt der Bf. somit im Ergebnis keine tragfähigen Argumente vor, warum die angefochtenen Bescheide nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen würden. Vielmehr weist die Beschwerde einerseits zu Unrecht darauf hin, dass die den gegenständlichen Bescheiden zugrundeliegenden Feststellungsbescheide nichtig und rechtsunwirksam seien (-siehe hiezu die obigen hg.Erwägungen). Andererseits wären die Einwendungen, wonach die Abgabenbehörde zu Unrecht unterstelle, dass kein Unternehmen im Sinnes des § 2 Abs. 2a EStG vorläge, in der Beschwerde gegen die Feststellungsbescheide vorzubringen.

Mangels Vorliegens eines Vorläufigkeitsgrundes im Sinne des § 200 Abs. 1 BAO war die Einkommensteuer für das Jahr 2009 endgültig festzusetzen.

Sohin war spruchgemäß (im Sinne des § 252 Abs. 1 BAO) zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die oben dargestellte Rechtsfolge ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§§ 192 und 295 Abs. 1 BAO iVm § 252 Abs. 1 BAO). Es liegt daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 252 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7102067.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at