Säumnisbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 07.02.2022, RS/7100005/2022

Zurückgenommenerklärung einer mangelhaften Säumnisbeschwerde

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Elisabeth Wanke in der Beschwerdesache betreffend Säumnisbeschwerde des ***1*** ***2***, Anschrift nicht bekannt gegeben, Rumänien, vertreten durch Union TAX & LAW, Steuerberater- und Rechtsanwaltsgesellschaft CH, 8590 Romanshorn/TG, Obere Zelgstrasse 7, Schweiz, Niederlassung 1220 Wien, Donau-City-Straße 7/DC-Tower/30th Floor, vom , wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht durch das Finanzamt Österreich betreffend Antrag vom auf "Familienbeihilfe, Ausgleichs- und/oder Differenzzahlung" für 2020, Sozialversicherungsnummer ***3***, beschlossen:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen erklärt.

II. Gegen diesen Beschluss ist gemäß Art. 133 Abs. 9 B-VG i.V.m. Art. 133 Abs. 4 B-VG und § 25a VwGG eine Revision nicht zulässig.

Begründung

Säumnisbeschwerde

Der Beschwerdeführer (Bf) ***1*** ***2*** brachte durch seine ausgewiesene Vertretung beim Finanzamt Österreich mit Telefax folgende mit datierte Säumnisbeschwerde ein:

Finanzamt Österreich
Postfach 260
AT 1000 Wien

per Telefax +43502335942000
9. November2021
Unser Zeichen: AT-19-05-10056
***2******1*** geb. ***6*** / Rumänien
Sozialversicherungsnummer:
***3***
Antrag auf Familienbeihilfe, Ausgleichs- und/oder Differenzzahlung vom für 2020

Säumnisbeschwerde und Vorlage zum Bundesfinanzgericht

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit Anschreiben vom haben wir für den vorbezeichneten Mandanten Antrag auf Familienbeihilfe/Ausgleichs- und/oder Differenzzahlung gestellt. Wir haben keine Rückäußerung erhalten.

Wegen überlanger Verfahrensdauer und Verletzung der Entscheidungspflicht legen wir Säumnisbeschwerde und beantragen die Vorlage an das Bundesfinanzgericht sollte innerhalb von drei Monaten keine Entscheidung ergangen sein.

***4******5***
Rechtsanwalt

Die Säumnisbeschwerde ist von ***4*** ***5*** wie folgt unterfertigt:

[...]

Offenbar ist diese Unterschrift ident mit der Unterschrift auf einer Säumnisbeschwerde der einschreitenden Vertretung vom in einer anderen Sache, die beim Bundesfinanzgericht zu RS/7100004/2022 erfasst ist:

[...]

Darüber hinaus ist diese Unterschrift offenbar ident mit der Unterschrift auf einer Eingabe der einschreitenden Vertretung vom im Verfahren zu :

[...]

Irgendwelche Unterlagen wurden nicht beigefügt. Mit Schreiben vom , beim Bundesfinanzgericht eingelangt am , übermittelte das Finanzamt Österreich die verfahrensgegenständliche Säumnisbeschwerde dem Bundesfinanzgericht.

Beschluss vom

Mit Datum fasste das Bundesfinanzgericht folgenden Beschluss:

I. Dem Beschwerdeführer ***1******2*** wird gemäß § 2a BAO i.V.m. § 85 BAO und § 285 BAO aufgetragen, folgende Mängel seiner Säumnisbeschwerde innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses durch Bekanntgabe an das Bundesfinanzgericht schriftlich oder mit Telefax (E-Mail ist nicht ausreichend) zu beheben:

1. Eine von dem Beschwerdeführer oder einer für seine Vertreterin zeichnungsberechtigte Person eigenhändig unterschriebene Ausfertigung der Säumnisbeschwerde ist vorzulegen. Sollte die Säumnisbeschwerde vom eigenhändig unterschrieben worden sein, ist das Original der Säumnisbeschwerde auf dem Postweg unter Anschluss einer Kopie eines amtlichen Lichtbildausweises von Rechtsanwalt ***4******5*** vorzulegen.

2. Der vollständige Inhalt des unerledigten Anbringens (§ 285 Abs. 1 lit. b BAO) samt allfälligen Beilagen ist durch Vorlage einer vollständigen Kopie des seinerzeitigen Anbringens darzustellen.

II. Dem Beschwerdeführer ***1******2*** wird gemäß § 2a BAO i.V.m. § 138 BAO aufgetragen, einen Nachweis, dass das unerledigte Anbringen bei der belangten Behörde eingebracht worden ist, vorzulegen.

Begründend wurde unter anderem ausgeführt:

Zu Spruchpunkt I.1.

Anbringen gemäß § 85 BAO sind eigenhändig zu unterschreiben.

Da in drei Eingaben der einschreitenden Vertretung die Unterschrift des für diese zeichnenden Rechtsanwalts ***4******5*** optisch völlig ident ist, ist es zweifelhaft, ob die verfahrensgegenständliche Säumnisbeschwerde vom Zeichnenden eigenhändig unterfertigt wurde oder ob nur bei Erstellung der Eingabe unter Verwendung einer anderen Schrift die Wortfolge "***4******5***" maschinell eingefügt wurde.

Es ist daher dem Beschwerdeführer ***1******2*** gemäß § 2a BAO i.V.m. § 85 BAO aufzutragen, eine von ihm oder einer für seine Vertreterin zeichnungsberechtigte Person eigenhändig unterschriebene Ausfertigung der Säumnisbeschwerde vorzulegen. Sollte die Säumnisbeschwerde vom tatsächlich eigenhändig unterschrieben worden sein, ist das Original der Säumnisbeschwerde auf dem Postweg unter Anschluss einer Kopie eines amtlichen Lichtbildausweises von Rechtsanwalt ***4******5*** vorzulegen.

Zu Spruchpunkt I.2.

Das Anbringen, dessen Erledigung urgiert wird, wurde dem Bundesfinanzgericht vom Bf mit der Säumnisbeschwerde nicht vorgelegt.

Das Bundesfinanzgericht wird daher durch die Säumnisbeschwerde nicht in die Lage versetzt, gegebenenfalls in der Sache entscheiden zu können, da ihm der vollständige Inhalt des Anbringens unbekannt ist.

Dem Bf ist daher gemäß § 2a BAO i.V.m. § 85 BAO und § 285 BAO die Behebung dieses Mangels aufzutragen.

Zu Spruchpunkt II

Gemäß § 138 BAO haben die Abgabepflichten zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen.

Im Verfahren zu RS/7100095/2021 wurde von der auch hier einschreitenden Vertretung eine Säumnisbeschwerde ohne Nachweis darüber eingebracht, dass das Anbringen, mit dessen Erledigung die Behörde säumig sein soll, auch wirksam eingebracht worden ist. Zur Abkürzung des Säumnisbeschwerdeverfahrens (für den Fall der Mängelbehebung) ist vorweg zu prüfen, ob das behauptete Anbringen vom überhaupt eingebracht worden ist.

Frist

Die im Spruch gesetzte Frist von zwei Wochen ist dem damit voraussichtlich verbundenen Aufwand angemessen.

Auf die Rechtsfolge des Ablaufs der vom Gericht gesetzten Frist ohne vollständiger Behebung der Mängel und auf die Möglichkeit einer Fristverlängerung wurde hingewiesen.

Der Beschluss wurde dem Bf zu Handen seiner Vertretung laut Rückschein am zugestellt.

Keine Reaktion

Der Bf bzw seine Vertretung reagierten auf den Beschluss vom nicht innerhalb der gesetzten Frist.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Rechtsgrundlagen

§§ 284, 285 BAO lauten:

21. Säumnisbeschwerde

§ 284. (1) Wegen Verletzung der Entscheidungspflicht kann die Partei Beschwerde (Säumnisbeschwerde) beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt zur Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97) werden. Hiezu ist jede Partei befugt, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat.

(2) Das Verwaltungsgericht hat der Abgabenbehörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt. Die Frist kann einmal verlängert werden, wenn die Abgabenbehörde das Vorliegen von in der Sache gelegenen Gründen nachzuweisen vermag, die eine fristgerechte Entscheidung unmöglich machen. Wird der Bescheid erlassen oder wurde er vor Einleitung des Verfahrens erlassen, so ist das Verfahren einzustellen.

(3) Die Zuständigkeit zur Entscheidung geht erst dann auf das Verwaltungsgericht über, wenn die Frist (Abs. 2) abgelaufen ist oder wenn die Abgabenbehörde vor Ablauf der Frist mitteilt, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt.

(4) Säumnisbeschwerden sind mit Erkenntnis abzuweisen, wenn die Verspätung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Abgabenbehörde zurückzuführen ist.

(5) Das Verwaltungsgericht kann sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgeblicher Rechtsfragen beschränken und der Abgabenbehörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiermit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Kommt die Abgabenbehörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht über die Beschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst.

(6) Partei im Beschwerdeverfahren ist auch die Abgabenbehörde, deren Säumnis geltend gemacht wird.

(7) Sinngemäß sind anzuwenden:

a) § 256 Abs. 1 und 3 (Zurücknahme der Beschwerde),

b) § 260 Abs. 1 lit. a (Unzulässigkeit),

c) § 265 Abs. 6 (Verständigungspflichten),

d) § 266 (Vorlage der Akten),

e) § 268 (Ablehnung wegen Befangenheit oder Wettbewerbsgefährdung),

f) § 269 (Obliegenheiten und Befugnisse, Ermittlungen, Erörterungstermin),

g) §§ 272 bis 277 (Verfahren),

h) § 280 (Inhalt des Erkenntnisses oder des Beschlusses).

§ 285. (1) Die Säumnisbeschwerde hat zu enthalten:

a) die Bezeichnung der säumigen Abgabenbehörde;

b) die Darstellung des Inhaltes des unerledigten Antrages bzw. der Angelegenheit, in der eine Verpflichtung zur amtswegigen Erlassung eines Bescheides besteht;

c) die Angaben, die zur Beurteilung des Ablaufes der Frist des § 284 Abs. 1 notwendig sind.

(2) Die Frist des § 284 Abs. 2 wird durch einen Mängelbehebungsauftrag (§ 85 Abs. 2) gehemmt. Die Hemmung beginnt mit dem Tag der Zustellung des Mängelbehebungsauftrages und endet mit Ablauf der Mängelbehebungsfrist oder mit dem früheren Tag des Einlangens der Mängelbehebung beim Verwaltungsgericht.

§ 85 Abs. 1 und 2 BAO lautet:

§ 85. (1) Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) sind vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 schriftlich einzureichen (Eingaben).

(2) Mängel von Eingaben (Formgebrechen, inhaltliche Mängel, Fehlen einer Unterschrift) berechtigen die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung; inhaltliche Mängel liegen nur dann vor, wenn in einer Eingabe gesetzlich geforderte inhaltliche Angaben fehlen. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, daß die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

§ 138 BAO lautet:

§ 138. (1) Auf Verlangen der Abgabenbehörde haben die Abgabepflichtigen und die diesen im § 140 gleichgestellten Personen in Erfüllung ihrer Offenlegungspflicht (§ 119) zur Beseitigung von Zweifeln den Inhalt ihrer Anbringen zu erläutern und zu ergänzen sowie dessen Richtigkeit zu beweisen. Kann ihnen ein Beweis nach den Umständen nicht zugemutet werden, so genügt die Glaubhaftmachung.

(2) Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere, Schriften und Urkunden sind auf Verlangen zur Einsicht und Prüfung vorzulegen, soweit sie für den Inhalt der Anbringen von Bedeutung sind.

Mangelhaftigkeit der Beschwerde

Wie im Beschluss vom ausgeführt, fehlt es der Säumnisbeschwerde vom an einer eigenhändigen Unterschrift bzw. an einem Nachweis, dass diese tatsächlich eigenhändig unterschrieben worden ist, und wurde das Bundesfinanzgericht auf Grund der Säumnisbeschwerde nicht in die Lage versetzt, gegebenenfalls in der Sache entscheiden zu können, da ihm der vollständige Inhalt des Antrags unbekannt ist.

Mängelbehebungsauftrag

Daher hatte der Mängelbehebungsauftrag vom zu ergehen. Die dort gesetzte Frist zur Mängelbehebung von zwei Wochen ist angemessen.

Keine Mängelbehebung

Der Bf hat innerhalb der gesetzten Frist die Mängel nicht behoben. Es fehlt damit nach wie vor an einer eigenhändig unterschriebenen Säumnisbeschwerde bzw. einem Nachweis, dass die Säumnisbeschwerde eigenhändig unterschrieben ist. Das Bundesfinanzgericht weiß nach wie vor nicht, was "Sache" des Säumnisbeschwerdeverfahrens ist, da ihm das der Säumnisbeschwerde zugrundeliegende Anbringen weiterhin unbekannt ist.

Zurückgenommenerklärung

Die Säumnisbeschwerde vom , beim Bundesfinanzgericht eingelangt am , gilt daher gemäß § 85 Abs. 2 BAO als zurückgenommen.

Revisionsnichtzulassung

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil der Beschluss von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Es liegt hier keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor, da sich die Rechtsfolge eines nicht erfüllten Mängelbehebungsauftrags unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 85 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 285 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 285 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 138 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RS.7100005.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at