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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 15.03.2022, RV/5101062/2021

Haushaltszugehörigkeit

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf.***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom , Ordnungsbegriff:******, über die Rückforderung zu Unrecht bezogener Beträge (Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag) für das Kind ***** ****, VNR: ***000***, für die Zeiträume Mai 2020 bis Oktober 2020 in Höhe von insgesamt 1.659,40 Euro zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 Bundesabgabenordnung (BAO) als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit dem angefochtenen Bescheid vom forderte das Finanzamt unter Verweis auf die Bestimmungen des § 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz 1967 (FLAG 1967) und § 33 Abs. 3 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge in Höhe von insgesamt 1.659,40 Euro zurück, welche die Beschwerdeführerin (Bf.) für ihre Tochter ***** in den Zeiträumen Mai 2020 bis Oktober 2020 bezogen hatte.
Dies mit der Begründung, dass die Tochter der Bf. seit den Wohnsitz gewechselt habe.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Die Bf. brachte zur Begründung im Wesentlichen vor, dass ihre Tochter ***** bis bei ihr mit Hauptwohnsitz gemeldet gewesen sei. Neben einer Unterhaltsvereinbarung vom und einer Meldebestätigung war der Beschwerde ein Protokoll über eine vor dem Bezirksgericht ***BG*** in der Tagsatzung vom zwischen der Bf. und dem Kindesvater geschlossene Vereinbarung. Demnach würden die Eltern weiterhin mit der gemeinsamen Obsorge für die minderjährige Tochter betraut bleiben, der Hauptaufenthaltsort der Tochter werde jedoch künftig beim Vater sein.

Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung vom als unbegründet ab.
Wie sich aus § 2 Abs. 2 FLAG ergebe, knüpfe der Anspruch auf Familienbeihilfe primär an die Haushaltszugehörigkeit an. Dabei gehe das Gesetz erkennbar davon aus, dass ein Kind nur einem Haushalt angehören könne. Einerseits werde gemäß § 7 FLAG für ein Kind Familienbeihilfe nur einer Person gewährt, andererseits gebe es unter dem Gesichtspunkt "Haushaltszugehörigkeit" keine Regelungen über eine Reihung von potentiell anspruchsberechtigten Personen, etwa nach der Dauer oder dem Grad der Intensität einer solchen Zugehörigkeit. Lediglich dann, wenn das Kind dem gemeinsamen Haushalt beider Elternteile angehöre, kenne das FLAG den "Konkurrenzfall", der in § 2a geregelt ist (z.B. mit Hinweis auf ). Ein solcher gemeinsamer Haushalt sei im gegenständlichen Fall seit dem nicht mehr vorgelegen.
Zum Haushalt einer Person gehöre ein Kind gemäß § 2 Abs. 5 FLAG dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teile. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hänge die Beantwortung der Frage, mit welcher Person ein Kind die Wohnung teilt, ganz wesentlich davon ab, in wessen Wohnung das Kind regelmäßig nächtige (z.B. ).
Laut Zentralem Melderegister sei das Kind ***** seit beim Kindesvater in ***Ort*** gemeldet.
Im Gerichtbeschluss vom sei angeführt, dass sich der Hauptaufenthaltsort von ***** künftig beim Vater befinde.
In einem an ihre Tochter gerichteten E-Mail vom habe die Bf. angeführt: "Wenn du meinst nun weiterhin in ***Ort*** wohnen zu bleiben, muss ich das akzeptieren …". Daraus lasse sich schließen, dass ***** zu diesem Zeitpunkt bereits beim Kindesvater gelebt habe. Meldebestätigungen würden lediglich ein Indiz darstellen.
Der Kindesvater habe bestätigt, dass sich das Kind bereits seit bei ihm aufhalte und von seinem Haushalt aus die Schule besuche.
Aus den dem Finanzamt vorliegenden Unterlagen könne in freier Beweiswürdigung geschlossen werden, dass sich das Kind seit mindestens Mai 2020 beim Kindesvater aufhalte und seither ihm der Anspruch auf Familienbeihilfe zustehe.

Mit der als "Einspruch" bezeichneten Eingabe vom beantragte die Bf. die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht.
In diesem Vorlageantrag brachte sie im Wesentlichen vor:
Ihre Tochter sei seit bei ihrem Vater gemeldet, habe sich aber seit nicht dauerhaft bei ihm aufgehalten. Im Frühjahr habe sie von der Bf. eine komplette Kleidungsausstattung erhalten. Bei ihrem Vater habe sie sich hingegen die Kleidung durch Nebenjobs selber finanzieren müssen. Zwischen der Bf. und ihrer Tochter sei vereinbart worden, dass ihre Tochter einen maßgeblichen Zuschuss für die Anschaffung eines Mopeds (700 Euro), passender Ausrüstung wie Helm usw. (500 Euro), für den Führerschein incl. Nebenkosten (500 Euro) sowie für ein neues Mobiltelefon (1.400 Euro) erhalte. Das Moped sei sodann nicht von ihrer Tochter, sondern von ihrem Vater genutzt worden.
Ohne ihre Tochter hätte die Bf. niemals ein solch großes Haus angemietet. Ihre Tochter sei von Beginn an in die Umzugspläne involviert gewesen und habe die gesamte obere Etage bewohnen wollen, welche dann auch für sie renoviert worden sei. Lediglich die Fenster hätten auf Grund der damals herrschenden Witterungsverhältnisse noch nicht eingebaut werden können. Miete und Nebenkosten würden knapp 2.000,00 Euro betragen, welche sie als Arbeitssuchende mit knapp 1.000,00 Euro natürlich nicht bezahlen könne. Bis zur gerichtlichen Tagsatzung habe ihre Tochter auch rechtlich (Jugendamt) bei ihr zu Hause wohnen müssen. Jedoch habe sie bedingt durch viele familiäre Schicksalsschläge bei ihrem Vater leben wollen.
Leider habe sie dies nicht verhindern können, habe aber ihrer Tochter ihr Entgegenkommen zeigen wollen und sie nicht dauerhaft dazu (gemeint wohl: zum Aufenthalt bei ihr) zwingen wollen (dazu auch das Mail vom ).
Der Vater ihrer Tochter habe keine Alimente mehr bezahlen wollen und habe diese ohne vorherige Begründung gekürzt und dann sogar vollständig einbehalten. Weiters seien auch trotz mehrfacher Verabredung Kleidung und Möbel der Tochter nicht abgeholt worden, sodass die angemietete Wohnfläche bis heute auch nicht anderweitig habe vermietet oder genutzt werden können.
Die Bf. habe auch Unterhalt an den Vater ihrer Tochter zu zahlen. Dieser sei vom Jugendamt ab Oktober 2020 und nicht ab April/Mai 2020 festgelegt worden. Daher solle auch die Familienbeihilfe logischerweise erst ab Oktober 2020 dem Kindesvater zur Verfügung stehen.
Die Bf. und ihr jetziger Ehegatte seien nun in finanzielle Schwierigkeiten geraten, da sie ein viel zu großes Haus finanzieren müssten. Ein Auszug sei aufgrund des unterzeichneten Mietvertrages nicht möglich.

Mit der fristgerechten Einbringung des Vorlageantrages gilt die Bescheidbeschwerde wiederum als unerledigt (§ 264 Abs. 3 BAO).

Das Finanzamt legte die Beschwerde mit Vorlagebericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Das Bundesfinanzgericht ersuchte in der Folge die Bf. mit Schreiben vom um Vorlage einer Aufstellung, an welchen Tagen im beschwerdegegenständlichen Zeitraum ihre Tochter bei ihr genächtigt hat.

Die Bf. äußerte sich dazu im Wesentlichen wie folgt (E-Mail vom ):
Ab 1. Oktober sei ihre Tochter ***** schon bei Ihrem Vater gemeldet gewesen. Sie sei - wenn auch mit sehr großem Widerwillen - zwei bis vier Tage in der Woche bei ihr gewesen, da sie auch noch Kleidung und Schulsachen bei ihr gehabt habe. Sie sei auch sehr viel bei ihrer Schwester gewesen, wobei die Nächtigungen bei der Bf. erfolgt seien. Durch das Homeschooling sei ihrer Tochter nichts anderes übriggeblieben, als einmal bei der Bf. und dann wieder bei ihrem Vater zu bleiben. Bis zur Gerichtsverhandlung sei sie sehr sprunghaft gewesen und habe mindestens die Hälfte der Woche bei ihr verbringen müssen. Es seien einmal vier Tage, dann zwei Tage oder fünf Tage und drei Tage gewesen. Die Bf. habe auf jeden Fall gewollt, dass ihre Tochter auch bei ihr sei. Seit ihre Tochter beim Vater wohne sei es so, dass er ihr verbiete, bei der Bf. zu nächtigen. Ihre Tochter dürfe sie besuchen, mehr nicht. Es gebe regelmäßig telefonischen Kontakt. Die Tochter der Bf. werde durch den Vater stark beeinflusst und werde daher alles abstreiten. Durch Zeugen könne belegt werden, dass die Tochter unfreiwillig auch bei der Bf. habe sein müssen.

In der Folge ersuchte das Bundesfinanzgericht mit Schreiben vom den Kindesvater als Auskunftsperson gem. § 143 BAO anzugeben, an welchen Tagen im hier maßgeblichen Zeitraum seine Tochter bei ihm genächtigt hat und er die damit zusammenhängende altersadäquate Betreuung seiner Tochter übernommen hat.

Der Kindesvater gab daraufhin an, dass die Behauptungen der Bf. absolut nicht den Tatsachen entsprechen würden. Er habe seine Tochter ***** am bei ihrer Mutter abgeholt und seitdem habe ***** keine einzige Nacht und keinen einzigen ganzen Tag bei ihrer Mutter verbracht. Sie sei lediglich in loser Abfolge (etwa alle zwei bis drei Monate) bei ihrer Mutter ein paar Stunden - für ein Mittagessen - zu Besuch gewesen. Die entsprechenden Unterlagen bezüglich des Gerichtsverfahrens auf Änderung des Aufenthaltsortes von ***** würden dem Bundesfinanzgericht bereits vorliegen.

Die Tochter der Bf. bestätige die Angaben ihres Vaters, wonach sie seit dem bei ihm wohne und seitdem keine einzige Nacht bei ihrer Mutter verbracht habe. Sie sei in den letzten Monaten nur für ein paar Stunden mit meinem Bruder zum Mittagessen bei der Bf. gewesen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt

Das Bundesfinanzgericht sieht es als erwiesen an, dass die Tochter der Beschwerdeführerin im hier maßgeblichen Rückforderungszeitraum "Mai 2020 bis Oktober 2020" nicht mehr bei der Bf., sondern beim Kindesvater haushaltszugehörig war.

Rechtslage

Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder haben gemäß § 2 Abs. 1 lit. a FLAG 1967 - Familienlastenausgleichsgesetz 1967 - Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 hat Anspruch auf Familienbeihilfe für ein im Abs. 1 genanntes Kind die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind gemäß § 2 Abs. 5 FLAG 1967 dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn
a) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,
b) das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt,
c) sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4).

Ein Kind gilt gemäß § 2 Abs. 5 letzter Satz FLAG 1967 bei beiden Elternteilen als haushaltszugehörig, wenn diese einen gemeinsamen Haushalt führen, dem das Kind angehört.

Gehört ein Kind zum gemeinsamen Haushalt der Eltern, so geht gemäß § 2a Abs. 1 FLAG 1967 der Anspruch des Elternteiles, der den Haushalt überwiegend führt, dem Anspruch des anderen Elternteiles vor. Bis zum Nachweis des Gegenteils wird vermutet, dass die Mutter den Haushalt überwiegend führt.

Für ein Kind wird Familienbeihilfe nur einer Person gewährt (§ 7 FLAG 1967).

Die Familienbeihilfe wird gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 hat derjenige, der Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Gleiches gilt für zu Unrecht bezogene und gemeinsam mit der Familienbeihilfeausbezahlte Kinderabsetzbeträge (§ 33 Abs. 3 EStG 1988 i.V.m. § 26 FLAG 1967).

Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) ist die Frage, ob für einen bestimmten Zeitraum Familienbeihilfe zusteht, an Hand der rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten im Anspruchszeitraum zu beantworten. Der gesetzlich festgelegte Anspruchszeitraum für die Familienbeihilfe ist, wie sich dies den Regelungen des § 10 Abs. 2 und 4 FLAG 1967 entnehmen lässt, der Monat. Das Bestehen des Familienbeihilfenanspruches für ein Kind kann somit je nach Eintritt von Änderungen der Sach- und/oder Rechtslage von Monat zu Monat anders zu beurteilen sein (vgl. etwa ).

§ 2 Abs. 2 Satz 1 FLAG 1967 stellt den Familienbeihilfenanspruch grundsätzlich auf die Haushaltszugehörigkeit mit einem Kind ab und nur subsidiär (§ 2 Abs. 2 Satz 2 FLAG 1967) darauf, welche Person die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt. Auf die Unterhaltspflicht der diese Unterhaltskosten überwiegend tragenden Person kommt es nicht an (vgl. ).

Einem Anspruch auf Familienbeihilfe im Sinne des zweiten Satzes des § 2 Abs. 2 FLAG 1967 steht der ausschließliche Anspruch einer Person, bei der das Kind im strittigen Zeitraum haushaltszugehörig war, zwingend entgegen ().

Bei Zugehörigkeit des Kindes zum gemeinsamen Haushalt der Eltern gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 i.V.m. § 2 Abs. 3 FLAG 1967 geht gemäß § 2a Abs. 1 Satz 1 FLAG 1967 der Anspruch des überwiegend haushaltsführenden Elternteils dem Anspruch des anderen Elternteils vor.
Im Beschwerdefall ist jedoch unstrittig, dass ein gemeinsamer Haushalt der Eltern des Kindes nicht mehr vorliegt. Die Regelung des § 2a FLAG 1967 ist daher nicht anwendbar.

Das FLAG 1967 geht davon aus, dass ein Kind nur einem Haushalt angehören kann (vgl. ). Die gleichzeitige Zugehörigkeit zu zwei Haushalten in einem Monat hat der Gesetzgeber im FLAG 1967 nicht vorgesehen.

So wird gemäß § 7 FLAG 1967 für ein Kind Familienbeihilfe nur einer Person gewährt, auch gibt es unter dem Gesichtspunkt "Haushaltszugehörigkeit" keine Regelungen über eine Reihung von potenziell anspruchsberechtigten Personen, etwa nach der Dauer oder dem Grad der Intensität einer solchen Zugehörigkeit (vgl. ; ).

Zum Haushalt einer Person gehört ein Kind gemäß § 2 Abs. 5 FLAG 1967 dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Bedingungen einer Haushaltszugehörigkeit sind in § 2 Abs. 5 FLAG 1967 näher umschrieben. So kommt es ausschließlich auf die einheitliche Wirtschaftsführung mit dem Kind im Rahmen einer Wohngemeinschaft (Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft) an (vgl. ; ; ).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hängt die Beantwortung der Frage, mit welcher Person ein Kind die Wohnung im Sinne des § 2 Abs. 5 FLAG 1967 teilt, ganz wesentlich davon ab, in wessen Wohnung das Kind regelmäßig nächtigt, und zwar jedenfalls dann, wenn die betreffende Person die üblicherweise mit diesen Nächtigungen in Zusammenhang stehenden altersadäquaten Betreuungsmaßnahmen (z.B. Sorgetragung für morgendliche und abendliche Körperpflege oder Begleitung zur Schule) erbringt ().

Im Beschwerdefall ist strittig, ob im hier maßgeblichen Zeitraum "Mai 2020 bis Oktober 2020" eine Haushaltszugehörigkeit des Kindes zur Bf. bestanden hat.

Gemäß § 166 Bundesabgabenordnung (BAO) kommt als Beweismittel im Abgabenverfahren alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist.

Gemäß § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. für viele ) ist von mehreren Möglichkeiten jene als erwiesen anzunehmen, die gegenüber allen anderen Möglichkeiten eine überragende Wahrscheinlichkeit für sich hat und alle anderen Möglichkeiten ausschließt oder zumindest weniger wahrscheinlich erscheinen lässt.

Zum Ersuchen des Bundesfinanzgerichtes um Vorlage einer Aufstellung, an welchen Tagen im beschwerdegegenständlichen Zeitraum ihre Tochter bei ihr genächtigt habe, äußerte sich die Bf. zusammengefasst dahingehend, dass ihre Tochter- wenn auch mit sehr großem Widerwillen - zwei bis vier Tage in der Woche bei ihr gewesen sei. Das Kind sei auch sehr viel bei ihrer Schwester gewesen, wobei die Nächtigungen bei der Bf. erfolgt seien. Durch das Homeschooling bedingt sei ihre Tochter einmal bei der Bf. und dann wieder bei ihrem Vater geblieben. Bis zur Gerichtsverhandlung sei das Kind sehr sprunghaft gewesen und habe mindestens die Hälfte der Woche bei ihr verbringen müssen. Es seien einmal vier Tage, dann zwei Tage oder fünf Tage und drei Tage gewesen.

Dass das Kind im beschwerdegegenständlichen Zeitraum in der Wohnung des Kindesvaters nächtigte, wurde dabei von der Bf. nicht in Abrede gestellt. Ebenso wurde nicht in Abrede gestellt, dass das Kind während seines dortigen Aufenthaltes im Rahmen einer einheitlichen Wirtschaftsführung auch mit den notwendigen Dingen des Lebens versorgt wurde (Nahrung, Körperpflege etc.). Die Äußerung der Bf. vom erweist sich im Hinblick auf die ersuchte Auskunft zu den Nächtigungen als wenig konkret und widersprüchlich ("zwei bis vier Tage in der Woche", "mindestens die Hälfte der Woche", "einmal vier Tage, dann zwei Tage oder fünf Tage und drei Tage").

Dem steht die auch von der sechzehnjährigen Tochter ausdrücklich bestätigte Erklärung des Kindesvaters entgegen, wonach seine Tochter seit dem bei ihm wohne und seitdem keine einzige Nacht bei ihrer Mutter verbracht habe.
Dazu kommt, dass die Bf. im Vorlageantrag einräumte, dass ihre Tochter bedingt durch viele familiäre Schicksalsschläge bei ihrem Vater habe leben wollen und sie dies leider nicht habe verhindern können. Sie habe aber ihrer Tochter ihr Entgegenkommen zeigen wollen (dazu auch das Mail vom ).
In diesem aktenkundigen an die Tochter gerichteten Mail vom heißt es: "Wenn du meinst nun weiterhin in ***Ort*** wohnen zu bleiben, muss ich das akzeptieren …".
Wie das Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung zutreffend angeführt hat, lässt sich daraus ableiten, dass die Tochter der Bf. bereits vor dem bei ihrem Vater wohnte.

Aus der im Zuge der Beschwerde vorgelegten Meldebestätigung, wonach die Tochter der Bf. seit mit Hauptwohnsitz bei ihrem Vater gemeldet ist, ist für das gegenständliche Verfahren nichts zu gewinnen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind polizeiliche Meldebestätigungen nicht geeignet, vollen Beweis über die tatsächlichen Verhältnisse zu liefern, sondern können nur ein - widerlegbares - Indiz hiefür sein ( mwN). Meldebestätigungen können daher auch nur ein (widerlegbares) Indiz für das Bestehen einer Wohngemeinschaft darstellen; sie sind jedoch nicht geeignet, einen vollen Beweis über das Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft zu liefern. Dies hat seinen Grund darin, dass die nach dem MeldeG zu erstattenden Meldungen in der Praxis erfahrungsgemäß häufig erst späterer vorgenommen werden, als dies nach den Vorschriften des MeldeG geboten wäre.

Bei der vorliegenden Sach- und Beweislage ist für das Bundesfinanzgericht aufgrund der Würdigung der vorliegenden Beweismittel ausreichend erwiesen, dass das anspruchsvermittelnde Kind im beschwerdegegenständlichen Zeitraum zum Haushalt des Kindesvaters zugehörig war.

Das Vorbringen der Bf., sie habe ihre Tochter mit Kleidung sowie Geldbeträgen (Zuschüsse für Moped, Helm, Führerschein) versorgt, ändert nichts an der Zugehörigkeit des Kindes zum Haushalt des Kindesvaters, der diese Mittel zu einer der Versorgung des Kindes dienenden Wirtschaftsführung verwendet hat.

Voraussetzung für die Haushaltszugehörigkeit eines Kindes ist nach herrschender Ansicht eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft. Eine einheitliche Wirtschaftsführung setzt voraus, dass die Kinder im Rahmen der dem Haushalt zur Verfügung stehenden Mittel entsprechend bedacht und damit der elterlichen Obsorge teilhaft werden (Durchführungsrichtlinien zum FLAG, Punkt 02.05.2 mit Hinweis auf ). Nicht maßgebend ist in diesem Zusammenhang, wer die Mittel für die Führung des Haushaltes zur Verfügung stellt. Diese Mittel können demnach auch von Personen, die dem Haushalt nicht (mehr) angehören, stammen. Es kommt lediglich darauf an, dass über diese Mittel im Rahmen der "einheitlichen Wirtschaftsführung" verfügt wird.
Bei getrennt lebenden Elternteilen steht die Familienbeihilfe jenem Elternteil zu, bei dem das Kind lebt; dies auch dann, wenn der andere Elternteil sämtliche Lebenshaltungskosten (z.B. in Form von Unterhaltszahlungen) bestreitet (vgl. ; in diesem Sinne auch : die vom Kindesvater geleisteten Unterhaltsbeträge für Frau und Kind vermögen an der Haushaltszugehörigkeit des Kindes bei der Mutter nichts zu ändern).

Da im beschwerdegegenständlichen Zeitraum aufgrund der Zugehörigkeit des Kindes zum Haushalt des Kindesvaters ein vorrangiger Anspruch desselben gegeben war, welcher dem Anspruch der Beschwerdeführerin nach der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwingend entgegensteht, erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtmäßig.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das Revisionsmodell soll sich nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP, 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt ().
Im gegenständlichen Beschwerdefall war im Rahmen der Beweiswürdigung festzustellen, ob das anspruchsvermittelnde Kind im beschwerdegegenständlichen Zeitraum zum Haushalt der Beschwerdeführerin oder zum Haushalt des Kindesvaters zugehörig war.
Weder die im Rahmen der freien Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen noch die einzelfallbezogene rechtliche Beurteilung weisen eine Bedeutung auf, die über den Beschwerdefall hinausgeht.
Die Revision ist daher gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5101062.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at