1. Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach Ergehen eines VwGH-Erkenntnisses - keine neue Tatsache 2. Unzulässiger Austausch des Wiederaufnahmsgrundes
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung der Anträge auf Wiederaufnahme hinsichtlich Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 und 2018 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Verfahrensgang
Mit Schreiben vom wurde seitens des Beschwerdeführers (Bf.) betreffend Einkommensteuer für die Jahre 2017 und 2018 der Antrag auf Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 BAO gestellt.
Bei der Berechnung der Einkommensteuer sei nicht berücksichtigt worden, dass die im Rahmen der europäischen Grenzschutzagentur Frontex geleisteten Auslandseinsätze laut Erkenntnis des , als Einsätze im Sinne des § 26 Abs. 3 BAO sowie der §§ 3 Abs. 1 Z 8 und 92 EStG 1988 anzusehen seien. Über den Umstand der nicht rechtmäßigen Versteuerung der Auslandstaggelder sei der Bf. am von Kollegen des Frontex-Pools mit Weiterleitung des Schreibens betreffend die schriftliche parlamentarische Anfrage Nr. 3123/J vom in Kenntnis gesetzt worden.
Es werde daher beantragt, die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2017 bis 2018 aufzuheben und unter Berücksichtigung der zu Unrecht versteuerten Taggelder für die Auslandsentsendungen in den angeführten Jahren neue Einkommensteuerbescheide zu erlassen.
Mit Bescheiden jeweils vom wurden die Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Antrag auf die Entscheidung des VwGH (Ro 2018/13/0008) gestützt werde. Jedoch seien im gegenständlichen Verfahren keine neuen Tatsachen hervorgekommen, sodass die Anträge abzuweisen seien.
Hiergegen wurde mit Schreiben vom , eingelangt am , Beschwerde erhoben.
Als Begründung wurde Folgendes angeführt:
a) In § 39 und § 39a des Beamten-Dienstrechtsgesetzes sei die Dienstzuteilung eindeutig geregelt. Aufgrund dieser Tatsache und dem Umstand, dass der Begriff "Auslandsbeamter" vom VwGH nun eindeutig bestätigt worden sei, glaube der Bf., dass die Einkünfte, welche er für seine Tätigkeit im Ausland - als Auslandsbeamter - erhalten habe, steuerfrei seien.
Nach Ansicht des Bf. sei bei dessen Antrag auf Wiederaufnahme zu berücksichtigen, dass es sich bei der nun endgültigen Festlegung des Begriffes "Auslandsbeamter" um Sachverhaltselemente handeln würde, welche im abgeschlossenen Verfahren zu berücksichtigen gewesen seien. Es müsse der Abgabenbehörde bekannt gewesen sein, dass sich der VwGH schon über einen längeren Zeitraum mit dieser Thematik beschäftigt habe.
b) Der Bf. verweise weiters auf den Rechtsatz zu VwGH 95/14/0094. Demnach sei für die Wiederaufnahme allein der Umstand maßgeblich, ob nach Abschluss des Verfahrens neue Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen seien bzw. ob die AbgBeh mehr oder minder weitreichende Erhebungen im abgeschlossenen Verfahren durchgeführt habe.
Auch diesen Rechtssatz fände er zutreffend und würde dieser den ursprünglichen Wiederaufnahmeantrag hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Einkommensteuerbescheide rechtfertigen.
c) Weiters sehe der Bf. eine außerordentliche Ungleichbehandlung darin, dass jene Steuerzahler, welche keine Einkommensteuererklärungen abgegeben hätten, diese "steuerfreien" Einkünfte als "Auslandsbeamte" nun für die Jahre 2013 - 2018 geltend machen könnten. Der Bf. könne sich nicht vorstellen, dass dieser Umstand dem Gleichheitsgrundsatz entspreche.
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde auf die Rechtsprechung hinsichtlich des Vorliegens von neuen Tatsachen verwiesen. Da in den gegenständlichen Verfahren keine neuen Tatsachen hervorgekommen seien, seien die Beschwerden abzuweisen.
Am langten als Ergänzungen zu den Beschwerden betreffend Einkommensteuer 2017 und 2018 bezeichnete Schreiben ein. In den beiden inhaltsgleichen Schreiben wurde vorgebracht, der Bf. habe im Kalenderjahr 2017 einen Computer angeschafft, welchen er auch für seine Arbeit als Polizeibeamter benötige. Anschaffungskosten (€ 805,72 im Jahr 2017) abzüglich 40% privat würde eine Bemessungsgrundlage von € 483,44 ergeben. Daraus ergebe sich eine jährliche AfA (Nutzungsdauer drei Jahre) von € 161,15. Es werde um Berücksichtigung der zusätzlichen Werbungskosten in Höhe von € 161,15 ersucht. Da der Antrag des Bf. auf Anregung einer Wiederaufnahme mit der Begründung, es liege kein Grund für eine Wiederaufnahme vor, abgewiesen worden sei, habe der Bf. noch einmal seine Unterlagen gesichtet. Dabei habe sich herausgestellt, dass im Jahr 2017 ein Computer angeschafft worden sei, welchen der Bf. steuerlich bis zu diesem Zeitpunkt nicht geltend gemacht habe. Der Bf. sei daher der Ansicht, dass nun sehr wohl neue Tatsachen vorliegen würden, weshalb er ersuche, seiner Beschwerde stattzugeben bzw. die Arbeitnehmerveranlagung wiederaufzunehmen. Im Falle der neuerlichen Abweisung seiner Beschwerde ersuche er um Vorlage an das Bundesfinanzgericht.
Die Beschwerden wurden dem Bundesfinanzgericht mit Vorlagebericht vom zur Entscheidung vorgelegt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Strittig ist im vorliegenden Fall, ob das Erkenntnis des VwGH Ro 2018/13/0008 vom bzw. die Nichtgeltendmachung von Werbungskosten taugliche Wiederaufnahmsgründe darstellen, um die Verfahren betreffend Einkommensteuer 2017 und 2018 wiederaufzunehmen.
Sachverhalt
Das Bundesfinanzgericht ist bei seiner Entscheidung von folgendem Sachverhalt ausgegangen:
Der Bf. bezog in den Streitjahren 2017 und 2018 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Polizist. In den verfahrensgegenständlichen Jahren wurde der Bf. mehrmals zu Auslandseinsätzen für die Europäische Grenzschutzagentur Frontex nach Italien entsandt. Im Rahmen der Entsendung wurden Taggelder ausbezahlt, welche vom Dienstgeber (der damaligen Erlassmeinung des BMF folgend) zum Teil steuerfrei und zum Teil steuerpflichtig behandelt wurden.
Die Einkommensteuerbescheide für 2017 und 2018 wurden am bzw. am erlassen und erwuchsen erklärungsgemäß in Rechtskraft.
Am langten die Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Einkommensteuer für 2017 und 2018 unter Verweis auf das Erkenntnis des zu Ro 2018/13/0008 ein, in welchem der Verwaltungsgerichtshof zusammengefasst entschied, dass die Besteuerung der von Frontex ausbezahlten Taggelder zu Unrecht erfolgt sei.
Die hiergegen erhobenen Beschwerden vom wurde mit Beschwerde-vorentscheidungen vom als unbegründet abgewiesen.
Der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerden durch das Bundesfinanzgericht langte am ein. In diesem wurde das Vorliegen neuer Tatsachen insoweit eingewendet, als zusätzliche Werbungskosten (Afa hinsichtlich eines im Jahr 2017 neu angeschafften Computers) bislang seitens des Bf. nicht geltend gemacht worden sind.
Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt sowie dem Parteienvorbringen und ist - soweit entscheidungsrelevant - unbestritten.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Rechtskräftig abgeschlossene Verfahren können nach Maßgabe der Bundesabgabenordung nur unter ganz bestimmten, im Gesetz angeführten Voraussetzungen, wiederaufgenommen werden.
Gemäß § 303 Abs. 1 BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn
a) der Bescheid durch eine gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder
b) Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, oder
c) der Bescheid von Vorfragen (§ 116) abhängig war und nachträglich über die Vorfrage von der Verwaltungsbehörde bzw. dem Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden worden ist,
und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis als vom rechtskräftigen Bescheid zum Ausdruck gebracht, geführt hätten. Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung solcher Sachverhalts-elemente - gleichgültig, ob diese späteren rechtlichen Erkenntnisse (neuen Beurteilungs-kriterien) durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder Rechtsprechung oder nach vorhergehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen werden - sind keine Tatsachen (vgl. , mwN). Die nachteiligen Folgen einer früheren unzutreffenden Würdigung oder Wertung des der Partei bekannten Sachverhaltes oder einer fehlerhaften rechtlichen Beurteilung lassen sich demnach bei unveränderter Tatsachenlage nicht nachträglich im Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigen ().
Es entspricht somit der ständigen Rechtsprechung zu § 303 Abs. 1 lit. b BAO, dass neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen durch Änderungen der Verwaltungspraxis oder der Rechtsprechung, Entscheidungen von Gerichten oder Verwaltungsbehörden und im Besonderen auch höchstgerichtliche Erkenntnisse keine "Tatsachen" im Sinne dieser Bestimmung sind (vgl. ).
Diese Voraussetzungen sind auch im Rahmen einer Wiederaufnahme von Amts wegen zu beachten.
In den verfahrensgegenständlichen Anträgen auf Wiederaufnahme der Jahre 2017 und 2018 führte der Bf. aus, dass der Verwaltungsgerichtshof entschieden habe, dass die Dienststelle des Beamten bei Einsätzen im Sinne des § 39a BDG für die Dauer der Entsendung an eine ausländische Einrichtung im Ausland liege, der Beamte daher für diesen Zeitraum als Auslandsbeamter im Sinne des § 26 Abs. 3 BAO anzusehen sei und etwaige zur Auszahlung gelangten Taggelder daher einer Steuerbefreiung unterliegen würden.
Damit gründet sich der Antrag auf Wiederaufnahme jedoch auf eine gerichtliche Entscheidung, die einen im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides bekannten Sachverhalt nachträglich rechtlich anders beurteilt. Da somit nach ständiger Rechtsprechung keine neuen Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 1 BAO vorliegen, war der Beschwerde kein Erfolg beschieden (vgl. hierzu ; ; ; ).
Im Rahmen des Vorlageantrages wurde seitens des Bf. vorgebracht, er habe zusätzliche Werbungskosten (AfA für einen Computer) in den Jahren 2017 und 2018 nicht geltend gemacht. Nach Ansicht des Bf. würden daher sehr wohl neue Tatsachen vorliegen.
Welche gesetzlichen Wiederaufnahmsgründe durch einen konkreten Sachverhalt als verwirklicht angesehen und daher als solche herangezogen werden, bestimmt bei der Wiederaufnahme auf Antrag die betreffende Partei. Aus den vorstehenden Grundsätzen ist abzuleiten, dass bei einer Antragswiederaufnahme die Partei im Wiederaufnahmeantrag angibt, aus welchen Gründen das Verfahren wiederaufzunehmen ist. Daraus folgt, dass die Sache, über die in der Beschwerde gegen einen Wiederaufnahmebescheid oder einen Bescheid, mit dem die beantragte Wiederaufnahme abgewiesen wird, zu entscheiden ist, bei der beantragten Wiederaufnahme durch die Partei im Wiederaufnahmeantrag festgelegt wird ( zu § 299 BAO auf der Grundlage des dort zitieren Erkenntnisses ). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es sohin auch im Falle der Antragswiederaufnahme unzulässig, im Rechtsmittelverfahren den von der Partei im Antrag bestimmten Wiederaufnahmsgrund gegen einen anderen Wiederaufnahmsgrund auszutauschen (vgl. ; ).
Ungeachtet dessen, wäre der Beschwerde mit diesem Vorbringen ohnehin kein Erfolg beschieden gewesen, da nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (; ; ) bei einem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens das Neuhervorkommen von Tatsachen aus der Sicht des jeweiligen Antragstellers (im vorliegenden Fall aus der Sicht des Bf.) zu beurteilen ist. Die irrtümliche Nichtgeltendmachung von Werbungskosten stellt jedoch keine neue Tatsache aus Sicht des Bf. dar, da ihm das Vorliegen derselben im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bekannt gewesen sein musste.
Die Beschwerden waren aufgrund der obgenannten Ausführungen abzuweisen.
Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall - insbesondere im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung - nicht erfüllt.
Linz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2022:RV.5100527.2021 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at