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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 23.02.2022, RV/5100125/2022

Bescheid über die Abweisung eines Rückzahlungsantrages ohne Vorliegen eines entsprechenden Antrages.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Abweisung eines Rückzahlungsantrages, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt:

Der Bescheid aus der antragslosen Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2020 erging am und führte zu einer Gutschrift von 800,00 €.

Laut Bescheidspruch sollte das Guthaben nach Aufrechnung mit allfälligen Abgabenrückständen auf das Girokonto der Beschwerdeführerin (Bf) überwiesen werden.

Mit Bescheid vom wies das ***FA*** den am eingebrachten Antrag auf Rückzahlung eines Guthabens ab.

Die zur Rückzahlung beantragte Gutschrift sei zur (teilweisen) Tilgung der Abgabenschulden der Bf heranzuziehen gewesen.

Mit Schreiben vom erhob die Bf Beschwerde gegen diesen Bescheid.

Am (laut Ediktsdatei am ) sei über ihr Vermögen das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet worden. Dieses sei am (laut Ediktsdatei am ) rechtskräftig aufgehoben und mit gleichem Datum rechtskräftig das Abschöpfungsverfahren eingeleitet worden. Die Bf müsse während des Abschöpfungsverfahrens den pfändbaren Teil ihres Einkommens (den es nicht gebe) an den gerichtlich bestellten Treuhänder abgeben. Darüber hinaus stehe es auch dem Finanzamt nicht zu, selbst Guthaben für seine Zwecke zu verwenden, zumal die Abgabenschulden der Bf bis zum Abschluss des Verfahrens gerichtlich ruhten. Aus Sicht des Finanzamtes scheine es zwar billig, aber es sei rechtlich völlig falsch, einen Betrag unter dem Existenzminimum zurückzuhalten. Selbst darüber müsste ihn das Finanzamt an den Treuhänder herausgeben.

Ihr Einkommen liege dem Finanzamt vor. Sie sei gegenüber zwei in den Jahren 2007 und 2012 geborenen Kindern unterhaltspflichtig.

Die Bf stelle daher den Antrag, den Bescheid aufzuheben und die Rückzahlung des Guthabens zu veranlassen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde vom gegen den Bescheid über die Abweisung eines Rückzahlungsantrages vom als unbegründet ab.

Das Finanzamt habe am das Guthaben aus der Arbeitnehmerveranlagung 2020 mit einem noch offenen Betrag aus der Umsatzsteuer 2005 verrechnet.

Gemäß § 215 Abs. 1 BAO sei ein sich aus der Gebarung ergebendes Guthaben eines Abgabepflichtigen zur Tilgung fälliger Abgabenschulden zu verwenden, die dieser Abgabepflichtige bei derselben Abgabenbehörde habe. Dies sei zwingendes Recht, weshalb die Verwendung von Guthaben gemäß § 215 Abs. 1 und 2 BAO nicht dem Ermessen der Behörde überlassen sei.

Eine auf § 215 Abs. 1 BAO gestützte Verrechnung sei eine Entrichtungsform und keine Exekutionsmaßnahme, weshalb das im Abschöpfungsverfahren nach § 206 Abs. 1 IO normierte Exekutionsverbot der Aufrechnung nicht im Weg gestanden und kein pfändungsfreies Existenzminimum gemäß § 291a EO zu berücksichtigen sei. Auch das Aufrechnungsverbot des § 206 Abs. 3 IO stehe nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes () einer solchen Verrechnung nicht entgegen, weil es nur die Aufrechnung durch den Drittschuldner gegen von der Abtretungserklärung umfasste Bezüge untersage.

Da die Aufrechnung am nach Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens am und vor Erteilung der Rechtschuldbefreiung durchgeführt worden sei, sei diese zu Recht erfolgt und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen gewesen.

Mit Schreiben vom stellte die Bf - ohne Erstattung eines weiteren Vorbringens - einen Vorlageantrag.

Am stellte die Bf einen Antrag auf Bewilligung von Verfahrenshilfe, der mit , aus den dort genannten Gründen abgewiesen wurde.

Im Vorlagebericht vom hielt das Finanzamt u.a. fest, dass der angefochtene Bescheid über die Abweisung eines Rückzahlungsantrages erlassen worden sei, obwohl ein Rückzahlungsantrag vom nicht aktenkundig sei. Da der Bescheid nach der Aktenlage ohne einen vorhergehenden Rückzahlungsantrag der Bf erlassen worden sei, fehle es dem Finanzamt an der Berechtigung, über einen nicht gestellten Antrag abzusprechen.

Beweiswürdigung:

Der unstrittige Sachverhalt ergibt sich aus den vom Finanzamt vorgelegten Akten, dem Vorbringen der Bf und einer Einsichtnahme in die Ediktsdatei.

Rechtslage:

Nach § 239 Abs. 1 erster Satz BAO kann die Rückzahlung von Guthaben auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes belastet die Erlassung eines antragsbedürftigen Verwaltungsaktes ohne Vorliegen eines Antrages den Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Behörde ().

Diese Unzuständigkeit führt auch dann, wenn sie von der Partei nicht geltend gemacht wurde, zur Aufhebung des Bescheides (, zu § 212 BAO).

Erwägungen:

Das Finanzamt wies im Vorlagebericht zutreffend darauf hin, dass es eine ihm nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen habe, indem es bescheidmäßig über einen tatsächlich nicht eingebrachten Rückzahlungsantrag abgesprochen habe.

Die Bf, welcher der Vorlagebericht gemäß § 265 Abs. 4 BAO ebenfalls zugestellt wurde, trat dieser Feststellung des Finanzamtes nicht entgegen.

Mangels eines entsprechenden Rückzahlungsantrages durfte die Abgabenbehörde nicht mit Bescheid über die Rückzahlung der Einkommensteuer meritorisch absprechen, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Mit dem Ergehen der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes verliert die Beschwerdevorentscheidung ihre Wirksamkeit und scheidet aus dem Rechtsbestand aus (); eine gesonderte Aufhebung der Beschwerdevorentscheidung war daher nicht erforderlich.

Obwohl für das gegenständliche Verfahren ohne Relevanz, war der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass die Judikatur in einhelliger Rechtsprechung die Ansicht vertritt, dass nach rechtskräftiger Einleitung des Abschöpfungsverfahrens die Aufrechnung später entstandener Einkommensteuerguthaben mit Konkursforderungen zulässig ist (z.B. ; SWK 33/2002, S 840, Abgabenverrechnung im Abschöpfungsverfahren; ; -I/09; ; ; ).

Im Übrigen ist die Frage der Rechtmäßigkeit von Buchungen nicht im Rückzahlungsverfahren, sondern auf Antrag der Partei im Abrechnungsbescheidverfahren gemäß § 216 BAO zu klären (). Ein derartiger Antrag ist innerhalb von fünf Jahren nach Ablauf des Jahres, in dem die betreffende Verbuchung erfolgt ist oder erfolgen hätte müssen, zulässig.

Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gegen das gegenständliche Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig, da die entscheidende Rechtsfrage bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist und die vorliegende Entscheidung von dieser Rechtsprechung nicht abweicht.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 239 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100125.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at