Verdeckte Ausschüttung - mittelbare Beteiligung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch ***Stb***, ***Stb_Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Haftungsbescheide vom betreffend KESt 2016, KESt 2017 und KESt 2018 des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs (nunmehr Finanzamt Österreich) vom , zu Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Bescheiden vom hat die Abgabenbehörde nach einer erfolgten Außenprüfung der Beschwerdeführerin (in weiterer Folge Bf) Kapitalertragsteuer für die Jahre 2016 bis 2018 im Haftungswege vorgeschrieben.
Dagegen brachte die Bf mit Schreiben vom Beschwerde ein. In der Beschwerde wird die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhaltes als verdeckte Ausschüttung widersprochen und die Aufhebung der Haftungsbescheide begehrt.
Am führte die Abgabenbehörde hinsichtlich der Haftungsbescheide vom eine Bescheidberichtigung gem. § 293 BAO durch.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde abgewiesen.
Dagegen wurde am einen Vorlageantrag eingebracht. Die Abgabenbehörde legte den Akt am dem BFG zur weiteren Bearbeitung vor.
Mit Schreiben vom zog die Bf den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Festgestellter Sachverhalt
Die beschwerdegegenständlichen Bescheide betreffend die Jahre 2016 bis 2018 wurden an die Bf im Haftungswege gerichtet.
Als Empfänger der Kapitalerträge (Steuerschuldner) wurde der handelsrechtliche Geschäftsführer der Bf, Herr ***M*** angeführt.
Alleinige Gesellschafterin der Bf im beschwerdegegenständlichen Zeitraum war die ***ML*** GmbH (FN 123) (= Muttergesellschaft der Bf).
Herr ***M*** ist 95%iger Gesellschafter Geschäftsführer der ***ML*** GmbH.
An der ***ML*** GmbH sind Herr ***M*** zu 95% und Frau Ma zu 5% beteiligt.
Beweiswürdigung
Die Feststellungen ergeben sich aus dem obigen Verfahrensgang, den vorliegenden Dokumenten sowie aus den Firmenbuchauszügen.
Vor diesem Hintergrund durfte das Bundesfinanzgericht die obigen Sachverhaltsfeststellungen gemäß § 167 Abs 2 BAO als erwiesen annehmen.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I.
Gemäß § 93 Abs. 2 Z 1 EStG 1988 unterliegen Kapitalerträge aus Anteilen an Kapitalgesellschaften der Kapitalertragsteuer.
Unter diese Bestimmung sind auch verdeckte Ausschüttungen zu subsumieren.
Für die Einbehaltung und Abfuhr der KESt haftet dem Bund gemäß § 95 Abs. 1 EStG 1988 der Abzugsverpflichtete; Abzugsverpflichteter ist in Fällen von verdeckten Ausschüttungen die ausschüttende Körperschaft. § 95 Abs. 4 EStG 1988 sieht darüber hinaus eine ausnahmsweise Vorschreibung der KESt beim Empfänger der Kapitalerträge (Steuerschuldner) vor, wenn die im Abs. 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sind verdeckte Ausschüttungen alle außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung gelegenen Vorteilszuwendungen einer Körperschaft an Anteilsinhaber, die das Einkommen der Körperschaft vermindern und ihre Wurzel in der Anteilsinhaberschaft haben (vgl. ). Daraus geht hervor, dass verdeckte Ausschüttungen eine Vorteilszuwendung einer Körperschaft an eine Person mit Gesellschafterstellung voraussetzen, ein "bloßer Machthaber" (etwa ein an der Gesellschaft nicht beteiligter Geschäftsführer) kann nicht Empfänger von Ausschüttungen sein (, 0216). Die Vorteilszuwendung an einen Anteilsinhaber kann auch darin gelegen sein, dass eine dem Anteilsinhaber nahestehende Person begünstigt wird. Eine verdeckte Ausschüttung ist daher auch dann anzunehmen, wenn Dritte auf Grund ihres Naheverhältnisses zum Anteilsinhaber eine in der Anteilsinhaberschaft wurzelnde Zuwendung erhalten (z.B.: ).
Im konkreten Fall hat die Abgabenbehörde festgestellt, dass die als verdeckte Ausschüttungen gewürdigten Vorteilszuwendungen dem an der Bf nicht beteiligten Geschäftsführer zugeflossen seien.
Die rechtliche Beurteilung, ob eine verdeckte Ausschüttung dem Grunde nach, kann aus folgenden Gründen dahin gestellt bleiben:
Eine Zurechnung von verdeckten Ausschüttungen an den Geschäftsführer der Bf war von vornherein rechtlich verfehlt. Ihm konnten diese Einkünfte nicht zugerechnet werden, weil er an der Bf nicht (unmittelbar) beteiligt war.
Dass Herr ***M*** über die ***ML*** GmbH mittelbar an der Bf beteiligt war, lässt ihn zwar als Empfänger von Kapitalerträgen in Betracht kommen. Diese Kapitalerträge stellen aber immer eine Einkommensverwendung seitens der ***ML*** GmbH dar, die gegebenenfalls in der Form einer verdeckten Ausschüttung erfolgte und bei der ***ML*** GmbH die Pflicht auslösen konnte, Kapitalertragsteuer von den an den Gesellschafter geflossenen Vorteilszuwendungen einzubehalten und abzuführen (). Derartige Haftungsbescheide sind aber nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
Die vorliegende Konstellation ist mit jenen Fällen vergleichbar, in denen Empfänger der verdeckten Ausschüttung eine dem Anteilsinhaber nahe stehende Person ist. Auch in einem solchen Fall ist die verdeckte Ausschüttung - ungeachtet des verkürzten Geldflusses an den Dritten - dem Gesellschafter der vorteilsgewährenden Kapitalgesellschaft zuzurechnen. Dieser Beurteilung liegt der Gedanke zugrunde, dass die Überlassung von Vorteilen, die sich aus der Gesellschafterstellung ergeben, an eine nahe stehende Person beim Gesellschafter Einkommensverwendung darstellt. Von einer derartigen Einkommensverwendung durch den Gesellschafter wäre auch im gegenständlichen Fall auszugehen, wenn es die ***ML*** GmbH als Anteilsinhaberin zugelassen hat, dass die ihr zustehenden Vorteilszuwendungen ihrem Gesellschafter zukommen (z.B.: ).
Da somit im Beschwerdefall lediglich die Muttergesellschaft der Bf als Zurechnungssubjekt der gegenständlichen Kapitalerträge in Betracht käme, wäre auf diese § 94 Z 2 EStG 1988 anzuwenden.
Die Vorschreibung der laut Außenprüfung festgestellten verdeckten Ausschüttung im Haftungswege gegenüber der Bf erfolgte demzufolge zu Unrecht.
Es war spruchgemäß zu entscheiden.
Anmerkung:
Wird ein mit Bescheidbeschwerde angefochtener Bescheid berichtigt, so umfasst die Beschwerde den Bescheid in seiner berichtigten Fassung; es bedarf somit keiner neuerlichen Bescheidbeschwerde, um die Rechtswidrigkeit der Berichtigung geltend zu machen (vgl 86/13/0088).
Die Haftungsbescheide wurden mit Bescheiden vom gem. § 293 BAO berichtigt. Wird der berichtigte Bescheid aufgehoben, so verliert der berichtigende Bescheid seine rechtliche Grundlage (vgl 88/15/0057, 0092; , 97/13/0038).
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall wurde die Frage der Zurechnung der verdeckten Gewinnausschüttung im Sinne der in der Entscheidung zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung beantwortet, weshalb eine Rechtfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorlag und die Revision nicht zulässig ist.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 95 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 93 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 94 Abs. 1 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100770.2020 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at