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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 21.03.2022, RV/7100881/2013

Beschwerde gegen gem. § 295 Abs 1 BAO abgeleiteten Bescheid mit inhaltlichen Einwendungen gegen Grundlagenbescheid

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Maria Grohe in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des vormaligen Finanzamts FAA* vom betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2005 bis 2007, Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:

  • Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Der Bescheid betreffend Einkommensteuer 2005 bleibt unverändert.

Die Bescheide betreffend Einkommensteuer 2006 und 2007 werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben (Einkommensteuer 2006 und 2007) sind dem Ende der Entscheidungsgründe den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnis.

Die Einkommensteuer für die Jahre 2005 bis 2007 wird endgültig festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Am erließ das Finanzamt FAA* (Rechtsvorgänger des Finanzamtes Österreich - Dienststelle FAA*; belangte Behörde) für die Jahre 2005 bis 2007 geänderte (vorläufige) Einkommensteuerbescheide gem. § 295 Abs. 1 BAO, die an den Beschwerdeführer gerichtet sind. In diesen Bescheiden für die Jahre 2005 - 2007 wurden Verlustzuweisungen aus atypisch stillen Beteiligungen (1. ***1*** GmbH&Atypisch Stille Ges. -St.Nr.:***x*** und zwar für die Jahre 2005 bis 2007 sowie 2. ***2*** GmbH &Atypisch Stille Ges. - St.Nr.:***y*** für die Jahre 2006 und 2007) auf Grund von Mitteilungen jenes Finanzamtes, das die Einkünftefeststellungsbescheide erlassen hatte, nicht berücksichtigt bzw. mit 0 angesetzt. Dies führte zu Nachforderungen, zumal die zunächst erklärten und berücksichtigten Verluste in den entsprechenden Jahren nicht mehr anerkannt wurden.

2005:

Der Einkommensteuerbescheid 2005 vom , mit dem die Einkommensteuer 2005 mit € 32.889,72 festgesetzt worden war, wurde am gemäß § 295 Abs.1 BAO abgeändert; die Einkommensteuer wurde vorläufig für das Jahr 2005 mit € 51.586,78 neu festgesetzt.

2006:

Der Einkommensteuerbescheid 2006 vom , mit dem die Einkommensteuer 2006 mit € 916,86 festgesetzt worden war, wurde am gemäß § 295 Abs.1 BAO abgeändert; die Einkommensteuer wurde vorläufig für das Jahr 2006 mit € 49.135,94 neu festgesetzt.

2007:

Der Einkommensteuerbescheid 2007 vom , mit dem die Einkommensteuer 2007 mit € -3.350,48 festgesetzt worden war, wurde am gemäß § 295 Abs.1 BAO abgeändert; die Einkommensteuer wurde vorläufig für das Jahr 2007 mit € 22.488,09 neu festgesetzt.

In sämtlichen drei Einkommensteuerbescheiden wurde als Begründung für die Änderungen gem. §295 BAO auf die bescheidmäßigen Feststellungen des Finanzamtes ***FAB*** zu St.Nr.:***x*** vom sowie in den Bescheiden für die Jahre 2006 und 2007 auf die bescheidmäßigen Feststellungen des Finanzamtes ***FAB*** zu St.Nr.: ***y*** vom verwiesen.

Gegen die gem. § 295 Abs.1 BAO geänderten Einkommensteuerbescheide 2005 -2007 wendet sich die vorliegende Beschwerde mit folgender Begründung:

"Auf Grund von Feststellungsbescheiden des FA ***FAB*** wurden die Ergebnistangenten für folgende Steuernummern (betreffend die Einkünfte aus Gewerbebetrieb) mit Null angesetzt, da nach Meinung des erwähnten Finanzamtes mangels einer fehlenden Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sowie fehlender tatsächlicher Gewinnabsicht keine steuerlich zu berücksichtigende Einkommensquelle vorliege:

***x******1*** GmbH&Atypisch Stille Ges.

***y******2*** GmbH &Atypisch Stille Ges.

Nach meiner Überzeugung ist die Ansicht des Finanzamtes ***FAB*** inakzeptabel, da die Behauptung, dass keine ertragsteuerliche Mitunternehmerschaft vorläge, mit den Tatsachen unvereinbar und daher unrichtig ist. Die grundlegenden Annahmen der Finanzverwaltung treffen deshalb nicht zu, weil sehr wohl geschäftstaugliche Projekte vorhanden waren, ein tatsächlicher Geschäftsbetrieb zumindest vorgesehen war und keineswegs von Anbeginn Betrugs- und Täuschungsabsicht als einziges Motiv unterstellt werden kann.

Die Behauptung der Behörde, dass von Anfang an keine Mitunternehmerschaft vorhanden gewesen sei, ist schon deshalb nicht plausibel, weil die Behörde selbst jahrelang (ab 2004) vom Bestehen einer Mitunternehmerschaft ausgegangen ist und entsprechende Bescheide erlassen hat. Die erst Jahre später (2009, 2010) gebrachten Argumente können die durch Entstehen der atypischen stillen Gesellschaften (2004, 2005) gegebenen Fakten nicht rückwirkend ungeschehen machen. Hiezu kommt, dass die atypischen stillen Gesellschafter zweifelsfrei vom Bestehen von Mitunternehmerschaften ausgehen konnten und dass somit die unternehmerische Tätigkeit ohne Zweifel beabsichtigt und geplant war. Dass die beabsichtigten unternehmerischen Tätigkeiten dann nicht umgesetzt worden sind und die erfolgten Einzahlungen durch kriminelle Machenschaften dem vorgesehenen Verwendungszweck entzogen wurden - der laufende Prozess in ***B*** stellt dies eindeutig klar - kann nicht dazu führen, dass rückwirkend vom Nichtbestehen von Mitunternehmerschaften ausgegangen wird.

Dass die Verweigerung der steuerlichen Anerkennung getätigter Ausgaben, die aufgrund von Straftaten zu Verlusten der Anleger geführt haben, nicht gerechtfertigt ist, wird aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes deutlich (vgl. insbesondere das Erkenntnis vom /98/15/0132).

Die Behörde hat sich die Begründung der bekämpften Bescheide sehr einfach gemacht, indem sie darlegt (Seite 12 der Begründung im Falle der St.Nr.: ***x******1*** GmbH&Atypisch Stille Ges.): "auf die…… immer wieder hingewiesene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes……braucht nicht näher eingegangen werden, weil …….keine Fehlinvestition vorliegt." Für die Mitunternehmer liegt hingegen eindeutig eine Fehlinvestition vor.

Ich beantrage daher, die bekämpften Bescheide aufzuheben bzw. in der Form abzuändern, dass zumindest die geleisteten Einlagen als steuerliche Verluste berücksichtigt werden:

Steuer Nr. Beteiligung 2005 2006 2007

FA ***FAB*** € € €

***x******1*** 15.000,00 20.000,00

GmbH&Atypisch Stille Ges

***y******2*** 12.000,00 12.000,00

GmbH &Atypisch Stille Ges

FA***FAC***

St.Nr.: ***z******3*** 15.000,00

Betriebs GmbH **)

**) Bezüglich des zuletzt angeführten Verlustes -***3*** Betriebs GmbH macht der Bf. noch die folgende Anmerkung: "Dieser Verlust steht nicht mit der vorliegenden Berufung im Zusammenhang, sondern geht auf meine Berufungen vom 18.2 bzw. gegen den Einkommensteuerbescheid für 2005 zurück."

Anmerkung des BFG: Über diese Berufungen wurde mit BVE vom abweislich und rechtskräftig entschieden.

Abschließend beantragte der Bf. die Vorlage der Berufung (nunmehr Beschwerde) an den UFS und gleichzeitig die "Befassung eines vollen Senats und eine mündliche Verhandlung". Das Finanzamt legte die Beschwerde in der Folge (am ) an den - nach damaliger Rechtslage als Rechtsmittelbehörde zuständigen - Unabhängigen Finanzsenat (UFS) vor.

Mit der Auflösung des UFS mit ging die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des bei dieser Behörde anhängigen Verfahren auf das Bundesfinanzgericht über. Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind am anhängige Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Beschwerden im Sinne des Art. 130 Abs.1 B-VG zu erledigen. Das Verfahren betreffende Anbringen wirken ab auch gegenüber dem Bundesfinanzgericht.

Den Antrag auf Entscheidung durch den gesamten Senat und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zog der Bf. mit Schriftsatz vom zurück, womit die Zuständigkeit zur Entscheidung der erkennenden Richterin als Einzelrichterin zukommt.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Der Bf. war in den Beschwerdejahren an mehreren Mitunternehmerschaften beteiligt, so auch u.a. an der ***1*** GmbH&Atypisch Stille Ges. und an der ***2*** GmbH &Atypisch Stille Ges. Das Finanzamt ***FAB*** erließ als für die Einkünftefeststellung dieser Mitunternehmerschaften zuständige Abgabenbehörde für die Jahre 2005 bis 2007 entsprechende Feststellungs- bzw. Nichtfeststellungsbescheide. Auf Grundlage dieser ergingen im Einkommensteuerverfahren des Bf. entsprechend angepasste Bescheide nach § 295 Abs. 1 BAO.

Gegen diese abgeleiteten Bescheide richtet sich die gegenständliche Beschwerde.

Gegen die Grundlagenbescheide (Feststellungsbescheide) betreffend die obgenannten atypisch stillen Gesellschaften wurden ebenfalls Beschwerden beim Bundesfinanzgericht erhoben, deren Erledigungshorizont jedoch noch nicht abgeschätzt werden kann und daher diese Verfahren noch nicht rechtskräftig erledigt sind.

Beweiswürdigung

Die Sachverhaltsfeststellungen entsprechen einerseits dem von der Behörde festgestellten Sachverhalt und decken sich mit dem Akteninhalt.

Die Feststellung, dass aus derzeitiger Sicht nicht abschätzbar ist, wann vom Bundesfinanzgericht über die Beschwerden gegen die Feststellungsbescheide entschieden werden kann, gründet sich auf den Verfahrensstand dieser Rechtsmittelverfahren, der vom jeweiligen Leiter/in der zuständigen Gerichtsabteilungen bekannt gegeben wurde.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt I. (Abweisung/Abänderung)

Gemäß § 252 Abs. 1 BAO kann ein Bescheid, der von einem Feststellungsbescheid abgeleitet ist, nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind. Die genannte Bestimmung schränkt somit das Beschwerderecht gegen abgeleitete Bescheide ein. Einwendungen gegen im Grundlagenbescheid getroffene Entscheidungen sollen nur im Verfahren betreffend den Grundlagenbescheid vorgebracht werden können. Werden sie im Rechtsmittel gegen den abgeleiteten Bescheid vorgebracht, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Berufung (Bescheidbeschwerde) diesbezüglich als unbegründet abzuweisen (Ritz, BAO 6. Auflage, § 252 BAO Rz 3; ).

Aus § 185ff BAO ergibt sich ein System von Grundlagenbescheiden und hiervon abgeleiteten Abgabenbescheiden. Gemäß § 192 BAO werden in einem Feststellungsbescheid enthaltene Feststellungen, die für andere nachgelagerte Abgabenbescheide von Bedeutung sind, diesen Bescheiden zu Grunde gelegt, auch wenn der Feststellungsbescheid noch nicht rechtskräftig geworden ist.

Ist nach § 295 Abs. 1 BAO ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist.

§ 295 Abs.4 BAO in der aktuell geltenden und auf das gegenständliche Verfahren anzuwendenden Fassung bestimmt:

Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt eines

-Feststellungsbescheides (§188) oder eines

-Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat,

gerichtet ist, als unzulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, so sind auf das Dokument gestützte Änderungsbescheide (Abs.1) auf Antrag der Partei (§78) aufzuheben. Der Antrag ist innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung zu stellen. Der an die Stelle des aufgehobenen Bescheides tretenden Abgabenfestsetzung steht, soweit sie im das Dokument ersetzenden Bescheid enthaltene Feststellungen übernimmt, der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn die Festsetzung innerhalb eines Jahres ab Aufhebung erfolgt. § 209a Abs.2 erster Satz gilt, sinngemäß, wenn gegen den das Dokument ersetzenden Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben wird. (BGBl I 2021/3).

Gemäß § 295 Abs. 5 BAO steht die Entscheidung über Aufhebungen und Änderungen nach den Abs. 1 bis 4 der Abgabenbehörde zu, die für die Erlassung des aufzuhebenden bzw. zu ändernden Bescheides zuständig war oder vor Übergang der Zuständigkeit als Folge einer Bescheidbeschwerde oder einer Säumnisbeschwerde (§ 284 Abs.3 ) zuständig gewesen wäre. Ist die diesbezügliche Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen, so steht die Entscheidung der zuletzt zuständig gewordenen Abgabenbehörde zu.

§ 295 Abs. 4 wurde durch das AbgÄG 2011 (BGBl I 2011/76) in die BAO eingefügt. Diese Bestimmung ist mit in Kraft getreten (§ 323 Abs. 31). Sie ist eine Verfahrensvorschrift; sie gilt (bzw galt) somit auch für vor ihrem Inkrafttreten erlassene Änderungsbescheide (§ 295 Abs. 1), wenn die Antragsfrist des § 304 noch nicht abgelaufen ist.

Der letzte Satz des § 295 Abs. 4, wonach der Antrag vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 maßgeblichen Frist zu stellen ist, wurde vom VfGH (, G 159/2019, G 226/2019, G 248/2019) als verfassungswidrig aufgehoben; die Aufhebung ist mit Ablauf des in Kraft getreten.

Aufhebungen nach § 295 Abs.4 setzen demnach voraus

die Zurückweisung einer Bescheidbeschwerde (als unzulässig) gegen einen "Nichtbescheid" (somit gegen eine Erledigung, die als Feststellungsbescheid iSd § 188 oder als "Nichtfeststellungsbescheid" beabsichtigt war),

einen Abgabenbescheid (oder Feststellungsbescheid), der den vermeintlichen Bescheid (den Nichtbescheid) zu Unrecht als Grundlagenbescheid qualifiziert hat,

einen Antrag der Partei im "abgeleiteten" Verfahren, der innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung gestellt wird.

Im Unterschied zur bisherigen Fassung des § 295 Abs. 4 ist die Norm nicht mehr nur zur Aufhebung auf § 295 Abs. 1 gestützter Bescheide anwendbar. Als solche zu Unrecht von der rechtlichen Existenz eines Feststellungsbescheides (§ 188) bzw Nichtfeststellungsbescheides ausgehende Bescheide kommen (abgesehen von Änderungsbescheiden nach § 295 Abs. 1) vor allem Erstbescheide, Beschwerdevorentscheidungen (§ 263), gem § 299 Abs. 2 erlassene Bescheide und Sachentscheidungen iSd § 307 Abs 1 in Betracht.

Derartige Bescheide sind vor allem Abgabenbescheide (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer); in Betracht kommen auch von Nichtbescheiden abgeleitete Feststellungsbescheide (vgl Ellinger/Sutter/Urtz, BAO 3, § 295 Anm 28; ; Knechtl, SWK 2021, 491).

Auch Erkenntnisse (§ 279) des BFG und in der Sache selbst ergangene Entscheidungen des VwGH sind nach § 295 Abs.4 aufhebbar; dies ergibt sich aus § 93a.

Nichtbescheide (vermeintliche Bescheide, somit absolut nichtige Verwaltungsakte) iSd § 295 Abs.4 sind Dokumente (Schriftstücke), die nach Form und Inhalt den (unzutreffenden) Eindruck erwecken, sie seien Bescheide über die Feststellung von Einkünften (§ 188) oder Bescheide des Inhaltes, dass eine Feststellung der Einkünfte zu unterbleiben hat ("Nichtfeststellungsbescheide").

Derartige Nichtbescheide liegen vor allem vor,
wenn Feststellungsbescheide (Nichtfeststellungsbescheide) nicht zugestellt wurden, etwa weil die Hinterlegung (§ 17 ZustG) rechtswidrig und unwirksam war oder weil die Zustellung nicht an den nach § 81 BAO Vertretungsbefugten erfolgte,
wenn die Adressierung des vermeintlichen Bescheides an eine bereits beendete Personengesellschaft (zB an eine bereits aufgelöste GesBR) erfolgte; siehe § 191 Rz 14,
wenn die Adressierung an die zuletzt Beteiligten (iSd § 19 Abs 2) erfolgte, obwohl die Personengesellschaft noch nicht beendet war; siehe hierzu § 19 Rz 14 und § 79 Rz 10 ff,

wenn der Hinweis auf die Zustellfiktion des § 101 Abs 3 fehlte (vgl zB ; 30.2013, 2009/13/0027; , Ra 2018/15/0059; , Ra 2019/15/0131).
Die Aufhebung liegt nicht im Ermessen der Abgabenbehörde (zB ; ).
Die Aufhebung hat auch dann zu erfolgen, wenn in der Zwischenzeit (nach Erlassung des antragsgegenständlichen Bescheides) ein den Nichtbescheid ersetzender Feststellungsbescheid (oder Nichtfeststellungsbescheid) erlassen wurde (vgl Knechtl, ; ).
Der Antrag ist ein Anbringen zur Geltendmachung von Rechten iSd § 85 Abs 1. Er unterliegt der Entscheidungspflicht (zB ). Er ist zurücknehmbar ( Ritz, AFS 2021, 4).
Das Antragsrecht besteht unabhängig davon, ob der antragsgegenständliche Bescheid bereits formell rechtskräftig ist.
Die Antragsfrist ist eine gesetzliche, somit zufolge § 110 Abs 1 nicht verlängerbare Frist. Rechtskraft iSd § 295 Abs. 4 ist die formelle Rechtskraft (Ritz, AFS 2021, 4).
Der Antrag kann auch zu einem Zeitpunkt gestellt werden, in dem die diesbezüglichen Voraussetzungen noch nicht vorliegen (vgl ; , RV/7103149/2018).
Die Zuständigkeit für Aufhebungen gem. § 295 Abs.4 ergibt sich aus § 295 Abs. 5 (idF BGBl I 2021/3).

Aufhebungen iSd § 295 Abs.4 sind Maßnahmen gem. § 295 BAO. Daher obliegen sie nach § 93a zweiter Satz auch dann dem Finanzamt, wenn sie Erkenntnisse des BFG oder in der Sache selbst ergangene Entscheidungen des VwGH betreffen.

Wird ein den vermeintlichen Bescheid ersetzender Feststellungbescheid (§ 188) bzw Nichtfeststellungbescheid erlassen, so steht die Bemessungsverjährung der Abgabenfestsetzung insoweit nicht entgegen, als der Abgabenbescheid die im den Nichtbescheid ersetzenden Bescheid enthaltenen Feststellungen übernimmt. Dies setzt allerdings voraus, dass die Abgabenfestsetzung innerhalb eines Jahres ab der auf § 295 Abs. 4 gestützten Aufhebung erfolgt.

Diese Regelung (Ausnahme von der Verjährung, Teilrechtskraft, Befristung der Abgabenfestsetzung) vermeidet die fiskalischen Risiken der bisherigen Bestimmung (vgl Ritz, AFS 2017, 166).

Aus "insoweit …als" ergibt sich für die Abgabenbehörde eine eingeschränkte Abänderungsbefugnis und für den Abgabepflichtigen eine eingeschränkte Anfechtungsbefugnis. Ebenso wie beispielsweise für Berichtigungen nach § 293b BAO (vgl. zB Stoll, BAO, 2837) gilt diese Beschränkung nicht für zwingende Konsequenzen, die sich aus der Übernahme des Ergebnisses der Feststellung (bzw Nichtfeststellung) ergeben, wie beispielsweise die Anpassung der Selbstbehaltes (iSd § 34 Abs. 4 EStG 1988) an eine Erhöhung oder Minderung des Einkommens.

Nach § 295 Abs. 4 letzter Satz (idF BGBl I 2021/3) gilt § 209a Abs. 2 erster Satz sinngemäß, wenn gegen den den Nichtbescheid ersetzenden Bescheid fristgerecht Beschwerde erhoben wird. Dies stellt die Anpassung abgeleiteter Abgabenbescheide auch dann sicher, wenn die gegen den Feststellungsbescheid bzw Nichtfeststellungsbescheid gerichtete Beschwerde erst nach Eintritt der Bemessungsverjährung (Festsetzungsverjährung) eingebracht wird.

§ 295 Abs. 4 stellt eine verfahrensrechtliche Möglichkeit zur Rechtskraftdurchbrechung dar. Einerseits soll durch den Aufhebungsbescheid, der sich auf § 295 Abs. 4 BAO stützt, die Rechtskraft eines Abgabenbescheides, der auf einem nichtigen Grundlagenbescheid basiert, beseitigt werden. Andererseits ermöglicht § 295 Abs. 4 BAO innerhalb eines Jahres ab der Aufhebung, einen neuen abgeleiteten Bescheid zu erlassen. Der Aufhebungsbescheid nach § 295 Abs. 4 BAO ist somit die Grundlage für eine Abgabenfestsetzung außerhalb der Verjährungsfrist.

Die Neufassung des § 295 Abs.4 ist mangels ausdrücklicher Inkrafttretensbestimmung (nach § 11 Abs 1 BGBlG mit Ablauf des Tages der Freigabe zur Abfrage des COVID-19-StMG im RIS), somit mit in Kraft getreten. § 295 Abs. 4 ist eine verfahrensrechtliche Bestimmung. Verfahrensrechtliche Bestimmungen sind grundsätzlich für ab ihrem Inkrafttreten erfolgende Amtshandlungen - und somit auch auf den gegenständlichen Fall - anzuwenden (vgl zB Stoll, BAO, 2166; Ritz, taxlex 2014, 434; ; , 2012/15/0111; Unger, taxlex 2017, 162; ).

Maßnahmen gemäß § 295 Abs. 1 und 2 BAO sind Änderungen sowie Aufhebungen abgeleiteter Bescheide. Sie sind unabhängig davon zulässig, ob die abgeleiteten Bescheide formell rechtskräftig sind.

Zuständig hiefür ist die Abgabenbehörde (zufolge § 295 Abs. 5 idF FVwGG 2012) auch dann, wenn die betreffende Entscheidung ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist (vgl. Ritz, BAO6, § 295 Tz 2).

Es istAufgabe des Bundesfinanzgerichtes in der Sache zu entscheiden. Dabei sind jene Feststellungbescheide zu Grunde zu legen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes dem Rechtsbestand angehören (vgl. ). Gegenwärtig gehören die Bescheide vom (zu St.Nr.: ***x***) bzw. vom (zu St.Nr.: ***y***) dem Rechtsbestand an und sind demnach diese Bescheide der gegenständlichen Entscheidung des Bundesfinanzgerichts zu Grunde zu legen (vgl. ).

Wie bereits erwähnt, schränkt § 252 Abs. 1 bis 3 BAO idgF das Beschwerderecht gegen abgeleitete Bescheide ein, da Einwendungen gegen Feststellungen im Grundlagenbescheid nur in der Beschwerde gegen den Grundlagenbescheid erhoben werden sollen. Da der Bf. in der Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2005 bis 2007 ausschließlich Einwendungen gegen die Rechtsmäßigkeit der Grundlagenbescheide erhoben hat, die im Beschwerdeverfahren gegen die Feststellungsbescheide zu erheben sind, ist das Beschwerdebegehren abzuweisen (vgl. ; , 2000/15/0001;, 2002/14/0005; , 2004/13/0069).

Angemerkt wird, dass der Bf. ohnehin auch die bezughabenden Grundlagenbescheide angefochten hat. Auf Grund der Systematik der Bundesabgabenordnung ist sichergestellt, dass im Rechtsmittelverfahren erfolgte Änderungen der Grundlagenbescheide in der Folge in den abgeleiteten Bescheiden Berücksichtigung finden. Diesbezüglich wird nochmals auf die bereits zitierte und ausführlich kommentierte Bestimmung des § 295 Abs.1, insbesondere dessen neu gefasste Absätze 4 und 5 BAO verwiesen, die zur Vermeidung von unsachlichen Ergebnissen nun vorsehen, dass die Verjährung im Abgabenfestsetzungsverfahren einer Übernahme der im (neu/erstmals) erlassenen Feststellungsbescheid (bzw. Nichtfeststellungsbescheid) getroffenen Feststellungen nicht entgegensteht, wenn der neue Abgabenfestsetzungsbescheid innerhalb eines Jahres ab Erlassung des Aufhebungsbescheides ergeht.
Im Ergebnis wird damit erreicht, dass den Feststellungen eines Grundlagenbescheides zum Durchbruch verholfen wird. Eine Abgabenfestsetzung außerhalb der Verjährung ist jedoch nur dann zulässig, sofern diese Abgabenfestsetzung die im neuen Grundlagenbescheid enthaltenen Feststellungen betrifft. Die bisherige Situation, dass eigentlich nicht zustehende Verluste nur deshalb lukriert werden können, weil ein unwirksamer Feststellungsbescheid bestanden hat, der aber mittlerweile durch einen wirksamen, aber im Abgabenfestsetzungsverfahren nicht mehr umsetzbaren Feststellungsbescheid ersetzt wurde, wird damit ebenso vermieden.

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO in der ab dem geltenden Fassung des FVwGG 2012, BGBl. I Nr. 14/2013, hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 BAO immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen. § 253 BAO in der Fassung FVwGG2012, BGBl. I Nr. 14/2013, steht der Berücksichtigung eines nachträglich erlassenen(geänderten) Grundlagenbescheides im Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes (§ 279 BAO) nicht entgegen, schränkt somit die im § 279 Abs. 1 BAO eingeräumte Änderungsbefugnis nicht ein (vgl. Ritz, BAO5, § 253 Tz 7).

In dem gegenständlichen Erkenntnis sind daher sämtliche aktuell gültigenBeteiligungsergebnisse des Bf. zu erfassen, wobei es dahingestellt bleiben kann, ob die entsprechenden Grundlagenbescheide bereits rechtskräftig geworden sind. Es waren demzufolge auch die von der belangten Behörde nachgereichten Tangentenmitteilungen vom betreffend die ehemaligen Gesellschafter der ***4*** GmbH & atypisch stille Ges.er - St.Nr.: ***ex*** und zwar für die Jahre 2006 und 2007 zu berücksichtigen.

Laut Mitteilung über die Gesonderte Feststellung 2006 der durch die ehemaligen Gesellschafter der ***4*** GmbH & atypisch stille Ges.er - St.Nr.: ***ex*** (gemäß § 188 BAO festgestellten) erzielten Einkünfte für das Jahr 2006 hat das Finanzamt Wien **FAD*** die davon auf den Bf. entfallenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2006 mit -€ 16.446,86 festgestellt und gleichzeitig festgestellt, dass bei der Veranlagung des (beteiligten) Steuerpflichtigen (Bf.) im Rahmen der Einkommensermittlung die nichtausgleichsfähigen Verluste (Beteiligung) gem. § 2 Abs. 2a EStG, € 21.747,27 betragen.

Laut Mitteilung über die Gesonderte Feststellung 2007 der durch die ehemaligen Gesellschafter der ***4*** GmbH & atypisch stille Ges.er - St.Nr.: ***ex*** (gemäß § 188 BAO festgestellten) erzielten Einkünfte für das Jahr 2007 hat das Finanzamt Wien **FAD*** die davon auf den Bf. entfallenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Jahr 2007 mit -€ 6.975,84 festgestellt und gleichzeitig festgestellt, dass bei der Veranlagung des (beteiligten) Steuerpflichtigen (Bf.) im Rahmen der Einkommensermittlung die nichtausgleichsfähigen Verluste (Beteiligung) gem. § 2 Abs. 2a EStG, € 6.997,44 betragen.

Diese Einkünfteanteile sind auch dem vorliegenden Erkenntnis betreffend die Jahre 2006 und 2007 zugrunde zu legen und ergibt sich insoweit eine Änderung zu den angefochtenen Einkommensteuerbescheiden vom für diese Jahre.

Was die anhängigen Beschwerden gegen diese (vorgenannten) Feststellungsbescheide anlangt, besteht hier ebenso kein Rechtsanspruch des Steuerpflichtigen und keine rechtliche Verpflichtung, mit der Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde bis zur Rechtskraft des betreffenden Feststellungsbescheides(Grundlagenbescheides) zuzuwarten (vgl. ; ; ; ; vgl. Ritz, BAO5, § 295, Tz 13 u. v. a.)

Im Beschwerdeverfahren bringt der Bf. jedenfalls keine geeigneten Argumente vor, warum die angefochtenen Einkommensteuerbescheide nicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechen würden. Im Ergebnis wendet sich der Bf. nur gegen die Auffassung des Finanzamtes ***FAB***, wonach keine ertragsteuerlichen Mitunternehmerschaften vorlägen und die den gegenständlichen Einkommensteuerbescheiden zugrundeliegenden Feststellungsbescheide (Nichtfeststellungsbescheide) daher inhaltlich unrichtig seien, weshalb dem Beschwerdebegehren (Berücksichtigung der geleisteten Einlagen als steuerliche Verluste) aus den genannten Gründen gemäß § 252 Abs. 1 BAO nicht gefolgt werden konnte.

Mangels Vorliegens eines Vorläufigkeitsgrundes im Sinne des § 200 Abs. 1 BAO war die Einkommensteuer für sämtliche Beschwerdejahre endgültig festzusetzen.

Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Beilagen: 2 Berechnungsblätter (Einkommensteuer 2006 und 2007)

Zu Spruchpunkt II. (Unzulässigkeit der Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die oben dargestellte Rechtsfolge ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz (§§ 192 und 295 Abs.1 BAO iVm § 252 Abs. 1 BAO). Es liegt daher keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 295 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 252 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Grundlagenbescheid
abgeleiteter Bescheid
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.7100881.2013

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at