Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 24.02.2022, RV/3100080/2022

Keine Anwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung, wenn die Umsatzgrenze durch mehrere Jahre überschritten wird

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinR in der Beschwerdesache Bf, Bf_Adr, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Umsatzsteuer 2020 Steuernummer Bf_StNr zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO - im Umfang der Beschwerdevorentscheidung - teilweise stattgegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Hinsichtlich der Bemessungsgrundlage und der Höhe der Abgabe wird auf die Beschwerdevorentscheidung vom verwiesen.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Sachverhalt/Verfahrensgang

1. Am reichte die Beschwerdeführerin (Bf) ihre Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2020 ein. Sie erklärte darin steuerbare Umsätze iHv € 40.650,00 und begehrte die Steuerbefreiung gem. § 6 Abs. 1 Z. 27 UStG 1994 (Kleinunternehmerregelung).

2. Davon abweichend erfolgte im Umsatzsteuerbescheid vom eine Besteuerung der erklärten Umsätze mit 10 %, was vom Finanzamt mit der Überschreitung der Umsatzgrenze von € 35.000,00 begründet wurde.

3. In der Begründung der am eingebrachten Beschwerde wurde zunächst darauf hingewiesen, dass der in der Umsatzsteuererklärung ausgewiesene Umsatz brutto sei und sich in Umsätze zum Normalsteuersatz iHv netto € 2.716,67 und Umsätze zum begünstigten Steuersatz iHv netto € 33.990,91 gliedere.

Da der Gesamtnettoumsatz von € 36.707,58 innerhalb der Toleranzgrenze des § 6 Abs. 1 Z. 27 letzter Satz UStG 1994 bleibe, werde um die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer ersucht.

4. In der Beschwerdevorentscheidung vom erfolgte eine teilweise Stattgabe insoweit, als nunmehr die in der Beschwerde angeführten Nettoumsätze als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer 2020 herangezogen wurden. Die begehrte Steuerbefreiung wurde unter Hinweis auf die Umsätze der dem Beschwerdejahr vorangegangenen vier Kalenderjahre, welche jeweils sowohl über der Umsatzgrenze von (damals noch) € 30.000,00 als auch über der "Toleranzgrenze" gelegen gewesen seien, nicht gewährt.

Konkret erklärte die Bf in den vier dem Beschwerdejahr vorangegangenen Kalenderjahren folgende Nettoumsätze, die erklärungsgemäß veranlagt wurden:
2016: € 35.185,60
2017: € 35.389,40
2018: € 35.574,55
2019: € 36.954,85

Die Umsatzgrenze des § 6 Abs. 1 Z. 27 UStG 1994 idF vor dem StRefG 2020 (BGBl I 103/2019) betrug € 30.000,00. In den Kalenderjahren 2016 bis 2019 wurde somit die Umsatzgrenze in jedem Jahr überschritten.

5. Der Vorlageantrag vom wurde damit begründet, dass der Umsatz im Beschwerdejahr 2020 die ab diesem Jahr geltende neue Umsatzgrenze von € 35.000,00 um nicht mehr als 15 % überschritten habe, und daher die Kleinunternehmerregelung anzuwenden sei.

Rechtslage und Erwägungen

1. Gemäß § 6 Abs. 1 Z. 27 UStG 1994 idF StRefG 2020 (BGBl. I 103/2019) sind die Umsätze der Kleinunternehmer steuerfrei. Kleinunternehmer ist ein Unternehmer, der im Inland sein Unternehmen betreibt und dessen Umsätze nach § 1 Abs. 1 Z. 1 und 2 im Veranlagungszeitraum 35.000 Euro nicht übersteigen. (…)
Das einmalige Überschreiten der Umsatzgrenze um nicht mehr als 15 % innerhalb eines Zeitraumes von fünf Kalenderjahren ist unbeachtlich.

Die genannte Bestimmung ist zufolge § 28 Abs. 49 Z. 1 UStG 1994 erstmals auf Umsätze anzuwenden, die nach dem ausgeführt werden. Bis einschließlich 2019 betrug die Umsatzgrenze des § 6 Abs. 1 Z. 27 € 30.000,00.

2. Das einmalige Überschreiten der Umsatzgrenze um nicht mehr als 15 % innerhalb eines Zeitraums von 5 Kalenderjahren ist unbeachtlich. Auch bei der Ermittlung der Toleranzgrenze ist von den Einnahmen unter Herausrechnung einer allenfalls enthaltenen Umsatzsteuer auszugehen. Die Umsätze bleiben somit auch dann steuerfrei, wenn sie die Grenze von € 35.000 (bis 2019: 30.000) zwar überschreiten, aber nicht höher als € 40.250 (bis 2019: 34.500) sind. Das Überschreiten wird während eines Beobachtungszeitraums von 5 Jahren nur einmal toleriert. Kommt es innerhalb des Beobachtungszeitraums zu einem nochmaligen Überschreiten, ist in diesem Jahr Z. 27 nicht anwendbar. (Ruppe/Achatz in Ruppe/Achatz [Hrsg], UStG-Kommentar5 [2017] zu § 6 Rz 462)

3. Dem Vorbringen in der Beschwerde wie auch im Vorlageantrag ist zu entnehmen, dass die Bf ihre beantragte Steuerfreiheit nach der Kleinunternehmerregelung ausschließlich darauf stützt, dass im Beschwerdejahr zwar die Umsatzgrenze von nunmehr € 35.000,00 überschritten wurde, die Überschreitung aber innerhalb der 15 %-Grenze bzw. Toleranzgrenze blieb. Das Vorbringen lässt jedoch außer Acht, dass die Toleranzregelung nur einmalig innerhalb eines Zeitraumes von fünf Kalenderjahren zur Anwendung kommen kann.

Bereits nach dem Gesetzeswortlaut führt nur das einmalige Überschreiten der Umsatzgrenze um nicht mehr als 15 % dazu, dass die Kleinunternehmerregelung anwendbar bleibt. Überschritten kann eine Grenze jedoch nur dann werden, wenn sie nicht schon vorher überschritten war. Das bedeutet, dass die Toleranzregelung ua. nur dann zur Anwendung gelangt, wenn die im Vorjahr erzielten Umsätze innerhalb der Umsatzgrenze liegen. ( mit Verweisen auf ; ; -G/09)

Da im Beschwerdefall die Umsatzgrenze in den dem Beschwerdejahr vorangegangenen Kalenderjahren nicht nur einmalig, sondern laufend überschritten wurde, löst die Überschreitung im Beschwerdejahr, mag sie auch nunmehr innerhalb der Toleranzgrenze liegen, jedenfalls die Umsatzsteuerpflicht aus.

4. Aus den in der Umsatzsteuererklärung angegebenen und in der Folge im bekämpften Bescheid als Bemessungsgrundlage herangezogenen Bruttoumsätzen war richtigerweise, wie in der Beschwerdevorentscheidung geschehen, die Umsatzsteuer herauszurechnen. Im Umfang der Beschwerdevorentscheidung war der Beschwerde daher stattzugeben.

Unzulässigkeit der Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage war im Beschwerdefall schon aufgrund der Eindeutigkeit des Gesetzeswortlautes nicht zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2022:RV.3100080.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at