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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 28.12.2021, RV/1100982/2015

Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens; Umsatzsteuerfreiheit eines Strukturbetriebes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des ***FA*** betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Körperschaftsteuer für die Jahre 2005 bis 2008 vom , Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Körperschaftsteuer 2009 vom , Körperschaftsteuer für die Jahre 2005 bis 2008 vom , Körperschaftsteuer 2009 vom sowie gegen Umsatzsteuer für die Jahre 2010 und 2011 vom

I. zu Recht erkannt:

  • Der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend die Wiederaufnahme der Körperschaftsteuer für die Jahre 2005 bis 2009 wird stattgegeben.

  • Der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2010 und 2011 wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der Entscheidungsgründe den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

  • Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

II. den Beschluss gefasst:

  • Die Beschwerde gegen die Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 2005 bis 2009 wird gemäß § 261 Abs 2 BAO als gegenstandslos erklärt.

  • Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (in Folge Bf.) ist eine Beratungsgesellschaft, welche Versicherungs- und Finanzdienstleistungen für Privatpersonen und Gewerbebetreibende anbietet. Unter anderem unterhält sie auch ein Franchisesystem.

Im Jahr 2011 fand bei der Bf. eine Außenprüfung gemäß § 150 BAO statt. Gegenstand der Prüfung waren die Umsatzsteuer sowie die Körperschaftsteuer für die Jahre 2005 bis 2009 sowie die Nachschau für den Zeitraum 2010 bis 2011. Unter Tz. 1 des Prüfberichtes vom stellte der Prüfer im Wesentlichen fest, dass die hauptsächliche Tätigkeit der Bf. in der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen sowie in der Tätigkeit als Versicherungsmakler bestehe. Daneben unterhalte sie jedoch auch ein Franchisesystem. Diesbezügliche Umsätze seien bisher als Nebentätigkeit gewertet worden und daher als unecht steuerbefreit gemäß § 6 Abs. 1 Z 13 UStG behandelt worden. Nach herrschender Lehre seien jedoch klassische franchisetypische Leistungen als solche iSd. § 3 a Abs. 14 UStG 1994 zu werten und stellen somit eigenständige Leistungen dar. Die Franchiseerlöse seien somit mit dem Normalsteuersatz der Umsatzsteuer zu unterziehen.

Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers. Es nahm die Körperschaftsteuerverfahren für die Jahre 2005 bis 2009 wieder auf und setzte mit neuen Körperschaftsteuerbescheiden für die Jahre 2005 bis 2009 sowie mit Umsatzsteuerfeststellungsbescheiden für 12/2010 und 6/2011 das Prüfergebnis um.

Gegen diese Bescheide erhob der steuerliche Vertreter der Bf. am Beschwerde. Darin wandte er sich gegen die unter Tz. 1 des Prüfberichts vom getroffenen Feststellungen. Hinsichtlich der Wiederaufnahme der Verfahren bezüglich der Körperschaft- und Umsatzsteuer für die Jahre 2005 bis 2009 wandte er im Wesentlichen ein, dass es bereits infolge einer Großbetriebsprüfung im Jahre 1997 zu einer Neubeurteilung der steuerlichen Behandlung der sogenannten Franchiseerlöse gekommen sei. Danach seien die Umsätze zuerst umsatzsteuerpflichtig angesehen worden. Dem damaligen Leiter der Großbetriebsprüfung sei jedoch im Anschluss der Betriebsprüfung ein aktueller Vertrag vorgelegt und in weiterer Folge sei das Gesamtsystem als unecht steuerbefreit gem. § 6 Abs. 1 Z 13 UStG beurteilt worden. Die referatszuständige Mitarbeiterin des Finanzamtes sei durch den steuerlichen Vertreter darüber informiert worden. Bis 8/1997 seien daher alle Franchiseumsätze steuerpflichtig und ab 9/1997 unecht steuerbefreit behandelt worden. Der Abgabenbehörde sei somit die umsatzsteuerliche Behandlung der sog. Franchiseumsätze seit 1997 bekannt gewesen und daher seien keine neuen Tatsachen hervor gekommen, die eine Wiederaufnahme der Abgabenverfahren für Körperschaft- und Umsatzsteuer für die Jahre 2005 bis 2009 begründen würden.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das ***FA*** die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der eingebrachte Vorlageantrag vom wurde vom Finanzamt dem Bundesfinanzgericht am zur Entscheidung vorgelegt. Im Vorlagebericht führte das Finanzamt aus das das Rechtsproblem hinsichtlich der Umsatzsteuer bereits in der Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes RV/1100068/2012 vom entschieden worden sei.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Sachverhalt und rechtliche Beurteilung

Das Bundesfinanzgericht hat bereits mit Erkenntnis vom , RV/1100068/2012 über die Beschwerde der Bf. gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Umsatzsteuer 2005 bis 2009 sowie gegen Umsatzsteuer 2005 bis 2009 erkannt. Es erfolgte eine Stattgabe der Beschwerde über die Wiederaufnahme des Verfahrens sowie eine Gegenstandsloserklärung der Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2009 gemäß § 261 Abs 2 BAO.

Die Beschwerde hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Körperschaftsteuer 2005 bis 2009, Körperschaftsteuer 2005 bis 2009 und Umsatzsteuer 2010 und 2011 betrifft denselben Sachverhalt und dieselbe Rechtsfrage.

Das BFG hat Erkenntnis vom , RV/1100068/2012, Folgendes ausgeführt:

"Wiederaufnahme des Verfahrens:

Gemäß § 303 Abs. 4 BAO idF vor dem FVwGG 2012 ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen u.a. in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismitteln nur aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens derart zu beurteilen, dass es darauf ankommt, ob der Abgabenbehörde im wieder aufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wieder aufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung hätte gelangen können. Das "Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln" bezieht sich damit auf den Wissensstand (insbesondere auf Grund der Abgabenerklärungen und der Beilagen) des jeweiligen Veranlagungsjahres. Entscheidend ist, ob der abgabenfestsetzenden Stelle alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente bekannt waren (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom , 2007/15/0045).

Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, dass in den Abgabenerklärungen der strittigen Jahre bzw. den angeschlossenen Beilagen die zur rechtlichen Beurteilung der erklärten Einkünfte notwendigen Erläuterungen gegeben worden wären. Die Franchiseverträge wurden in den Streitjahren dem ***FA*** nicht vorgelegt. Ein Franchisevertrag wurde anlässlich einer UVA-Prüfung im Jahr 1998 der Großbetriebsprüfung vorgelegt. Diese hat darauf hin die Franchisegebühren als umsatzsteuerrechtlich unecht befreit behandelt. Aus der Tatsache, dass ein Franchisevertrag im Jahr 1998 der Großbetriebsprüfung vorgelegt wurde, ist aber für die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen, da im Zuge der Veranlagung der Jahre 2005 bis 2009 ein Franchisevertrag nicht vorgelegt wurde und das ***FA*** daher im Zuge der Umsatzsteuerveranlagung der Jahre 2005 bis 2009 keine Kenntnis des gesamten Sachverhaltes hatte. Der Franchisevertrag ist im Umsatzsteuerverfahren für die Jahre 2005 bis 2009 daher jedenfalls eine neue Tatsache iSd § 303 Abs 4 BAO idF vor dem FVwGG 2012.

Die Entscheidung über die amtswegige Wiederaufnahme ist eine Ermessensentscheidung (vgl. nochmals das Erkenntnis 2007/15/0045). Dass in den Wiederaufnahmen eine unrichtige Ermessensausübung gelegen sei, ist im vorliegenden Fall - auch bei Bedachtnahme auf die Ausführungen in der Beschwerde - nicht erkennbar. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vor.

Der Grundsatz von Treu und Glauben schützt nämlich nicht ganz allgemein das Vertrauen des Abgabepflichtigen auf die Rechtsbeständigkeit einer unrichtigen abgabenrechtlichen Beurteilung in der Vergangenheit. Vielmehr müssten besondere Umstände vorliegen, die ein Abgehen von der bisherigen Auffassung durch die Finanzverwaltung unbillig erscheinen ließen, wie dies z. B. der Fall sein kann, wenn ein Abgabepflichtiger von der Abgabenbehörde ausdrücklich zu einer bestimmten Vorgangsweise aufgefordert wurde und sich nachträglich die Unrichtigkeit dieser Vorgangsweise herausstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2010/15/0135). Die Verletzung dieses Grundsatzes setzt weiters voraus, dass der Abgabepflichtige im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft Dispositionen getroffen hat, die er ohne die unrichtige Auskunft nicht getroffen hätte (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 99/14/0228).

Im gegenständlichen Fall hat die Beschwerdeführer bereits vor der UVA-Prüfung 1998 die Franchiseerlöse umsatzsteuerrechtlich als unecht befreit behandelt. Die Beschwerdeführerin hat daher auf Grund der Rechtsansicht der Großbetriebsprüfung im Jahr 1998 keine Dispositionen getroffen, die sie nicht sonst getroffen hätte. Es liegt daher kein schützenswertes Interesse der Beschwerdeführerin an der Beibehaltung der Rechtsansicht der Großbetriebsprüfung im Jahr 1998 vor.

Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die UVA-Prüfung im Jahr 2008 durch die Großbetriebsprüfung zu keinerlei Bescheiden geführt hat, da die Umsatzsteuer erklärungsgemäß veranlagt wurde.

Das Hervorkommen neuer Tatsachen berechtigt aber nur dann zu einer Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn die Kenntnis dieser Tatsachen zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid geführt hätte.

Wenn man die Vorlage des Franchisevertrages als neue Tatsache wertet, rechtfertigt dies noch keine Wiederaufnahme des Verfahrens, da die Kenntnis dieses Vertrages aus folgenden Gründen nicht zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid führt.

Das Bundesfinanzgericht hat folgenden Sachverhalt festgestellt:

Die Beschwerdeführerin ist eine Beratungsgesellschaft, welche Versicherungs- und Finanzdienstleistungen für Privatpersonen und Gewerbetreibende anbietet. Die Beschwerdeführerin vermittelt Kredite, Versicherungen und Wertpapiere.

Die Franchisenehmer sind Unternehmer und verpflichten sich bei Beratung und Betreuung von Kunden das Unternehmenskonzept der BESCHWERDEFÜHRERIN sowie im Kundenverkehr die Markenbezeichnung der Beschwerdeführerin unter Beisetzung seines Namens zu verwenden. Die Beschwerdeführer stellt ihren Franchisenehmern die fehlenden gewerberechtlichen und konzessionsrechtlichen Grundlagen zur Verfügung gestellt. (Punkt 1.1. und 1.2.).

Die Beschwerdeführerin räumte den Franchisenehmern einen Gebietsschutz ein.

Die Beschwerdeführerin ist ebenso wie der Franchisenehmer für die Einhaltung der Wohlverhaltensregeln gemäß den §§ 11 bis 18 WAG verantwortlich. (Punkt 3.4.).

Im Innenverhältnis ist der [Franchisenehmer] gegenüber der BESCHWERDEFÜHRERIN zum Ersatz sämtlicher Schäden verpflichtet, die der BESCHWERDEFÜHRERIN bzw. einem Kunden aus einem rechtswidrigen oder schuldhaften Verhalten des [Franchisenehmers] entstehen (siehe auch Punkt 3.14. dieses Vertrages).

Der Franchisenehmer wird von der Beschwerdeführerin ausgebildet.

Der Franchisenehmer hat über seine Beratungstätigkeit Kundenakten zu führen, welche die Kopien der Beratungsprotokolle, Vertragskopien sowie den gesamten Schriftverkehr enthalten und diese Aufzeichnungen mittels dem von der Beschwerdeführerin zur Verfügung gestellten Computerprogramm zu speichern. Diese Daten gehen ins Eigentum der Beschwerdeführerin über Punkt 3.9.3).

Die Beschwerdeführerin führt eine jährliche Revision durch (Punkt 3.9.4).

Der Franchisenehmer verpflichtet sich nach Beendigung der Tätigkeit zu einem zweijährigen Konkurrenzverbot (Punkt ).

Der Franchisenehmer verpflichtet sich zur unverzüglichen Weiterleitung der vermittelten Verträge an die Beschwerdeführerin. Die Beschwerdeführerin entscheidet, ob sie die Verträge annimmt. Fakturierungen erfolgen ausschließlich durch die Beschwerdeführerin. Der Franchisenehmer ist nicht berechtigt Zahlungen entgegenzunehmen (Punkt ).

In Punkt 5.1. wurde eine Vorausfranchisegebühr in Höhe von 14.500,00 € vereinbart.

Weiters verpflichtete sich der Franchisenehmer zu Bezahlung einer laufenden Franchisegebühr. Die Höhe und Fälligkeit der laufenden Franchisegebühr ergibt sich aus der Differenz der eingenommenen Courtagen nach zentraler Abrechnung mit Kunden, Produktlieferanten, Anstalten, Firmen und Bankinstituten durch die BESCHWERDEFÜHRERIN und der gemäß gültiger Honorartabelle an die Franchisenehmer weiterbezahlten Courtagen zuzüglich eines monatlich fixen Courtageanteiles in Höhe von EURO 66,-- für jedes mit der […]-Software installierte Computerterminal. Weiters hatte der Franchisenehmer einen monatlichen Ausbildungsbeitrag in Höhe von 26,00 € sowie die Prämie für eine Gruppenhaftpflichtversicherung in Höhe von 11,6‰ des Jahresumsatzes.

Dieser Sachverhalt wird vom Bundesfinanzgericht rechtlich folgendermaßen beurteilt:

§ 6 Abs 1 Z 8 lit f und 13 UStG lauten:

(1) Von den unter § 1 Abs. 1 Z 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:

8. f) die Umsätze im Geschäft mit Wertpapieren und die Vermittlung dieser Umsätze, ausgenommen die Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren,

13. die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter und Versicherungsvertreter.

Artikel 13 Teil B lit a und Artikel 13 Teil B Z 5 RL 388/1977 - die bis zum in Kraft war - lauten:

"B. Sonstige Steuerbefreiungen

Unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Mißbräuchen festsetzen, von der Steuer:

a) die Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden;

5. die Umsätze - einschließlich der Vermittlung, jedoch mit Ausnahme der Verwahrung und der Verwaltung - die sich auf Aktien, Anteile an Gesellschaften und Vereinigungen, Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere beziehen, mit Ausnahme von

- Warenpapieren,

- Rechten oder Wertpapieren im Sinne von Artikel 5 Absatz 3."

Artikel 135 lit a und f RL 112/2006 - die seit in Kraft ist - lauten:

"(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

a) Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden;

f) Umsätze - einschließlich der Vermittlung, jedoch nicht der Verwahrung und der Verwaltung -, die sich auf Aktien, Anteile an Gesellschaften und Vereinigungen, Schuldverschreibungen oder sonstige Wertpapiere beziehen, mit Ausnahme von Warenpapieren und der in Artikel 15 Absatz 2 genannten Rechte und Wertpapiere."

Art. 13 Teil B Buchst. d Nrn. 1 bis 5 der Richtlinie 77/388/EWG sowie Art 135 der Richtlinie 112/2006 enthält keine allgemeine Steuerbefreiung für Vertriebsleistungen, die dem Absatz von Finanzprodukten dienen. Die Steuerfreiheit beschränkt sich vielmehr auf die Vermittlung der in diesen Bestimmungen bezeichneten Finanzdienstleistungen. Dabei besteht nach der übereinstimmenden Vermittlungsdefinition in den EuGH-Urteilen CSC in Slg. 2001, I-10237, BFH/NV Beilage 2002, 35, UR 2002, 84, und Ludwig in BFH/NV Beilage 2007, 398, UR 2007, 617 die Vermittlung darin, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag über das jeweilige Finanzprodukt abschließen. Die Vermittlung kann in einer Nachweis-, einer Kontaktaufnahme- oder in einer Verhandlungstätigkeit bestehen. Gemeinsames Merkmal dieser Mittlertätigkeiten ist der Bezug zu einzelnen Wertpapier- oder Anteilsumsätzen. Sowohl der Nachweis von Gelegenheiten zum Abschluss eines Vertrages als auch die Kontaktaufnahme mit der anderen Partei oder das Verhandeln über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen setzen voraus, dass sich die Mittlertätigkeit auf ein einzelnes Geschäft, das vermittelt werden soll, bezieht (BFH-Urteil in BStBl II 2008, 641, BFH/NV 2008, 723).

Auch aus der Freiheit des Organisationsmodells (EuGH-Urteil Ludwig in BFH/NV Beilage 2007, 398, UR 2007, 617 Randnrn. 29 ff.) ergibt sich keine über die Vermittlung von Einzelabschlüssen hinausgehende Steuerfreiheit für Vertriebstätigkeiten allgemeiner Art. Zwar kann danach die Vermittlung in verschiedene einzelne Dienstleistungen zerfallen, die dann ihrerseits als Vermittlung steuerfrei sind. Dies gilt jedoch nach der EuGH-Rechtsprechung nur, wenn es sich bei der einzelnen Leistung um ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes handelt, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen der Vermittlung erfüllt. Da somit auch Leistungen im Rahmen einer arbeitsteiligen Vermittlung als eigenständiges Ganzes die spezifischen und wesentlichen Funktionen der Vermittlung erfüllen müssen, sind sie nur steuerfrei, wenn der jeweilige Vermittler eine Mittlertätigkeit ausübt, die sich auf einzelne Wertpapier- oder Anteilsumsätze bezieht (BFH-Urteil in BStBl II 2008, 641, BFH/NV 2008, 723). Dementsprechend bejaht der EuGH im Urteil Ludwig in BFH/NV Beilage 2007, 398, UR 2007, 617 die Steuerfreiheit, wenn ein Untervermittler verbindliche Vertragsangebote einzelner Interessenten einholt und diese an den Hauptvermittler übermittelt, der sie dann nach eigener Kontrolle an das Finanzinstitut weiterleitet (EuGH-Urteil Ludwig in BFH/NV Beilage 2007, 398, UR 2007, 617 Rdnr. 10).

Genau dies ist im gegenständlichen Fall geschehen. Die Franchisenehmer haben der Beschwerdeführerin Vertragsangebote einzelner Interessenten übermittelt. Die Beschwerdeführerin hat dann entschieden ob diese Anbote angenommen werden oder nicht.

Die Provisionszahlungen erfolgen von Finanzdienstleistern an die Beschwerdeführerin direkt in Form von Provisionen aufgrund Grundlage der Provisionsverträge. Ein Teil der der erhaltenen Provisionen wird sodann an die Subunternehmer der Beschwerdeführerin für deren Vermittlungsunterstützung weiter bezahlt.

Dass die Beschwerdeführerin ihren einbehaltenen Provisionsanteil als Franchiseentgelt bezeichnet spielt dabei keine Rolle. Der Begriff "Franchise" ist in diesem Falle ein spezieller Terminus aus der Versicherungssprache und bedeutet "Selbstbehalt" oder "Einbehalt" bis zu einer bestimmten Höhe. Da die Beschwerdeführerin einen Großteil ihrer Umsätze aus der Versicherungsvermittlung erzielt und eben einen bestimmten Teil der erzielten Provisionen einbehält bevor sie den restlichen Teil an die Subunternehmer (Franchisepartner) weiterleitet, wurde dies in den Verträgen als "Franchiseentgelt" bezeichnet.

Besonders erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist, dass die Subunternehmer materiellrechtlich gar nicht in der Lage wären die entsprechenden Vermittlungsverträge bei den Finanzdienstleistern direkt einzureichen, weil sie nicht über die notwendigen gewerberechtlichen Voraussetzungen, insbesondere keine Wertpapierkonzession verfügen. Es ist also von der Aufsichtsbehörde diese Form der Haupt- und Subvermittlung klar vorgegeben. Ein Wechsel der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung in dieser Zahlungskette wäre systemwidrig.

Dies deckt sich auch mit dem VwGH-Erkenntnis vom , 2000/15/0165.

Die neu hervorgekommenen Tatsachen haben daher nicht zu einem im Spruch anders lautenden Bescheid geführt. Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist daher nicht zu Recht erfolgt. Der Berufung gegen die Wiederaufnahmebescheide war daher stattzugeben."

Die im zu beurteilenden Beschwerdefall zuständige Richterin des BFG teilt die zur gegenständlichen Streitfrage im obig wiedergegebenen Erkenntnis des , vertretene Rechtsmeinung.

Die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Körperschaftsteuer 2005 bis 2009 ist nicht zu Recht erfolgt. Der Berufung gegen die Wiederaufnahmebescheide war daher stattzugeben.

Da der Beschwerde hinsichtlich Wiederaufnahme des Verfahrens stattzugeben war, war die Beschwerde gegen die Körperschaftsteuerbescheide 2005 bis 2009 gemäß § 261 Abs 2 BAO als gegenstandslos zu erklären.

§ 261 Abs 2 BAO lautet

"Wird einer Bescheidbeschwerde gegen einen gemäß § 299 Abs. 1 oder § 300 Abs. 1 aufhebenden Bescheid oder gegen einen die Wiederaufnahme des Verfahrens bewilligenden oder verfügenden Bescheid (§ 307 Abs. 1) entsprochen, so ist eine gegen den aufgehobenen Bescheid ersetzenden Bescheid (§ 299 Abs. 2 bzw. § 300 Abs. 3) oder eine gegen die Sachentscheidung(§ 307 Abs. 1) gerichtete Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262)oder mit Beschluss (§ 278) als gegenstandslos zu erklären."

Infolge der obigen Ausführungen war auch die Beschwerde betreffend Umsatzsteuer 2010 und 2011 stattzugeben. Die Umsätze aus den Franchiseentgelten sind demnach, wie bisher erklärt, gem. § 6 Abs. 1 UStG als unecht steuerbefreit zu behandeln.

Zu Spruchpunkt I.3 (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da das Bundesfinanzgericht im gegenständlichen Erkenntnis vom VwGH-Erkenntnis vom , 2000/15/0165, nicht abgewichen ist, ist eine Revision nicht zulässig.

Zu Spruchpunkt II.1 (Revision gegen den Beschluss)

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Der gegenständliche Beschluss auf Gegenstandsloserklärung der nach Wiederaufnahme der Verfahren ergangenen Körperschaftsteuerbescheide für 2005 bis 2009 nach Aufhebung der korrespondierenden Wiederaufnahmebescheide basiert direkt auf den oben angeführten gesetzlichen Bestimmungen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 303 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2021:RV.1100982.2015

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at