Verfahrenshilfe – Einzel – Beschluss, BFG vom 23.02.2022, VH/7500002/2022

Parkometerabgabe: Keine Bewilligung der Verfahrenshilfe wegen fehlender Komplexität der Sach- und Rechtslage und der Gewandtheit des Antragstellers im Verkehr mit Behörden

Entscheidungstext

BESCHLUSS

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard Konrad in der Verwaltungsstrafsache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs 2 Wiener Parkometerabgabeverordnung, Amtsblatt der Stadt Wien Nr. 51/2005, in Verbindung mit § 4 Abs 1 Wiener Parkometergesetz 2006, Landesgesetzblatt für Wien Nr. 9/2006 in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 24/2012, über den Antrag des Beschuldigten vom auf Bewilligung der Verfahrenshilfe den Beschluss gefasst:

  • Gemäß § 40 Abs 1 VwGVG wird der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen.

  • Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG eine ordentliche Revision durch die belangte Behörde nach Art 133 Abs 6 Z 2 B-VG nicht zulässig.

Begründung

Das bisherige Verfahren stellt sich wie folgt dar:

Mit Straferkenntnis vom , Zahl: MA67/216700807020/2021, hat der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, als belangte Behörde Herrn ***Bf1*** (in weiterer Folge: Antragsteller) angelastet, er habe die Parkometerabgabe hinterzogen, indem er das mehrspurige Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen ***1*** am um 14:21 Uhr in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone in 1030 Wien, Hofmannsthalsgasse 2, abgestellt habe ohne für seine Kennzeichnung mit einem für den Beanstandungszeitpunkt gültigen Parknachweis (Parkschein, Tages- oder Wochenpauschalkarte) gesorgt zu haben, da der in der Anzeige festgehaltene Parknachweis mit der Nummer 913213VVZ Spuren von entfernten Entwertungen aufgewiesen habe.

Dadurch habe der Antragsteller die Rechtsvorschrift des § 5 Abs 2 Parkometerabgabeverordnung, ABl. der Stadt Wien Nr. 51/2005, in der geltenden Fassung, in Verbindung mit § 4 Abs 1 Parkometergesetz 2006, LGBl. für Wien Nr. 9/2006, in der geltenden Fassung, verletzt.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung werde über den Antragsteller gemäß § 4 Abs 1 Parkometergesetz 2006 eine Geldstrafe in der Höhe von € 140,00 sowie im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von einem Tag und neun Stunden verhängt.
Ferner habe der Antragsteller gemäß § 64 Abs 2 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG) einen Betrag von € 14,00, das seien 10% der Strafe, als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen. Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) betrage daher € 154,00.

Mit der am zu Post gebrachten und am vom Verwaltungsgericht Wien gemäß § 6 AVG an den Magistrat der Stadt Wien als zuständige Stelle weitergeleitete Eingabe hat der Antragsteller die Beistellung eines Verfahrenshilfeverteidigers beantragt und diese unter Darstellung seiner Einkommens- und Vermögenssituation folgendermaßen begründet:

"Aufgrund der besonderen Schwierigkeiten in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht angesichts des Verfahrensablauf, der sich meiner Übersicht und Einsicht in rechtlicher Angelegenheiten völlig entzieht, ersuche ich hier mit um Verfahrenshilfe. Besonders sei der Tatsache gedenk, dass von der Behörde selbst eine Übersendung gefordert wurde, wobei es sicherlich mehrere Methoden einer Übermittlung des Parkscheines gebe, dabei die Behörde selbst die Verantwortung eines Verlustes des Parkscheines letztendlich trägt. Daher ersuche ich um rechtlichen Beistande, da hier mehrere Gesetze (z.B. Zustellgesetz, Verwaltungsgesetz, etc.) zur Anwendung gelangen."

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

§ 40 VwGVG normiert:

"(1) Ist ein Beschuldigter außerstande, die Kosten der Verteidigung ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, so hat das Verwaltungsgericht auf Antrag des Beschuldigten zu beschließen, dass diesem ein Verteidiger beigegeben wird, dessen Kosten der Beschuldigte nicht zu tragen hat, soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich und auf Grund des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 lit. c der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union geboten ist.

(2) § 8a Abs. 3 bis 10 ist sinngemäß anzuwenden, § 8 Abs. 3 mit der Maßgabe, dass der Antrag auch mündlich gestellt werden kann."

§ 40 VwGVG entspricht weitgehend der Bestimmung des § 51a VStG in der Fassung vor BGBl. I 33/2013 (vgl und ).

Nach der zu § 51a VStG ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung der Interessen der Verwaltungsrechtspflege vor allem auf die zweckentsprechende Verteidigung Bedacht zu nehmen. Als Gründe für die Beigebung eines Verteidigers sind besondere Schwierigkeiten der Sachlage oder Rechtslage, besondere persönliche Umstände des Beschuldigten und die besondere Tragweite des Rechtsfalles für die Partei (wie etwa die Höhe der dem Beschuldigten drohenden Strafe) zu berücksichtigen, wobei die Beigabe eines Verfahrenshelfers nur dann vorgesehen ist, wenn beide in § 51a Abs 1 VStG genannten Voraussetzungen (Mittellosigkeit, Interessen der Rechtspflege) kumulativ vorliegen (vgl ).

Nach der Rechtsprechung des EGMR sind bei der Beurteilung der Notwendigkeit der Beigebung eines Verfahrenshelfers im Zusammenhang mit dem Kriterium der "zweckentsprechenden Verteidigung" primär die Bedeutung und Schwere des Delikts und die Schwere der drohenden Sanktion zu berücksichtigen (vgl EGMR , Nr. 12744/87, Quaranta, § 33). Darüber hinaus ist insbesondere die Komplexität des Falles ausschlaggebend, wobei auf die Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art (hinsichtlich der Sachverhaltsfeststellung) Bedacht zu nehmen ist (vgl EGMR , Nr. 12744/87, Quaranta, § 34).

Der VfGH hat in seinem Prüfungsbeschluss, der zur Aufhebung des § 40 VwGVG (idF vor BGBl I 2017/24) führte ( G 7/2015), die Judikatur des EGMR dahingehend zusammengefasst, dass der "Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse"; in jenen Fällen, in denen es "unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde," müsse ein solcher beigestellt werden. Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (vgl 1255 BlgNR XXV. GP).

Besondere Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage sind anzunehmen, wenn die Ermittlung oder Beurteilung des Sachverhaltes auf besondere Schwierigkeiten stößt oder eine besondere rechtliche Komplexität des Sachverhaltes gegeben ist. Sind sowohl die Sachverhaltsfragen als auch die Rechtsfragen vergleichsweise einfach, so ist Verfahrenshilfe nicht zu gewähren (vgl Lewisch/Fister/Weilguni, VStG, § 51a Rz 3).

Im vorliegenden Fall wurde der Antragsteller der fahrlässigen Verkürzung der Parkometerabgabe für schuldig erkannt.

Besondere Schwierigkeiten der Sachlage können dem Akteninhalt nicht entnommen werden, da schlussendlich zu würdigen sein wird, ob der relevante Parkschein zuvor entwertet worden ist oder nicht.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist durch die Anwendung mehrerer Gesetze nicht zwangsläufig eine komplexe Rechtslage gegeben, da das Zustellgesetz und das "Verwaltungsgesetz" (gemeint war wohl das Parkometergesetz bzw. die Parkometerabgeverordnung) regelmäßig in solchen Verwaltungs(straf)angelegenheiten anzuwenden sind.

Weiters ist auf die Tragweite des Falles bzw. die Schwere der drohenden Sanktion Bedacht zu nehmen. Die Höhe der Strafe, die der Beschuldigten für das Delikt droht, gebietet nicht die Beigebung eines Verteidigers, da sie weder absolut noch in Relation zum Strafrahmen als hoch einzustufen ist und gemäß § 42 VwGVG in einem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes auch keine höhere Strafe verhängt werden als im angefochtenen Bescheid.

Dass die Erstbehörde der Argumentation der Beschuldigten nicht gefolgt ist, bedeutet nicht, dass diese nicht in der Lage ist, ihren Standpunkt vor dem Bundesfinanzgericht (allenfalls in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung) auch ohne anwaltlichen Beistand darzulegen, sowie etwaige Beweisanträge zu stellen. Vielmehr lassen die Ausdrucksform des Antragstellers in seinen Schriftsätzen an die belangte Behörde, insbesondere dem Einspruch vom und dem Verfahrenshilfeantrag vom , auf die dem gegenständlichen Sachverhalt adäquate Gewandtheit des Antragstellers im Verkehr mit der Behörde, auf sprachliche Ausdrucksfähigkeit und Argumentationsfähigkeit schließen.

Das Bundesfinanzgericht erachtet daher die Beigebung eines Verteidigers im Interesse der Verwaltungsrechtspflege sowie einer zweckentsprechenden Verteidigung für nicht erforderlich. Es muss daher nicht mehr geprüft werden, ob die antragstellende Partei außerstande ist, die Kosten der Verteidigung ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten.

Wichtiger Hinweis:

Wird gemäß § 40 Abs 2 VwGVG in Verbindung mit § 8a Abs 7 VwGVG der rechtzeitig gestellte Antrag (auf Verfahrenshilfe) abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen.

Auf die Rechtsmittelbelehrung des verfahrensgegenständlichen Straferkenntnisses wird verwiesen, ebenso darauf, dass für die Behandlung derartiger Beschwerden gemäß § 5 WAOR das Bundesfinanzgericht zuständig ist.

Unzulässigkeit der Revision

Eine Revision durch die beschwerdeführende Partei wegen Verletzung in Rechten nach Art 133 Abs 6 Z 1 B-VG ist gemäß § 25a Abs 4 VwGG kraft Gesetzes nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG eine Revision durch die belangte Behörde nach Art 133 Abs 6 Z 2 B-VG nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die Entscheidung folgt vielmehr der oben dargestellten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Verwaltungsstrafsachen Wien
betroffene Normen
Verweise


G 7/2015
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:VH.7500002.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at